Sind Wissenschaftseinrichtungen die besseren Verlage?

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EINE PODIUMSDISKUSSION

MITTWOCH
19. JANUAR, 14-15:30 UHR

Eine Veranstaltung in der Reihe: Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Woche für Berlin-Brandenburg.

In der Bibliothekswelt streiten wir gerne über die Preisbildung bei Open-Access-Zeitschriften wie Artikeln: Was darf das kosten? Der Fördergeber DFG gab bis vor kurzem für Publikationsfonds ein Limit von maximal zweitausend Euro pro Artikel für die APC-Gebühren vor. Interessant ist der Umstand insofern, da neben den klassischen Verlagen wie Elsevier, Springer etc. über sog. „Publish & Read“ Modelle, die recht hohe Preise einfordern (z.B. für die DEAL-Verträge), die Vollkostenrechnungen hochschuleigener Verlage, Reihen, Zeitschriften, Beiträge oder von Wissenschaftsorganisationen deutlich niedriger ausfallen.

Für DEAL war das White Paper „Flächendeckende Umstellung auf Open Access möglich” ausschlaggebend, auch hinsichtlich der Transformationskosten. Demzufolge sind bereits jetzt ausreichend Ressourcen im Markt. Andere Berechnungen basieren auf Nutzungsanalysen, natürlich im Fall der Lizenzierungskosten.

Bislang ist die Preisbildung seitens des Monopsons Bibliothek für kommerzielle Verlage im Rahmen von bilateral oder konsortial ausgehandelten Lizenzverträgen recht zurückhaltend betrieben worden. Aus anderen Branchen kennen wir andere Beispiele. Volkswagen-Chef Herbert Diess „sanierte […] die Rover-Werke in England und sparte als Chef der Einkaufsabteilung vier Milliarden Euro, indem er den Zulieferern vorrechnen ließ, warum ihre Produkte weniger wert sind, als sie zuvor dafür bekommen hatten.“ Als Vergleichskosten wurde die Eigenproduktion bei VW angeführt. Sie kannten also die Aufwendungen, genau wie wir die Kosten für Open Access kennen. 

Können wir mit dem Wissen, dass öffentliche Einrichtungen kostengünstiger Open Access Publikationen schaffen, ähnlich wie die Autoschmiede die Preisbildung gestalten? Weitere Fragen schließen sich an, soll der Publikationsmarkt in kommerzielle Angebote und Offerten öffentlicher Trägerschaft aufgeteilt werden? Sind Open-Access-Verlage auch gute Verleger, entwickeln Verlagsprogramme, schöpfen aus ihrem Fundus digitale Mehrwerte?

In dem Diskussionspanel sollen das Preis-Leistungsverhältnis und die Kosten-Nutzen-Komponenten für Open Access näher beleuchtet werden. Auch die Frage, wo Verlage und Open Access Plattformen im Wettbewerb stehen, soll nicht ausgespart werden. Wie sie sich als öffentliche vs. privatwirtschaftlich aufgestellte Körperschaften unterschieden?.

MODERATION

 Dr. Thomas Mutschler

Leiter Abteilung Medienerwerbung und -erschließung an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena

DISKUSSION MIT

Detlef Büttner

Geschäftsführer
Lehmanns Media

Dr. Kathrin Ganz

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Gender, künstliche Intelligenz und die Arbeit der Zukunft“, Universität Hamburg, Redaktionsmitglied Open Gender Journal

Miriam v. Maydell

Leitung Lektorat und Herstellung Verlag Barbara Budrich, Budrich Academic Press

Bericht zum Berlin-Brandenburger OPUS 4 Repository Workshop 2021

von Anita Eppelin und Sophie Kobialka

Der virtuelle “OPUS 4 Repository Workshop” am 17.8.2021 diente dem Austausch zwischen Nutzer*innen der Repository-Software mit einem Schwerpunkt auf den OPUS-Einsatz im Rahmen von institutionellen Open-Access-Strategien. Vierzehn Vertreter*innen von Hochschulen und Universitäten aus Berlin und Brandenburg nahmen am Workshop teil.¹ Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung vom Open-Access-Büro Berlin (OABB), der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg (VuK OA Brandenburg) sowie dem Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV).

Eingeleitet wurde der Workshop mit zwei kurzen Umfragen, um die Bedeutung von OPUS-Repositorien an den Einrichtungen der vierzehn Teilnehmer*innen zu beleuchten: 11 Teilnehmende gaben an, an Einrichtungen tätig zu sein, die seit mindestens 3 Jahren ein OPUS-Repositorium betreiben und 43% seit mehr als 10 Jahren. Den Open-Access-Anteil der Publikationen auf den Repositorien gab fast die Hälfte der Teilnehmenden mit bis zu 20% an, 42% mit über 50-100%.

Die Ergebnisse geben bereits Hinweise auf den Stellenwert der OPUS 4-Repositorien bei der Umsetzung der Open-Access-Strategien an den Hochschulen. Um den Eindruck anhand konkreter Nutzungsszenarien zu vertiefen, schloss sich ein Vortragsblock zu lokalen Lösungen und Herausforderungen bei der Anwendung der Repositorien an. Drei Erfahrungsberichte kamen von Vertreter*innen der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH), der Technischen Hochschule Wildau (TH Wildau) und der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (HfS).

Erfahrungsberichte verschiedener OPUS 4-Szenarien und Informationen zum OPUS 4 Hosting

Das Repositorium aliceOpen der ASH, das von Joachim Dinter vorgestellt wurde, besteht seit 2009, legt einen Fokus auf die Fachbereiche Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung und stellt auch Publikationen bereit, die sich an Berufspraktiker*innen wenden.² Seitens der ASH-Angehörigen bestehe ein großes Interesse an Publikationsberatung, auf das die Bibliothek seit 2020 mit einem verstärkten Angebot reagiert. Dies habe einen positiven Effekt auf die Publikationen in aliceOpen; zudem gibt es einen “Nachahmungseffekt”, wenn Hochschulangehörige im Repositorium publizieren.
Als Weiterentwicklungswünsche für OPUS 4 wurden ein Videostreaming-Feature und die Archivierung von Projektseiten genannt; auch ein zeitgemäßeres Erscheinungsbild der Oberfläche wurde gefordert. Zum Thema Videostreaming wurde eine föderative, multimediale Streaming-Plattform seitens der UdK empfohlen. Über diese Plattform bereitgestellte Video-Inhalte können im Repositorium verlinkt werden.

Wie Friederike Borchert berichtete, betreibt die TH Wildau seit 2007 ein reines Open-Access-Repositorium auf OPUS 4-Basis, das einen Zuwachs von ca. 150 Publikationen pro Jahr hat.³ Im Repositorium sind – neben weiteren wissenschaftlichen Publikationsformen – insbesondere Artikel eines Open Access Journals der TH Wildau und Konferenzbeiträge verfügbar. Es besteht eine Verknüpfung zur Hochschulbibliographie und ein hochschuleigenes Tool für den Import von Metadaten in das OPUS 4-Repositorium.

Anika Wilde stellte das von der HfS gemeinsam mit der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und der Kunsthochschule Berlin-Weißensee betriebene OPUS 4-Repositorium vor, das verschiedene Disziplinen und Publikationsformate vereinbart. Das kooperative Modell der Repositoriennutzung mit seinen offensichtlichen Vorteilen, aber auch einem erhöhten Koordinationsaufwand, stieß auf reges Interesse. Insbesondere wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen (geregelt durch Verträge der Hochschulen untereinander) und der Umgang mit Haftungsfragen diskutiert.

Zum Abschluss des Vortragsblocks stellte Steffi Conrad-Rempel den OPUS 4 Hosting Service des KOBV vor.⁴ Gesetztes Ziel sei es, den  Open-Access-Anteil der Publikationen, die auf den Repositorien bereitgestellt werden, deutlich zu erhöhen. Dies wird bei der Betreuung der anwendenden Einrichtungen beim Aufbau von OPUS 4-Instanzen stets mitgedacht. Das Projekt DeepGreen kann hierbei durch automatisiertes Einspielen von Open-Access-Publikationen in OPUS 4-Repositorien einen maßgeblichen Beitrag leisten und zugleich die Einrichtungen entlasten. Derzeit gibt es ca. 110 OPUS-Repositorien in Deutschland, davon wird fast die Hälfte vom KOBV gehostet.

Kollegiale Beratung und Diskussion: Open-Access-Akzeptanz, Qualitätsfragen und OPUS 4-Features

Im zweiten Teil der Veranstaltung lag der Fokus auf der kollegialen Beratung in Kleingruppen. Die Teilnehmenden tauschten sich zu einer breiten Vielfalt von Aspekten der Repositorien-Arbeit aus. Besonders intensiv wurde das Thema der Bewerbung des Repositoriums und von Open Access an den Einrichtungen besprochen. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich E-Learning-Plattformen (z.B. Moodle) zur hochschulinternen Bereitstellung und Verbreitung von Informationsangeboten zum Open-Access-Publizieren eignen. Das Erstellen von Anleitungen zum (Open-Access-)Publizieren bietet sich für einen kollegialen Austausch und eine Nachnutzung schon erarbeiteter Inhalte besonders an. Allgemeines Ziel ist die Verringerung der Hürden bei der Repositoriennutzung. Jedoch führe nach Erfahrung der Teilnehmenden eine Vielzahl detaillierter und umfangreicher Materialien nicht immer zu einer besseren Information der Publizierenden und stärkerer Nutzung des Repositoriums, da sie einen Effekt des “Erschlagens” haben können. Es wurden einige gelungene Beispiele und Ideen gesammelt (z.B. die einfachen 1-min-Erklärvideos der FU Berlin oder Interviewreihen mit Forschenden), jedoch seien die Ressourcen vor Ort zumeist ein limitierender Faktor für die Umsetzung. Die Mehrheit der Teilnehmenden gab an, dass Forschende ohnehin keine Zeit für das eigenständige Hochladen ihrer Publikationen haben; vielmehr sollte das Einstellen als Service der Bibliothek angeboten und beworben werden.

Für die Teilnehmenden sehr relevant ist das Thema der Qualitätssicherung des Repositoriums und des damit verbundenen Publikationsservices. Das DINI-Zertifikat dient als Qualitätsmerkmal für entsprechend zertifizierte Repositorien, auch in der Kommunikation gegenüber Forschenden, insbesondere, da es zu mehr Sichtbarkeit der Publikationen führe. Die Kriterien des periodisch aktualisierten DINI-Zertifikats können Einrichtungen als Richtlinie für gute Repositorien-Praxis dienen – auch dann, wenn die Erlangung des Zertifikats (noch) nicht im Fokus stehen sollte. Wenn eine Einrichtung selbst die Zertifizierung anstrebt, empfiehlt sich eine Orientierung an bereits zertifizierten Repositorien; der damit verbundene Aufwand ist nach Erfahrung bereits zertifizierten Einrichtungen überschaubar (auf Seiten der betreibenden Einrichtung seien hauptsächlich Anpassungen der beschreibenden Texte zum Repositorium nötig). Ferner wurden Aspekte der Verknüpfung mit der Hochschulbibliographie sowie die ORCID-Nutzung besprochen.

Schließlich wurde diskutiert, durch welche Maßnahmen die inhaltliche Qualität der Publikationen im Repositorium gesichert werden kann (Stichworte “Predatory Publishers” und Aufnahme von Qualifikationsarbeiten), insbesondere unter dem Aspekt der Akzeptanz von Open Access im Allgemeinen und des eigenen Repositoriums im Speziellen. Hier wurde die Einbindung von Fachreferent*innen genannt.

Im Hinblick auf die technischen Funktionalitäten von OPUS 4-Repositorien wurde über Erfahrungen und Lösungen zum Abbilden mehrerer Publikationsversionen diskutiert (ein Versionierungs-Feature wird OPUS 4 laut KOBV in absehbarer Zeit nicht bieten). Es wurde auf die Möglichkeit verwiesen, Versionen von Publikationen durch Hinweise und Querverlinkungen in nicht genutzten Feldern zu hinterlegen  (z.B. das Feld “Weitere Hinweise”). Wichtig ist eine klare Nachvollziehbarkeit der Status der Publikationen und ihrer Beziehungen. Des Weiteren wurde der Nachweis von Forschungsdaten, nicht-textuellen Materialien oder auch Enhanced Publications im Repositorium besprochen. Dies werde zunehmend von Forschenden angefragt. Derzeit erscheint die Verlinkung zu dafür speziell ausgerichteten Plattformen, idealerweise über einen Persistent Identifier, sinnvoller als die aufwendige Erfassung in einem nicht für solche Formate ausgelegten System (vgl. Videostreaming). Eine Gruppe diskutierte darüber, wie die Überprüfung auf Schadsoftware (Malware) – vor oder nach dem Publikationszeitpunkt – gewährleistet werden kann. Für eine gute Auffindbarkeit der Publikationen im Repositorium wurde schließlich die Wichtigkeit eines reibungslosen und fehlerfreien Datenaustauschs zwischen OPUS 4 und den Bibliothekssystemen betont. In diesem Zusammenhang wurde die Idee eines gemeinsamen Suchportals über die Berliner und Brandenburger OPUS-Instanzen diskutiert (gemeinsame Darstellungsoberfläche der Publikationen mehrerer Repositorien, ähnlich Albert/Wissenschaftspark Potsdam oder Share-It, das gemeinsame Repositorium der Hochschulbibliotheken in Sachsen-Anhalt). Jedoch erscheinen der Mehrwert und die Akzeptanz seitens der Forschenden schwer abschätzbar, da diese ganz überwiegend globale Suchmaschinen nutzen (z.B. BASE).

Abschluss: Feedback und Ausblick

Zum Abschluss des Workshops wurden Themenwünsche für zukünftige Austauschformate sowie Feedback formuliert. Zum Workshop selbst, und dabei insbesondere die Realisierung des kollegialen Austauschs, gaben die Teilnehmenden positives Feedback – eine Wiederholung wird gewünscht. Die beiden Vernetzungsbüros wurden gebeten, dabei einen Fokus auf die Idee einer gemeinsamen Publikationsplattform zu legen. Ebenfalls Bedarf für einen kollegialen Austausch gibt es zu den Themen Open-Access-Transformationsverträge, Zweitveröffentlichungen, Verlagsvereinbarungen und DINI-Zertifizierung. Ein Thema, dem sich die Landesinitiativen unterstützend widmen können, ist die Bewerbung zu Open Access vor Ort, da hierbei z.B. ähnliche oder gleiche Informationsmaterialien eingesetzt werden können (wie z.B. ein Leitfaden zum Publizieren); auch besteht eine enge Vernetzung auf Landesebene mit dem Projekt open-access.network, das zahlreiche Materialien und Veranstaltungsformate entwickelt.

¹ HWR, ASH, UdK, HTW, HfS Ernst Busch Berlin, HNE Eberswalde, BTU Cottbus, TH Brandenburg und TH Wildau  

² Dinter, J. (2021). aliceOpen – das Repositorium der Alice Salomon Hochschule Berlin. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5221937

³ Borchert, F. (2021). Der Einsatz von OPUS an der TH Wildau. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5215924

⁴ Conrad-Rempel, S. (2021). OPUS 4 – Hostingservice beim KOBV. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5226332