Ein Beitrag von Friederike L.
Im Rahmen meines Orientierungspraktikums begleitete ich u. a. eine jahrgangsübergreifende Klasse der Mittelstufe. Wöchentlich nutzen sie die erste halbe Stunde am Freitag für einen Klassenrat. Dabei werden Themen besprochen, die der ganzen Klasse, einzelnen Schülern/Schülerinnen (SuS) oder einer Lehrkraft am Herzen liegen. Nachdem die Themen der SuS besprochen wurden, sprach die Lehrerin einen Vorfall von vor zwei Tagen an: Die SuS hatten in einer Stunde, in der keine Lehrkraft zu Beginn der Stunde im Klassenzimmer erschien, aus Eimern, Stühlen und Tischen einen Parcours für Tischtennisbälle gebaut. Nach einem missglückten Ball trat einer der Schüler gegen einen Eimer, der einer Schülerin ins Gesicht flog und sie leicht verletzte.
Die Lehrerin begann das Gespräch damit, dass sie die SuS schildern ließ, wie die Situation zustande kam. Anschließend fragte sie die SuS, warum kein/e anderer/e Schüler/in eingeschritten sei und eine Situation, in der andere SuS verletzt werden könnten, verhindert hätte. Außerdem stellte sie zur Diskussion, warum niemand auf die Idee gekommen sei, ins Sekretariat zu gehen und nach der Lehrkraft zu fragen, als diese nach 15 Minuten noch nicht erschienen war.
Nach einigen Äußerungen der SuS fragte sie die Schüler, welche Konsequenzen die Situation am Mittwoch haben sollte. Einige SuS meinten, die sinnvollste Konsequenz sei, dass kein SuS mehr unbeaufsichtigt im Klassenraum sein dürfe. Andere Ideen waren, den nächsten schönen Ausflug ausfallen zu lassen oder am nächsten Freitag länger in der Schule bleiben zu müssen.
Die Lehrerin beendete die Diskussion, indem sie keine Strafe verhängte, sondern stattdessen alle SuS drei bis vier Sätze zu der Fragestellung: „Was ist meine Verantwortung in der Klasse?“ schreiben ließ.
Meine Einsichten
Aus den Texten, die die SuS verfasst hatten, wurde deutlich, dass sich viele SuS bewusst sind, dass sie eine Verantwortung in der Klasse haben: Sie könnten andere SuS darauf ansprechen, wenn diese etwas „falsch“ machen, aufeinander achten, selber keinen Unsinn anstellen oder Lehrpersonen in kniffeligen Situationen zur Hilfe holen. Die SuS mussten sich Gedanken machen, wie sie das nächste Mal in einer solchen Situation handeln sollten.
Dadurch, dass nicht alle SuS eine Strafe für das Verhalten eines Schülers erhalten haben, wurde das Klassenklima nicht belastet. Vielmehr wurde es gestärkt, da jedem seine Verantwortung für die Klasse bewusster geworden ist.
Meine Folgerungen
Aus dieser Situation habe ich gelernt, dass Strafen nicht unbedingt eine Lösung für jedes Problem sind. Vielmehr ist es sinnvoll, mit den SuS ins Gespräch zu kommen. Die Lehrkraft hat mit ihrer Vorgehensweise versucht, den Schülern zu verdeutlichen, wie es zu dem Problem gekommen ist und wie so etwas in Zukunft verhindert werden kann.
Einzelne Schüler durch ihre Taten ins schlechte Licht zu stellen, ist nicht gut für die Klassengemeinschaft und löst selten das Problem. Da in dieser Situation die „Schuld“ nicht allein bei dem Schüler, der den Eimer getreten hat, gesucht wurde, wurde der ganzen Klasse klar, dass alle in jeder Situation eine Verantwortung tragen.
Des Weiteren fand ich es beeindruckend, dass den SuS eigentlich bewusst war, dass Aktionen immer Konsequenzen nach sich ziehen. Durch ein Gespräch über mögliche Konsequenzen mit den SuS entsteht Transparenz über die Entscheidungen der Lehrkraft und die SuS lernen bewusst, in Situationen über mögliche Konsequenzen nachzudenken.
Meine Anschlussfragen
- Inwiefern sind Strafen in der Schule sinnvoll? Gibt es sinnvolle Strafen in der Schule?
- Welche Aufgaben, außer der Lehrstoffübermittlung, bringt das Unterrichten noch mit sich?
- Wie kann ich SuS sensibilisieren, an Konsequenzen zu denken??