Praktikum bei einem Kultursender in Frankreich

Bereits zu Beginn des Studiums hatte ich entschieden, im vierten Semester ein Auslandspraktikum zu absolvieren. Mein Fokus lag schnell auf Frankreich als Zielland, da ich für meinen Bachelor Sprache & Gesellschaft Französischseminare belegte und auch schon Vorkenntnisse aus Schulzeiten hatte.

Da ich immer wieder mit Inhalten eines Kultursenders in Berührung kam, wagte ich u.a. hier die Bewerbung für dessen Pressestelle in Straßburg. Bis zum Jahresende erhielt ich nur Absagen oder keine Rückmeldungen. Als ich im Januar eigentlich einen Praktikumsplatz in einer Redaktion sicher hatte, folgte Anfang Februar die große Überraschung: Ich erhielt per E-Mail eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Schnell änderte ich meinen Plan und konnte es kaum fassen, als ich noch am Abend des Skype-Interviews die Zusage erhielt.

In Straßburg befindet sich der Hauptsitz der Einrichtung neben den Ablegern in Baden-Baden und Paris. Dort findet die Programmplanung statt und zum Beispiel auch die Produktion. Außerdem sitzen hier die Redaktionen zu den verschiedenen Programmbereichen (Kino, Konzert, Geschichte, Information, Kultur etc.) sowie die Pressestelle.

Als die Vorfreude auf mein Praktikum Anfang März ihren Höhepunkt erreichte, nahmen auch die Infektionszahlen zum Corona-Virus in Deutschland und Frankreich immer weiter zu. Eine Woche vor meinem Praktikumsbeginn wurde dann das Elsass als Risikogebiet eingestuft. Ich durfte die ersten eineinhalb Praktikumstage noch im Hauptgebäude arbeiten, bevor am 17. März ab Mittag die Ausgangssperre und das Homeoffice begann.

In den ersten Praktikumswochen empfand ich es als große Herausforderung, mit vielen meiner Kolleg*innen nur per E-Mail Kontakt zu haben. Für alle war die Situation neu und jeder musste seine Arbeitsweise anpassen, sodass ich trotz einiger Telefonate zu Beginn viel selbstständig erarbeitete. Dazu zählten auch etwas Mut und keine Angst vor Fehlern. Beispielsweise konnte mir auf meinem eigenen Laptop kein InDesign zur Verfügung gestellt werden, wodurch ich mit dem kostenlosen Open-Source-Programm GIMP Vorlieb nehmen musste. Im Nachhinein hätte ich mir an dieser Stelle eine bessere technische Ausstattung für die Praktikant*innen gewünscht oder eine Kompensation für die Arbeit auf dem privaten Laptop.

Während meines Praktikums arbeitete ich hauptsächlich für zwei Pressereferent*Innen, die für den Themenbereich Aktualität, Gesellschaft und Geschichte verantwortlich sind. Ich übernahm daher vor allem die Pressearbeit für Dokumentationen, Reportagen und Themenabende. Zu meinen Hauptaufgaben zählte die Erstellung von Mailings mit Pressetexten und Bildern zu den einzelnen Programmen. Mir gefiel vor allem die Vielfalt an Themen, sodass ich mich für jedes Mailing zu Geschichtsthemen und Politik informieren musste, um die interessantesten Fakten aus den Pressetexten für die Journalist*innen zu bündeln. Darüber hinaus schrieb ich wöchentlich mehrere kurze Tweets für die Twitterseite der Pressestelle. Eine weitere Aufgabe bildete die Twitterplanung. Zusätzlich durfte ich jeden Dienstag an den Highlight-Sitzungen per Videokonferenz teilnehmen. Hier wurden die Programmhöhepunkte jeder Woche festgelegt, von denen vier in einem Newsletter an die Tagespresse und Journalist*innen gesendet wurden. Die Zusammenstellung des Highlight-Newsletters zählte auch zu meinen Aufgaben. Neben diesen regelmäßigen Sitzungen ging ich mit meinen Betreuer*innen auch bald dazu über, jeden Montag ein kleines Wochenupdate per Videotelefonie abzuhalten. So blieben wir in Kontakt, die Aufgaben der Woche konnten besprochen werden und auch für meine Fragen und Anmerkungen war immer Platz. Außerdem hatte ich Zugang zu WordPress und war darüber auch für die Aktualisierung von Inhalten auf der Presseseite zuständig. Eine weitere interessante Aufgabe war das Seeding, bei dem ich zu bestimmten Programmen Multiplikatoren wie Blogger*innen, Journalist*innen, Vereine, NGOs etc. recherchierte. Bald hatte ich eine Routine entwickelt und fühlte mich in der Arbeitswelt angekommen. Ich war stolz, dass ich beispielsweise mit dem Highlight-Newsletter eine größere Verantwortung übernehmen und Texte und Mailings ganz selbstständig vorbereiten konnte. Ich bekam viel positives Feedback und fühlte mich trotz der Ausgangssperre und des fehlenden persönlichen Kontakts gut integriert.

Außerdem widmete ich einen Teil meiner Arbeitszeit dem Bereich für institutionelle Kommunikation. Hier warteten viele abwechslungsreiche Aufgaben auf mich. Zum einen aktualisierte ich die Daten auf der Unternehmensseite über WordPress, zum anderen übernahm ich Rechercheaufgaben für Benchmarks. Spannend war dabei vor allem die Arbeit mit den sechs verschiedenen Sprachen, die der Sender anbietet. Zwar wurden die Texte in den Übersetzungsbüros vorbereitet, trotzdem bekam ich einen guten Einblick in die Wordings und konnte beispielsweise bei der Aktualisierung des Anfahrtsplans auch selbst kleine Änderungen in Englisch und Französisch vornehmen. Zudem las ich Texte und Grafiken Korrektur. Zum Ende des Praktikums wurde ich mit der umfangreichen Aufgabe betraut, die Inhalte der Timeline zur Geschichte des Senders in ein neues Seiten-Design zu übertragen.

Eine meiner Betreuer*innen arbeitete die ersten zwei Monate nur als Vertretung für einen Pressereferenten*in, mit dem ich schließlich intensiv zusammenarbeitete. Mit der Rückkehr des Referenten*in erwarteten mich neue Herausforderungen. So konnte ich weitere Einblicke in die Konzeption und Redaktionssitzung der non-linearen Programme und der Mediathek des Senders gewinnen. Zudem durfte ich an der Erstellung eines Streamingtipps-Newsletters mitwirken, wodurch mir mehr Textarbeit anvertraut wurde und ich in den Planungssitzungen auch die Inhalte mitbestimmen konnte. Darüber hinaus wurde ich mehr und mehr in die Korrespondenz mit Journalist*innen einbezogen. Mit der Zeit durfte auch ich auf Anfragen antworten und bekam E-Mails direkt weitergeleitet, um mich um die Anliegen zu kümmern. Die Beantwortung von Anfragen machte mir großen Spaß und ermöglichte es mir, für die Informationsbeschaffung noch mehr mit den Redaktionen und internen Abteilungen des Senders in Kontakt zu treten.

In den ersten drei Monate während der Ausgangssperre beschränkte sich meine Freizeit auf ausgiebiges Kochen und ein wenig Sport, auch weil ich zusätzlich zur eingeschränkten Bewegungsfreiheit noch eine Hausarbeit für das Sommersemester schrieb. Dennoch hatte ich in meiner Situation Glück im Unglück, da ich mich mit meiner französischen Mitbewohner*in sehr gut verstand, meine Sprachkenntnisse ausbauen und alles dank einer großen Wohnung mental gut meistern konnte. Ohne den intensiven Kontakt zu meiner Mitbewohner*in hätte ich wohl nicht so viel Sprachpraxis erfahren, da ich überwiegend in einem deutschen Umfeld arbeitete, wobei ich ab und zu Anfragen auf Französisch formulierte. Ab Juni wurde dann die Arbeit im Büro für einige Tage in der Woche ermöglicht. Endlich konnte ich ein paar andere Praktikant*innen und Kollegen*innen persönlich treffen und das gute Essen in der Kantine genießen. So fand ich mit der Zeit einen kleinen Freundeskreis, mit dem ich Straßburg weiter kennenlernte. Auch mit meiner Mitbewohner*in nutzte ich die wiedergewonnene Freiheit nach der Ausgangssperre für zahlreiche Unternehmungen. Trotzdem verließ mich nicht ganz das Gefühl, etwas verpasst zu haben – eine Rückkehr nach Straßburg ist also garantiert!

Insgesamt bin ich mit meinem Praktikum sehr zufrieden und dankbar für diese Möglichkeit. Dank der Förderung konnte ich mich voll und ganz auf Studium und Praktikum konzentrieren und die Kosten für den zweitweise Doppelwohnsitz Berlin/Straßburg decken. Ich hatte das Glück, viele offenherzige und unkomplizierte Menschen in der Pressestelle kennenzulernen, die mir sehr wohlwollend gegenüberstanden und versuchten, trotz der Corona-Pandemie einen guten Einblick in die Pressearbeit zu vermitteln. Auch schätze ich das Vertrauen sehr, das mir mit der Übertragung von verschiedensten Aufgaben entgegengebracht wurde. Ich freute mich sehr über die Möglichkeit zum selbstständigen Arbeiten, allerdings stellte die Betreuung durch drei Mitarbeitende bei der Bearbeitung der Aufgaben eine kleine Herausforderung dar, sodass ich mir ab und zu konkretere Anweisungen wünschte.

Die Arbeit im deutsch-französischen Kontext gefiel mir sehr gut und ich bin überzeugt, meine Erfahrungen im Studium einfließen lassen zu können. Auch wenn ich wegen der Corona-Pandemie keinen vollständigen Einblick in die Zusammenarbeit der vielen Abteilungen der Einrichtung erhalten konnte, habe ich ein gutes Verständnis für die Abläufe der Programmplanung und Öffentlichkeitsarbeit entwickelt. Mit der Einrichtung als europäischem Kulturkanal durfte ich eindrücklich erfahren, wie wertvoll der Zugang zu kultureller Vielfalt und verschiedenen gesellschaftlich-politischen Perspektiven ist.

 

Tipps für andere Praktikanten

Vorbereitung

Ich habe mit der Praktikumsvorbereitung gedanklich schon mehr als ein Jahr vor dem tatsächlichen Praktikumsstart angefangen. Zu welchem Zeitpunkt würde sich ein Praktikum eignen? Wie lange möchte ich ins Ausland? Wer kann mir bei den Vorbereitungen helfen? Letztendlich hat sich ein intensiver Austausch mit der Beratungsstelle Career Service der FU Berlin als sehr erfolgreich herausgestellt. Von der Modulwahl über nützliche Adressen bis hin zum Zugang zu anonymisierten Erfahrungsberichten konnte ich mein Praktikum Schritt für Schritt planen – und in der Tat war die Abarbeitung einer To-Do-Liste mit den einzelnen Fristen für Dokumente, Bewerbungen und Co. eine gute Stütze. Außerdem belegte ich den vom Career Service angebotenen Kurs „Bewerben in französischer Sprache“, der auch hilfreiche Vorlagen für Lebenslauf und Anschreiben im Französischen zur Verfügung stellte. Im Oktober 2019 begann ich mit dem Schreiben der Bewerbungen für einen Platz ursprünglich ab Mai/Juni 2020.

 Praktikumssuche

Hilfreich für meine Praktikumssuche waren das Frankreichdossier und die Praktikumsberichte des Career Service sowie die Internetseiten und deutsch-französische Praktikumsbörsen. Für die Bewerbung für die Einrichtung war keine Suche nötig – durch meine Französischseminare hatte ich mehr Interesse an dem Sender entwickelt und fand die Stellenanzeigen direkt in ihrem Stellenportal.

 Wohnungssuche

Durch meine Vorgänger*in wurden mir direkt zwei Empfehlungen für WGs gegeben. Außerdem bekam ich das Angebot, ein Wohnungsgesuch im Intranet von der Einrichtung zu schalten, worauf innerhalb von einer Woche auch mehrere Reaktionen folgten. Nach einem Skype-Gespräch  bekam ich die Zusage und den Untermietvertrag per E-Mail zugesendet.

 Versicherung

Da ich weder über die Universität noch über das Unternehmen Versicherungsschutz erhielt, musste ich mich selbst versichern. Der Career Service empfiehlt eine Auslandsversicherung.

 Sonstiges

Meine Erfahrung hat gezeigt, dass sich frühzeitiges Bewerben lohnt. So behält man nach einer eventuellen ersten Absage immer noch die Chance auf einen Nachrückerplatz. Man sollte sich nicht zu sehr von Fristen und formalen Angaben verunsichern lassen, sondern im Zweifelsfall lieber einen Anruf wagen und das Gespräch suchen.

 

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss

Da ich Untermieter*in war, musste ich mich darum nicht kümmern und deckte meinen Teil der Kosten mit der Miete ab.

 Bank/Kontoeröffnung

Ein Konto in Frankreich war nicht notwendig, da für mich keine Überweisungsgebühren anfielen und ich mit meiner Kreditkarte auch gebührenlos im Ausland bezahlen und Geld abheben kann.

 Sonstiges

Die Einrichtung unterstützt Praktikant*innen mit einem dreimonatigen Zuschuss zur Miete und übernimmt auch die Hälfte der Transportkosten (Stand: Sommer 2020). Zudem bietet Straßburg ein Fahrradverleihsystem an, das auch langfristiges Mieten für drei Monate gegen Vorlage eines Wohnsitznachweises, Personalausweises und einer Kaution zu einem fairen Preis ermöglicht.

 

Alltag/Freizeit

 Ausgehmöglichkeiten

Straßburg bietet eine Vielzahl an Bars, Restaurants und Cafés mit internationalem Flair als Studierendenstadt und Hauptstadt Europas mit Sitz mehrerer europäischer Institutionen. Neben vielen klassisch elsässischen Lokalen gibt es auch eine große Zahl an moderneren, alternativen Lokalen. Junge Leute, Studierende und die „alternative“ Szene waren auch zu finden. Besonders beliebt für den „Apéro“ nach Feierabend und das gemütliche Zusammensein bei Essen und Drinks ist das Viertel „La Krutenau“ im Herzen der Stadt. Bei gutem Wetter trifft man sich in Straßburg aber auch gern an den Ufern der vielen Kanäle, die die Stadt durchziehen oder dem schön gepflegten „Parc de l’Orangerie“ hinter dem Europäischen Parlament zum Picknick. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte ich leider nicht das komplette kulturelle Leben in Straßburg erfahren.

Sonstiges

Meiner Meinung nach ist Straßburg eine tolle Stadt zum Fahrradfahren. Am Anfang dauert es vielleicht ein wenig, um sich an die Straßenführungen zu gewöhnen, aber schließlich gelangt man so zu den Hotspots innerhalb kürzester Zeit. Im Norden („La Ballastière“) und Süden („Baggersee“) von Straßburg finden sich auch zwei Seen mit Badestrand, die man in knapp 30 Minuten mit Rad erreicht. Ein bis zwei Stunden mit Zug oder Auto entfernt bieten sich auch beeindruckende Wanderrouten in den Vogesen, wie z. B. „Le Sentier des Roches“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha
Refresh
Hilfe
Hinweis / Hint
Das Captcha kann Kleinbuchstaben, Ziffern und die Sonderzeichzeichen »?!#%&« enthalten.
The captcha could contain lower case, numeric characters and special characters as »!#%&«.