Ein Beitrag von Sarah P.
Die von mir gewählte Situation ereignete sich im Teilungsunterricht der siebten Klasse in der 3. und 4. Unterrichtsstunde im Fach Englisch. Die Lehrkraft saß schon im Raum und hatte den Beamer samt Unterrichtspräsentation vorbereitet, als ich in den Raum kam. Die siebten Klassen sind normalerweise sehr voll und bis zum letzten Platz besetzt. Dank der Teilung fand ich jedoch eine gute Position in der letzten Sitzreihe. Die Schülerinnen waren recht unruhig und unterhielten sich lautstark miteinander.
Die Lehrkraft startete den Unterricht auf eine lockere Art, indem sie einzelne Schüler*innen auf Englisch fragte, was sie am Wochenende gemacht hätten, wobei sie sich auf den vordersten Schüler*innentisch setzte. Sie sprach hierbei gezielt diejenigen an, die sich noch mit ihren Sitznachbar*innen unterhielten. Dadurch beruhigte sich die Klasse schnell. Sie hörte den Schüler*innen aufmerksam zu und stellte einige interessierte Nachfragen. Danach ging es mit einem klassischen Warm-up los. Hierbei wurde es schon recht laut in der Klasse. Daraufhin kam das eigentliche Unterrichtsthema: „Writing good sentences“. Die Schüler*innen sollten in einem Text verschiedene Wortarten und Merkmale identifizieren, die für gute Sätze kennzeichnend sind. Die Aufgabe war recht komplex und erforderte einige Erklärungen. Die Schüler*innen waren unruhig und hatten Schwierigkeiten zuzuhören. Oft fingen sie an, ihre Platznachbar*innen Dinge zu fragen, die sie nicht verstanden hatten oder sie wollten schon anfangen, die Aufgabe zu bearbeiten.
Dann sagte die Lehrkraft auf eine ruhige aber bestimmte Art: „Guckt mich mal an, bevor ihr jetzt anfangt!“ und alle Blicke waren wieder nach vorne gerichtet. So hatte die Lehrkraft die Möglichkeit, die Aufgabe in Ruhe fertig zu erklären. Manchmal adressierte sie noch einzelne Schüler*innen mit dem Satz „Guck mich mal an!“, wenn sie nicht aufmerksam zuhörten. Dies führte in fast allen Fällen direkt zum Erfolg. Der Lehrkraft gelang es so, ohne größeren Widerstand seitens der Schüler*innen, die Aufgabestellung in Ruhe fertig zu erklären und dabei die Aufmerksamkeit aller Schüler*innen elegant auf sich zu ziehen.
Meine Einsichten
Ich war beeindruckt davon, wie gut die Lehrkraft die quirlige Klasse im Griff hatte. Die siebten Klassen gelten als die schwierigsten Klassen an der Schule, doch dieser Lehrkraft gelang das Klassenmanagement fast mühelos. Sie schaffte es, durch die einfache Aufforderung, sie anzusehen, die Klasse zu beruhigen. Sie wirkte dabei weder tadelnd noch genervt. Ich denke, dass andere, gängige Sätze wie „Guckt nach vorne!“ oder „Passt auf!“ nicht den gleichen Effekt gehabt hätten, da sie im Schüler*innengedächtnis schon negativ konnotiert sind. Die einfache Umformulierung zu einer Aufforderung mit ganz persönlicher Komponente, nämlich SIE anzuschauen, nicht die Tafel oder ähnliches, hat den Charakter der Aufforderung zu einer zwischenmenschlichen, positiven verändert. Hier konnte die Lehrkraft sicher auch von ihrer guten Beziehung zu den Schüler*innen profitieren, die sich u.a. aus ihrem persönlichen Interesse an ihnen speist. So gelang es ihr, Vertrauen und eine respektvolle Atmosphäre zu schaffen, was sich positiv auf das Unterrichtsklima auswirkte und einen eleganten Umgang mit Störungen ermöglichte.
Meine Folgerungen
Aus meiner Beobachtung konnte ich die Erkenntnis gewinnen, dass sich beim Klassenmanagement, gerade von schwierigeren Klassen, eine ruhige und gelassene, aber bestimmte Art in Kombination mit einem guten persönlichen Verhältnis bezahlt macht. Ist das Verhältnis gut, lassen sich auch ermahnende Aufforderungen ruhiger und persönlicher gestalten , die so mehr Wirkkraft erzielen. Es empfiehlt sich, auf „Standard-Ermahnungen“, bei denen die Schüler*innen aus Erfahrung schon ein negatives Gefühl bekommen, zu verzichten und die Bitte anders zu formulieren, um ans Ziel zu kommen. Dass dies selbst bei quirligen Siebtklässler*innen funktionieren kann, hat die Lehrkraft mit ihrem Verhalten gezeigt.
Meine Anschlussfragen
Welche Mittel zum guten Klassenmanagement bleiben einer Lehrkraft, wenn diese ruhige und auf persönlicher Beziehung beruhende Art nicht funktioniert? Ab welchem Punkt muss doch auf „klassisches“ Tadeln zurückgegriffen werden? Oder ist die Arbeit an einem guten Arbeitsbündnis und einer guten persönlichen Beziehung doch ein Weg, um „klassische“ Zurechtweisungen ganz zu umgehen?