Praktikum bei einem Radiosender in Frankreich

Euradio ist ein kollektiver Radiosender, der in Nantes von Laurence Aubron gegründet wurde. Mittlerweile gibt es Antennen in Toulouse, Rennes, Straßburg, Brüssel, Bordeaux, Lyon, Paris, Lille und ihre Radiosendungen sind auch online verfügbar. Sie machen informative Podcasts zu verschiedensten Themen, aber vor allem in Bezug auf europäische Aktualität und Kultur sowie Gesellschaft. Die Journalist:innen füllen freie Stellen im Programm mit ihren Reportagen zu verschiedensten Themen. Zusätzlich sind sie auch für eigene Sendungen verantwortlich, die wöchentlich oder monatlich ausgestrahlt werden.


In der Redaktion in Nantes sind normalerweise ein:e Journalist:in, ein:e Tontechniker:in und eine Person für die administrativen Angelegenheiten fest angestellt. Der Rest der Redaktion besteht aus Personen aus ganz Europa, die entweder einen europäischen Freiwilligendienst ablegen, französische Freiwilligen und Praktikant:Innen unterschiedlichster Herkunft, so wie ich. Die Journalist:innen arbeiten unabhängig voneinander an verschiedensten, selbst ausgewählten Themen. Diese müssen aktuell sein und der lokal-europäischen Reaktionslinie entsprechen. Diese Themen oder „sujets“ werden anschließend von den Journalist:innen unabhängig
ausgearbeitet. Dieselben werden in der Form von Reportagen in 3-, 5-, oder 10-minütigem Format in der Sendung von Euradio ausgestrahlt und auf der Website veröffentlicht. Dafür werden Interviews mit von den Journalist:innen ausgewählten Akteurinnen oder mit Bürger:innen oder Passant:innen durchgeführt. Entweder werden diese Personen in das Studio
eingeladen, oder sie werden an gewünschten Orten aufgesucht. Zusätzlich werden Interviews durchgeführt. Diese werden entweder simultan in der Radiosendung live durchgeführt oder aufgenommen und anschließend im Nachhinein veröffentlicht oder weiterverarbeitet. Zudem werden am Radiosender verschiedene wöchentliche Sendungen zu verschiedensten
Themen ausgestrahlt. Beispielsweise gibt es jede Woche Podcasts zu einem oder einer Künstler:in, dem „Artiste européen·ne de la semaine“, in dem ihr Musikstil, ihr Werdegang und die Geschichte der Künstler vorgestellt werden.

Meine Aufgaben in der Redaktion waren einerseits das Vorschlagen und Ausarbeiten von Themen im Einklang mit der lokal-europäischen Reaktionslinie. Außerdem war ich damit beauftragt, lokale und europäische Informationsquellen und Ressourcen zu identifizieren. Zusätzlich zählten zu meinen Aufgaben als Journalistin in der Redaktion in Nantes die
Synthese, Priorisierung und Problematisierung von Informationen. Dazu suchte ich unter anderem auf den Mailinglisten des Radiosenders nach Pressekonferenzen oder anderen Informationsquellen oder Themen. Zudem suchte ich auch in den Ressourcen meiner französischen Universität und der Freien Universität Berlin nach Informationen sowie lokalen Nachrichten, die ich eventuell in einem Betrag behandeln würde. Zusätzlich gehörten dazu eine intensive Recherche und das Kontaktieren von französischen und internationalen Wissenschaftler:innen per Email oder telefonisch. Auch fiel unter meinem Zuständigkeitsbereich die Erstellung von Berichten vor Ort (in Nantes) und in anderen Regionen, beispielsweise in Bretagne. Ich habe unter anderem Reportagen zum Thema Veganismus in Deutschland und in Frankreich realisiert. Auch konnte ich andere lokale Akteure in Nantes beispielsweise zur Praxis des Skatens in Europa interviewen. Überdies habe ich Reportagen zu aktuellen Kunstausstellungen und kulturellen Veranstaltungen in Nantes ausgearbeitet. Dadurch lerne ich nicht nur die Stadt Nantes sehr gut kennen, sondern konnte auch mit regionalen und internationalen (kultur-) politischen Akteuren zusammenarbeiten. Dazu gehörte das Durchführen von Interviews mit lokalen und europäischen Persönlichkeiten live im Radio oder online. Da die Podcasts anschließend auf der Website veröffentlicht werden konnten, schrieb ich Artikel in französischer Sprache für die Website des Radios und wirkte in diesem Rahmen auch an verschiedenen Übersetzungsarbeiten mit. Da ich die Podcasts selbst veröffentlichte, konnte ich nun auch kommunikationswissenschaftliche Fähigkeiten im Bereich Internetpräsenz eines lokalen Radiosenders erwerben. Zudem bekamen wir als Praktikant:innen in diesem Rahmen eine kurze Einführung in die legalen Bestimmungen im Bereich Medienrecht und Datenverarbeitung, was sehr hilfreich und lehrreich war.

In Bezug auf meinen weiteren Studienverlauf hat mein Praktikum es mir den Wunsch gegeben, mich weiterzubilden und eventuell einen Studienfachwechsel vorzunehmen. Mir ist nämlich aufgefallen, dass einige meiner Kolleg:innen ein politikwissenschaftliches Studium abgeschlossen hatten und dieses ihnen sehr viele Fähigkeiten gegeben hatte, die diesem Beruf von Nutzen sind. Ich konnte mich zwar durch meine interkulturellen sowie meine Sprachfähigkeiten gut integrieren. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass mich politische Themen umso mehr interessierten und dass mir aber leider die nötigen Fähigkeiten/Kompetenzen fehlten, um diese aufschlussreich zu entschlüsseln. Die Studienfächer, die in meinem Studium vorgesehen waren, stellten sich als hilfreich, aber unter Umständen unzulänglich, heraus, was die Fähigkeiten und das Wissen anbelangt, die nötig sind, um als Journalistin politische Themen behandeln zu können. Natürlich bilde ich mich unaufhörlich weiter, aber dennoch keimte immer mehr der Wunsch in mir auf, Seminare im politikwissenschaftlichen Bereich zu belegen oder gar Studienfach zu wechseln, um meinen Wissensdurst in dieser Richtung zu stillen. Dies stellte mich vor einigen Herausforderungen, denn mir fehlte manches Wissen und manche Fähigkeiten. Also arbeitete ich einige Wochen lang unter einem gewissen Stress, was anspruchsvoll war. Durch mein Praktikum konnte ich einen Einblick in den Alltag als Journalistin oder
Podcasterin erlangen. Ich sah, dass der Alltag durch stressig, aber sehr divers und abwechslungsreich ist. Das Praktikum war auf jeden Fall äußerst intensiv und anspruchsvoll. Mein Praktikum hat mir definitiv neue Perspektiven eröffnet, da ich noch keine Erfahrung im Radiojournalismus hatte und diese Laufbahn noch nie direkt für mich in Betracht gezogen hatte. Jetzt habe ich einen realen Einblick in das Leben als Journalistin erhalten und kann mir diesen Beruf auch sehr gut vorstellen. Die praktischen Erfahrungen, die ich Praktikum machen konnte,
wie zum Beispiel das Führen von Interviews mit einem tragbaren Aufnahmegerät in unterschiedlichen Kontexten und Umgebungen haben mir wertvolle Fähigkeiten gegeben. Sie haben es mir zudem ermöglicht, ein reales Bild von den Arbeitsbedingungen als Journalistin zu bekommen. Zudem hat mir der Kontakt zu meinen Kolleginnen sehr viele aufschlussreiche Informationen gegeben, da alle eine verschiedene professionelle Laufbahn haben und auch unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Ich habe heute ein sehr viel realistisches Bild von
der Arbeit als Journalistin, es ist mit sehr viel Stress verbunden. Dennoch habe ich die Arbeitsbedingungen sehr genossen. Wir Praktikant:innen waren sehr frei in unserer Themenwahl und hatten dadurch auch relativ flexible Arbeitszeiten. Diese Flexibilität und Unabhängigkeit würde ich gerne in meinem späteren Beruf bewahren können. Ein negativer Aspekt des Praktikums war die Betreuungssituation. Unsere Betreuungsperson verließ nämlich ihren Posten und so waren wir Praktikant:innen auf die Hilfe unserer Kollegen oder uns selbst angewiesen. Dies war einerseits sehr lehrreich und ich habe auch große Fortschritte gemacht, was meine Autonomie im Arbeitsfeld angeht. Dennoch habe ich den Eindruck, dass ich sehr viel mehr Fortschritte hätte machen können, hätten wir eine designierte Person gehabt, an die wir uns bei Fragen direkt hätten wenden können. Während des Praktikums konnte ich dennoch enge Kontakte zu meinen Kolleg:innen knüpfen, die auch noch bestehen. Da das ganze Team vergleichsweise gleichen Alters war, hatten wir auch sehr persönliche Gespräche und konnten uns auf einer Ebene miteinander austauschen.
Auch zwischen unserer Chefin, Laurence Aubron und anderen Mitarbeiter:innen gab es nur einen kleinen Unterschied und sie gab sich auch sehr Mühe uns Praktikant:innen zu unterstützen und ein angenehmes positives Arbeitsumfeld zu schaffen. Dieses ist mir sehr positiv in Erinnerung geblieben.

Insgesamt habe ich sehr viel gelernt. Ich habe an Unabhängigkeit im professionellen Bereich gewonnen. Meine Sprachkenntnisse haben sich signifikant verbessert, ich habe gelernt Interviews zu führen, diese zu bearbeiten, mit einem Bearbeitungsprogramm umzugehen, ein Aufnahmegerät zu bedienen sowie Aufnahmeapplikationen wie Cleanfeed zu benutzen. Zudem lernte ich, eigene Texte für das Radio zu schreiben und diese in einer Kabine einzusprechen und aufzunehmen. Außerdem bekam ich eine Einführung in die technischen Feinheiten, dies ich hinter der Arbeit am Radio verstecken. Zudem konnte ich eine andere Kultur und eine neue Stadt in Frankreich kennenlernen. Ich habe zwar schon in Paris und Straßburg gelebt, aber noch nie im Westen des Landes. Es war äußerst lehrreich in einer geschichtsträchtigen Stadt zu sein und auch an regionalpolitischen Auseinandersetzungen teilhaben zu können. Allgemein konnte ich dadurch, insbesondere auch durch meine Wohngemeinschaft mit einer Person in Nantes, mein Kulturwissen stark ausbauen und erweitern.

Dennoch muss ich hier anmerken, dass sich die Wohnungssuche für meine Kommilitonin als sehr schwierig herausgestellt hat. Vielleicht wäre es irgendwann möglich, vonseiten der Universität eventuell Hilfestellungen in diese Richtung anzubieten. Ich danke vor allem meinen Kolleg:innen für die Geduld, die sie vor allem am Anfang mit mir hatten und welche mich im Laufe meines Praktikums immer unterstützt haben. Diese haben maßgeblich zu dem ausgesprochen angenehmen, fröhlichen und inklusiven Arbeitsumfeld beigetragen. Zusätzlich möchte ich mich noch bei Laurence Aubron bedanken, die es mir als Direktorin von Euradio trotz mangelnder Erfahrung im journalistischen Bereich ermöglicht hat, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und in einer internationalen, europäischen Radioredaktion tätig zu sein.

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