„Frau M. hob daraufhin die Hände wortlos in die Luft.“

Ein Beitrag von Annika S.

Die folgende Situation beobachtete ich in der Mathematikstunde einer achten Klasse. Dabei handelte es sich um die fünfte Stunde des Schultages und die Schüler:innen waren dementsprechend schon etwas unruhiger. Ich befand mich schon vor der Klassenlehrerin Frau M. (Name geändert) im Unterrichtsraum und konnte beobachten, wie die Schüler:innen sich lebhaft miteinander unterhielten und teils auch im Raum umhertobten. Nun betrat Frau M. den Raum, schloss die Tür und stellte sich, sobald die Klingel ertönte, abwartend vor die Klasse. Besonders an dieser Stunde war, dass ein Test angesetzt war. Nach der Begrüßung der Klasse befanden sich zwar alle Schüler:innen an ihren Plätzen, einige Kinder unterhielten sich jedoch noch und wühlten in ihren Mathematikheftern, um sich das Thema noch einmal schnell anzusehen. Frau M. hob daraufhin die Hände wortlos in die Luft.

Sofort taten die ersten Schüler:innen es ihr nach und innerhalb kürzester Zeit war die Klasse ruhig und richtete die Aufmerksamkeit auf ihre Klassenlehrerin. Nun konnte der Ablauf des Tests erklärt und die Blätter ausgeteilt werden. Auf das Zeichen von Frau M. konnten die Schüler:innen nun die Hände herunternehmen und mit der Bearbeitung des Tests beginnen.

Meine Einsichten

Ich fand es bemerkenswert, dass der Einsatz solcher Rituale nicht nur in der Grundschule funktioniert, sondern auch in der Sekundarstufe I. Besonders bei einer 8. Klasse war ich überrascht, dass der Lehrkraft so rasch und in so einer bereitwilligen Form gefolgt wurde, sodass eine unruhige, aufgrund des Tests (Ausnahmesituation) zusätzlich nervös wirkende Klasse innerhalb von wenigen Sekunden aufnahmebereit wurde. Das hat die Lehrkraft mit einer ruhigen Ausstrahlung erreicht, ohne sich auf Mittel wie erhöhte Lautstärke oder Drohungen zu verlassen. Dieser reibungslose Ablauf, den ich beobachten durfte, zeugt von einem guten Schüler:innen-Lehrkräft-Verhältnis und einem gut, über einen längeren Zeitraum trainierten Ritual. Im Nachgespräch dieser Unterrichtsstunde bestätigte dies die Lehrkraft und es stellte sich heraus, dass sie dieses Ritual in dieser Klasse bereits seit der 7. Jahrgangsstufe regelmäßig nutzt und diese Vorgehensweise auch in anderen Klassen bis Anfang der Sek II problemlos fortführt.

Meine Folgerungen

In dieser Stunde habe ich gelernt, dass es ratsam ist, mit einer ruhigen, aber bestimmten Art an unruhige Situationen heranzugehen. Um das zu gewährleisten, sollten Lehrkräfte schon früh damit beginnen, mit ihren Schüler:innen bestimmte Rituale einzuüben, sodass sich auf diese verlassen werden kann, um ein angenehmes Arbeitsklima schnellstmöglich herzustellen. Rituale können eine enorme Stütze für die Lehrkraft sein und sorgen auch dafür, dass die Schüler:innen sich im Klassenraum wohlfühlen, da Unruhe nicht mit Aggression seitens der Lehrkraft begegnet wird.

Meine Anschlussfragen

  • Was hätte die Lehrerin gemacht, wenn das Ritual nicht den erzielten Effekt gehabt hätte und keine Unruhe eingekehrt wäre? Wie sollte man sich dann verhalten?
  • Wie führt man solche Rituale ein und wie geht man damit um, wenn diese nicht von der Klasse angenommen werden?
  • Wie entdeckt oder entwickelt man Rituale, die zur eigenen Person, aber auch zur Klasse passen?

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