Mehr Home-Office? Auf die Bedingungen kommt es an!

Mehr Home-Office?

„Mehr Home-Office“, „flexiblere Wahl des Arbeitsorts“ und „flexiblere Einteilung der Arbeitszeit“ – das waren die in unserer Umfrage mit Abstand am meisten genannten Antworten auf die Frage, was in die Zeit nach Corona gerettet werden sollte. Oftmals wurden in diesem Zusammenhang die Zeitersparnis durch den Wegfall des Anfahrtsweges, manchmal verbunden mit Umweltaspekten, mehr Effizienz und konzentrierteres Arbeiten, vor allem aber die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt.

Besonders häufig wurde der Wunsch nach mehr Home-Office und Flexibilisierung dabei von der Statusgruppe der „Sonstigen Mitarbeiter*innen“ genannt. Aber auch Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen wünschten deutlich mehr Flexibilität. Doch es gab auch andere Stimmen. Unter Belastungen wurden häufiger mangelnde Struktur und fehlende Trennung von Privatleben und Beruf beklagt. Zur Herausforderung wurde das Home-Office im Lockdown für Familien, die von Kita- und Schulschließungen betroffen waren. Dieser Punkt wurde, wenig überraschend, besonders häufig von Frauen genannt.[1]  Zugleich merkten einige jedoch auch positiv an, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können. In einigen Fällen mangelte es an geeigneten Räumlichkeiten, seltener an Ausstattung, ergonomischer Gestaltung des Arbeitsplatzes und/oder einer stabilen Internetverbindung. Ungleiche Aufgabenverteilung und Möglichkeiten des Arbeitens im Home-Office wurden ebenfalls genannt. Vermisst wurde aber vor allem und von Seiten der Mitarbeiter*innen der Austausch und Kontakt zu den Kolleg*innen. Hier wurden besonders auch die spontanen Flurgespräche und der informelle Plausch beim Essen oder am Kaffeeautomaten genannt, welche sich nicht durch Videokonferenzen ersetzen lassen. Auch der face-to-face Kontakt zu Studierenden wurde vermisst, wie auch ganz generell, auch von Studierenden, das „Uni-Feeling“.

Das verordnete Home-Office unter Pandemiebedingungen wird insgesamt als ambivalent wahrgenommen. Dennoch wünschen sich viele die Möglichkeit, für den – hoffentlich in absehbarer Zeit wieder eintretenden – Normalbetrieb mehr Flexibilität bei der Wahl von Arbeitsort und -zeit.

Mehr Flexibilität.

Mehr Flexibilität ist vermutlich auch in der neuen Dienstvereinbarung „DV Flex“ vorgesehen, die ab dem 1. Januar 2021 die bisherige „DV Alternierende Telearbeit und mobiles Arbeiten“ ersetzen sollte.[2]

Was ist Telearbeit?
Nach der zum 31. Dezember 2020 vom Präsidium gekündigten Vereinbarung[3] konnten Mitarbeiter*innen auf Antrag bis zu 40 % der Arbeitszeit als Telearbeit zu verrichten, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben waren. Hierüber entschieden die jeweiligen Vorgesetzten. Die Telearbeit muss an einem genau festgelegten und dafür ausgestatteten Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung erfolgen. Während die FU als Arbeitgeberin für die Ausstattung verantwortlich ist, obliegt es der/m Mitarbeiter*in, technische Voraussetzungen, die Einhaltung des Arbeitsschutzes und Datenschutzes am häuslichen Arbeitsplatz sicher zu stellen und zur Überprüfung ggf. Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Strom- und Telefonkosten werden von der FU mit einer Kostenpauschale bezuschusst, Kosten für dienstliche Telefonate können erstattet werden. Die Verteilung der Arbeitszeit zwischen Büro und Home-Office muss genau festgelegt werden und Präsenzzeiten innerhalb der Kernarbeitszeit vereinbart werden.

Was ist Mobiles Arbeiten?
2015 wurde die ursprüngliche DV Alternierende Telearbeit um die Möglichkeit des mobilen Arbeitens ergänzt, um, auch mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auf kurzfristige und vorübergehende Bedürfnisse eingehen zu können. Mobiles Arbeiten konnte nach der alten Regelung für bis zu 21 Tagen im Jahr und an maximal drei, in Ausnahmefällen fünf Arbeitstagen im Monat beantragt werden, allerdings nur, wenn nicht gleichzeitig Telearbeit in Anspruch genommen wurde. Dabei war die Arbeitszeit im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen frei wählbar und es gab keine Festlegung des Arbeitsortes. Allerdings bestand dabei weder Anspruch auf Bereitstellung der technischen Ausstattung durch den Arbeitgeber noch auf Übernahme von entstehenden Kosten. Die neue DV Flex, die derzeit mit dem Personalrat Dahlem verhandelt wird, soll die Regelungen für Telearbeit, mobiles Arbeiten und Gleitzeit nun in einer Vereinbarung bündeln.

Zur Geschichte.
Der heute altmodisch anmutende Begriff Telearbeit geht auf den 1973, lang vor dem Zeitalter der Digitalisierung, von James Nilles geprägten Begriff „telecommuting“ zurück (Nilles 1988). Nilles ging es zunächst vor allem darum, durch eine Auslagerung der Arbeit das wachsende Verkehrsaufkommen zu verringern. Damit würde, so Nilles, zugleich auch die Unfallrate sinken, die Luftqualität verbessert werden und – angesichts der damaligen Ölkrise besonders aktuell – der Energieverbrauch zurückgehen. Nilles Zukunftsvision sah dabei nicht nur Arbeiten im Home-Office, sondern vor allem in dezentralen, wohnortsnahen Außenstationen von Betrieben oder auch betriebsunabhängigen Satelitenstationen vor – im heutigen Sprachgebrauch „Co-working spaces“.

Die Möglichkeiten des Home-Office bzw. von Telearbeit und Mobilen Arbeitens werden auch im digitalen Zeitalter bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, wobei Deutschland – zumindest vor Corona – im europäischen Vergleich noch unter dem Durchschnitt lag (Brenke 2016). Laut Mikrozensus von 2018 arbeiteten 11,8 % der Bevölkerung zumindest gelegentlich von zuhause aus (Bonin et al. 2020). Dabei sind auch deutliche Hierarchien erkennbar. So wird Home-Office weitaus häufiger von Personen mit akademischem Abschluss in Anspruch genommen (Brenke 2016). Das Potential für Home-Office wird deutlich höher eingeschätzt (Brenke 2016) und jede fünfte Person wünscht sich demzufolge im Home-Office arbeiten zu können.

Folgen von Home-Office – v.a. für Frauen

Derzeit häufen sich allerdings die Hinweise, dass sich durch das pandemie-bedingte Mobile Arbeiten soziale Ungleichheiten verstärken.[4] Davon sind insbesondere auch Frauen betroffen, die oftmals den größeren Teil der Sorgearbeit übernehmen.[5] Auch Studien vor Corona zeigen auf, dass sich durch Telearbeit durchaus traditionelle Rollenverteilungsmuster (re-)etablieren und Frauen tendenziell mehr Zeit im Home-Office mit Haus- und Care-Aufgaben verbringen (Carstensen 2020). So kommt Carstensen in ihrer Studie zwar zu dem Schluss, dass sich Telearbeit nicht nur positiv auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auswirkt, sondern auch zur Verringerung des gender-pay-gaps beiträgt. Allerdings zu einem Preis. Denn Frauen arbeiten im Home-Office zwar mehr, erledigen aber auch mehr der Haus- und Sorgearbeit. „Zugespitzt“, schreibt Carstensen, „befördern digitale flexible Angebote damit die individualisierte Alltagsoptimierung und führen zu einer Verunsichtbarung der dadurch entstehenden Anforderungen und Belastungen.“ (Carstensen 2020, 203). Und weiter: „Deutlich wird auch, wie wirkmächtig die Rahmenbedingungen für die praktizierte Arbeitsorganisation und -teilung sind.“ (ebd.).

Und nun?

Mehr Home-Office und generell die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort werden derzeit von unterschiedlichen Seiten gefordert. Dabei gilt es die jeweiligen Interessen im Blick zu halten. Aus Sicht von Arbeitgeber*innen sind die Zufriedenheit, Gesundheit und damit erwartete erhöhte Produktivität der Arbeitnehmer*innen durchaus von Interesse, zugleich mögen auch Einsparungsmöglichkeiten zur Attraktivität beitragen. Im Raum steht jedoch noch immer die Frage der Kontrolle. Nicht alle Vorgesetzten vertrauen ihren Mitarbeitenden. Auf der anderen Seite steht die Sorge um ständige Erreichbarkeit und digitale Überwachung seitens der Arbeitnehmer*innen, auf die die Gewerkschaften verweisen.[6]

  • Für Arbeitnehmer*innen sind Autonomie, Zeitgewinn und verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf tragende Argumente. Letzteres gilt besonders auch für Frauen.
  • Zugleich sind jedoch Frauen noch immer besonders von negativen Folgen der Entgrenzung und doppelten Belastung betroffen.

Hier gilt es – jenseits des gesamtgesellschaftlichen Ziels einer gerechten Verteilung der Care-Arbeit! – Regelungen zu finden, die sowohl arbeitnehmer*innenfreundlich als auch gendersensibel sind, um Autonomieempfinden und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht gegen Eigenverantwortung für die Arbeitsbedingungen und erhöhten Druck zur Selbstausbeutung einzutauschen.

Im Fazit:
Mehr Home-Office? Eindeutig ja, aber auf die Bedingungen kommt es an!

Literatur

Bonin, H. et al. (2020). Verbreitung und Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice. Kurzexpertise. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) Forschungsbericht 549.

Brenke K (2016) Home Office:Möglichkeiten werden bei weitem nicht ausgeschöpft. DIW Wochenbricht 5/2016, 95–105

Carstensen, T. (2020). Orts- und zeitflexibles Arbeiten: Alte Geschlechterungleichheiten und neue Muster der Arbeitsteilung durch Digitalisierung [Flexibility in working time and place of work: Old gender inequalities and new patterns of division of labor through digital transformations]. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft. (2), 195-203. https://doi.org/10.1007/s41449-020-00213-y

Gajendran, R. S., & Harrison, D. A. (2007). The good, the bad, and the unknown about telecommuting: Meta-analysis of psychological mediators and individual consequences. The Journal of Applied Psychology, 92(6), 1524–1541. https://doi.org/10.1037/0021-9010.92.6.1524

Nilles, J. M. (1988). Traffic reduction by telecommuting: A status review and selected bibliography. Transportation Research Part a: General, 22(4), 301–317. https://doi.org/10.1016/0191-2607(88)90008-8


[1] Einschränkend muss hier allerdings erwähnt werden, dass (erstaunlich) viele – annähernd zwei Fünftel der Befragten in allen Statusgruppen – keine Angaben zum Geschlecht gemacht haben.

[2] https://www.fu-berlin.de/sites/gpr/news/20210126_dienstvereinbarungen.html

[3] https://www.fu-berlin.de/service/zuvdocs/personal/2015/pb-05-2015-alternierende-telearbeit-anlage.pdf

[4] https://bukof.de/service/corona-gleichstellung-und-hochschule-in-der-pandemie/

[5] https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-frauen-in-der-coronakrise-starker-belastet-29949.htm

[6] https://fidi.verdi.de/banken/private-oeffentliche-banken/++co++25d8b910-944e-11ea-aff1-525400b665de
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/gewerkschaften-fordern-mehr-arbeitsschutz-im-homeoffice/


Marie-Schlei-Preis 2020

Marie-Schlei-Preis und Preis für beste Lehre wurde in gemeinsamer Veranstaltung verliehen

Der 26. November 2020 war ein besonderer Tag: Um 15 Uhr wählten sich fast 70 Mitglieder des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie in eine WebEx-Konferenz ein. Die Beteiligten kamen aus allen Statusgruppen und aus allen Wissensbereichen des Fachbereichs, z.T. festlich gekleidet, das Lieblingsgetränk zur Hand und einige demonstrierten ganz dezent Schokoladen und Blumensträuße.

Anlass für diese etwas ungewöhnliche Veranstaltung waren gleich zwei Preisverleihungen: So verliehen Studierende des Fachbereichs den Preis für beste Lehre 2020 in mehreren Kategorien und der Fachbereich zeichnete vier junge Wissenschaftlerinnen für ihre exzellenten Abschlussarbeiten mit dem Marie-Schlei-Preis 2020 aus.

Preis für beste Lehre 2020

Da der Fachbereichstag dieses Jahr ausfallen musste und leider auch zur Absolvent:innenfeier pandemiebedingt nicht eingeladen werden konnte, entstand die Idee, die beiden Preise gemeinsam zu feiern. Beim Preis für beste Lehre waren die Überraschungen für die Betroffenen perfekt. Hier wiederholte sich die Schilderung der z.T. sichtlich berührten Preisträger:innen, dass kurz vor der Veranstaltung ein „Mann mit Maske und Blumenstrauß“ vor der Tür gestanden hatte und den verblüfften Empfänger:innen eben diesen Blumenstrauß überreicht hatte.

Der Zufall wollte zudem, dass der Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie zum 21. Mal den Marie-Schlei-Preis an eben dem Tag verlieh, an seine Namensgeberin Marie Schlei ihren 101. Geburtstag gefeiert hätte.

Marie-Schlei-Preis 2020

Die Preisträgerinnen des Marie-Schlei-Preises hatten sich auch schon über ihre Blumen gefreut, waren aber etwas vorbereiteter, weil sie z.T. ihre nun ausgezeichneten Arbeiten vorstellten und daher vorher informiert worden waren. So lernten die Anwesenden nebenbei noch etwas darüber, was Schüler:innen hilft, wenn sie vom Gymnasium an eine Sekundarschule wechseln, und wann Messfehler in Berechnungen berücksichtigt werden sollten, um ggf. valide kausale Schlüsse zu ziehen, und wann dies verzichtbar ist. Neugierig geworden? Dann schauen Sie sich gern die ausgezeichneten Arbeiten an!

Veranstaltungsreihe 2020

Es gibt viel zu wenige Frauen in der Wissenschaft. Das ist schade und die Gründe dafür sind vielfältig. Wir wollen interessierte und talentierte Frauen ermutigen, sich gezielt und vertrauensvoll in diese Richtung zu bewegen. Deswegen gibt es an unserem Fachbereich die Veranstaltungsreihe „Eine wissenschaftliche Laufbahn planen“. Dieses Jahr können Studentinnen und Promovendinnen von gestandenen Professorinnen erfahren, welche Erfahrungen sie in diesem Beruf machen und was sie jungen Wissenschaftlerinnen auf den Weg geben wollen. Aber es gibt auch Austausch zu alternativen beruflichen Wegen als Wissenschaftlerin. Und last but not least bieten wir einen Workshop zur beruflichen Zielentwicklung an.

Wann? Am 29. Oktober 2020 ab 11 h …

Wo? Im Seminarzentrum, Raum L116. Ja, genau, wir wollen eine Präsenzveranstaltung wagen …

Update: Aufgrund der aktuellen Entwicklungen dürfen Präsenzveranstaltungen in der geplanten Form nicht stattfinden; wir weichen also aufs digitale Format per Videokonferenz aus.

Kosten? Die Veranstaltung ist für Promovendinnen und Studentinnen unseres Fachbereichs kostenfrei.

Mehr Infos gefällig? Gerne: Hier 🙂

Anmeldung für den Vormittag bei der Frauenbeauftragten!
(Der Nachmittag ist leider ausgebucht.)

Gender Diversität vs. Frauenförderung?

Widerspricht das Ziel der Gender Diversität nicht dem Anliegen der Frauenförderung? Lange Zeit haben wir dafür gekämpft, Frauen in Sprache und Bild sichtbar zu machen. Inzwischen stellt sich vor dem Hintergrund der Vielzahl von Geschlechtsidentitäten die Frage, ob es nicht eher darum gehen sollte, das Geschlecht nicht zu erwähnen, also quasi unsichtbar zu machen, um Gleichstellung umzusetzen. Nicht allen reicht der „Umweg“ über ein drittes Geschlecht. Wie können wir dann Frauen fördern? Ist das überhaupt noch ein zeitgemäßes Ziel?

Zunächst lässt sich festhalten, dass wir als Gesellschaft trotz entsprechender Bemühungen – seit Jahrzehnten! – der Gleichstellung der Frauen schon etwas näher gekommen sind, das Ziel aber nach wie vor noch lange nicht erreicht haben; Frauen werden weiterhin in vielen Bereich benachteiligt. Frauenförderung bleibt demzufolge weiterhin ein wichtiges Ziel – bis wir die Gleichstellung von Frauen erreicht haben. Dies ist ein weiterhin wichtiges Teilziel der Gleichstellung aller Geschlechter. Beibt die Frage nach der gendergerechten und -sensiblen Sprache.

Zunächst mal lässt sich zeigen, dass sich die gewählte Art des Sichtbarmachens von Geschlechtern sehr wohl darauf auswirkt, was Lesende und Hörende sich vorstellen (hierzu etwa Heise, 2000; Stahlberg & Sczesny, 2001):

  • Die Studenten/Studierende. Generische Maskulina  und neutrale Begriffe  werden mehrheitlich mit Männern assoziiert.
  • Studentinnen und Studenten. Beim Splitten werden Frauen und Männer etwa zu je 50% assoziiert. Menschen, die sich beiden Gruppen nicht zugehörig fühlen, werden ignoriert.
  • StudentInnen. Beim großen I werden Frauen zu mehr als 50% mitgedacht.
  • Student_innen/Student*innen. Hier wird an Frauen, Diverse und Männer gedacht.

Dann ist doch alles klar, könnten wir denken. Dem ist aber wohl nicht so. Weder die als Gendergap bezeichnete Schreibweise mit Unterstrich noch das sog. Gendersternchen sind unumstritten. Und obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung das Anliegen einer geschlechtergerechten Sprache ausdrücklich anerkennt, mochte er sich noch keiner Schreibweise anschließen, sondern will abwarten, welche Schreibweise sich letztendlich durchsetzt (PM 2018). Dies hat konkrete Konsequenzen für Texte, die etwa die Freie Universität veröffentlicht. In Studien- und Prüfungsordnungen der FU werden neutrale Begriffe wie Studierende verwendet, aber da, wo das schwierig ist, wird auf das Splitting zurückgegriffen (z.B. Absolventinnen und Absolventen), was einen Teil der Studierendenschaft nicht berücksichtigt und damit eine Diskriminierung durch Ignorieren darstellt (auch wenn das nicht die Absicht ist).

Aktuell wird die überarbeitete Studien- und Prüfungsordnung des neuen polyvalenten Bachelorstudiengangs in der Psychologie diskutiert (wegen des neuen Gesetzes zur Ausbildung in psychologischer Psychotherapie). Ob es hier gelingt, sich insgesamt auf geschlechterneutrale Formulierungen zu einigen und damit Vorbildfunktion zu übernehmen, wissen wir am 16. Juli 2020.

Literatur

Heise, Elke (2000). Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen. Sprache und Kognition — Zeitschrift für Sprach- und Kognitionspsychologie und ihre Grenzgebiete, 19(1/2), 3 – 13.

Stahlberg, Dagmar & Sczesny, Sabine (2001). Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Psychologische Rundschau, 52(3), 131 – 140.

17. März 2020

Im Jahr 2020 fällt der Equal Pay Day in Deutschland zum ersten Mal auf den 17. März; im vergangenen Jahr war es der 18. März, vor zehn Jahren fiel er auf den 26. März – ein Fortschritt? Was bedeutet dieser Tag? Er markiert deutlich die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland: Bis zu diesem Tag arbeiten Frauen hier im Durchschnitt seit Jahresbeginn zusätzlich zum vergangenen Jahr (also quasi unentgeltlich), um genauso viel Geld verdient zu haben wie die Männer allein im Vorjahr. Das heißt in Zahlen: Frauen verdienen faktisch hierzulande im Durchschnitt 21% weniger als Männer, und damit gehört Deutschland gemeinsam mit Estland und der Tschechischen Republik europaweit zu den Schlusslichtern (eurostat). Dieser Umstand führt zum sogenannten Gender Pension Gap: Deutsche Rentnerinnen erhalten im Durchschnitt nur etwa 53% dessen, was Männer als Rente beziehen (Drucksache 18/13119 des Deutschen Bundestages).

Gründe für den Gender Pay Gap

Ein Teil dieses Unterschieds ist darauf zurückzuführen, dass Frauen …

  • häufiger Teilzeit arbeiten,
  • häufiger (unbezahlte) Pflege-/Sorgeaufgaben übernehmen und
  • häufiger Berufe ergreifen, die trotz gleicher Qualifikationsstufe schlechter bezahlt werden (z.B. Krankenpflege vs. Handwerk).

Aber auch dann, wenn man diese Faktoren berücksichtigt und einen sogenannten bereinigten Gender Pay Gap berechnet, zeigt sich, dass Frauen für dieselbe Arbeit im Mittel 6% weniger verdienen. Das heißt, Frauen werden systematisch benachteiligt!

Gender Pay Gap überall –  in der Wissenschaft …

„Das kann aber nicht im Öffentlichen Dienst und daher auch nicht an der Universität passieren!“ Glauben Sie? Leider ein Irrtum! Sicher: Bei den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen gibt es keinen Spielraum; hier verdienen Frauen in der Regel genauso viel wie Männer. Sobald es aber an die Besoldungen der Professor*innen geht, bei denen Leistungsbezüge zum Grundgehalt dazukommen, tut sich wieder einmal ein Abgrund auf, wie Hubert Detmer (2020) unter Rückgriff auf Daten des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2018 aufzeigt.

Quelle: eigene Abbildung [unter Rückgriff auf Angaben des Statistischen Bundesamts nach Detmer (2020)]
Der Gender Pay Gap ist besonders eklatant in der höchsten Besoldungsstufe: Während er 2018 immerhin 3,3 % bei W1 und 4,3% bei W2-Professuren beträgt, steigt er bei W3-Professuren auf 7,8%!

Gender Pay Gap überall – … und in den Köpfen

Zwei in letzter Zeit häufiger zitierte Studien mit bundesdeutschen repräsentativen Daten von Katrin Auspurg und Kolleg*innen (2017) sowie Jule Adriaans und Kolleg*innen (2020) kommen zu dem Ergebnis, dass Männer wie Frauen es als gerecht bewerten, wenn Männer mehr verdienen (der Unterschied liegt – je nach Studie – zwischen 3 und 8 %). Gleichzeitig heißt es, dass fast alle Befragten eingangs die Meinung vertreten hätten, dass unabhängig vom Geschlecht gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden sollte.  Ist das nicht widersprüchlich?

Die Erklärung dafür liegt in der Art, wie gefragt wurde:

  1. Wurden Personen gebeten, grundsätzlich zu beurteilen, ob Männer und Frauen für die gleiche Arbeit auch gleich viel Geld bekommen sollten, also im direkten Vergleich, waren sie sich einig: JA!
  2. Wurden sie hingegen einzeln gefragt, ob es gerecht wäre, wenn Person XY (das Geschlecht war erkennbar) in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Gehalt erhält, also im indirekten Vergleich, zeigte sich, dass die Befragten den fiktiven Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld zusprachen als den fiktiven Männern. Hier waren sie sich also auch einig: NEIN! Offenbar sind hier nach wie vor geschlechterstereotype Zuschreibungen zu beobachten, und zwar gleichermaßen bei Männern wie Frauen.

Was können wir tun?

  1. Wir müssen strukturelle Maßnahmen weiter vorantreiben. Hindernisse für eine Vollzeitstelle müssen weiter abgebaut werden (etwa in Form ausreichender Betreuung von Menschen, die diese brauchen); gleichzeitig sollten Männer weiterhin ermuntert werden, diese Formen von Arbeit mit den Frauen gerecht zu teilen (Equal Care) und auch wertzuschätzen. Karriereperspektiven von Frauen sollten weiterhin gefördert werden. Die diskriminierungsfreie Bewertung aller Berufe muss weiter vorangetrieben werden; ein Beispiel ist hier die Kampagne zur Neudefinition der Hochschulsekretariate: FairNetztEuch.
  2. Gehälter müssen transparent sein. Das Entgelttransparenzgesetz soll Arbeitnehmende dabei unterstützen, ihren Anspruch auf Gleichbezahlung durchsetzen zu können. Zwar erfahren sie dadurch u.U. lediglich, wie viel Kolleg*innen verdienen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben; dennoch ist das eine wichtige Information, um z.B. als angehende Professorin besser verhandeln zu können.
  3. Und nicht zuletzt sollten wir uns auch an die eigene Nase fassen und an unseren eigenen Stereotypen arbeiten. Was wir aus der Forschung wissen, ist: Je mehr geschlechtsneutrale Vorbilder wir haben, desto mehr wandeln sich auch unsere Stereotype. War es vor 30 Jahren noch „Wahnsinn“, wenn ein Mann mit seinem Kind tagsüber auf  dem Spielplatz war, ist das heute normal. Künftig sollte es keine Meldung mehr sein, dass die erste Vorstandsvorsitzende der BVG  wirklich eine Frau war und fünf Kinder hat …
Quellen

Adriaans, J., Sauer, C., & Wrohlich, K. (2020). Gender Pay Gap in den Köpfen: Männer und Frauen bewerten niedrigere Löhne für Frauen als gerecht. DIW Wochenbericht, 10/2020, 147-152.

Auspurg, K.,  Hinz, T., & Sauer, C. (2017). Why should women get less? Evidence on the Gender Pay Gap from multifactorial survey experiments. American Sociological Review, 82 (1), 179–210.

Detmer, H. (2020). Welche W-Besoldungen zahlen die Bundesländer wirklich? Forschung & Lehre, 27, 32-34.

Psychologie: Frauen unterrepräsentiert

Am 12. Dezember 2019 hat unser Fachbereichsrat (FBR)  den neuen Frauenförderplan 2019/2020 beschlossen (inzwischen, am 13.05.2020, auch vom Akademischen Senat beschlossen). Wer einen Blick hineinwirft, stellt fest, dass 2018 acht von zehn Studierenden im Fachbereich (FB) Frauen waren und fast fünf von zehn Professor*innen weiblich. Gar nicht so schlecht, oder? Stimmt. Darauf können wir aufbauen.

Gleichzeitig  zeigt sich aber auch, dass die Lage in den einzelnen Fächern unterschiedlich zu beurteilen ist. So kommen im Wissenschaftsbereich (WB) Psychologie nur drei Frauen auf zehn Professuren, trotz vergleichbarer Geschlechterverhältnisse bei den Studierenden. Auf der Mitarbeiter*innen-Ebene sieht es etwas besser aus, aber keineswegs zufriedenstellend: Während ihr Frauenanteil im FB bei 59% liegt, beträgt der Anteil im Fach Psychologie nur 49%. Vor dem Hintergrund, dass die Abschlussquoten der Frauen bei 80% und die Promovendinnenquote bei 75% liegen, bleibt noch einiges zu tun!
Was hat sich der FB vorgenommen?

Der FB hat zum einen (1) Zielquoten nach dem Kaskadenmodell festgelegt und zum anderen (2) Maßnahmen beschlossen, um diese Quoten zu erreichen.

1. Zielquoten nach dem Kaskadenmodell

Bei den Zielquoten gilt es, gewissermaßen einen Spagat hinzulegen:
Einerseits strebt der FB grundsätzlich die Gleichstellung der Geschlechter an; Menschen sollten unabhängig von ihrem Geschlecht Psychologie oder Erziehungswissenschaft incl. Grundschulpädagogik studieren.
Das hieße, wir wollen „fifty-fifty“ der Stellen für Frauen.

Andererseits soll berücksichtigt werden, dass mehr als drei Viertel der Studierenden in unseren Fächern weiblich sind; wenn alle die gleichen Chancen haben, dann sollte sich diese Verteilung auch in der Stellenbesetzung bei den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und Professuren spiegeln. Daher sind die Zielquoten künftig an die Verhältnisse in der jeweils vorherigen Qualifikationsstufe gebunden (dieses Vorgehen wird als Kaskadenmodell bezeichnet; siehe etwa auch die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG*).
Das heißt in unserem FB ganz konkret: Eine Frauenquote von mindestens 80% bei den Mitarbeiter*innenstellen  und von mindestens 76% bei den Professuren würde für Chancengleichheit sprechen!
Und: Solange sich Frauen in diesem Ausmaß mehrheitlich qualifizieren, streben wir diese Quoten an.

 

2. Maßnahmen

Was werden wir tun?

  1. Öffentlichkeitsarbeit im FB. Wir machen auf diese konkrete Ungleichstellung aufmerksam – etwa in diesem Blog – und sensibilisieren für das Thema.
  2. Ursachensuche. Wir werden in einem Bericht zur Studien- und Berufsmotivation versuchen herauszufinden, welche beruflichen Chancen  und Perspektiven Absolvent*innen in unseren Fächern an der FU sehen.
  3. Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen. Die Veranstaltung „Planung einer wissenschaftlichen Laufbahn“ wird von uns fortgeführt.
  4. Frauenförderung bei der Stellenbesetzung. Wir achten im Rahmen unserer täglichen Zusammenarbeit mit allen Kolleg*innen im FB auf Folgendes:
    – Stellenausschreibungen sind genderbewusst zu formulieren.
    – Frauen werden aktiv (ggf. auch durch Talent-Scouting) zur Bewerbung ermutigt.
    – Bei gleicher Qualifikation ist einer Frau bei der Stellenbesetzung der Vorzug zu geben, bis die Zielquoten erreicht sind.

Diese Maßnahmen werden wir im Laufe des Jahres gemeinsam mit der Kommission des Frauenförderplans fortlaufend evaluieren sowie ggf. anpassen und ergänzen.

 

* DFG = Deutsche Forschungsgemeinschaft