Die Bibliothek des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors ist eine öffentlich zugängliche wissenschaftliche Spezialbibliothek. Neben Fachliteratur zur Geschichte des Nationalsozialismus besitzt die Bibliothek auch einen Teilbestand an Printmedien aus der NS-Zeit. 2017 unternahm die Bibliothek erste Anstrengungen, Provenienzen der Bücher zu recherchieren und lokal zu verzeichnen. Hierbei wurden Provenienzmerkmale entdeckt, die einen Anfangsverdacht auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut begründen.
Wir ehren das Gedenken an die Opfer des Holocaust mit der Aktion #WeRemember und #everynamecounts, einer Initiative der Arolsen Archives zum Aufbau des weltweit größten digitalen Denkmals und Archivs zu Opfern der NS-Diktatur.
Die Provenienzforscher*innen der Berliner Museen, Bibliotheken und Archiven haben in den vergangenen Jahren wertvolle Forschungsarbeit geleistet. Nun stellt der Berliner Senat in seinem Bericht für das Jahr 2020 erstmalig auch die Forschungsfelder zum NS-Raubgut an den Berliner Universitäten vor.
Dr. rer. pol. Hilde Lion (1893-1970) war eine deutsche Pädagogin, Soziologin und engagierte sich in der jungen Frauenbewegung des 20. Jahrhunderts. Als drittes von vier Kindern einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie in Hamburg absolvierte sie eine Ausbildung im Kloster St. Johannes und wurde Lehrerin. In dieser Zeit erlebte sie hautnah die Ausbeutung und das Massenelend der Kinder aus der Arbeiterklasse und entschloss sich zu einem Studium der Wohlfahrtspflege am neu gegründeten Sozialpädagogischen Seminar in Hamburg, das von Gertrude Bäumer und Marie Baum geleitet wurde. 1918 trat sie der Deutschen Demokratischen Partei als Parteisekretärin bei und organisierte vor allem Beitritte von Frauen. 1928 wurde sie Studienleiterin und 1929 mit Alice Salomon die erste und einzige Direktorin der Deutschen Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit in Berlin. Bedeutende Wissenschaftler wie Albert Einstein, Carl Gustav Jung und Theodor Heuss hielten hier ihre Vorträge. Am 5. Mai 1933 löste Alice Salomon die Akademie zum Schutz der jüdischen Mitarbeiterinnen vor den Repressalien der Nationalsozialisten auf.
1933 floh Dr. Hilde Lion aufgrund ihrer jüdischen Abstammung aus Deutschland und ging nach Großbritannien, wo sie eine Internatsschule für deutsche Flüchtlingskinder gründete.
Buch: Alfred Vierkandt: Gesellschaftslehre, Stuttgart 1928
Rechercheergebnis: NS-Raubgut. Die Suche nach Erben oder Rechtsnachfolgern blieb bislang ohne Ergebnis. Das Buch konnte daher nicht restitutiert werden.
Weitere Informationen finden Sie unter:
https://lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/240433
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Die Universitätsbibliothek der FU-Berlin war am 29. November 2018 Gastgeberin für das 10. Treffen des Arbeitskreises Provenienzforschung und Restitution – Bibliotheken. Zweimal jährlich trifft sich der Kreis stets in einer anderen Stadt zum Erfahrungsaustausch und um gemeinsame Projekte voranzutreiben. Vom 28. Bis 30. November fand man sich in Berlin zusammen. Für die Organisation dieses Treffens arbeitete die Stabstelle NS-Raub- und Beutegut der Universitätsbibliothek der FU mit der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin zusammen. Der seit März 2014 existierende Arbeitskreis setzt sich zusammen aus Bibliothekarinnen und Provenienzforscherinnen aus Deutschland und Österreich, die in ihren jeweiligen Bibliotheken und Institutionen nach Büchern und Büchersammlungen suchen, die während der NS-Zeit ihren Eigentümern enteignet wurden und sich zu Unrecht in ihrem Besitz befinden.
Ziele der gemeinsamen Arbeit sind die Aufarbeitung der Wege, welche diese Bücher nahmen und oftmals die Rückgabe an den rechtmäßigen Eigentümern oder deren Erben.
Eröffnet wurde das Treffen am 28. November im Berlinsaal der Berliner Stadtbibliothek, in welchem Dr. Jürgen Babendreier mit seinem Vortrag „Die Textur der Diaspora: Zerstreutes sammeln, Gesammeltes zerstreuen“ bereits auf einen thematischen Schwerpunkt dieses Treffens verwies: die Internationalisierung der Zusammenarbeit. Die Forcierung derselben war auch ein zentraler Punkt in der Begrüßungsrede des Direktors des FU-Bibliothekssystems, Dr. Andreas Brandtner, mit der er am 29. November im Henry-Ford-Bau die Teilnehmenden des Arbeitstreffens willkommen hieß. Auch die Zusammensetzung des Arbeitskreises verwies auf die Notwendigkeit einer über Landesgrenzen hinausweisende Zusammenarbeit, neben Deutschland und Österreich waren Teilnehmer*innen aus Frankreich, Polen und Norwegen angereist. Wie eine solche Zusammenarbeit aussehen kann, das zeigt das Projekt Looted Cultural Assets.
Kern dieser Kooperation ist die Pflege einer gemeinsamen Datenbank LCA, die mittlerweile mehr als 31.000 Provenienzhinweise und Informationen zu 8.000 Personen und Institutionen umfasst, der Austausch von Forschungsergebnissen und die Umsetzung gemeinsamer Rückgaben von NS-Raubgut und Beutegut. Auch die Stabstelle NS-Raub- und Beutegut der UB ist an diesem Projekt beteiligt. Neben dieser arbeiten noch sechs weitere Institutionen an dem Projekt, darunter die Universitätsbibliothek der Universität Potsdam, die Bibliothek der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum und die Zentral- und Landesbibliothek.
Obwohl die Aufarbeitung dieser Kulturgutverluste ein wichtiges Thema ist, fingen Bibliotheken damit spät an. Die ersten Bibliotheken in der Bundesrepublik begannen von sich aus in den 1990er Jahren. Im Zuge der Washingtoner Erklärung von 1998 erklärte sich die Bundesrepublik Deutschland dazu bereit, NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut unabhängig von bislang geleisteten Rückgaben und Entschädigungen aktiv in öffentlichen Einrichtungen zu suchen und wenn möglich zurückzugeben. 20 Jahre später ist diese Aufgabe noch lange nicht abgeschlossen. In Bibliotheken beispielsweise sind noch Abermillionen von Büchern auf ihre Herkunft zu prüfen. Das Arbeitstreffen problematisierte dies und die Teilnehmer*innen sahen die Verstetigung ihrer Arbeit als Voraussetzung, um diesem Auftrag nachzukommen.
Erste Erfolge sind vorzeigbar und stehen exemplarisch für die Bemühungen der auf dem Arbeitstreffen vertretenden Bibliotheken aus dem In- und Ausland um eine umfangreiche und nachhaltige Aufklärung des Verbleibs enteigneter Bücher. Der Weg jedoch ist noch ein weiter, der nur kontinuierlich und durch intensiven nationalen wie internationalen wissenschaftlichen Austausch gegangen werden kann.
Am 8. November 2018 haben die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, das Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hamburg) und die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum sieben Bücher an die B’nai B’rith Europa in Berlin / Raoul Wallenberg Loge e.V. restituieren. Die Exemplare wurden dem Präsidenten, Herrn Dr. András Kain, übergeben. Der Unabhängige Orden Bne Briss (U.O.B.B.) wurde 1882 in Berlin gegründet. Als erste deutsche Vertretung des B’nai B’rith war der Orden in der Kleiststraße 10 in Berlin-Schöneberg ansässig. Bis zur seiner Zwangsauflösung 1937 umfasste der U.O.B.B. deutschlandweit mehr als hundert Einzellogen. Zu diesen weiteren Vertretungen zählte auch die Eugen-Fuchs-Loge in Plauen. Als letzter Großpräsident des U.O.B.B. in Deutschland fungierte Rabbiner Leo Baeck (1873-1956). Das Haus in der Kleiststraße wurden 1937 an die Gestapo übertragen. Das Vermögen der zahlreichen Einzellogen in Deutschland wurde eingezogen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg gründete sich der Orden neu.
Die Raoul Wallenberg Loge e.V. wurde 1979 mit Unterstützung Janusz Korczak Loge (gegr. 1965) gegründet. Als sogenanntes deutsches „Chapter“ des B’nai B’rith International fungiert die Loge als Rechtsnachfolger des U.O.B.B.
Joel Moses Belf begann 1870 in Wien, mit hebräischen Büchern zu handeln und besaß seit mindestens 1903 auch ein Ladengeschäft, die J.M. Belf Buchhandlung in der Wiener Rabensteiggasse. Sohn Joseph übernahm die Firma spätestens 1919 und erweiterte das Sortiment um weitere Sprachen, Kunst, Musikalien sowie antiquarische Literatur. Ende 1938 wurde er durch die Nazis ins KZ Dachau verschleppt und seines Vermögens beraubt. Der Buchladen wurde arisiert. Nach seiner Freilassung im Januar 1939 emigrierte Josef mit seiner Frau Berta und den gemeinsamen Kindern in die USA, erlebte aber nicht mehr das Kriegsende. In den 1960er Jahre stellte die Witwe ein Antrag bei österreichischen Abgeltungsfond, um eine Entschädigung für die erlittenen Vermögensverluste zu erhalten. Die UB der Freie Universität Berlin und die UB der Universität Potsdam haben die Bücher im Januar 2018 an die Erben in den USA zurückgegeben.
Ein Beitrag von Elena Brasiler und der Pressestelle der FU Berlin, Tagesspiegel Beilage vom 19.06.2017
Mitarbeiterinnen der Stabsstelle NS-Raub- und Beutegut konnten den Eigentümer eines Buches aus der Campusbibliothek ermitteln. Was bleibt von einem Menschen nach dessen Tod?
Bisweilen wenig – manchmal nur ein Buch aus seinem Besitz. Dass das viel sein kann, wissen Elena Brasiler und Susanne Paul von der Stabsstelle NS-Raub- und Beutegut der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin. Denn Bücher sind der Ausgangspunkt für ihre Recherche: Im besten Fall lassen sich über sie die rechtmäßigen Eigentümer eines Werks beziehungsweise deren Erben ermitteln. Mit der Suche rekonstruiert sich ein Stück Erinnerung an einen Menschen, der Opfer des Nationalsozialismus geworden ist.
So war es im Fall von Fritz Berets. Als Ende vergangenen Jahres in der Fachabteilung Judaistik der Campusbibliothek der Freien Universität ein Pentateuch aus dem Jahr 1914 gefunden wurde, wies die handschriftliche Widmung im Innern des Buches den Provenienzforscherinnen die Spur: „Dem Bar-Mitzwoh Fritz Berets Sabbat Mischpotim den 1. Adar 5679 – 1. Februar 1919 zur Erinnerung gewidmet. Siehe Gottesfurcht, das ist Weisheit, und das Böse meiden, ist Verstand! Hiiiob 28, 28 Oberrabiner Dr. Levi“. Fritz Berets, 1906 in Krefeld geboren, war 13 Jahre alt, als er den Pentateuch – so nennt man die ersten fünf Bücher des Alten Testaments, die fünf Bücher Mose – zur Bar Mizwa geschenkt bekam.
Viele Familienmitglieder flohen in die Niederlande
Fritz Berets war eines von zehn Kindern einer aus den Niederlanden nach Deutschland eingewanderten Familie, die sich in Krefeld einen Namen als Kaufleute gemacht hatte. Von 1933 an war die jüdische Familie der Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt. Viele Familienmitglieder flohen in die Niederlande. Auch Fritz Berets verließ Deutschland und ging nach Amsterdam. Dort lernte er seine Frau Lena Strauß aus dem niederrheinischen Millingen kennen, die ebenfalls mit ihrer jüdischen Familie aus Deutschland geflohen war.
Fritz Berets’ Neffe, der heute 79-jährige Alexander Ernst Berets, hat den Holocaust überlebt. Er berichtet, was ihm seine Mutter über das junge Paar erzählt hat: „Es klickte zwischen den beiden, und sie blieben beieinander. In Amsterdam bewohnten sie ein Grachtenhaus, und es wurden Zwillinge geboren. Ein Junge und ein Mädchen. Fast wie in einem Groschen-Roman. Lange dauerte ihr Glück jedoch nicht.“
Nach der deutschen Besetzung der Niederlande wurden Fritz Berets und seine Familie 1943 im Durchgangslager Westerbork inhaftiert, von dort ins KZ Theresienstadt und 1944 ins KZ Auschwitz deportiert. Seine Frau und die vier Jahre alten Zwillinge wurden bei ihrer Ankunft getötet. Fritz Berets starb am 28. März 1945 im KZ Buchenwald/Mittelbau-Dora. Von seinen neun Geschwistern haben lediglich drei das NS-Regime überlebt.
Als Erinnerung bleibt nicht viel mehr als ein Buch
„Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, heißt es im Talmud. Damit Ernst David Berets nicht vergessen wird – einer von Fritz Berets’ Brüdern und Alexander Ernst Berets’ Onkel – wurde für ihn am 22. Oktober 2013 in Maastricht ein Stolperstein verlegt. Über diese Spur gelangten die Provenienzforscherinnen der Freien Universität zu Alexander Ernst Berets. Am 4. Mai 2017 konnten ihm die Mitarbeiter von „Struikelsteentjes Maastricht“ (Niederlande) in der dortigen Synagoge den Pentateuch seines Onkels überreichen. Die Selbstverpflichtung Deutschlands nach der Washingtoner Erklärung von 1998 und die moralische Verpflichtung zur Rückgabe von Raubgut, aber vor allem die Bedeutung, die Bücher für Hinterbliebene haben, motiviert die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stabsstelle NS-Raub- und Beutegut.
Das Buch, das in Maastricht restituiert werden konnte, enthält die Widmung an einen 13-Jährigen, der sein Leben damals noch vor sich hatte. Kaum 30 Jahre später war nicht nur dieses Leben ausgelöscht, sondern auch das seiner Frau, seiner Kinder, Schwestern und Brüder. Als Erinnerung bleibt nicht viel mehr als ein Buch.
Gemeinsam konnten von der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, der Bibliothek der Universität Potsdam und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin vier Bücher an die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG Wien) zurückgegeben werden.
Die IKG Wien entstand 1852 nach Genehmigung durch die Behörden des Kaisers. Damit besaß die jüdische Gemeinde einen Rechtsstatus, der ihr Autonomie in allen inneren Angelegenheiten gewährte. In der Folge entstand eine aus breitgefächerte Infrastruktur, zu der auch Bibliotheken und Lehrhäuser gehörten. Am Vorabend des Anschlusses von Österreich an Deutschland im Jahr 1938 zählte die Gemeinde 185.000 Mitglieder, nach Kriegsende waren es nur noch 25.000. In diesem Zeitraum wurden auch die Einrichtungen der Gemeinde geplündert oder zerstört.
Die restituierten Bücher finden Sie in unserer LCA Datenbank