Praktikum bei einer NGO in Ecuador

Im Rahmen meines Masterstudiums Interdisziplinäre Lateinamerikastudien habe ich bei der ecuadorianischen NGO Allpamama „Madre Tierra“ ein fünfmonatiges Praktikum absolviert.

Fundación Allpamama „Madre Tierra“ ist eine ecuadorianische NGO, die 2022 von Kichwa-Indigenen gegründet wurde, die vor ein paar Jahrzehnten aus der Gemeinde Sarayaku in die Stadt Puyo migriert sind. Da sie selbst viele Hürden bei der Integration in die Stadtgesellschaft erlebt haben, ist das Hauptziel der NGO, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene bei dem Umzug in die Stadt zu unterstützen.

Über den Zeitraum des Praktikums gab es sehr unterschiedliche Aufgabenfelder.
In einem ersten Schritt haben uns mehrfach im Team getroffen, um meine Aufgaben zu konkretisieren: Begleitung der täglichen Aufgaben, Unterstützung bei der Erstellung und Beantragung eines Projektes und das Erlernen des Kichwa, einer der indigenen Sprachen in der Region Pastaza und Amtssprache der NGO.

In den ersten Monaten habe ich viel Zeit dafür bekommen, das ecuadorianische NGO-System kennenzulernen, wodurch ich wesentliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gegenüber dem deutschen Vereinswesen ausmachen konnte.

Zusätzlich habe ich basierend auf Antragsformularen deutscher Geldgeber ein Formular für Projektideen entworfen. Basierend auf den Projektideen der einzelnen Teammitglieder ist so ein Projektarchiv mit Anregungen für zukünftige Projekte entstanden. Darüber hinaus konnte das Team von Allpamama die Antragslogik deutscher Geldgeber kennenlernen.

Während des gesamten Zeitraums bei Allpamama gehörten auch klassische Büroarbeiten zu meinen Aufgaben, in diesem Fall bestehend aus Recherchen zu verschiedenen für die NGO relevanten Themen und die Digitalisierung des bis dato analogen Publikationsarchivs der NGO. Auch konnte ich bei Übersetzungen zwischen Englisch und Spanisch unterstützen und kleinere Englischunterrichtseinheiten in Englisch geben.

Während meiner Praktikumszeit hat Allpamama an verschiedenen Konferenzen und Treffen teilgenommen, die ich begleiten durfte. Einer der Höhepunkte war der Cumbre del Yasuní. Ein Jahr nachdem die Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer in einem Referendum entschieden haben, das die Erdöl-Förderung beendet werden soll, hat die Regierung noch keine weiteren Maßnahmen unternommen. Aus diesem Grund hatten die im Yasuní lebenden Waorani eine Konferenz einberufen, um über mögliche Maßnahmen zu beraten.

Außerdem hat innerhalb des Praktikumszeitraums eine Versammlung von PAKKIRU stattgefunden, der Dachorganisation der Kichwa in der Provinz Pastaza. Dort konnte ich mich mit den aktuellen Themen und Konflikten in der Region vertraut machen, zum Beispiel die Analyse der politischen Konjunktur Ecuadors. Oder eine aktuelle Gefahr der Territorien durch die erfundenen vereinigten Staaten von Kailasa, einer Betrüger-Gruppe aus Indien, die weltweit versucht, Gebiete zu erlangen.

Ein weiteres Highlight waren mehrere Reisen in die Kichwa-Gemeinde Sarayaku, wo ich meine frisch erworbenen Kichwa-Kenntnisse ausprobieren konnte. Anfang Dezember hat die halbjährliche Hauptversammlung der Gemeinde stattgefunden. So konnte ich die traditionellen Entscheidungsstrukturen der von Sarayaku kennenlernen.

Im Dezember und Januar standen die Finalisierung des Projektantrags und die Suche nach möglichen Geldgebern für das Projekt „Festival de Cuentos“ im Vordergrund meiner Arbeit. Die Grundidee ist es, die orale Tradition des Geschichtenerzählens der Kichwa in der Stadt Puyo zu fördern. Das interkulturelle Projekt kann eine Chance vor allem für junge Menschen sein, ihre eigene Identität zu stärken und ihr Selbstvertrauen in der neuen Umgebung zu stärken. Pünktlich zum Ende meines Praktikums konnten wir den Projektantrag erfolgreich einreichen. Da die Antwort seitens der Geldgeber*innen noch aussteht, steht in Frage, ob wir das Projekt noch vor meiner Abreise nach Deutschland (Anfang Mai) angehen können.

Einen wichtigen Teil meines Praktikums hat das Erlernen der indigenen Sprache Kichwa ausgemacht. Im Vergleich zum Quechua, das in den Anden gesprochen wird, konnte ich viele sprachstrukturelle Ähnlichkeiten erkennen. Außerdem hatte ich das Glück, dass ein Gemeindemitglied von Sarayaku in der Vergangenheit einen online Sprachkurs erstellt hat. So konnte ich mir im Laufe meines Praktikums eine kleine Grammatik erstellen, die mir beim Lernen sehr geholfen hat.

Während meines Praktikums sind mir immer wieder Punkte aufgefallen, bei denen die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Akteur*innen ungerechte und unfaire Strukturen reproduziert. Da ich in der Vergangenheit in mehreren Hausarbeiten über epistemische Gewaltstrukturen geschrieben habe, waren diese Erkenntnisse besonders interessant für mich. Allein schon in der Antragsform gibt es bei der Herangehensweise an ein Projekt starke kulturelle Prägungen, die den traditionell ganzheitlichen Denkmustern der Kichwa widersprechen. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Abrechnungsformen und sprachliche Hürden, die es lokalen Organisationen ohne fremde Unterstützung quasi unmöglich machen, Projektanträge zu stellen, geschweige denn die Ausschreibung zur Bewerbung überhaupt zu finden.

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