Ein Beitrag von Cindy O.
Die folgende Unterrichtseinheit erlebte ich in der NaWi-Stunde (NaWi = Naturwissenschaften) einer JüL-Klasse (JüL = jahrgangsübergreifendes Lernen) der Jahrgangsstufen 4, 5 und 6 in einer Berliner Grundschule. Im NaWi-Unterricht waren nur die Schüler der 5. und 6. Klasse. Das waren insgesamt vier Mädchen und sieben Jungen. Bei den Jungen sind einige sehr laute und sich viel bewegende Kinder dabei. Es war die erste Stunde der Schüler im NaWi-Raum der Lehrerin Z. Da es ein spezieller NaWi-Raum ist, gibt es einige Besonderheiten. Die auffälligste Besonderheit waren die Stühle. Es waren Drehstühle aus Metall, die mit einem Hebel hoch- und runtergestellt werden konnten. Nachdem Frau Z. die Kinder begrüßt und sich kurz vorgestellt hatte, forderte sie die Kinder sofort auf, eine Minute lang alles an den Drehstühlen auszuprobieren, was sie wollten und erforschen mussten. So drehten sich alle Kinder erst einmal im Kreis, legten sich auf die Stühle und drehten sich im Liegen, fuhren hoch und runter, und bauten sich mit den Stühlen sogar ein „Bett“, in welchem sie die Füße hochlegen konnten. Es wirkte ziemlich chaotisch. Nach exakt einer Minute forderte Frau Z. die Kinder auf, mit dem Ausprobieren aufzuhören und sich normal auf die Stühle zu setzen. Das dauerte weitere 30 Sekunden. Im Verlauf der Stunde gab es keine weiteren Störungen aufgrund der Stühle.
Meine Einsichten
Frau Z. war sich offenbar der ablenkenden Wirkung der Stühle bewusst. Sie hat reagiert, bevor es überhaupt zu Störungen durch die Stühle kam. Indem die Kinder gleich alles ausprobieren und den Stuhl entdecken konnten, hat sie ihnen „den Wind aus den Segeln genommen“ und späteren Störungen vorgebeugt. Außerdem hat sie auf die Neugier und die Neigung der Kinder zum Toben reagiert und diesen nachgegeben. Sie wusste um die Konstellation der Klasse und die Eigenheiten der Jungen. Durch das Eingehen auf diese hat sie die Beziehung zwischen sich und den Schülern und damit die Lernatmosphäre und das Arbeitsbündnis positiv beeinflusst. Danach konnte sie ohne weitere Störungen durch die Stühle ihr Handlungsprogramm beginnen. Den Schülern hat die Erforschungszeit offensichtlich gereicht.
Meine Folgerungen
Es ist sehr wichtig, sich in die Schüler hineinzuversetzen, und ihre Bedürfnisse zu erkennen. So werden eventuelle Störungen besser verstanden oder können gänzlich unterbunden werden. Es ist auch sinnvoll, sich im Vorhinein über eine neue Klasse und deren Eigenheiten zu informieren, damit man sich auf sie besser einstellen kann. Indem den Schülern zugehört wird und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, wird das Arbeitsbündnis gestärkt. Damit sinkt die Störungsanfälligkeit des Unterrichts und das Handlungsprogramm wird gestärkt. Die Neugier der Kinder sollte nach Möglichkeit immer gefördert werden, besonders in NaWi.
Meine Anschlussfragen
- Sind Bewegungspausen im Unterricht sinnvoll?
- Müssen Kinder nicht auch lernen, ihre Bedürfnisse zurückzustecken und später zu befriedigen?
- Inwieweit sollte man also Bedürfnisse berücksichtigen und wo liegen die Grenzen?
Gerade in der Grundschule sind Bewegungspausen oder Aktivierungsübungen/Entspannungssequenzen sehr hilfreich und gut. Ich finde, dass die Lehrkraft super reagiert hat. Wie im Beitrag beschrieben gab sie der Neugier nach und hat die Zeit für das „spielen“ begrenzt.
Ich denke auch, dass man mit Aktivierungsübungen/Entspannungssequenzen am Anfang der Stunde Ruhe reinbekommt und die Schüler gut abholt.
Mir ist das beschriebene Verhalten der Lehrkraft Frau Z. sehr positiv aufgefallen. Präventiv auf Störungen einzugehen und diese vorzubeugen, indem die Lehrkraft den Lernenden den Raum gibt interessante Dinge, die sonst die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und die Kinder ablenken könnten, zu „erkunden“, ist meines Erachtens eine sehr wirksame Strategie des Klassenmanagements. Nachfolgend möchte ich noch auf die erste Anschlussfrage im Blogbeitrag eingehen: Bewegungspausen während des Unterrichts halte ich sogar für notwendig. Ich merke selbst, dass mir Bewegungspausen während Lehrveranstaltungen in der Uni (z.B. durch den Pausenexpress) zugutekommen und ich dadurch meine Konzentration wiedergewinnen kann. Des Öfteren erweist es sich für Kinder im Grundschulalter als schwierig, sich über eine längere Unterrichtseinheit hinweg zu konzentrieren und deshalb empfinde ich Bewegungspausen gerade in der Schule als fundamental und bedeutungsvoll für einen Unterricht ohne zahlreiche Unterbrechungen.