Rückgabe von NS-Beutegut: zurück in die Bibliothek der Karls-Universität Prag

Im September 2022 wurde ein Buch aus dem Bücherraub der deutschen Wehrmacht an die Karls-Universität Prag zurückgegeben. Die Arbeitsstelle Provenienzforschung hat im Zuge der Provenienzforschung in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin (FU) das Buch als NS-Beutegut identifiziert.

Nur wenige Monate nach der deutschen Besetzung Tschechiens, errichtete die Wehrmacht das „Protektorat Böhmen und Mähren“. Dabei wurde die älteste Universität Mitteleuropas 1939 in die Berliner Reichsverwaltung übernommen und zur Reichsuniversität unter dem Namen „Deutsche Karls-Universität in Prag“ erklärt.

Im Zuge der so genannten „Arisierung“ verdrängten die Nationalsozialistinnen jüdische Studierende und jüdisches Lehrpersonal aus der Karls-Universität Prag. Gleichzeitig kam es zu Plünderungen und Beschlagnahmungen zahlreicher Fakultätsbibliotheken zur Sicherstellung des sogenannten „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ durch die deutsche Wehrmacht. So wurde das Gebäude der Juristischen Fakultät vom SS-Hauptquartier besetzt und ein Großteil der Bibliotheksbestände beschlagnahmt und später nach Deutschland verbracht.

Das Zugangsbuch der Universitätsbibliothek aus dem Jahr 1963 weist als Lieferanten das wissenschaftliche Antiquariat Sauer & Keip auf. Das Exemplar enthält zwei Stempel der Juristischen Fakultät der Karls-Universität in Prag.

Die Beschlagnahmeaktion aus der Bibliothek der Juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag steht im Zusammenhang mit Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes während des 2. Weltkrieges. Dieses Buch gilt daher als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut aus den besetzten Territorien. Detaillierte Informationen der Bibliotheksverluste aus dieser Zeit sind nicht vorhanden.

Seminář práva mezinárodního na české práv. fakultě v Praze.
deutsch: Seminar zum Internationalen Recht an der Tchechischen Fakultät für Rechtswissenschaften in Prag

Bewertung: NS-Beutegut

Das zurückgegebene Buch finden Sie in der Datenbank LCA:

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/MultiSearch/Index?search=Urkunden+zur+Geschichte+des+V%C3%B6lkerrechts.

Simon Katzenstein (1868 – 1945)

Quelle: unbekannter Fotograf – Bureau des Reichstages (Hg.):
Handbuch der verfassunggebenden Nationalversammlung, Weimar 1919. Carl Heymanns Verlag, Berlin 1919.

Simon Katzenstein war ein deutscher Sozialdemokrat und Politiker (SPD). Er wurde am 1. Januar 1868 in Gießen geboren. Er war eines von fünf Kindern des jüdischen Ehepaars Sigmund Katzenstein und Sophie Löb. Eine seiner Schwestern war die Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Henriette Fürth.

Der Vater besaß einen Holzhandel, der der Familie ein gutbürgerliches Dasein bescherte. Sein Elternhaus galt als offen und liberal. Bereits als junger Mann trat Simon aus der jüdischen Gemeinde aus und 1898 in die SPD ein. Er wurde in seiner Familie liebevoll als „Radikaler“ tituliert.

Katzenstein studierte nach dem Abitur in Gießen und Leipzig Geschichte und Philosophie sowie Rechts- und Staatswissenschaft. Ab 1890 war er Rechtsreferendar in Gießen, wurde jedoch vor seiner Staatsprüfung, aus politischen Gründen, entlassen. Da er bereits einige Erfahrungen als Redakteur der Frankfurter Volksstimme gesammelt hatte, arbeitete er nun als politischer Schriftsteller und Redakteur in Leipzig und Mainz. Nebenher war er Arbeitersekretär in Mannheim.

1896 wurde er aufgrund von Verstößen gegen das Pressegesetz in Sachsen zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Ab 1903 arbeitete er in Berlin als Publizist und Lehrer an Arbeiterbildungs-, Gewerkschafts- und Parteischulen. Er gab die Zeitschrift Der Abstinente Arbeiter und das Verbandsblatt des Deutschen Arbeiter-Abstinentenbundes (DAAB) heraus. Im DAAB hatte er verschiedene führende Positionen inne. Seit 1917 war er volkswirtschaftlicher Mitarbeiter des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine.

Von 1915 bis 1918 war er Stadtverordneter in Berlin-Charlottenburg, ab 1925 Bezirksverordneter. Von 1919-1920 war er Mitglied der Weimarer Nationalversammlung.

In den Jahren 1928 bis 1933 gab er die Zeitschrift des „Arbeiter-Abstinentenbundes“ heraus und war sozialpolitischer Mitarbeiter des „Vorwärts“ sowie der Zeitschriften „Deutsche Freiheit“ und „Westland“.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ging er ins Saargebiet, das zu diesem Zeitpunkt noch unter Völkerbundsmandat stand. Nach dessen Angliederung an Deutschland 1935, floh er nach Schweden. Nach seiner Emigration war er Beisitzer im Vorstand der Gruppe Stockholm der Sozialdemokraten im Exil (Sopade). Die Nationalsozialisten bürgerten ihn 1940 aus.

Katzenstein war zweimal verheiratet. Mit seiner ersten Ehefrau Pauline (1893-1916) hatte er einen Sohn, Hans (1916-1948). Mit seiner zweiten Ehefrau Henriette (1886-1958) hatte er eine Tochter, Anna Sophie (1918-1994) und einen Sohn, Gershom Gerhard (1920-2010).

Simon Katzenstein verstarb am 28. März 1945 in Solna (Schweden).

Anfang November 2022 konnten wir zwei Bücher aus der Universitätsbibliothek (Sammlung Alfred Weiland) und der Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien an die Enkelin restituieren. Sie wurden an seinen Urenkel in Berlin übergeben.

Quelle: Arbeitsstelle Provenienzforschung, Universitätsbibliothek, FU Berlin

Die restituierten Bücher in der Datenbank LCA:

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/243022

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/253721

Zwei Bücher kehren nach Lublin zurück

Am 23. September 2022 fand in der Synagoge der Lubliner Chachmej Jeschiwa (deutsch: Jüdische Jeschiwa der Weisen in Lublin) eine Zeremonie statt. Geladen hatte die Jüdische Gemeinde Lublin. Der Anlass war die Übergabe von zwei Hebraica-Bänden , die im Zuge der Provenienzforschung in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin (FU) und der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum (CJ) identifiziert worden sind. Die beiden Bücher konnten aufgrund von in ihnen enthaltenen Spuren der ehemaligen Bibliothek der Lubliner Chachmej Jeschiwa zugeordnet werden.

Übergabe an die Jüdische Gemeinde Lublin. © Monika Tarajko

Die Gründung der Chachmej Jeschiwa in Lublin ging auf die Initiative des bekannten Rabbiners Yehuda Meir Shapiro (1887–1933) zurück. Im Jahr 1924 erfolgte die Grundsteinlegung. Neben den Lehrräumen für die Studierenden installierte die jüdische Gemeinde im Gebäude eine kleine Synagoge und eine Mikwe, ein rituelles Tauchbad. Die feierliche Eröffnung erfolgte unter reger Teilnahme im Juni 1930. Das Datum lässt bereits erkennen, dass der Lehrbetrieb nur neun Jahre umfasste, ehe mit dem Überfall der Nationalsozialisten auf Polen 1939 die noch junge Lehranstalt gewaltsam ihre Tore in der Lubartowska Straße schließen musste. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Lublin am 18. September 1939 wurde das Gebäude für militärische Zwecke beschlagnahmt. Über das Schicksal der Jeschiwa und ihres Inventars, vor allem das der Bibliothek, ist wenig bekannt.

Die Bibliothek wurde noch vor dem Aufbau der Jeschiwa mithilfe einer weltweiten Spendenaktion zusammengetragen. Bis 1930 konnte ein etwa 30.000 Bände umfassender Bibliotheksbestand aufgebaut werden. Was das Schicksal der Bibliothek nach dem Einmarsch der Wehrmacht betrifft, ist sich die Forschung bis heute uneinig. Gestützt auf einen Bericht in der offiziellen Zeitschrift der Hitlerjugend (HJ) vom Februar 1940 – und damit fünf Monate nach der Besetzung Lublins – gehen einige Forscher*innen davon aus, dass die Bücher in Form einer Bücherverbrennung öffentlich wirksam vernichtet worden sind. An dieser Darstellung gibt es jedoch mehrere Kritikpunkte: 1.) Der Bericht erschien erst im Frühjahr 1940, 2.) der Zeitungsbericht sprach davon, dass die Wehrmacht bereits am 7. September 1939 das Gebäude stürmte, und 3.) jenseits der Darstellung im besagten Artikel gab es keine offiziellen Berichte unabhängiger Medien über eine initiierte Bücherverbrennung der Jeschiwa-Bibliothek.

Neueste Erkenntnisse stützen die These, dass der Großteil der Bücher in die Lubliner Staatsbibliothek gelangte. Von da an verliert sich ihre Spur. Weltweit sind bisher nur vereinzelt Exemplare in privaten Sammlungen oder bei Auktionen aufgetaucht – und nun die beiden Bände aus der Universitätsbibliothek der Freien Universität und dem Centrum Judaicum in Berlin.

Sieben Bücher sind bisher nach Lublin zurückgekerht. © Monika Tarajko

Im Bibliotheksbestand des Instituts für Judaistik an der Freien Universität Berlin konnte im Rahmen eines Provenienzforschungsprojekts das Buch Megale Amukot (deutsch: Offenbarer der Tiefen) identifiziert werden, das auf dem Titelblatt der hebräische Stempel ישיבת חכמי לובלין (translit.: Yeshivat Ḥakhmey Lublin) ziert. Neben dem Stempel enthält der 1858 in Lemberg (heute Lwiw) publizierte Band noch weitere Provenienzmerkmale: Dazu zählt auch eine handschriftliche Eintragung „2154“. Hierbei muss es sich um die Zugangsnummer des Buches in der Bibliothek gehandelt haben.

Mithilfe des Zugangsbuches in der Campusbibliothek konnte herausgefunden werden, dass die FU das Exemplar am 4. Oktober 1966 im Londoner Antiquariat B. Hirschler erworben hatte. Weitere Hintergründe, primär über den Weg des Buches, lassen sich mithilfe der Provenienzen nicht eindeutig aufklären. Vor dem geschilderten historischen Hintergrund war das Buch als Raubgut anzusehen, das an seine heutigen Eigentümer zurückzugeben ist. Beim zweiten Band, der im Bibliotheksbestand des Centrum Judaicum identifiziert wurde, gestaltete sich die Erforschung etwas schwieriger. Lediglich ein Brief in jiddischer Sprache, dessen Briefkopf auf die Lubliner Chachmej Jeschiwa verweist, lag dem stark beschädigten Exemplar שלחן שלומו (translit.: Shulḥan Shlomo, Warschau 1882) bei.

Blick auf den Toraschrein in der Synagoge der Chachmej Jeschiwa Lublin.
© Monika Tarajko

Dank dieser Restitution befinden sich nach mehr als 80 Jahren nun sieben Bücher der Jeschiwa im (Wieder-)Besitz der Jüdischen Gemeinde Lublin. In Lublin besteht die Hoffnung, dass sich dieser Bestand noch vergrößern wird. Die Provenienzforschung von deutscher Seite hat mit der Restitution der Bücher durch die FU Berlin und dem Centrum Judaicum einen Beitrag dazu geleistet.

Bewertung: NS-Raubgut

Die restituierten Bände in der Datenbank LCA:

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/226191

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/241498

Lisa Trzaska: Ein Bibliotheksbrand und ein Raubzug durch Europa

Einblicke in die Provenienzforschung nach NS-Raubgut in der Bibliothek des Botanischen Gartens Berlin

Zusammenfassung: Während des Zweiten Weltkriegs erworbene Bestände in der Bibliothek des Botanischen Gartens Berlin werden in einem aktuellen Projekt auf NS-Raubgut untersucht. Der Artikel erläutert, wie nach dem Verlust der Biblio­thek durch einen Bombentreffer 1943 unmittelbar große Mengen botanischer Fachliteratur als Ersatz beschafft werden konnten, die teils mit Raubgut durch­setzt sind. Dabei geraten nicht nur die am Raub beteiligten staatlichen und politi­schen Institutionen in den Blick, sondern mehr und mehr auch der antiquarische Buchmarkt in der NS-Zeit.

Erschienen in: Bibliotheksdienst, Bd. 56, 9, 2022; S. 538–54

https://doi.org/10.1515/bd-2022-0084

Der Kreis schließt sich – NS-Raubgut kehrt nach Leipzig zurück

Am 22. Juni 2022 restituierte die Universitätsbibliothek der Frankfurter Goethe-Uni im Rahmen einer Logen-Veranstaltung sechs Bände an die Freimaurerloge Minerva zu den drei Palmen Nr. 71 OR. Leipzig, die als NS-Raubgut im aktuellen Provenienzforschungsprojekt identifiziert worden sind.

Exlibris und Stempel der Freimaurer-Loge Minerva zu den drei Palmen

Die Freimaurer-Loge Minerva zu den drei Palmen wurde im 18. Jahrhundert in Leipzig gegründet. Seit ihrer Machtübernahme verstärkten die Nationalsozialisten den politischen Druck auf die deutschen Freimaurer-Logen und verkündeten schließlich am 17. August 1935 deren Verbot und Auflösung. Die Leipziger Minerva-Loge versuchte vergeblich, sich 1933 durch die Umformung zum Christlichen Orden Deutscher Dom und der Abkehr von ihren humanitären-freimaurerischen Wurzeln diesem Druck zu entziehen. Ihre mindestens 10.000 Bände umfassende Bibliothek wurde 1936 beschlagnahmt und teilweise in ein Depot des Reichssicherheitshauptamtes nach Berlin verbracht. Einige Bände gelangten in die sogenannte Rehse-Sammlung und nach Kriegsende in das Offenbacher Archival Depot. Aus seinen Beständen erhielt die Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt die hier gezeigten Bände.

Zwei weitere Bände der Loge werden aktuell noch in der Ausstellung „Stolperseiten – NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main“ präsentiert und sollen nach deren Ende ebenfalls ihren Weg zurück nach Leipzig finden.

Folgende Bände wurden restituiert:

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283625

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283630

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283638

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283648

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283655

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283662

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283665

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/283666

Neues Mitglied bei der LCA: die Deutsche Nationalbibliothek (DNB)

Heute begrüßen wir unseren neuen Kooperationspartner die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) bei LCA und freuen uns auf die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Provenienzforschung und Aufarbeitung von NS-Raubgut in Bibliotheken.

Die DNB überprüft derzeit systematisch die Zugangsjahre 1933-1945 im Monografienbestand der vormaligen Deutschen Bücherei Leipzig auf ihre Herkunft. Als Ausgangspunkt für die Recherche dienen Zugangsbücher der Deutschen Bücherei, die bis einschließlich 1940 im Original erhalten sind.

Weitere Informationen über die Provenienzforschung der Deutschen Nationalbibliothek finden Sie hier.

www.dnb.de/provenienzforschung

„Mit dem Stimmzettel werden wir sie besiegen!“

Provenienz 1: H. Kammerahl
Provenienz 2: Runder Stempel: Staatspolizeistelle für den Reg. Bez. Stade, Wesermünde
Provenienz 3: Stempel: Bestandsbuch Seite 3, Nr. 13 F

Mit dem Stimmzettel werden wir sie besiegen!“ rief einst Heinrich Kammerahl zu seinen Genossen, die sich in Bremerhaven im Gewerkschaftshaus Eintracht an der Deichstraße 55 versammelten. Der Sieg bei der anstehenden Reichstagswahl am 5. März 1933 blieb bekanntlich aus. Die NSDAP wurde zur stärksten Fraktion im Reichstag, obgleich sie die absolute Mehrheit verfehlte. Und auch die Abstimmung der sozialdemokratischen Fraktion (SPD) am 24. März 1933 gegen das sogenannte Ermächtigungsgesetz, kann die Abschaffung des Parlaments als demokratische Institution nicht mehr verhindern. Das Ende der deutschen Demokratie ist damit endgültig besiegelt.

Wenige Tage später, am 2. Mai 1933 stürmte die SA gewaltsam das Gewerkschaftshaus Eintracht, plünderte die Parteibüros, die Arbeiterbibliothek und aneignete sich das Gewerkschaftsvermögen. Das Gewerkschaftshaus war danach von „Deutsche Arbeiterfront“ (DAF) der NSDAP besetzt, die unmittelbar nach der Zerschlagung der Gewerkschaften gegründet wurde.

Am 3. Mai 1933 wurde Heinrich Kammerahl und viele andere Sozialdemokraten und Gewerkschafter verhaftet. Er kam in die sogenannte „Schutzhaft“, wo er bis 1936 gefangen gehalten wurde. Nach seiner Entlassung stand er vorübergehend unter der Aufsicht der politischen Polizei bis er 1944 erneut verhaftet und in das KZ Sachsenhausen, politischer Häftlingsnummer 93200, verschleppt wurde.

Zur Vita: Heinrich Kammerahl (1893-1971) wurde in Wesermünde (Niedersachsen) geboren. Er war ein deutscher SPD/SED Politiker und Gewerkschafter.
Nach seiner Ausbildung als Klemptner/Installateur trat er als 20-jähriger der SPD und dem Deutschen Metallarbeiterverband bei. Kammerahl diente als deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg. Im Laufe seiner politischen Karriere übte er viele politische Ämter bei der SPD aus. So war er in Bremerhaven Unterbezirksvorsitzer der USPD, ab 1924 Parteisekretär, Bürgermeister in Lehe sowie ADGB-Vorsitzender in Bremerhaven. Er war zudem aktiv im Widerstand gegen die Nationalsozialisten.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Heinrich Kammerahl Bürgermeister von Gülsdorf und Seyda (Sachsen-Anhalt) und war ab 1946 als Mitglied der SED aktiv.

Die im Bibliotheksbestand der FU Berlin als NS-Raubgut identifizierten Bücher wurden in der Sammlung Alfred Weiland gefunden. Die Restitution an die Erben erfolgte im Juli 2022.

Bewertung: NS-Raubgut

Die Bücher in der Datenbank Looted Cultural Assets:

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/254859

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/248960



Leo Baeck Institute Jerusalem שלום and welcome on board of LCA

Wir freuen uns sehr, unsere erste internationale Partnerschaft mit dem Leo Baeck Institute Jerusalem (LBI) bekannt zu geben!

Das Leo Baeck Institute Jerusalem (LBI) ist eine Forschungseinrichtung für die Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums mit drei Niederlassungen in New York, Jerusalem und London. Benannt ist die Einrichtung nach dem Rabbiner Dr. Leo Baeck (1873-1956), dem prominentesten Repräsentanten der deutschen Juden des 20. Jahrhunderts. Die Bibliothek des Leo Baeck Institute Jerusalem ist eine bedeutende Forschungsbibliothek zur Geschichte der deutschsprachigen Juden. Die Bibliothek umfasst etwa 13 000 Bücher. Viele dieser Bücher kamen nach dem 2. Weltkrieg aus Europa und enthalten Besitzvermerke früherer Eigentümer, die untersucht und in LCA dokumentiert werden sollen.

Gemeinsame Werte wie Erinnerung und Verantwortung sowie eine Sichtbarmachung der Forschungsergebnisse stehen im Mittelpunkt unserer Zusammenarbeit. Die neuen Möglichkeiten, die sich im Rahmen einer vernetzten internationalen Provenienzforschung mit LBI Jerusalem bieten, unterstreichen das Engagement aller LCA Partner, die Provenienzforschung international auszurichten und somit einen Beitrag zur Grundlagenforschung im Bereich der NS-bezogenen Provenienzforschung in Bibliotheken als kulturbewahrende Einrichtungen zu leisten.

Wir sind stolz, mit unserem neuen Partner, dem LBI Jerusalem, die erste israelische Institution in unserer Kooperation begrüßen zu können. Das gibt uns Gelegenheit, die Provenienzforschung auf eine breitere, internationalere Basis zu stellen und die Vergangenheit mit der Gegenwart in Zeiten der Digitalisierung proaktiv zu vernetzen und unsere Forschungsergebnisse als Quelle für eine digitale Erinnerungskultur zu erweitern, denn:

Das Erinnern hat kein Ende und darf es auch nicht haben.“1

1 Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27.01.2017
Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/170127-bm-holocaust-gedenktag/287394






Stephan Kummer: Nicht nur Bücher haben ihre Schicksale, sondern auch ihre Leser

Provenienzforschung im Altbestand für Judaistik in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin

Zusammenfassung: „Der Aufsatz skizziert das Provenienzforschungsprojekt in
den judaistischen Altbeständen der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, das im November 2021 begonnen hat. Ziel des Projekts ist es, die Provenienzspuren zu identifizieren, zu dokumentieren, die Wege der Bücher und das Schicksal ihrer Leserschaft zu erforschen. Neben einer Genese über die Gründung und Etablierung des Instituts für Judaistik widmet sich der Hauptteil des Beitrages dem Workflow. Für die Präsentation des Arbeitsalltages dienen zwei ausgewählte und abgeschlossene Fallbeispiele aus der Projektarbeit.“

Erschienen in: Bibliotheksdienst, Bd. 56, 6, 2022, S. 362–374

https://doi.org/10.1515/bd-2022-0056

Ausstellungshinweis 2022: „StolperSeiten – NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main“

Die Universitätsbibliothek Frankfurt am Main widmet sich erstmals in einem Provenienzforschungsprojekt systematisch der Suche nach NS-Raubgut in ihren Beständen und greift damit ein wichtiges Thema der eigenen Institutionsgeschichte auf.
Die Ausstellung »StolperSeiten – NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main« präsentiert Zwischenergebnisse dieses vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und der Stadt Frankfurt am Main geförderten Projektes der Goethe-Universität.

In acht Themeninseln nimmt die Ausstellung „StolperSeiten“ die wissenschaftlichen Bibliotheken Frankfurts in der Zeit von Beginn der NS-Herrschaft bis zur Nachkriegszeit in den Blick. Das führt von den ersten bibliotheksinternen Veränderungen über die Entwicklung Frankfurts als zentralem Ort des NS-Bücherraubs und zu den großangelegten Raubzügen und Plünderungen in weiten Teilen Europas bis zu den Restitutionsbemühungen nach 1945.

Beim Gang durch die Ausstellung „stolpert“ man über eine Vielzahl ermittelter Einzelschicksale. Zusätzlich werden Arbeitsweisen und Werkzeuge, aber auch Hindernisse der Provenienzforschung thematisiert.

Ziel von Projekt und Ausstellung ist es, ein öffentliches Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen den geraubten Kulturgütern und den damaligen und heutigen Institutionen zu vermitteln.

Die Bibliothek geht den Fragen nach, wem hat ein bestimmtes Buch gehört? Wer ist diese Person und welches Schicksal hat sie erlitten? Auf welchem Weg sind diese Bücher in die Bibliothek gelangt und wer war daran beteiligt? Was ist Raubgut und was nicht?

Ausstellung

Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
– Schopenhauer-Studio –
Bockenheimer Landstraße 134-138
60325 Frankfurt am Main

20. Mai – 28. August 2022
Dienstag – Sonntag 13:00 – 18:00 Uhr

Webauftritt des Teams Provenienzforschung an der UB JCS: https://www.ub.uni-frankfurt.de/projekte/provenienz.html