Praktikum bei einer NGO in Bosnien und Herzegowina

Mein Praktikum habe ich in Sarajevo bei der NGO Post-Conflict Research Center (PCRC) absolviert. Dieses dauerte 3 Monate und ist auch genau die Zeit, die man als EU-Bürgerin ohne Visum in BiH verbringen kann. Ich habe mich für dieses Praktikum entschieden, weil ich sowohl meine Sprachkenntnisse verbessern wollte und zeitgleich eine lokale NGO kennenlernen wollte. PCRC hat eine sehr standardisiertes Praktikumsangebot mit festen Bewerbungszeiträumen (siehe Website) und nimmt dreimal pro Jahr neue Praktikant*innen (immer zwischen 5-10) auf.


Nach der Zusage hatten wir ein digitales Kennenlernen mit allen Praktikant*innen und den Mitarbeiterinnen von PCRC, wo wir alle unsere Fragen stellen konnten und genaueres zu dem Ablauf des Praktikums besprochen haben. Aufgrund eines anderen Programms, an dem ich teilgenommen habe, musste ich den Praktikumszeitraum nach hinten schieben, was aber problemlos möglich war und so habe ich ein paar Wochen später als die anderen Praktikant*innen angefangen. Gemeinsam mit einer anderen Praktikantin, haben wir uns eine Wohnung in Sarajevo gesucht, was aufgrund des noch sehr entspannten Wohnungsmarkts und vergleichbar günstigen Mieten keine große Herausforderung war. An meinem ersten Arbeitstag lernte ich das Büro, die anderen Praktikant*innen und Mitarbeitenden des PCRC kennen. Insgesamt arbeiten rund 5-6 Menschen fest für die Organisation, wobei zwei von ihnen auch im Büro arbeiten und für die Zeit unsere Ansprechpartnerinnen waren. Die anderen arbeiten im Homeoffice und kamen für Termine oder besondere Anlässe vorbei. Unsere Hauptaufgabe während des dreimonatigen Praktikums bestand darin, einen (oder auch mehrere) Artikel für die Multimedia-Plattform Balkandiskurs zu schreiben. Wir waren frei darin uns ein Thema auszusuchen, das irgendwie zum Tätigkeitsbereich des Zentrums passte.
Am ersten Tag bekamen wir eine kurze Einführung, was wir beim Schreiben des Artikels beachten sollten, und konnten dann mit der Themensuche anfangen. Jede*r von uns schickte anschließend ein Proposal mit einer kurzen Skizze, worum es in unseren Artikeln gehen sollte, und konnten dann nach der Bestätigung loslegen. Wir recherchierten, führten Interviews und schrieben unsere Artikel weitestgehend allein. Neben dieser Hauptaufgabe bekamen wir auch eine Gruppenaufgabe, für die wir eine gemeinsame Recherche zu einer vorgegebenen Fragestellung durchführten.
Die tägliche Büroarbeit wurde von mehreren Besuchen ergänzt, zB bei dem International Committee for Missing People, wo wir einen Einblick in deren Arbeit erhielten und Fragen stellen konnten. Wir besuchten auch den bosnischen Gerichtshof und die Gedenkstätte in Potočari, sowie einige Veranstaltungen und Seminare, die zu dieser Zeit in Sarajevo stattfanden, empfingen Besuchergruppen, und lernten zum Ende hin die neue Gruppe von Praktikanten kennen, die uns folgte.
Einen eigenen Artikel über ein Thema zuschreiben, dass ich selbst wählen konnte, war sehr bereichernd und ich habe viel sowohl inhaltlich zu dem Thema als auch methodisch dazu gelernt. Allerdings hätte ich mir auch mehr andere Aufgaben und eine stärkere Integration in den Alltag von PCRC gewünscht. Im Büro saßen wir nur unter uns Praktikant*innen zusammen, da die meisten anderen im Homeoffice waren und wir demnach wenig von den Aufgaben der anderen Mitarbeitenden mitbekamen. So gab es häufig Wochen, in denen wir wenig bis nichts zu tun hatten, aber trotzdem täglich im Büro erscheinen sollten. Vieles hat sich während des Praktikums durch unsere Eigeninitiative ergeben, dass ich auch allen zukünftigen Praktikant*innen raten würde, sich vorher Themen zu suchen, mit denen man sich in Sarajevo beschäftigen möchte. Die NGO hat viele Kontakte im Land, kann einen gut vernetzen und ist an sich offen für neue Ideen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass das Praktikant*innenprogramm sehr standardisiert ist und daher auch wenig individuell gestaltet wird, oder sich einzeln mit den Praktikant*innen auseinander gesetzt wird.
Insgesamt hat mir die Zeit in Sarajevo und Bosnien und Herzegowina sehr gut gefallen. Die Menschen sind super herzlich, offen und gastfreundlich, man kommt sehr leicht mit Menschen in Kontakt, es wird einem viel Interesse entgegenbracht und auf der anderen Seite, freuen sich die Menschen über das Interesse an ihnen und ihrer Kultur. BiH hat so viele verschiedene Seiten, die es zu entdecken gibt, eine wunderschöne Natur und Berge, die bisher noch wenig Tourist*innen ins Land locken. Die Infrastruktur ist öfter mal mehr schlecht als recht ausgebaut, aber durch die Hilfsbereitschaft der Menschen, geht man dort keinesfalls verloren.

Tipps für andere Praktikant:innen

Beantragung Visum

Als EU-Bürgerin muss man für BiH kein Visum beantragen, wenn man unter 90 Tage (im Zeitraum von 180 Tagen) im Land bleibt. Diese 3 Monate sind daher auch der Prakikumszeitraum. Wenn man während den 90 Tagen das Land verlässt (zB anch Kroatien oder Serbien reist) werden diese Tage nicht mitgezählt und man kann entsprechend länger in BiH bleiben.

Praktikumssuche
Das Praktikum bei PCRC habe ich über ihre Website gefunden. Grundsätzlich ist es eine der wenigen NGO’s in BiH, die ein englischsprachiges Praktikum anbieten. Darüber hinaus gibt es aber auch viele Praktikastellen bei Internationalen Organisationen in Sarajevo oder auch den bekannten deutschen Stiftungen (für alle ohne bosnische Sprachkentnisse).

Wohnungssuche
Es gibt mehrere Facebook-Gruppen, in denen Wohnungen und Zimmer angeboten werden (zB. Rent an Apartment/Find a Roommate in Sarajevo), allerdings sind WGs nicht sonderlich üblich. Mieten in Sarajevo sind noch vergleichsweise gering und die Wohnungssuche entsprechend entspannt.

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss
Bosnien ist nicht Teil des EU Roamings, allerdings kann man einfach für wenig Geld eine lokale SIM Karte (zB. bei mtel) kaufen und wöchentliche oder monatliche Internetflats bekommen.

Bank/Kontoeröffnung
Ich habe mein deutsches Bankkonto weiter genutzt, wobei bei Überweisungen auf bosnische Konten teils hohe Gebühren entstehen. Allerdings habe ich sehr viel in bar bezahlt, so auch meine Miete. Grundsätzlich kann man vorallem in Sarajevo in vielen Orten auch mit Karte zahlen, allerdings sollte man besonders wenn man die Stadt verlässt genügend Bargeld dabei haben und vorallem auch in kleinerer Stückelung (viele Orte haben kaum Wechselgeld). Da ich keine VISA Karte hatte, habe ich nur meine normale Girokarte benutzt und kam damit fast überall klar.

Sonstiges
Öffentlicher Verkehr in Bosnien ist relativ schlecht ausgebaut. Es gibt lediglich eine Zugstrecke (Sarajevo-Mostar, lohnt sich sehr!) und Busverbindungen zwischen den großen Städten. Es ist daher empfehlenswert, vor allem um in kleinere Orte oder Nationalparks, etc zu kommen, ein Auto zu mieten, da die Preise dafür auch sehr gering sind. Die Straßen sind auf jeden Fall total in Ordnung und der Verkehr auch.
In Sarajevo selber kann man fasst überall hin laufen und sonst gibt es auch Trams und Busse, die regelmäßig fahren. Tickets dafür bekommt man bei den Busfahrenden oder an den vielen Kiosks.

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten
Sarajevo hat im Vergleich zu anderen Hauptstädten, nicht die größte Auswahl an Clubs und Bars, vor allem wenn man abseits des Mainstreams schaut. Dafür gibt es eine ausgeprägte Kaffeekultur und demnach eine Vielzahl an Kaffees, Bäckereien, Süßwarenläden, etc. Es gibt mehrere gute Theater (leider hauptsächlich in bosnisch), ein paar gute Museen. Gerade im Sommer gibt es öfter Festivals, öffentliche Veranstaltungen, Feste, etc. Auch der Fastenmonat Ramadan ist ein sehr festlicher Monat in Sarajevo und jeden Abend füllt sich die Stadt zum Fastenbrechen. In der Stadt sieht man noch sehr deutlich die verschiedenen Einflüsse des osmanischen Reichs, der Austro-Ungarischen Zeit, des Sozialismus und zuletzt des Kriegs, während dem die Stadt 4 Jahre lang belagert wurde.
Da viele Internationale Organisationen und NGO’s in Sarajevo stationiert sind, gibt es viele politische Veranstaltungen, Diskussionsformate, etc. und auch eine große Expat/Praktikanten-Bubble.
Um Sarajevo herum gibt es viele Berge und somit auch Ski- und Wandermöglichkeiten. Der Hausberg, Trebevic, ist mit der Gondel aus der Stadt einfach zu erreichen.

Sonstiges
Sprachkentnisse sind auf jeden Fall von Vorteil, auch wenn diese nur sehr basic sind. Es gibt ein paar gute Sprachschulen wie Bosnian2Go oder Lingvisti.

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