Ein Beitrag von Katharina K.
Mein Mikroartikel bezieht sich auf ein Geschehen in der Mathe-Stunde in einer JüL-Klasse (Klassenstufe 1 bis 3) an einem Dienstag Vormittag. Der Schüler Louis (Name geändert, Klassenstufe 2) mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bittet per Handzeichen darum, auf die Toilette gehen zu dürfen. Er kann sich generell schlecht konzentrieren und sucht manchmal mehrmals in einer Unterrichtsstunde die Toilette auf, wozu er allerdings jedes Mal die Begleitung eines weiteren Schülers der 2. oder 3. Klassenstufe benötigt, damit er auch schnell wieder den Weg zurück in die Klasse findet. Die Lehrerin, die sich gerade über die allgemeine Unruhe im Klassenzimmer ärgert, schlägt ihm die Bitte ab und reagiert sichtlich genervt mit der Antwort, er solle später gehen.
Keine zwei Minuten später macht sich Louis in die Hosen. Getuschel und vereinzeltes Gelächter macht sich breit. Louis lächelt unsicher. Da er keine Wechselwäsche dabeihat, muss die Lehrerin mit ihm in den sich im Nebengebäude befindlichen Hort gehen, um Wechselwäsche zu organisieren und ihm anschließend beim Umziehen helfen. Ich bleibe mit der Klasse allein zurück. Die Unruhe in der Klasse ist noch größer als zuvor und es findet kein konzentriertes Arbeiten mehr statt.
Meine Einsichten
Auch für erfahrene Lehrkräfte scheint es in gewissen Situationen schwierig zu sein, die richtige Entscheidung zu treffen bzw. eine Situation richtig einzuschätzen. Vielleicht ist es bei längerer Erfahrung sogar schwieriger, weil sich die Auffassung festsetzt „man kenne seine Pappenheimer schon“. Die Lehrerin hat Louis in eine unangenehme Situation gebracht. Mit ihrem Handeln wollte sie natürlich etwas ganz Anderes bewirken, nämlich für Ruhe und eine konzentrierte Arbeitshaltung sorgen indem sie Louis untersagte, zur Toilette zu gehen. Leider ist etwas Gegenteiliges dabei herausgekommen und der Rest der Klasse hat die letzten 15 Minuten des Mathematikunterrichts durch die Aufregung gar nicht mehr gearbeitet.
Meine Folgerungen
Um für eine konzentrierte Arbeitshaltung und Ruhe im Klassenzimmer zu sorgen, kann es keine Lösung sein, Toilettengänge zu verbieten. Vielmehr müsste man das Thema vielleicht einmal im wöchentlich stattfindenden Klassenrat ansprechen und die Schüler*innen dafür sensibilisieren, dass es stört, wenn während des Unterrichts ständig jemand den Raum verlässt. Es könnten Regeln festgehalten werden, wie man sich zu verhalten hat, wenn man das Klassenzimmer während des Unterrichts verlassen muss und wieder betritt (nämlich mucksmäuschenstill) und dass es ratsam sei, die Toilette in den Pausen aufzusuchen. Betreffende Schüler*innen könnte man gezielt vor Unterrichtsbeginn ansprechen.
Meine Anschlussfragen
- Wenn Schüler*innen oftmals den Gang zur Toilette nutzen um dem Unterricht zu entfliehen, sollte man sich vielleicht fragen, warum dem so ist. Langweilen sich betreffende Schüler*innen? Sind sie über- oder unterfordert? Können sie sich nicht lange am Stück konzentrieren? Ist es dann vielleicht nicht auch durchaus legitim, mal kurz den Raum zu verlassen?
- Was macht so ein „Unfall“ mit dem Vertrauensverhältnis von Lehrkraft und Schüler*in und auch von Lehrkraft und Eltern?
Dieser Vorfall macht die Problematik des „Toilettenganges“ sehr deutlich. Ein umstrittenes Thema, für welches es jedoch meiner Meinung nach eine einfache Lösung gibt: Der Gang zur Toilette darf und sollte nicht verboten werden. Es ist jedoch ein enormer Unterschied, um welche Klassenstufe es sich handelt. Bei der genannten Situation war es die Stufe 1 bis 3, bei welcher es in der Tat schwieriger ist, die Ruhe und Konzentration in der Klasse zu stabilisieren. Es kann aber nicht die Lösung sein, den Schülerinnen und Schülern zu verbieten, auf die Toilette zu gehen. Auch wenn es in diesem Fall nur ein „Spazieren“ ist und die SuS nicht unbedingt auf die Toilette müssen, kann auch ein einfacher kleiner Spaziergang sinnvoll sein, gerade bei großer Unruhe. Ich bin der Meinung, dass auch im jungen Alter die SuS ein gutes Körpergefühl haben und wissen, wann sie zur Toilette müssen oder wann sie eben nur mal die Beine vertreten müssen. Dieser Zustand sollte nicht unterdrückt werden. Um kein großes Gewusel in der Klasse entstehen zu lassen, kann man jedem Kind 2 Toiletten-Chips geben, die es im Laufe der Stunde (45 min.) einlösen kann. So ist gewährleistet, dass durch ständiges Melden keine Unruhe entsteht und die SuS eine begrenzte und doch freie Entscheidung über sich haben. In diesem Fall riskiert die Lehrkraft die Situation, dass es zu diesem Unfall kommt. Dieser Vorfall stört den Unterrichtsfluss viel mehr, als wenn dem Schüler der Gang zur Toilette ermöglicht worden wäre. Zudem kommt hinzu, dass dieser Vorfall den Schüler auch psychisch belastet, da das Gefühl von Scham aufkommt. Eine Situation die vermieden werden konnte.