„Pausen müssen nicht immer starr sein, …“

Ein Beitrag von einem Lehramtsstudenten im 2. Semester

In meiner Praktikumsschule wird neben JüL (= jahrgangsübergreifendem Unterricht) auch Unterricht in 90-Minuten-Blöcken praktiziert, weswegen oft innerhalb eines Blocks zwei Fächer behandelt werden, wie zum Beispiel an diesem Tag Mathematik und Deutsch. Die Klassenlehrerin Frau X der JüL Klasse 4-6 arbeitet im Unterricht mit selbst erstellten „Lernwegen“ für die Kinder. Dies sind Aufgabenhefte unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, die es den Schülerinnen und Schülern (SuS) ermöglichen, entsprechend ihres Leistungsniveaus Aufgaben in Selbstarbeit und durch Kooperation mit Tischnachbarn zu lösen. Die individuellen Leistungsziele werden am Ende einer jeden Woche für die jeweils nächste Woche von den Kindern selbst definiert und in ihren Logbüchern eingetragen.
Am Montag im ersten Block besprach die Lehrerin mit den SuS noch einmal deren selbst gesteckte Wochenziele. Dabei gab sie lediglich vor, dass zunächst mit den Deutschaufgaben angefangen werden sollte, um im zweiten Teil des 90-Minuten-Blocks dann die Mathematik-Lernwege zu bearbeiten. Nach individueller Absprache mit der Lehrerin und unter Angabe von konkreten Gründen durften einige SuS auch mit den Mathematik Aufgaben beginnen.
In (für mich) erstaunlich ruhiger und motivierter Weise bildeten sich selbstständig Lerngruppen, die die jeweiligen Aufgaben in konzentrierter und kooperativer Weise durchgingen. Die Lehrerin ging dabei kontinuierlich von Lerngruppe zu Lerngruppe, um Unterstützung zu geben und um sich jeweils eine individuellen Eindruck über den Lernstand der SuS zu verschaffen. Nach ca. 50 Minuten wurde es zusehends lauter und unruhiger in der Klasse, was auch daran lag, dass einige mit ihren selbst gesteckten Aufgaben bereits fertig waren und statt die Aufgaben des anderen Unterrichtsfaches zu lösen, lieber bei Tischnachbarn oder an anderen Tischen schauen wollten, was die Mitschüler*innen machten. Da trotz kleinerer Störungsinterventionen durch konstruktive Ermahnungen seitens der Lehrerin die Unruhe im Klassenraum stieg und immer mehr Kinder ihre Aufgaben nicht mehr bearbeiteten, läutete sie drei Mal einen Gong, der für die Kinder das Signal war, mit was auch immer sie gerade taten aufzuhören und der Lehrerin zuzuhören.
Die Lehrerin teilte der Klasse mit, dass sie es sehr gut fand, wie aufmerksam und produktiv die Klasse in der letzten dreiviertel Stunde gearbeitet hat und dass ihr aufgefallen war, dass es in den letzten fünf Minuten deutlich lauter und unruhiger geworden war. Daher bat sie alle Kinder aufzustehen und führte ihnen verschiedene Dehn-, Entspannungs- und Lockerungsübungen vor, die die Kinder nachmachen sollten. So konnten sich die Kinder für ca. drei Minuten im Raum bewegen und gedanklich abschalten. Im Anschluss gingen die SuS alle mit sichtlich gestiegener Motivation wieder an ihre Aufgaben und arbeiteten bis zum Ende des Blocks in erneut ruhiger und konzentrierter Weise weiter.

Meine Einsichten

Ich war zu Beginn sehr skeptisch wie und ob überhaupt Kinder der 4.-6. Klasse sinnvoll in einem 90-Minuten-Block arbeiten könnten. Mir schien das eine viel zu lange Zeitspanne zu sein. Nun könnte man denken, dass die Unruhe nach ca. 50 Minuten genau dies bestätigte, aber ich habe Tage an der Schule erlebt, in denen es den Kindern in keinster Weise schwerfiel, auch für 90 Minuten durchgehend konzentriert und motiviert zu sein, was auch in dem abwechslungsreichen Handlungsprogramm der Lehrerin lag. Man darf das Leistungsvermögen der SuS also nicht unterschätzen und sie durchaus auch fordern. Wichtig ist nur, ein feines Gespür zu entwickeln, wann tatsächlich eine kurze Pause sinnvoll ist. Dafür bedarf es eines kontinuierlichen Monitorings.
Die Verknüpfung der Pause mit für die Kinder sehr sinnvollen Entspannungs- und Lockerungsübungen, bei denen auch gelacht und gespaßt werden darf, ist für mich ein sehr interessantes Konzept, dass ein flexibles Zeitmanagement ermöglicht und de facto keiner Vorbereitung oder Materialien bedarf. Durch die Ritualisierung dieses Kurzpausen-Konzepts sind die Kinder es schon gewohnt, sich im Anschluss wieder konzentriert und motiviert ihren Aufgaben zu widmen.

Meine Folgerungen

Pausen müssen nicht immer starr sein, sondern können variabel je nach Bedarf eingesetzt werden, um den Kindern eine körperliche und geistige Abwechslung zu ermöglichen. Dies eröffnet auch die Möglichkeit, länger als die üblichen 45 Minuten an einem Thema konstruktiv zu arbeiten. Die individuellen Bedürfnisse der SuS stehen im Vordergrund und nicht die strikt vorgegebenen Unterrichtseinheiten.
Wichtig ist es sicherlich, den richtigen Moment für diese kurzen Pausen zu finden. Ist er zu früh, werden die Kinder aus ihren Lernprozessen „herausgerissen“, was bei noch bestehender Motivation zu Frust führen kann. Unterbricht man den Unterricht hingegen zu spät, reicht eine kurze Pause möglicherweise nicht mehr aus, um im Anschluss wieder ein produktives Arbeitsklima zu etablieren. Auch wird es nötig sein, die Übungen zu variieren, damit die Kinder zwar die Pause als Routine empfinden, nicht aber deren Ausgestaltung.

Meine Anschlussfragen

  • Woher weiß ich, wann der richtige bzw. optimale Zeitpunkt für eine Pause ist?
  • Wie kann ich mein Handlungsprogramm variieren, wenn die Unterbrechung nicht für eine Steigerung der Motivation und Konzentration ausreichend war?
  • Was kann ich tun, um bei einer inklusiven Schule auch SuS zu motivieren, die die Übungen aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht durchführen können?

2 Gedanken zu „„Pausen müssen nicht immer starr sein, …““

  1. Der Blogbeitrag zeigt sehr gut, wie flexibel Pausen in der Schule sein können. Ich stelle es mir ebenfalls kompliziert vor, als Lehrerin zu erkennen, wann die Klasse eine Pause braucht, und dann aber auch sofort zu reagieren, um die Kinder wieder zu motivieren. Die Idee, dass Pausen nicht starr sein müssen, sondern an den Bedarf der Klasse angepasst werden können, ist sehr nachvollziehbar, gerade bei längeren Unterrichtsblöcken. Es ist wichtig, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen und nicht einfach einem starren Zeitplan zu folgen. Ich selbst kann mich noch gut daran erinnern, dass meine Grundschullehrerin ebenfalls öfter Entspannungsübungen und kurze „Massagen“ für Gesicht, Hals und Hände mit uns durchgeführt hat, was ich immer als sehr angenehm empfand. Und auch heute als Studentin merke ich oft, wie gut es mir tut, wenn ich nach ein paar Stunden konzentrierter Arbeit eine aktive Pause einlege, um anschließend wieder effizient weiterarbeiten zu können.

  2. Ich finde es toll, dass die Lehrkraft wahrgenommen hat, dass die Klasse unruhig wurde und sie auf ihr Bedürfnis nach einer Pause eingegangen ist. Jede Klasse ist anders, aber es ist verständlich, dass Kinder sich nicht 90 Minuten am Stück konzentrieren können und lauter werden – gerade, wenn sie alle Aufgaben erledigt haben. Zudem gefällt mir die Idee, dass die Schüler und Schülerinnen in der Zeit, in der sie keine Aufgaben erledigen, nicht stillsitzen müssen, sondern sich bewegen dürfen. Dies tut ihrem Körper gut und sie kommen dabei auf andere Gedanken. Ich finde es sinnvoller eine Pause einzulegen, sodass die Kinder 80 Minuten ruhig und motiviert arbeiten als eine Klasse 90 Minuten durchgängig zu unterrichten, die sich ab der Hälfte der Zeit nicht mehr konzentrieren kann. Meiner Meinung nach sind Pausen wichtig für das Wohlbefinden und für die Leistung der Schüler und Schülerinnen, weswegen ihr Zeitpunkt und ihre Dauer nicht immer starr festgelegt sein sollte.

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