Dr. jur. Ernst und Adele von Klarwill

Bereits 2016 wurde das Buch „Roscher, Wilhelm: Nationalökonomie des Handels- und Gewerbfleißes. Aus der Reihe: System der Volkswirtschaft. Ein Hand- und Lesebuch für Studierende und Geschäftsmänner. Band 3. 6. Auflage. Stuttgart: Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Nachfolger, 1892.“  in die Datenbank Looted Cultural Assets aufgenommen.

Provenienz 1: Institut für Politische Wissenschaft Berlin Copyright: Looted Cultural Assets (LCA)

Das Werk gehört zur Sozialwissenschaftlichen Bibliothek und kam über das 1950 neu gegründete „Institut für Politische Wissenschaften Berlin“ dorthin. Nach der Integration des Instituts in die Freie Universität Berlin 1959, kam es vermutlich 1962 in die neu gebaute Bibliothek für Sozialwissenschaften. Die Zugangsbücher des Instituts sind nicht erhalten.

Im Buch fand sich neben dem Institutsstempel, ein Exlibris von „Ernst und Adele von Klarwill“.

Provenienz 2: Ex Libris Ernst und Adele v. Klarwill Künstler: F. Pontini (Friedrich (Fritz) Pontini) Copyright: Looted Cultural Assets (LCA)

Acht Jahre später, im März 2024, erreichte uns eine überraschende Nachricht aus Kanada. Eine Nachfahrin der Familie von Klarwill hatte in unserer LCA-Datenbank das Exlibris von Ernst und Adele von Klarwill entdeckt, das von dem bekannten österreichischen Künstler und Illustrator Friedrich (Fritz) Pontini gestaltet wurde. Dieses Exlibris lässt sich auf den Zeitraum zwischen 1899 und 1912 datieren, also zwischen dem Jahr der Heirat von Ernst und Adele von Klarwill und dem Jahr des Todes des Künstlers.

Provenienz: Bibliothek Victor v. Klarwill Quelle: Klassik Stiftung Weimar

Die Nachfahren der Familie von Klarwill standen bereits in Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen der Klassik Stiftung Weimar, die in ihren Buchbeständen die Provenienz „Bibliothek Victor v. Klarwill“ (1873 Baden bei Wien – 1933 Wien) gefunden hatten, dem Bruder von Ernst von Klarwill.

In diesem Zusammenhang hat Franz David Eschner MA BA, Archäologe und Historiker https://univie.academia.edu/FranzDavidEschner, in Wien zuständig für die Naturdenkmale der Stadt, im Auftrag seiner Tante aus Kanada den Kontakt zu vielen anderen Bibliotheken in Deutschland und Österreich wie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek vermittelt und eigene Nachforschungen angestellt, um weitere Informationen über die Geschichte der gefundenen Buchexemplare aus der Bibliothek der Familie zu erlangen.

Ein Leben im Glanz der Wiener Gesellschaft

Hofrat Dr. (jur.) Ernst von Klarwill, geboren am 30. Juni 1869 in Wien, war der älteste Sohn des wohlhabenden jüdischen Ehepaars Isidor und Henriette Edle von Klarwill. Neben ihm hatte die Familie noch zwei weitere Söhne: Victor (geboren am 23. August 1873) und Georg Ludwig (geboren am 27. April 1876).

Zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Jurist und Ministerialbeamter beim Finanzministerium in Wien, war Ernst von Klarwill auch als Schriftsteller und Übersetzer aus dem Französischen aktiv. Darüber hinaus schrieb er auch für die „Neue Freie Presse“ und das „Neue Wiener Tagblatt“.

Sein Vater Isidor Ritter von Klarwill (vormals Isidor Ritter von Pollak Klarwill) war ein wohlhabender Großgrundbesitzer und einflussreicher Journalist, der ursprünglich aus Prag stammte. In Wien war Isidor von Klarwill Chefredakteur und Herausgeber der politischen Tageszeitung „Fremdenblatt“, das als „Organ des Ballplatzes“ bezeichnet wurde.

In der Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde Isidor von Klarwill am 14. August 1881 in Wien zum österreichischen Ritter Pollak von Klarwill geadelt und ersuchte 1894, den Namen Pollak aus seinem Titel streichen zu lassen. Am 27. September 1894 – vier Jahre vor seinem Tod – genehmigte Kaiser Franz Joseph I. von Österreich diesen Antrag, so dass er und seine Nachkommen sich künftig „von Klarwill“ nennen durften.

Die kaiserliche Genehmigung zur Änderung von Namen und Titeln war jedoch nicht nur ein formaler Akt, sondern reflektiert vielmehr einen umfassenderen gesellschaftlichen Wandel unter der Schirmherrschaft des Kaisers, der sich für die Rechte der jüdischen Bürger einsetzte. Gleichzeitig spiegelte die Namensänderung den Wunsch nach Anerkennung und Emanzipation der jüdischen Bevölkerung wider. Sie ist aber auch im Kontext des aufkommenden Antisemitismus in Wien um die Jahrhundertwende zu sehen. Häufig ging ein solcher Namenswechsel auch mit einer Taufe einher. So ließ sich Ernst von Klarwill im selben Jahr, am 28. Juli 1894, katholisch taufen.

Foto: Votivkirche am Maximilianplatz in Wien um 1900 Quelle: Wikipedia, License: Public domain

Fünf Jahre später, am 2. Oktober 1899 begann für Ernst von Klarwill ein neuer Lebensabschnitt, als er in der Votivkirche in Wien der damals 23-jährigen Adele Julie Bab, das Ja-Wort gab. Adele Bab war zuvor, am 27. Mai 1899, katholisch getauft worden.

Das Paar lebte wohlhabend und war aktiv in der kulturellen Szene Wiens eingebunden. Sie residierten u. a. in der eleganten Tulpengasse 5 im 8. Bezirk, bekannt als Josefstadt, einem der angesehensten Viertel Wiens, wo Beamte und Künstler der Wiener High Society zu Hause waren.

Wohnhaus der Familie von Klarwill in der Tulpengasse 5 in Wien, Josefstadt Quelle: Google Maps

1930 sind im Häuser-Kataster der Stadt Wien für den VIII. Bezirk, die drei Brüder Ernst, Victor und Georg von Klarwill als Eigentümer benannt.  Das Gebäude diente der Familie von Klarwill als Familiensitz.

Quelle: Wiener Stadtbibliothek 73605B – Salzberg, Wolfgang J. (Hrsg.): Häuser-Kataster der Bundeshauptstadt Wien, IV Band: VIII. und IX. Bezirk, Wien 1930.

Die Ehe von Ernst und Adele blieb kinderlos. Adele beendete, laut Sterbebuch, am 23. Mai 1936 mit dem Freitod im Hotel Kummer ihr Leben. Die Gründe für diesen Schritt sind nicht bekannt. Sie wurde in der Familiengruft auf dem Friedhof Wien Döbling beigesetzt. Ernst heiratete nach dem Tod Adeles nicht wieder und lebte bis zu seinem eigenen Tod am 17. März 1940 in der Tulpengasse 5.

Nur wenige Jahre zuvor verstarben seine beiden Brüder: Georg Ludwig von Klarwill am 26. Januar 1932. Georgs Ehefrau Hildegard Ruscha Stephanie von Klarwill, geb. Goldschmidt war bereits am 22. August 1914 in Wien an Diphterie gestorben. Ihr Sohn Peter Ernst Georg Victor von Klarwill, geboren am 10. Februar 1909 in Wien, verließ Österreich und floh 1938 nach Neuseeland. Er verstarb am 11. September 1992 in Wellington, Neuseeland.

Foto: von li. Toni (Antonia) Weitmann, Victor von Klarwill, Franz Tsany (Tschany), Elsa von Klarwill, (geb. Egger) Sommerferien auf Schloss Eisenfeld in Wels (Österreich) des Schlossherrn Franz Tsany, 1901 Quelle: privat

Victor von Klarwill verstarb nur ein Jahr nach seinem Bruder Georg, am 25. März 1933. Seinem Sohn Victor Isidor Ernst von Klarwill (02.06.1902 Wien – 1985 Eastborne, GB) gelang 1938 die Ausreise nach Kenia. Er floh 1938 zuerst nach Italien und von dort nach Nairobi. Seine Mutter Elsa (29.04.1877 Wien – 08.04.1945 Nairobi, Kenia) konnte ihm 1939 folgen. Victor Isidor war seit 1935 mit Fredericke Victoria Gesser (20.01.1910 Troppau – 03.01.1980 Kenya) verheiratet – das Paar blieb kinderlos und ließ sich 1938 scheiden. In zweiter Ehe war Victor von Klarwill ab 1944 mit Rachel von Klarwill, geborene Sutton (30.07.1905 London, GB – 10.1988 Eastborne, GB) verheiratet. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Victoria Elsa von Klarwill, geboren am 8. April 1945 in Nairobi, dem Sterbedatum Ihrer Großmutter Elsa von Klarwill.

Verfolgung und Enteignung im Nationalsozialismus

Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 begann die systematische Verfolgung und Enteignung jüdischer Bürgerinnen und Bürger. Dieses Schicksal ereilte auch die Familie von Klarwill, sie wurde auf ihre jüdischen Wurzeln reduziert und fortan verfolgt.

Aufgrund der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938“ war Ernst von Klarwill trotz seiner Konversion zum katholischen Glauben gezwungen, als Jude eine Vermögenserklärung abzugeben. Nach Auskunft des Österreichischen Staatsarchivs vom April 2024 ist in der „Vermögensanmeldung 12.937 betreffend Ernst Klarwill (*30.06.1869)“ vom 12. Juli 1938 auch eine Bibliothek aufgeführt, die mit 1.200 RM bewertet wird. Eine Auflistung der genauen Titel fehlt jedoch, und es sind keine Informationen zur Veräußerung der Bibliothek bekannt.

Die „Dritte Anordnung auf Grund der Verordnung zur Abgabe des Vermögens von Juden vom 21. Februar 1939“ zwang Dr. Ernst von Klarwill am 15. März 1939 zum Zwangsverkauf seiner ihm verbliebenen Wertgegenstände über das von der NSDAP kontrollierte Auktionshaus Dorotheum in Wien. Der Zwangsankauf wurde am 15. März 1939 laut Liste der „Öffentlichen Ankaufsstelle nach § 14 der Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ von der „Schätzstelle für Juwelen“ des Auktionshauses Dorotheum vollzogen.

Abb. Öffentlichen Ankaufsstelle, Dorotheum Wien I, Spiegelgasse 16 Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv

Das Dorotheum in Wien diente als zentrale Verwertungsstelle für enteignete Vermögenswerte in der „Ostmark“. Es versteigerte beschlagnahmte sowie zwangsverkaufte Besitztümer entrechteter „Jüdinnen“ und „Juden“ und anderen NS-Verfolgten. Als Kommissionär kassierte es Provisionen und leitete die Erlöse an das Deutsche Reich weiter.

Im November 1938 versuchte Ernst von Klarwill, seinen Lebensunterhalt zu sichern, indem er eine Korrektur seiner Vermögenserklärung einreichte und um eine Befreiung von der Kontributionsabgabe für Juden bat. Ob dieser Bitte entsprochen wurde, ist nicht bekannt.

Dr. Ernst von Klarwill verstarb am 17. März 1940 im Familienwohnsitz in der Tulpengasse 5 in Wien. In der standesamtlichen Sterbeurkunde wird zwar sein Titel sowie seine konfessionelle Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche vermerkt, jedoch finden sich auch der ursprüngliche Familienname „Pollak“ und der diskriminierende Zweitname „Israel“, der jüdischen Männern auferlegt wurde.

Nachdem sein Vermögen unter Wert zwangsverkauft werden musste, wurde ihm nicht nur sein Besitz, sondern auch der durch den Kaiser garantierter Familienname wieder entzogen, was die umfassende Diskriminierung widerspiegelt, der er in der NS-Zeit ausgesetzt war.

von li: Susanne Paul (Provenienzforscherin UB), Andrea Voros, Elena Brasiler (Provenienzforscherin UB) Quelle: Arbeitsstelle Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek der FU Berlin

 

Am 23. August 2024, 84 Jahre nach dem Tod von Ernst von Klarwill, konnten wir das Buch persönlich an Andrea Voros, als Vertreterin der Familie von Klarwill, zurückgegeben. Sie kam zu uns in die Universitätsbibliothek und nahm das Buch, das einst Ernst und Adele von Klarwill gehörte, in Empfang.

 

Elena Brasiler und Susanne Paul

Ein Buch aus der verschollen geglaubten Bibliothek von Alfred Kerr (1867-1947) findet seinen Platz in der Bibliothek der Akademie der Künste

Im März 2024 fand unser Kollege Ulrich Benkenstein von der Fachbibliothek Sozialwissenschaften und Osteuropastudien ein kleines, unscheinbares, blau eingebundenes Buch mit dem Titel „Russland von Heute. Das Reisetagebuch eines Politikers (1929)“. In dem Buch ist die folgende Widmung niedergeschrieben: „Herrn Alfred Kerr in warmer Verehrung. Berlin, den 4. Februar 1930. Erich Koch-Weser“.

Widmung: Erich Koch-Weser an Alfred Kerr
Quelle: Looted Cultural Assets

Laut Zugangsbuch wurde das Buch 1962 im Reise- und Versandbuchhandel Dr. Hubert Jux erworben. Wie es dorthin gelangte, ist nicht mehr zu klären.

Der Name Kerr versetzte uns in Aufregung, denn es handelte sich um den zu seiner Zeit in Berlin überaus bekannten Theaterkritiker, Journalisten und Schriftsteller Alfred Kerr. Er war eine der einflussreichsten Stimmen im deutschen Kulturbetrieb. Er wurde für seinen bissigen Humor wie für seine Verrisse gleichermaßen geschätzt und gefürchtet.

Portrait Alfred Kerr von Robert Sennecke 1932
Quelle: Bibliothèque nationale de France, département / Wikipedia

Seine Lebensgeschichte ist, wie die vieler deutscher Intellektueller mit jüdischem Familien-Background, geprägt von dem kulturellen und intellektuellen Aufblühen Deutschlands und der Verfolgung ab 1933.

Als Alfred Kempner am 25. Dezember 1867 in Breslau geboren, verbrachte er seine Kindheit und Jugend dort und kam 1887 nach Berlin, um hier sein in Breslau begonnenes Studium der Geschichte, Philosophie und Germanistik fortzusetzen. 1894 schloss er sein Studium in Halle mit einer Promotion zur Jugenddichtung Clemens Brentanos als Dr. phil. ab.

Schon während des Studiums schrieb er, unter dem Namen Alfred Kerr, Theaterkritiken für die Vossische Zeitung, die Neue Rundschau, die Breslauer Zeitung und die Königsberger Allgemeine Zeitung. Ab 1900 für die Berliner Zeitung Der Tag.

1911 wurde er Mit- und Herausgeber der Kunst und Literaturzeitschrift Pan. Er war Förderer von Robert Musil, Henrik Ibsen und Gerhart Hauptmann. Er schrieb ab 1919 für das Berliner Tageblatt und für die Frankfurter Zeitung. Parallel veröffentlichte er seine Werke unter dem Titel Die Welt im Licht, New York, London, O Spanien!, Yankee-Land, den Gedichtband Caprichos und den Band Für Alfred Kerr. Ein Buch der Freundschaft von seiner Kindheit und Jugend.

In zweiter Ehe heiratete er 1920 die Komponistin Julia Weismann (1898–1965). Das Paar hatte zwei Kinder: Michael Kerr (1921–2002) und Judith Kerr (1923–2019). Er wurde später Richter am High Court in Großbritannien, sie Schriftstellerin und Künstlerin.

Neben seiner schriftstellerischen Arbeit bezog er ab 1920 bis zum Sommer 1932 in seinen pointierten Glossen für den Berliner Rundfunk Stellung gegen die Nazis, ihren Größenwahn, ihre Brutalität und die Kriegstreiberei.

Staatsfeinde verlieren die Staats-angehörigkeit aus: Tagblatt, Graz, Samstag, den 26.08.1933

Nicht zuletzt dies hatte fatale Folgen. Am 10. Mai 1933 wurden seine Werke von den Nationalsozialisten verbrannt; drei Tage später setzte der Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler ihn auf die Liste der Autoren, deren Werke „für das deutsche Ansehen als schädigend zu erachten seien“. Seine Bücher wurden umgehend aus den öffentlichen Bibliotheken ausgesondert.

Er ahnte, was ihm bevorstehen würde und floh bereits im Februar 1933 über Prag in die Schweiz. Seine Familie folgte ihm im März. Nach Stationen in Zürich und Paris, gelangte die Familie 1935 nach London. Kerr arbeitete für verschiedene Zeitungen, u.a. für  das Pariser Tageblatt, Le Figaro, Le Temps und Les Nouvelles Littéraires und die jüdische Wochenzeitung Aufbau in New York.  Er war Präsident des Deutschen P.E.N.-Club im Exil in London (1941-1946). Ab 1945 arbeitete Kerr für die deutschen Tageszeitungen Die Welt und Die Neue Zeitung. 1947 wurde er britischer Staatsbürger. Alfred Kerr starb während einer Vortragsreise durch Deutschland am 12. Oktober 1948 in Hamburg.

Unsere ersten Recherchen zur Bibliothek von Alfred Kerr ließen uns vermuten, dass es sich hier um einen Notverkauf gehandelt haben muss. Für viele ExilantInnen war das der einzige Weg, um ein wenig Geld für die Emigration flüssig zu machen. In den meisten Fällen wurden Bibliotheken, Kunst, Immobilien und andere wertvolle Besitztümer weit unter dem tatsächlichen Wert und unter ökonomischem Zwang veräußert.

Foto: Regal mit Büchern aus der Privatbibliothek von Alfred Kerr in der Bibliothek der Akademie der Künste, Pariser Platz in Berlin (2007 von der Staatsbibliothek zu Berlin, Unter den Linden, restituiert)
Quelle: privat

Bereits 2007 wurden in der Staatsbibliothek zu Berlin 166 Bände identifiziert, die aus Kerrs Besitz stammten und im Jahrbuch der Staatsbibliothek für 1933 als Erwerb „aus der Bücherei eines Berliner Theaterkritikers“ ausgewiesen waren. Heute sind davon nur noch 88 Bände vorhanden, 78 sind in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen. In Übereinkunft mit Kerrs Tochter Judith wurden die 88 Bücher an das Archiv der Akademie der Künste übergeben, das den künstlerischen Nachlass von Alfred Kerr verwahrt.

2024 konnten wir Judith Kerr, die in der Zwischenzeit verstorben war, leider nicht mehr kontaktieren. Stattdessen traten wir mit Alfred Kerrs Enkel Matthew Kneale, selbst Autor, in Kontakt. Mit ihm haben wir vereinbart, das Buch zu den bereits vorhandenen Büchern im Archiv zu geben.

von links: Susanne Thier (Leiterin der Bibliothek in der Akademie der Künste), Ulrich Benkenstein, (Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien, der FU Berlin), Doris Kachel (Provenienzforscherin im Archiv der Akademie der Künste)
Quelle: privat

Am 20. Juni war es dann soweit, zusammen mit meinem Kollegen Ulrich Benkenstein haben wir das Buch an Susanne Thier, die Leiterin der Bibliothek der Akademie der Künste, und die Provenienzforscherin der Akademie der Künste, Doris Kachel, übergeben.

Wir sind froh, dass wir das Buch in den Teilbestand von Alfred Kerrs ehemaliger Bibliothek einreihen konnten, obwohl die Bibliothek vermutlich nicht mehr vollständig rekonstruierbar ist und viele der Bücher nicht mehr existieren. In der Bibliothek der Akademie der Künste ist sichergestellt, dass die Bücher für die Nachwelt bewahrt und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Adolf Sultan (1861 – 1941)

privat: Portraitzeichnung Adolf Sultan, ca. 1935

Adolf Sultan wurde als Abraham Sultan am 2. Februar 1861 in Thorn/Westpreußen (heute Toruń/Polen) als zweites Kind von Wolff (1832 – 1897) und Johanna (1834 – 1898, geborene Barnass) Sultan geboren. Ihm folgten weitere fünf Geschwister – Laura, Louis, Georg, Gertrud und Curt. Seine älteste Schwester hieß Elise. Sein Vater gründete 1858 die W. Sultan Spirituosenfabrik, später Sultan & Co GmbH Destillation, in Mocker, ab 1869 expandierte die Sultan Spritfabrikation auch nach Thorn. Adolf Sultan wuchs in einer wohlsituierten jüdischen Familie auf.

1879 erlangte er die Hochschulreife und änderte zu diesem Zeitpunkt seinen Vornamen in Adolf . Er trat in die väterliche Firma ein und absolviert eine kaufmännische Lehre. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er den Betrieb.

1889 heiratete Adolf Sultan Margarethe Mirjam Victorius (1868 Graudenz/Westpreußen (heute Grudziądz/Polen) – 1902 Berlin), Tochter des Eisenfabrikanten Carl Victorius (1832 – 1906) und seiner Frau Anna, geborene Kadisch (gest. 1880).

Adolf und Margarethe mit Tochter Anna Frieda Sultan
Quelle: Moritz von Bredow, mit freundlicher Genehmigung

Das Paar hatte drei Kinder: Anna Frieda, genannt Ännchen (1889 Thorn – 1899 Berlin) Clara Paula genannt Claire (1891 Thorn – 1943 KZ Auschwitz) und Herbert Siegfried Sultan (1894 Thorn – 1954 Heidelberg). 1901 zog die Familie von Thorn nach Berlin und die Belange der Firma wurden von dort aus geregelt. Margarethe, die gesundheitlich angeschlagen war, starb 1902 im Alter von nur 34 Jahren.

Zwei Jahre später heiratet Adolf Sultan die Witwe seines Schwagers Leo Victorius (1864 – 1902), Ida Rosa „Coba“ Victorius, geborene Lewino (1872 Worms – 1958 USA). Sie brachte drei Kinder mit in die Ehe: Jacob Curt Victorius (1895 Gaudenz – 1972 Greensboro/USA), Anna Victorius, genannt Anni (1897 Gaudenz – 1993 Alameda/USA) und Käte Victorius (1901 – 1986).

Die Familie erhielt in den Jahren 1905 und 1906 weiteren Zuwachs: Wolfgang Carl Sultan (1905 Berlin – 1936 Berlin) und Johanna Margarete, kurz Grete Sultan (1906 Berlin – 2005 New York).

Dank des beruflichen Erfolgs von Adolf Sultan lebt die Familie in wohlhabenden großbürgerlichen Verhältnissen. 1906 zieht die Großfamilie aus der Rankestraße 33, in die, von Adolf Sultan bei dem Architekten Richard Riemerschmid 1905 in Auftrag gegebene Villa in der Delbrückstraße 6 am Hubertussee in Berlin-Grunewald (die Villa wurde 1965 abgerissen).

privat: Villa in der Delbrückstraße 6a ca. 1913 mit Familienangehörigen und Personal – Postkarte
Käte, Grete und Wolfgang, ca. 1915
Quelle: Moritz von Bredow, mit freundlicher Genehmigung

Beide Eltern waren musikalisch begabt und haben die Begabung an ihre Kinder weitergegeben. Adolf Sultan erlernte bereits als Kind das Geigenspiel und spielt später auch Bratsche. Seine Frau Coba war vor allem literaturinteressiert und spielt Klavier. Die Kinder wuchsen in einem sehr musikalischen, intellektuell anregenden und aufgeschlossenen Elternhaus auf, in dem viele Künstler und Musiker der Zeit verkehrten.

Herbert, Curt, Käte, Clara und Anni, ca. 1904
Quelle: Moritz von Bredow, mit freundlicher Genehmigung

1908 gibt Adolf Sultan die Geschäftsführung des Unternehmens an seinen Cousin Eugen Barnass ab. Dieser leitete die Firma Sultan bis zum endgültigen Verkauf im Jahre 1919. Der Familiensitz im Berliner Grunewald wurde 1922 verkauft und Adolf und Coba Sultan zogen in das rund 100 Kilometer von Berlin entfernte Kümmernitz/Havelberg. 1927 kehrten sie in ein kleineres Anwesen, in der Ernst-Ring-Straße 2-4 am Nikolassee, nach Berlin zurück. Der Name Adolf Sultan wird 1939 aus dem Grundbuch getilgt.

privat: Adolf und Coba Sultan in Kümmernitz beim Schachspielen, Mitte der 20er Jahre

Mit der Machergreifung der Nationalsozialisten wurde das Leben der Familie Sultan zunehmend schwieriger. Die beiden Pianistinnen Anni und Grete wurden 1935 aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen – dies kam einem Berufsverbot gleich.

privat: Adolf und Coba Sultan (Kind unbekannt) vermutlich im Garten Ernst-Ring-Straße 2-4

Anni verlies im Februar 1936 Deutschland und ging nach Japan. In Nishinomiya unterrichtete sie ab April 1937 am Kobe College.

Im November 1936 erschoss sich der gemeinsame Sohn von Adolf und Coba Sultan, Wolfgang Carl, nachdem er wegen „Rassenschande“ denunziert worden war. Er hatte sich mit der „arischen“ Krankenschwester Marianne Grosser verlobt, die ebenfalls Selbstmord beging.

Die Familie bemühte sich intensiv darum Deutschland verlassen zu können. Käte floh über die Schweiz nach Venezuela. Sohn Jacob Curt (Kurt) kam im April 1938 in New York an und fand eine Anstellung als Professor für Ökonomie and Business Administration am Guilford College in Greensboro/ North Carolina. Sohn Herbert Sultan emigrierte 1939 nach England, er kam als Einziger der Sultankinder 1947 nach Deutschland zurück und lehrte als Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler an der Universität Heidelberg. Der jüngsten Tochter, Grete, gelang im Mai 1941 die Ausreise über Lissabon in die USA. Die meisten der Sultan Kinder und Enkel hatten zu diesem Zeitpunkt bereits das Land verlassen.

privat: Adolf und Coba Sultan vermutlich im Garten Ernst-Ring-Straße 2-4

Adolf und Coba erhielten ebenfalls 1941 ein Visum für die Schweiz, doch das Schicksal entschied anders für Adolf Sultan. Bereits gesundheitlich angeschlagene, verstarb er am 16. August 1941 in der Konstanzer Straße 59, der letzten Berliner Adresse des Ehepaars Sultan. Laut der Sterbeurkunde erlagt er einem Lungeninfarkt. Mit Hilfe von Freunden, gelang es seiner Frau Coba Sultan in die Schweiz auszureisen. 1946 ging sie von dort zu Grete und Jacob Curt in die USA. Im Mai im 1963 übersiedelte Anni von Japan nach Kalifornien.

Tochter Clara Paula (geschiedene Guttsmann) wurde am 28.09.1943, mit dem 43 Osttransport in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht und mit nur 52 Jahren ermordet. Ihre letzte Adresse in Berlin war die Barbarossastr. 35 in Berlin-Wilmersdorf. Ihr Vermögen ging durch „Einziehung“ auf das Deutsche Reich über. Ihrem geschiedenen Mann und den Söhnen Franz Peter (1915 – 1998) und Ulrich, später Allen (1918 – 1996) gelang die Flucht nach Großbritannien und später in die USA.

Auch einige Kinder von Adolf Sultans Schwestern war das Schicksal nicht gnädig, sie wurden im Holocaust in Riga ermordet – Frieda Berwin (1882 – 1941) Tochter von Adolf Sultans ältester Schwester Elise, Clara (1885 – 1941) und Gertrud Silbermann (1887 – 1941), Töchter seiner Schwester Laura.

Der materiellen Besitzes der Familie wurde für eine spätere Ausreise bzw. Weiterreise in hölzerne Kisten (Lifts) verpackt und nach Hamburg (Hafen) geschickt. Ob die umfangreiche Bibliothek von Adolf Sultan Teil dieser Ausreisekisten war, ist nicht mehr zu klären. Klar ist jedoch, die Lifts haben Hamburg nie verlassen. Der Besitz und etwaiges Vermögen der geflohenen Familienmitglieder, ging an das Deutschen Reich über.

Adolf Sultan war vermutlich ein warmherziger Mensch, der Kinder liebte. Eine Patchworkfamilie dieses Ausmaßes, war sicher auch für seine Zeit etwas Besonderes. Überliefert ist seine Liebe zur Musik und die vielen musikalischen Abende im Hause Sultan. Wie er den NS-Terror und die Angst um seine Familie erlebte oder was seine Vorstellung zu einem Leben außerhalb Deutschlands gewesen sind, kann nur vermutet werden.

Für die meisten überlebenden Familienmitglieder war Deutschland aufgrund der Erfahrungen des NS-Terrors ein Trauma, über das nicht oder kaum geredet wurde. Umso dankbarer sind wir, dass uns eine Erbin aus der Generation der Ur-Enkel über unsere Datenbank Looted Cultural Assets (LCA) kontaktiert hat. Dank ihr, konnten wir im März 2023 ein Buch an die Familie in den USA restituieren.

Simon Katzenstein (1868 – 1945)

Quelle: unbekannter Fotograf – Bureau des Reichstages (Hg.):
Handbuch der verfassunggebenden Nationalversammlung, Weimar 1919. Carl Heymanns Verlag, Berlin 1919.

Simon Katzenstein war ein deutscher Sozialdemokrat und Politiker (SPD). Er wurde am 1. Januar 1868 in Gießen geboren. Er war eines von fünf Kindern des jüdischen Ehepaars Sigmund Katzenstein und Sophie Löb. Eine seiner Schwestern war die Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Henriette Fürth.

Der Vater besaß einen Holzhandel, der der Familie ein gutbürgerliches Dasein bescherte. Sein Elternhaus galt als offen und liberal. Bereits als junger Mann trat Simon aus der jüdischen Gemeinde aus und 1898 in die SPD ein. Er wurde in seiner Familie liebevoll als „Radikaler“ tituliert.

Katzenstein studierte nach dem Abitur in Gießen und Leipzig Geschichte und Philosophie sowie Rechts- und Staatswissenschaft. Ab 1890 war er Rechtsreferendar in Gießen, wurde jedoch vor seiner Staatsprüfung, aus politischen Gründen, entlassen. Da er bereits einige Erfahrungen als Redakteur der Frankfurter Volksstimme gesammelt hatte, arbeitete er nun als politischer Schriftsteller und Redakteur in Leipzig und Mainz. Nebenher war er Arbeitersekretär in Mannheim.

1896 wurde er aufgrund von Verstößen gegen das Pressegesetz in Sachsen zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Ab 1903 arbeitete er in Berlin als Publizist und Lehrer an Arbeiterbildungs-, Gewerkschafts- und Parteischulen. Er gab die Zeitschrift Der Abstinente Arbeiter und das Verbandsblatt des Deutschen Arbeiter-Abstinentenbundes (DAAB) heraus. Im DAAB hatte er verschiedene führende Positionen inne. Seit 1917 war er volkswirtschaftlicher Mitarbeiter des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine.

Von 1915 bis 1918 war er Stadtverordneter in Berlin-Charlottenburg, ab 1925 Bezirksverordneter. Von 1919-1920 war er Mitglied der Weimarer Nationalversammlung.

In den Jahren 1928 bis 1933 gab er die Zeitschrift des „Arbeiter-Abstinentenbundes“ heraus und war sozialpolitischer Mitarbeiter des „Vorwärts“ sowie der Zeitschriften „Deutsche Freiheit“ und „Westland“.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ging er ins Saargebiet, das zu diesem Zeitpunkt noch unter Völkerbundsmandat stand. Nach dessen Angliederung an Deutschland 1935, floh er nach Schweden. Nach seiner Emigration war er Beisitzer im Vorstand der Gruppe Stockholm der Sozialdemokraten im Exil (Sopade). Die Nationalsozialisten bürgerten ihn 1940 aus.

Katzenstein war zweimal verheiratet. Mit seiner ersten Ehefrau Pauline (1893-1916) hatte er einen Sohn, Hans (1916-1948). Mit seiner zweiten Ehefrau Henriette (1886-1958) hatte er eine Tochter, Anna Sophie (1918-1994) und einen Sohn, Gershom Gerhard (1920-2010).

Simon Katzenstein verstarb am 28. März 1945 in Solna (Schweden).

Anfang November 2022 konnten wir zwei Bücher aus der Universitätsbibliothek (Sammlung Alfred Weiland) und der Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien an die Enkelin restituieren. Sie wurden an seinen Urenkel in Berlin übergeben.

Quelle: Arbeitsstelle Provenienzforschung, Universitätsbibliothek, FU Berlin

Die restituierten Bücher in der Datenbank LCA:

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/243022

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/253721

verschobenes Systemupdate ! nun voraussichtlich am 4. Mai 2022

Am 04.05.2022 wird die LCA-Datenbank in der Zeit von ca. 8:00 bis ca. 18:00 Uhr nicht verfügbar sein. Wir bitten um Ihr  Verständnis.

Danke!

On May 04, 2022, the LCA database will be unavailable from approximately 8:00 a.m. to 6:00 p.m. We ask for your understanding.

Thanks!

Dr. Siegbert Meyersohn: Restitution eines Buchs – 80 Jahre nach seiner Ermordung

Dr. Siegbert Meyersohn, ca. 1938
Quelle: privat

Dr. Siegbert Meyersohn wurde am 01. Februar 1886 in Bromberg (heute Bydgoszcz/Polen) als Sohn von Moritz (1858 – 1926) und Herietta (geb. Horwitz 1856 – 1927) Meyersohn geboren. Die Eltern betrieben ein gut gehendes Bekleidungsgeschäft in Bromberg. Siegbert hatte drei Geschwister Erna, Margarethe und Herbert.

Nach seinem Abitur 1905, vermutlich am (König-) Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Bromberg (Royal Friedrich High School at Bromberg), begann Siegbert Medizin in Freiburg zu studieren. Seine Dissertation schrieb er 1910 über „Typische Frakturen bei Skiläufern“ an der Universität Freiburg.

1914, zu Beginn des 1. Weltkriegs, wurde er als Arzt zum Militär eingezogen und gehörte zum Bayrischen Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 6 (Fürth), dem er laut Militärakten, bereits seit 1907 als Reservist angehörte. Siegbert war an der Westfront stationiert. Seine Entlassung aus dem Militärdienst erfolgte am 05.12.1918. In den Militärakten von 1914 ist als Wohnort Schivelbein angegeben sowie seine Frau Käthe, ein Kind und seine Eltern Moritz und Henrietta.

Die von uns gefundene Provenienz weist ihn als praktischen Arzt in Schivelbein aus. Dies deckt sich mit den Erzählungen und Aufzeichnungen der Familienangehörigen, die nach England immigriere konnte.

Siegbert heiratete am 17.10.1913 Käthe (auch Käte o. Kaethe) Salomon aus Schivelbein. Am 11.08.1914 wurde die erste Tochter des Paares, Lisa Therese, in Schivelbein geboren. Am 03.03.1921 folgte Tochter Eva.

Die Familie lebte ein harmonisches Familienleben. Die Sommer verbrachten vor allem die Frauen und Kinder der Familie am Meer. Doch das sorgenfreie, meist beschauliche Leben hatte mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 ein Ende. Anfänglich schützte Siegbert vielleicht noch seine Teilnahme am 1. Weltkrieg und seine Position als geschätzter Arzt, doch spätestens 1938, nach den Novemberpogromen in Deutschland, war diese vermeintliche Sicherheit vorbei. Siegbert wurde festgenommen und war einige Tage oder Wochen im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Laut Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945, des Bundesarchivs, wurde Siegbert im Dezember 1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Laut der, im Russisches Staatlichen Militärarchiv Moskau lagernden Originalakten, hatte Siegbert die Häftlingsnummer 13240, er war in der Häftlingskategorie „Jude“ im Häftlingsblock 18 interniert. Die zuständige Institution im Konzentrationslager Sachsenhausen war die Politische Abteilung, seine Entlassung erfolgte am 12.12.1938.

Käthe, Siegbert, Lisa Therese und Eva Meyersohn 10.06.1939 – Quelle: privat

Anfang September 1939, als das Leben für Juden in kleinen Städten immer schwieriger wurde, verließen Siegbert, Käthe und Eva Schivelbein, um nach Berlin zu gehen. Zuvor war die Familie etlichen Repressalien ausgesetzt. Bruder Herbert und seine Frau Regina berichten in einer eidesstattlichen Erklärung (Wieder-gutmachungsverfahren Lisa Meyersohn gegen das Deutsche Reich) unter anderem von der gewaltsamen Beschlagnahme des Autos (amerikanische Marke Nash) und der ärztlichen Instrumente (u.a. ein Mikroskop und ein Röntgenapparat) durch die SS.

Schwester Erna mit Familie und Schwester Margarethe und Familie lebten bereits in Berlin bzw. zogen nach Berlin und so konnte man sich in den schweren Zeiten gegenseitig unterstützen. Bruder Herbert mit Familie hatte Deutschland bereits verlassen. Ebenso sein Neffe Jan Gessler. Seine Tochter Lisa Therese war bereits 1936 nach Berlin gezogen und arbeitete im Jüdischen Krankenhaus zuerst als Lehrschwester und dann als Krankenschwester.

Siegbert war, so die Aussage seiner Familie in England, schon lange ein Zionist und betrieb seine Ausreise nach Palästina. Das Gros des beweglichen Besitzes der Familie (Möbeln, Hausrat, Büchern, Gemälden, Wäsche etc.) war bereits vor der Reise nach Berlin von Schivelbein nach Hamburg versandt worden und wartete hier auf den Weitertransport nach Palästina. Die Angebote in andere Länder zu gehen schlug er aus. Seine Ausreise nach Palästina scheiterte jedoch an den Einwanderungsbeschränkungen der Mandatsmacht. Siegbert erhielt keine Einreisepapiere für sich und seine Familie.

Am 14. Dezember 1942 wurden Siegbert, Käthe und Eva Meyersohn mit dem 25. „Osttransport“ (813 Personen) von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sämtliches Vermögen der Deportierten wurde vom Deutschen Reich eingezogen und ging damit auf das Reich über. Ihre letzte Berliner Adresse wird in den Papieren des Standesamtes Berlin-Ost und in der Transportliste des 25. „Osttransports“ mit Maikowskistr. 107, Berlin-Charlottenburg angeben.

Im Register des Standesamtes Berlin ist am 08. November 1948 der Zeitpunkt des Todes mit „Anfang 1943 Riga/Lettland im Konzentrationslager verstorben“ angegeben. Die Abweichung von Auschwitz und Riga taucht in verschiedenen Quellen auf. Siegbert war zum Zeitpunkt seiner Deportation und Ermordung 56 Jahre, seine Frau Käthe 53 Jahre und Tochter Eva 21 Jahre alt.

Einzige Überlebende der Familie war die Tochter Lisa Therese Meyersohn (11.08.1914 Schivelbein – 2001 Brasilien). Sie konnte sich in den Kriegsjahren in Berlin verstecken. Ihre Überlebensumstände liegen im Dunkeln, auch ihre Familie in England hat zu dieser Zeit keine Informationen.

Auf der Homepage des Jüdischen Krankenhauses im Wedding (1914 eröffnet, ehemals Schulstraße heute Heinz-Galinski-Straße) ist folgendes zur Geschichte des Krankenhauses vermerkt: „Das Krankenhaus war Sammellager und Zwischenstation für die Transporte der Juden in die Konzentrationslager. Es wurde Ghetto, aber auch Zufluchtsstätte für Untergetauchte. Zur Befreiung im Jahr 1945 sollen sich zwischen 800 und 1.000 Menschen innerhalb seiner Mauern versteckt gehalten haben.“ Möglicherweise gehörte Lisa Therese zu den Menschen die sich dort verstecken konnten.

Sie wanderte 1948 nach Brasilien aus und verstarb dort 2001. Nach Aussage der Familie in England, war sie nie verheiratet und hatte keine Kinder. Ihre letzte Berliner Adresse ist in den Immigrationspapieren von 1948 mit Iranische Str. 4 (aber auch 2), Berlin N 65 angegeben – hier befand sich ein Durchgangslager für jüdische Displaced Persons (DP).

Siegbert wird von seinem Neffen Jan Gessler wie folgt beschrieben: „(…), he was a mensch. That is to say, a human being and not just somebody who lives with two legs and walks on the earth.” In einer Aufzeichnung über die Familiengeschichte für seine Kinder nennt er Siegbert u.a. auch: einen Familienmann, enthusiastischen Gärtner, miserablen Autofahrer aber sehr guten Gesprächspartner.

Folgendes ist zu Siegberts Geschwistern bekannt:

Erna, Siegbert, Margarethe (Lotte), G. (unbekannt) und Herbert Meyersohn 1903
Quelle: privat

Die Schwester Erna Meyersohn (01.03.1885 Bromberg/Bydgoszcz – ermordet 03.03.1943 Auschwitz) war mit Bruno Gessler/Geßler (07.02.1880 Liptani/Liebenthal, Tschechoslowakei – 06.10.1940 Berlin) verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Söhne, Hans, der sich später in Jan umbenannte (1922 Zittau – 1994 England) und Otto (1925 Zittau – ermordet 03.03.1943 Auschwitz).

Bruno Gessler ließ sich nach dem ersten Weltkrieg in Zittau nieder. Hier leitete er das Deutsche Schuhwarenhaus in der Inneren Weberstraße. Stolpersteine hat die Geschichte der Familie Gessler recherchiert. 1938 ging die Familie nach Berlin. Hans gelang 1939 die Ausreise nach England, seine Familie konnte er nicht nachholen. Vater Bruno verstarb 1940 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin. Mutter Erna und Bruder Otto wurden mit dem 33. „Osttransport“ am 3. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die letzte gemeinsame Berliner Adresse des Ehepaars war die Tile-Hardenbergstr. 20.

Die Schwester Margarethe (Lotte) Meyersohn (26.12.1887 Bromberg/Bydgoszcz – 09.04.1976 Cincinnati) lebte in Königsberg und war mit Erich Oscher (17.02.1888 Königsberg – 13.09.1956 Cincinnati) verheiratet, der sich in den USA Eric nannte. Das Paar hatte einen Sohn namens Horst Peter (15.09.1920 Bromberg – 03.05.1973 Golf Manor, Hamilton, Ohio).

Ende der 30er Jahre zog die Familie nach Berlin. Margarethe und ihre Familie emigrierte mit einem Visum über Honduras in die USA, so die Erinnerungen von Jan Gessler. Laut Suchanfrage von Lisa Meyersohn nach ihrer Tante Lotte (Margarethe) von 1946 konnte die Familie über Panama in die USA flüchten. Am 22.09.1940 erreichten sie New York und ließen sich in Cincinnati, Ohio nieder.

Ihr Sohn Horst Peter änderte seinen Vornamen in „Horace Pete“ und war mit Hella Louise, geborene Pauson (02.10.1920 Bamberg – 19.01.2001 Tampa/Florida, USA) verheiratet. Das Paar hatte 2 Kinder: Steven (Stevie) (21.09.1947) und Vivien Ann (Vivi) (21.01.1952). Horst und Hella ließen sich am 26. September 1967 scheiden.

Der Bruder Herbert Meyersohn (25.05.1890 Bromberg/Bydgoszcz – 22.06.1966 London) machte 1908 Abitur und wurde Zahnarzt. 1934 heiratete er Regina Hirsch, geborene Less (06.02.1892 Schwetz a.W. – 20.07.1973 London). Regina Hirsch hatte zwei Söhne aus ihrer ersten Ehe mit Ismar Hirsch (01.04.1879 – 14.12.1936) Peter (16.01.1925 Berlin) und Hans, später John Hirsch (03.10.20 Berlin – 09.10.2010 England). Regina und John gelang es 1938 nach London zu immigrieren. 1939 folgten ihnen Herbert und Peter.

Sir Peter Hirsch heiratete 1959 Steve Keller, die 2 Kinder mit in die Ehe brachte Janet und Paul. John Hirsch heiratete 1948 Ann Pendlebury. Das Paar hat vier Kinder – Peter, Penny, Stella and Ann.

Als Adresse in Berlin wird im Jüdischen Adressbuch (1931/32) Dr. Herbert Meyersohn prakt. Zahnarzt: NW 23 Flensburger Str. 22 Moabit angegeben. Mit selbiger Adresse wird auch die Mutter, Henriette Meyersohn, genannt. Die letzte Berliner Adresse laut Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 18. Januar 1939 lautet, Berlin NW 87, Levetzowstr. 11a.

Am 24. Januar 2022 – fast 80 Jahre nach der Ermordung von Siegbert Meyersohn – erreichte, das in der Universitätsbibliothek der Freien Universität gefundene Buch, Sue Gessler, die Tochter von Jan Gessler, dem Sohn von Erna Gessler der Schwester von Siegbert. Sie hat uns dankenswerterweise viele der angeführten Informationen zu Verfügung gestellt.

Bei der Recherche für die Klärung des tatsächlichen Namens für Lotte, die eigentlich Margarethe hieß, danke ich der Ahnenforscherin Julia Henke, die die Geburtsurkunde in den polnischen Archiven fand.


Weitere Informationen finden Sie unter: Looted Cultural Assets (LCA).

Hermann Ahlfeld (1892 -1983)

Christoph Paul Hermann Ahlfeld wurde am 10. April 1892 in Magdeburg (Preußen) als Sohn von Christoph und Dorothee Ahlfeld (geb. Stille) geboren. 

Nach dem Besuch der Volksschule in Magdeburg (1898 – 1906), erlernte er den Beruf des Bau-, Möbel- und Modelltischler bei Tischlermeister Ernst Hüttenrauch in Magdeburg (1906 – 1910). Von 1910 -1911 arbeitete er als Modelltischler in Erfurt, Mönchen-Gladbach, Grevenbroich, Einswarden und Oldenburg. Von 1912 – 1927 bei Borsig und Siemens in Berlin. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde er zum 2. Garde-Infanterie-Regiment nach Potsdam als Militär-Krankenwärter (Sanitäter) eingezogen, im Oktober 1916 aber bereits zum Einsatz in der Industrie nach Berlin entlassen.

Von 1927 – 1930 ging er zu A. Moldenhauer und Söhne in Berlin, Ackerstr. 50. Ab 1930 war er arbeitslos. 

Parallel zu seiner Anstellung und späteren Arbeitslosigkeit engagierte sich das SPD-Mitglied (seit 1911) von 1927 – 1933 als Lehrer an der Berliner Gewerkschaftsschule und von 1932 – 1933 als Organisator und Leiter der Erwerbslosenwerkstätten in Berlin-Charlottenburg. Er selbst bezeichnete sich als in Berlin bekannter Sozialist.

Am 28. Juni 1933 verließ Hermann Ahlfeld seine Wohnung in der Krummestr. 62 in Berlin-Charlottenburg und floh, nach einer Warnung durch Genossen, nach Paris. 

Seine wirtschaftliche Situation in Frankreich war schwierig. Er arbeitete von 1933 bis 1939 als Meister in der Spielzeugfabrik „Jou-Jou“, in 3 eigenen Betrieben und als Modelltischler.

In Frankreich lernte er seine jüdische Ehefrau Marianne Ahlfeld-Heymann, geborene Heymann (07.02.1905 in Köln – 26.06.2003 Haifa) kennen und heiratete sie am 07.04.1941. Marianne war Holzbildhauerin, Kostümdesignerin, Bühnenbildnerin, Maskenschnitzerin und Marionettenbauerin. 

Das Ehepaar Marianne und Hermann Ahlfeld bekamen drei Kinder – Eva Charlotte geboren am 8. Dezember 1941 in Marseille, Martin Nobert geboren am 8. Oktober 1943 in Ales (Losere) und Jean Marcel geboren am 29. März 1945 in Florac (Lozere).

Im September 1939 begann für Hermann Ahlfeld, wie für viele Ausländer in Frankreich, auf Grundlage des Decret-Loi du Juilett 1939, sein Weg durch die Internierungslager. Vom September 1939 bis Oktober 1939 im Stadion Colombes, Paris, von Oktober 1939 bis April 1940 Camp Villerbon bei Elois (Loire), von April 1940 bis Mai 1940 Camp Chambon (Loire) und von Mai 1940 bis August 1940 Arbeits-Bataillon (Arbeitssoldat/Prestataire) in Montauban (Loire). 

Im September 1940 erfolgte die Demobilisierung nach Toulouse und von Oktober 1940 bis Mai 1941 war er Holzfäller und Köhler in Arques bei Carcassonne.

Er selbst bezeichnet die Zeit von 1941-1945 als permanente Flucht innerhalb Frankreichs. Von Dezember 1941 bis Dezember 1942 war er in Marseille und Aux-en-Provence, ab Dezember 1942 bis zum Juli 1946 in St. Privat de Vallongue und Florac (Lozere).

Die Jahre der Internierung und Flucht hinterließen Spuren. Physisch und psychisch erschöpft, begab er sich im Juli 1946 bis Februar 1947 ins Hospital Psychiatrique de St. Alban (Lozere). Ab dem Juni 1947 bis zum Dezember 1948 arbeitete er wieder als Lehrer und Werksmeister im Jugendheim der Israelischen Jugend-Alija in Pougues-les-Eaux.

Im Januar 1949 entschloss sich die Familie zur Auswanderung nach Israel. Auch hier war der Anfang schwer Hermann Ahlfeld arbeitete als selbstständiger Industrie- und Werklehrer im eigenen Betrieb für Lehrmittel.

In den 1950er Jahren stellte er einen Antrag auf Entschädigung in der Bundesrepublik Deutschland. Nach Jahren der Bearbeitung durch die deutschen Behörden, des Vorlegens von Beweismittel und endlosen Schriftverkehres mit Anwälten erhielt er eine Rentenzahlung.

Hermann Ahlfeld verstarb am 08. Februar 1983 in Haifa, Israel.

Teil der Entschädigungsakte 251.028 (liegt vor im: Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Abt I – Entschädigungsbehörde Abschnittsleitung Aktenverwahrung- und Auswertung I A 4 Fehrbelliner Platz 1 10707 Berlin) ist der Verlust der Wohnung in der Krummestr. 62 in Berlin-Charlottenburg und der dort vorhandenen Bibliothek mit ca. 3500 Büchern und eines Archivs.

Die Universitätsbibliothek der Freie Universität, Arbeitsstelle Provenienzforschung hat 2020, nach Vermittlung der Kollegen des Projekts „NS-Raubgut in der SLUB (Erwerbungen nach 1945)“ der Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Kontakt zu einem Sohn von Hermann Ahlfeld aufgenommen.

Da es sich bei den in der Fachbereichsbibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien der Freien Universität Berlin gefundene 8 Bücher, die eindeutig Hermann Ahlfeld zuzuordnen sind, um spezifische Gewerkschaftsliteratur handelt, bat uns sein Sohn diese doch in der Bibliothek zu belassen und den Lesern weiterhin zugänglich zu machen.

Diesem Wunsch kommen wir sehr gerne nach.

Weitere Informationen finden Sie unter: https://lootedculturalassets.de/index.php/Detail/entities/11710

Jonas Andries van Praag (1895-1969)

Quelle: http://www.biografischportaal.nl/ http://www.biografischportaal.nl/persoon/18822407

Der Romanist und Hispanist Andries van Praag wurde am 26. Februar 1895 in Amsterdam, Holland geboren und verstarb, im Alter von 74 Jahre, am 30. Oktober 1969 in Amsterdam.

Jonas Andries van Praag, der im Wertpapiergeschäft arbeitete, wurde von dem Romanisten Jean-Jacques Salverda de Grave für die Universität abgeworben. 1922 promovierte er mit „La comedia espagnole aux Pays-Bas au XVIIe et au XVIIIe siècle“ (eine Arbeit über die spanische Komödie). 1927 war er der erste holländische Privatdozent für Spanisch an der Universität Amsterdam und ab 1930 Dozent. 1931 bis 1933 und 1939 bis 1941 arbeitete er als Privatdozent an der Universität Groningen, ab 1928 auch an der Universität Leiden.

1941 wurde er von der nationalsozialistischen Besatzungsmacht als Jude aus seinem Amt entfernt und enteignet. Auch seine umfangreiche Bibliothek fiel dieser Enteignung zum Opfer. Seine letzte Vorlesung hielt er am 26.11.1940, von da an versteckte sich die Familie.

Nach Besatzungsende wurde er am 7. Mai 1945 wieder als Dozent eingesetzt. Ab 1948 war er außerordentlicher und ab 1951 ordentlicher Professor für Spanisch an den Universitäten von Groningen und Leiden. Er emeritierte 1966.

Die Geschichte zum Buch: Nach dem Krieg versuchte van Praag seine, von den Nationalsozialisten geraubte, Bibliothek wiederaufzubauen. Das Buch wurde 1947 von ihm erworben. Nach einem Brand im Haus seiner Witwe in den 1970ern wurde ein Teil der Bibliothek erneut vernichtet oder beschädigt. Unser Buch hat eindeutige Brandspuren. Die übriggebliebenen Bücher wurden von seiner Witwe verkauft. Vermutlich ist das Buch so in die Bibliothek der FU Berlin gekommen.

Die meisten Bücher, die von Jonas Andries van Prag vor der Enteignung 1941 und nach 1945 erworben wurden, hat er mit seinem Exlibris versehen. Daher sind zu dieser Provenienz mögliche Datumseinträge wichtig, um die Bücher als Raubgut oder Nachkriegserwerbung einzuordnen. Unser Exemplar ist mit dem handschriftlichen Eintrag „Santpoot, 10. Dez. 1947 JA van Praag“ versehen – wie sich im Zuge der Recherche herausstellte, der letzter Lebensort seiner Frau Henriëtte Emma van Praag.

Rechercheergebnis: Das Buch ist kein Raubgut. Es befindet sich im Rara-Bestand der Campusbibliothek, Seminar für Judaistik.

Buch: Joh. Christophori Wagenseilii Sota. Hoc est: Liber Mischnicus De Uxore Adulterii Suspecta. Una cum Libris En Jacob, Excerptis Gemarae Versione Latina & commentario perpetuo … illustrate, Nürnberg 1674.

Weitere Informationen finden Sie unter
https://lootedculturalassets.de/index.php/Detail/entities/8471

Professor Dr. Adolf (Ayre) Schwarz 1846 – 1931

Ein geraubtes Buch des Stadt- und Bezirksrabbiners von Karlsruhe und des Mitbegründer und langjährigen Direktors der Jüdisch Theologischen Lehranstalt Wien Adolf (Ayre) Schwarz konnte an seine Urgroßenkel, den Filmemacher Amos Kollek und die Malerin Osnat Kollek – Kinder von Tamar und Teddy Kollek (langjähriger Bürgermeister von Jerusalem) – zurückgegeben werden.

Adolf (Arye) Schwarz, Rabbiner und Gelehrter wurde am 15.07.1846 als Sohn des Rabbiners S. Jacob in Adász-Tevel geboren. Er studierte 1866/1867 an der Wiener Universität Philosphie und Sanskrit. 1867 wechselte er  ins Rabbiner-Seminar in Breslau, besuchte aber auch die dortige Universität (Dr. phil.).  Auf Grund der in Breslau erbrachten Leistungen wurde er als Lehrer an die im Entstehen begriffene Landes-Rabbiner Schule in Budapest empfohlen, konnte das Angebot aber nicht annehmen, da sich die Gründung der Schule verzögerte. 1875 nahm er daher die Stelle des „Stadt- und Konferenzrabbiners“ in Karlsruhe an.

Als in Wien eine Israelitisch-theologische Lehranstalt gegründet wurde, berief man ihn 1893 zu deren ersten Rektor, ein Amt, das er bis zu seinem Tod (13. Februar 1931) innehatte; es gelang ihm, der Wiener Anstalt einen internationalen Ruf zu sichern.

1926 wurde im der Titel Hofrat verliehen.

Er war Vater des Rabbiners und Kodikologen Arthur (Zacharias) Schwarz, geboren am 4.2.1880 Kalsruhe,  gestorben am 16.02.1939 Jerusalem – nach dem dt. Einmarsch in Österreich wurde er inhaftiert und gefoltert; körperlich und seelisch gebrochen, kam er 1939 nach Jerusalem.

Arthur (Zacharias) Schwarz hatte einen Sohn Hans Theodor Binyamin Schwarz (geboren 1919 oder 1922 in Wien Professor für Mathematik in den USA und eine Tochter Anna Helene Tamar Schwarz, geboren 1917 in Wien – gestorben am  25.07.2013 Jerusalem. Anna Helene Tamar heiratete Theodore (Teddy) Kollek (geboren am  27.05.1911 – gestorben am  02.01.2007 Jerusalem), den berühmten Bürgermeister von Jerusalem.  Aus dieser Ehe stammen der Filmemacher Amos Kollek (geboren 1947 Jerusalem) und die Malerin Osnat Nurit Kollek (geboren am  04.02.1960 Jerusalem). Sie sind die Erben des restituierten Buches.

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Bildquelle: National Library of Israel