Von Cordula Dittmer und Daniel F. Lorenz
Stand 29.03.2022, 14:00 Uhr
Aufgrund der sich mittlerweile sehr dynamisch entwickelnden Lage haben wir uns entschlossen, unsere Beiträge vom 05.03.2022 und 11.03.2022 upzudaten.
Seit dem Sommer 2015 untersuchten wir an der KFS zunächst im Schwerpunkt KatFlucht, ab Oktober 2018 dann im Projekt WAKE die Bewältigung der Flüchtlingssituation 2015/16 durch den deutschen und europäischen Zivil- und Katastrophenschutz. Dass es keine sieben Jahre später wieder dazu kommen sollte, dass wir es in Europa mit massiven Flüchtlingsbewegungen zu tun haben, war nicht absehbar. In den (sozialen) Medien werden zunehmend Referenzen zum Ende des Zweiten Weltkriegs oder zu 2015/16 hergestellt. Das UNHCR spricht von einem Exodus, wie er nur äußerst selten vorkommt. Mittlerweile stuft das UNHCR die Situation in der Ukraine als „Level 3 emergency“ und damit als höchste Kategorie ein. Bis zum 28.03.2022 wurden vom UNHCR 3.901.713 Flüchtlinge erfasst; daneben gibt es eine fast doppelt so große Zahl intern Vertriebener in der Ukraine. Unser Analysefokus liegt auf der Bewältigung der Situation durch staatliche und nicht-staatliche Akteure, insbesondere des Zivil- und Katastrophenschutzes: Wir beobachten gegenwärtig sowohl sehr ähnliche als auch ganz andere Bewältigungsformen wie 2015/16.
Strukturen, Lernerfahrungen und Verfahren aus der Flüchtlingssituation 2015/16 sind 2022 noch vielfach vorhanden beziehungsweise können reaktiviert werden. Die staatlichen Aufnahmestrukturen sind daher grundsätzlich besser aufgestellt als 2015/16, dies ist auch für die Hilfsorganisationen zutreffend. Zugleich muss jedoch auch konstatiert werden, dass seit 2015/16 viele Strukturen wieder abgebaut und Lernerfahrungen zum Teil nur sehr eingeschränkt dokumentiert wurden.
Wir haben daher aus der Perspektive der sozialwissenschaftlichen Katastrophenforschung hier erste Thesen v. a. bezogen auf Deutschland zusammengestellt, mit denen wir Denkanstöße dazu liefern wollen, wo es Gemeinsamkeiten gibt, wo Unterschiede und wo auch Weiterentwicklungen des Feldes des Zivil- und Katastrophenschutzes von 2015/16 bis heute stattgefunden haben.
Migrationsdynamiken (Versorgung und Transport)
- Deutschland ist anders als 2015/16 gegenwärtig nicht das primäre Fluchtziel, sondern die meisten Flüchtlinge verbleiben noch in den Nachbarländern der Ukraine wie Polen, Moldau oder der Slowakei. Dies könnte sich jedoch bei einer weiteren Eskalation des Krieges oder nicht mehr zu bewältigenden Flüchtlingszahlen in diesen Ländern ändern. Auch in Deutschland steigen die Flüchtlingszahlen stark an und machen zunehmend den Rückgriff auf Ressourcen des Zivil- und Katastrophenschutzes notwendig, um temporäre Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen oder die Grundversorgung sicherzustellen.
- Ukrainer*innen -– dies gilt wohlgemerkt nur für Personen mit einem ukrainischen Pass und nicht unbedingt für Personen anderer Nationalität – können visumsfrei in die Bundesrepublik Deutschland einreisen. Im Gegensatz zu 2015/16 spielen daher asylrechtliche Fragen keine unmittelbare Rolle und Grenzregime, vor allem die deutschen Außengrenzen (erinnert sei hier beispielsweise an die dramatischen Szenen an der slowenisch-österreichischen oder deutsch-österreichischen Grenze), ebenfalls nicht. Aufgrund der wechselnden Fluchtrouten, die sich an die dynamischen Grenzregime anpassten, war 2015/16 die notwendige Versorgung der Flüchtlinge für die Akteure des Zivil- und Katastrophenschutzes bzw. der humanitären Nothilfe auf der gesamten Balkanroute eine zusätzliche Herausforderung. Auch dies bleibt gegenwärtig – abgesehen von Transitorten in Anrainerstaaten der Ukraine – aus, da die Transportwege relativ klar sind und die Menschen sich mit eigenen Fahrzeugen oder mit Zügen fortbewegen und zumindest nach Verlassen der Ukraine nicht zu Fuß unterwegs sind.
- Dies hat zudem weitreichende transportlogistische Konsequenzen: So waren beispielsweise lange Zeit keine innerdeutsche Verteilung der Flüchtlinge nach dem in Asylverfahren und auch 2015/16 genutzten Königsteiner Schlüssel sowie entsprechende Koordinierungsstellen (KoSt-FV) für Züge und Busse erforderlich (siehe hierzu Dittmer/Lorenz 2020), sondern die Flüchtlinge konnten sich, auch durch die Unterstützung der Deutschen Bahn, selbst über das Land verteilen. Da die Mehrzahl der Flüchtlinge in Deutschland allerdings in Berlin ankam, wurden die Forderungen nach einer bundesweiten Verteilung lauter. Mittlerweile wurde in Hannover ein Drehkreuz eingerichtet, um eine Verteilung der Flüchtlinge in die Bundesländer besser vornehmen zu können. Hierzu wurden auch auf dem Messegelände Einrichtungen durch das DRK in Betrieb genommen. Ein weiteres Drehkreuz wurde in Cottbus etabliert. Besondere bundesweite Aufmerksamkeit erfährt jedoch das am ehemaligen Flughafen Tegel eingerichtete Drehkreuz (siehe dazu auch weiter unten). Wurde zunächst noch darauf gehofft, dass die Verteilung der Flüchtenden ohne staatliche Lenkung funktioniert, werden nun Menschen, die sich in Deutschland offiziell registrieren, nun doch auf andere (Bundes-)Länder verteilt. Gegenwärtig bedeutet das, dass keine Flüchtlinge mehr in Berlin bleiben können, die sich registrieren, da Berlin gemäß Königsteiner Schlüssel nur für 5% aller Flüchtlinge zuständig ist.
Asyl- und aufenthaltsrechtliche Aspekte
- Anders als 2015/16 besteht weitgehende Einigkeit der EU-Mitgliedstaaten, was die Reaktion auf die Fluchtbewegung angeht. Dies ermöglichte es u. a., dass am 3. März 2022 erstmalig die Massenzustromrichtlinie der EU in Kraft gesetzt wurde. Diese hat in Deutschland einen gänzlich anderen Status der Flüchtlinge als 2015/16 zur Folge: War 2015/16 für die Flüchtlinge ein Aufenthalt in Deutschland nur unter Antrag auf besonderen Schutz in Form von Flüchtlingsschutz gemäß Genfer Flüchtlingskonvention, Asyl oder subsidiären Schutz gemäß Asylrecht möglich, können sich Flüchtlinge aus der Ukraine zunächst 90 Tage visumsfrei in Deutschland aufhalten und danach einen Antrag auf temporären Schutz auf Basis des Aufenthaltsgesetzes sowie der Massenzustromrichtlinie stellen. Der Rückgriff auf die Massenzustromrichtlinie entlastet insbesondere die Asylsysteme in den osteuropäischen Ländern, die einem derartigen Aufwuchs vermutlich nicht gewachsen wären und erleichtert die Integration in die weiteren gesellschaftlichen Systeme (Unterkunft, Bildung, Arbeitsmarkt usw.). 2015/16 mussten für die unmittelbar notwendige Erstregistrierung gesonderte Einrichtungen geschaffen werden, wie z. B. die Warteräume in Feldkirchen und Erding, die auch mit der Unterstützung der Organisationen des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Bundeswehr und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) errichtet und betrieben wurden. Zwar ist gegenwärtig die Registrierung aufenthaltsrechtlich nicht unmittelbar notwendig, eine Registrierung aber sehr wohl für die Inanspruchnahme von Leistungen erforderlich, sodass sich auch hier Flaschenhälse bei der Registrierung abzeichnen. Daher wurde am Flughafen Tegel ein Ankunftszentrum auch zur Registrierung sowie zur anschließenden Verteilung auf die Bundesländer eingerichtet. Bei der Registrierung unterstützen Angehörige der Bundeswehr und des BAMF.
Zivilgesellschaftliche/spontane Hilfe und gesamtgesellschaftliche Akzeptanz
- Die Hilfe aus der Bevölkerung scheint heute ähnlich groß wie 2015/16. Auch wenn damals schon die Hilfe aus der Zivilgesellschaft vielfach hochprofessionell agierte, lässt sich heute eine weitergehende Professionalisierung beobachten. Zugleich zeigt sich aber auch wie 2015/16, dass die hohe Bereitschaft zu Sachspenden organisationale Strukturen (auch von Organisationen des Bevölkerungsschutzes) mitunter kapazitiv überfordert. Wie sich die zivilgesellschaftliche Hilfe weiterentwickeln wird, hängt auch entscheidend davon, ab welche staatlichen Hilfsangebote existieren bzw. etabliert werden. Jetzt, da sich abzeichnet, dass Organisationen des Zivil- und Katastrophenschutzes mit ihren ehrenamtlichen Strukturenhinzukommen, könnte es zu Konflikten und „Kompetenzgerangel“ führen, da sich hier sehr unterschiedliche Organisationslogiken z. T. widersprechen wie 2015/16.
- Auch wenn es sich 2015/16 wie heute um Kriegsflüchtlinge handelt, scheint es gegenwärtig eine geringere gesamtgesellschaftliche Polarisierung hinsichtlich ihrer Aufnahme zu geben. Während 2015/16 die die Aufnahme von Flüchtlingen notwendig machende humanitäre Notlage von politischen Akteuren unterschiedlich bewertet wurde, scheint es gegenwärtig (noch) einen deutlich größeren politischen Konsens zu geben. Als Gründe können unter anderem angenommen werden, dass muslimfeindliche Ressentiments und Rassismen in der Gesellschaft in der aktuellen Lage weniger anschlussfähig sind, der Krieg in Europa stattfindet und zugleich als Angriff auf Europa und seine politische Ordnung gewertet wird. Dass v. a. Frauen und Kinder – und damit traditionell als Opfer und vulnerable Gruppe definierte Menschen – fliehen resp. die Ukraine verlassen können, erleichtert zusätzlich die Empathie und bestätigt damit auch zugleich bestehende Geschlechterstereotype kriegerischer Auseinandersetzungen sowie mediale Darstellungen „vulnerabler Flüchtlinge“. Allerdings liegen vielfach wenig bis keine Konzepte vor, wie man vulnerable Gruppen in den Notunterkünften und Verteilzentren oder in der privaten Aufnahme besonders schützen könnte. Dies ist erstaunlich, da dieselbe Problematik bereits 2015/16 aufkam und umfassend problematisiert wurde. Hier wurden insbesondere die Fragen nach der Einführung von SPHERE-Standards für den europäischen Kontext oder die Schaffung von child-friendly-spaces diskutiert.
Bedeutung des Zivilschutzes
- Fluchtbewegungen aus dem Osten aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen waren nach dem Zweiten Weltkrieg zumindest bis zum Zusammenbruch des Ostblocks ein bedeutendes Szenario des deutschen Zivilschutzes: Erinnert sei hier an die Fluchtbewegungen nach der Gründung der beiden deutschen Staaten von 1949-1955, nach 1989 im Zuge der Grenzöffnungen für Flüchtlinge aus der DDR sowie im Kontext der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren (Dittmer/Lorenz 2020). Entsprechende Planungen und Ressourcen wie z. B. der DRK-Hilfszug gerieten jedoch – wie der Zivilschutz generell – zumindest bis 2015/16 fast gänzlich aus dem Blick, mit der Folge, dass 2015/16 kaum noch entsprechendes Wissen vorhanden war. Einiges wurde für die Bewältigung der Flüchtlingssituation 2015/16 wieder reaktiviert und als Folge z. B. größere Betreuungskonzepte für zukünftige humanitäre Notlagen wie das Labor 5000 auf den Weg gebracht. Aktuell werden von Akteuren des Zivil- und Katastrophenschutzes insbesondere im Zusammenhang mit dem Labor 5000 vermehrt Bezüge zum Zivilschutz hergestellt, da die gegenwärtige Lage die Notwendigkeiten und Defizite hier sehr deutlich macht.
- Über das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) des Bundes und der Länder beim BBK werden vielfach basierend auf dem Union Civil Protection Mechanism (UCPM) Hilfsangebote koordiniert und Verlegungen von ukrainischen Patient*innen auf Basis des sogenannten Kleeblattkonzeptes organisiert. So wurden Stromgeneratoren, Zivilschutzausstattung und medizinische Güter nach Polen sowie Tragkraftspritzen zur Brandbekämpfung in die Ukraine geliefert.
Situation in Berlin
- Im Auftrag des Berliner Krisenstabs übernahmen Hilfsorganisationen die Koordination der Flüchtlingsankunft an Busbahnhöfen, die zuvor noch hauptsächlich über spontane Helfende bzw. organisierte Freiwillige geleistet wurde. An anderen Orten, wie beispielsweise dem Berliner Hauptbahnhof, ergänzten Hilfsorganisationen die spontane Hilfe zunächst nach Amtshilfeersuchen mit medizinischer Notversorgung. Da die spontane Hilfe am Berliner Hauptbahnhof räumlich und personell zunehmend an ihre Grenzen kommt, wurde vor dem Bahnhof ein – bereits jetzt schon zu kleines – Willkommenszelt errichtet und eine gemeinsame Einsatzleitung aus Polizei und Feuerwehr versucht seit dem 09.03.2022 die Lage zu strukturieren und die Sicherheit zu gewährleisten. Es wurde dennoch unter anderem in den sozialen Medien kritisiert, dass vor allem in der Stadt Berlin die professionelle Hilfe und vor allem die dazu notwendige Unterstützung durch den Bevölkerungsschutz zu spät angelaufen ist.
- Da bis zu 15.000 Flüchtlinge täglich in Berlin ankommen und gegenwärtig nur begrenzt im Bundesgebiet weiter verteilt werden, wurden schnell Notunterbringungsmaßnahmen erforderlich. So wurde durch 150 Einsatzkräfte des THW am Erstaufnahmezentrum in Reinickendorf eine Zeltstadt errichtet und unter anderem mit Material des BBK und DRK ausgestattet. Am ehemaligen Flughafen Tegel entstand unter der Leitung des DRK in Kooperation mit allen anderen registrierten Hilfsorganisationen des Zivil- und Katastrophenschutzes (Johanniter-Unfall-Hilfe, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser Hilfsdienst, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) ein neues Ankunfts- und Verteilzentrum für Flüchtlinge, das bis zu 3.000 Flüchtlinge aufnehmen und 10.000 Flüchtlinge am Tag verteilen soll. Die Einrichtungen in Tegel wurden um Komponenten des ersten Moduls der Zivilschutzreserve des Bundes (Labor-Betreuung 5000) ergänzt. Zudem können an der Berliner Messe in der ehemaligen Corona-Notfallklinik des Landes bis zu 2.500 Flüchtlinge untergebracht werden. Es entstehen weitere neue Unterkünfte in verschiedenen Berliner Bezirken. Auch in anderen Städten wie beispielsweise Frankfurt am Main werden durch Freiwillige Feuerwehren und das DRK Unterkünfte für Flüchtlinge errichtet. Es zeichnet sich ab, dass die Unterkünfte vielfach in Form von gemeinnützigen GmbHs betrieben werden und hierzu hauptamtliches Personal eingestellt wird.
- Durch die schnelle Änderung der Lage zeichnete sich auch ein Personalengpass in Berlin ab. Ein Amtshilfegesuch Berlins an die Bundeswehr zur Unterstützung beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten wurde zunächst mit Verweis auf die eigentlichen Aufgaben der Bundeswehr sowie dem Vorhandensein des Bevölkerungsschutzes medial kritisiert und dann zunächst negativ beschieden. Mittlerweile sind jedoch ca. 80 Bundeswehrsoldat*innen im Ankunftszentrum in Tegel eingesetzt, eine Verlängerung dieses Einsatzes wird bereits gefordert.
Feststellung des Katastrophenfalls
- Aufgrund der weiterhin unübersichtlichen Lage wird in Berlin – wie schon in den 1950er Jahren und 2015 – die Möglichkeit der Feststellung des Katastrophenfalls angesichts der großen Flüchtlingszahlen diskutiert und z. T. gefordert. Ob es sich wirklich um die Forderung nach einer Auslösung des Katastrophenalarms nach dem Gesetz über den Katastrophenschutz im Land Berlin oder nicht vielmehr um die Feststellung einer Großschadenslage handelt, ist gegenwärtig unklar.[1] Gleichzeitig wird kritisiert, dass Einsatzkräfte des THW freigestellt werden würden, ehrenamtliche Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen jedoch erst auf Nachfrage und lediglich für Einzelaufträge. In Bayern erweiterte man hingegen bereits den seit Anfang November 2021 festgestellten Katastrophenfall aufgrund der Corona-Pandemie um die Ukraine-Krise. In einzelnen Städten wie Baden-Baden richtete man bereits vorsorglich einen Katastrophenstab ein und bereitet sich auf die Ausrufung des Katastrophenfalls vor.
Internationale Dimension/Aspekte der humanitären Hilfe
- Deutsche Organisation des Bevölkerungsschutzes, UN-Organisationen sowie internationale humanitäre Organisationen sind im Rahmen der humanitären (Auslands-)Hilfe gegenwärtig in Nachbarländern der Ukraine sowie der Ukraine selbst aktiv wie 2015/16 in Griechenland oder entlang der Balkanroute. Im Gegensatz zu 2015/16, das stark von politischen Auseinandersetzungen zwischen den europäischen Ländern geprägt war, scheint es gegenwärtig eine große Übereinstimmung zwischen den humanitären und politischen Mandaten zu geben, was die Arbeit der Organisationen daher stark erleichtern dürfte. Bereits 2015/16 wurde allerdings kritisch hinterfragt, ob Europa mit seinen zahlungskräftigen Institutionen ein Betätigungsfeld dieser Organisationen sein sollte oder diese sich nicht viel mehr auf andere Weltregionen fokussieren sollten, in denen staatliche Akteure über deutlich weniger Mittel verfügen. Dieser Punkt wird auch gegenwärtig diskutiert.
Blick in die Zukunft
- Es sind weitere Einsätze des Zivil- und Katastrophenschutzes denkbar, die stark davon abhängen, wie sich der weitere Kriegsverlauf entwickeln wird: Grundsätzlich wird interessant sein, ob und in welchem Umfang für die Unterbringung, Verteilung oder Versorgung von Flüchtlingen flächendeckend auf Ressourcen des Zivil- und Katastrophenschutzes zurückgegriffen wird. Dies muss nicht zwangsläufig allein aus der Notwendigkeit heraus geschehen, es könnte jedoch auch eine gute Möglichkeit bieten, einzelne Komponenten in den Einsatz zu bringen und zu real erproben.
- Vor dem Hintergrund der in Folge der Flüchtlingslage 2015/16 begonnenen Diskussionsprozesse, die durch jüngere Ereignisse wie die Pandemie und die Flutereignisse 2021 verstärkt wurden, ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtige Flüchtlingssituation in Verbindung mit der Aktualität eines klassischen Angriffskrieges in unmittelbarer geographischer Nähe Fragen zur Ausrichtung und Ausstattung des Zivilschutzes sowie eine Neuausrichtung des Zivil- und Katastrophenschutzes aufwerfen und aktualisieren werden, die z. T. bereits begonnen wurden. Die Betreuung und Versorgung von Menschen, die über kürzere oder längere Zeiträume nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können, dürfte hierbei nur ein Punkt von vielen sein.
[1] Mitte Juni 2021 wurde die Kategorie „Großschadenslage“ neu in das Berliner Katastrophenschutzgesetz aufgenommen, um frühzeitig insb. übergeordnete Führungsstrukturen zu etablieren, wenn auch die Voraussetzungen einer Katastrophe noch nicht gegeben sind, es aber entsprechend erhöhten Koordinierungsbedarf gibt, der deutlich über dem Management von Alltagsgefahren liegt.