„I hate German! I hate German people, f*ck you stupid kids!“

Ein Beitrag von Anne W.

Im Deutschunterricht einer achten Klasse stört Tim (Name geändert) besonders oft und gerne, weil er eine Abneigung gegen die deutsche Sprache hat. Nachdem Tims Eltern vor über einem Jahr aus beruflichen Gründen die USA verlassen haben, kann er sich nicht mit dem Dasein in Deutschland anfreunden. Tim hat den Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung, sowie aufgrund seines massiv störenden Verhaltens weiteren Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung. Tim und ich hatten uns auf Anhieb gut verstanden, was vermutlich daran liegt, dass auch ich amerikanisches Englisch spreche. Als Tim so sehr an diesem Montag störte, indem er in einem Fort laut schrie „I hate German! I hate German people, f*ck you stupid kids!“ und die Lehrerin ihn nicht beruhigen konnte, bat sie mich, mit Tim in einen kleinen separaten Raum zu gehen.

Dort erzählte er mir, wie schwierig das Wochenende wieder für ihn war und dass seine Mutter nie für ihn da ist und er sie deshalb nicht mag. „Warum kannst du nicht meine Mutter sein?“ fragte Tim mit leiser Stimme. „Du verstehst mich doch und bist da“. Diese Situation löste natürlich Emotionen bei mir aus und ich bemühte mich sehr, diese nicht zu zeigen. Es fiel mir schwer, die richtigen Worte zu finden und ich versuchte stattdessen Tim zu erklären, dass es manchmal einfacher ist, in einer beruflichen Funktion und mit anderen Kapazitäten Menschen zu begegnen. Als ich mit einer Lehrkraft, die über fast 40 Jahre Berufserfahrung verfügt, über diese Situation sprach, erzählte sie mir, dass sie selber öfters solche Momente hatte. „Da musst du die berufliche Distanz wahren und es nicht an dich heranlassen“, sagte sie. Trotzdem ging es mir noch einige Tage sehr nach.

Meine Einsichten

Als Lehrkraft umfasst das alltägliche soziale Spannungsfeld auch Situationen, auf die einen keiner vorbereiten kann und die einem in vielen Facetten viel emotionale Kontrolle und Ausbalancieren von Nähe und Distanz abverlangen. Dabei ist man stellenweise auch Projektionsfläche für unerfüllte (emotionale) Bedürfnisse von Kindern, die sie im Rahmen der beruflichen Zuwendung vielleicht in einem gefunden zu haben glauben.

Meine Folgerungen

Das Austarieren von Nähe und Distanz stellt eine besondere Herausforderung im Alltag von Lehrkräften dar, das u.a. ein hohes Maß an Differenzierungsvermögen, sowie Emotionsregulation erfordert. Das Bewusstsein dafür kann eventuell helfen, sich innerlich auf solche Situationen einzustellen oder zumindest mental Präsenz dafür zu schaffen.

Meine Anschlussfragen

Wie kann man sich als angehende Lehrkraft auf solche Situationen besser vorbereiten? Wäre vielleicht das Erlernen von bestimmten Techniken im Lehramtsstudium von Vorteil, um ggf. theoretisch ganz gut auf derlei Geschehnisse vorbereitet zu sein?

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