16. Juli 2015 von Philipp Krämer
Vielleicht könnte es sein, dass möglicherweise das Deutsche und das Niederländische eventuell irgendwie gerade dabei sind, ein ziemlich ähnliches Adverb zu entwickeln. Zuviel „vielleicht“ und „irgendwie“? Natürlich: hedging will wohl dosiert sein. Vor allem in der gesprochenen Sprache neigen wir dazu, unsere Aussagen schon während des Sprechens zu relativieren. Damit vermeiden wir es, dass man unsere Behauptung sofort widerlegen kann, oder wir umgehen kontroverse Aussagen, die unser Gegenüber verletzen oder provozieren könnten.
Solche hedging-Ausdrücke können in verschiedensten Wort- und Satzformen vorkommen. Möglich sind beispielsweise eingeschobene oder angehängte Phrasen:
Griechenland wird, glaube ich, bald pleitegehen.
Griekenland zal, geloof ik, binnenkort failliet gaan.
Dieser Satzbau wirkt recht schriftstandardlich, erst recht wenn man den Einschub mit „so glaube ich“ erweitert. Um diesen Satz spontansprachtauglich zu machen, können wir an dieselbe Stelle ein Adverb setzen und statt Futur zum Präsens greifen:
Griechenland geht vielleicht bald pleite.
Griekenland gaat misschien binnenkort failliet.
Gepflegtes Hedging am Dreiländereck NL-B-D in Vaals. (Deepspear, CC-BY-SA-3.0)
Lassen wir bei der glauben-Phrase die Kommata weg und stellen uns einen flüssigeren Sprechduktus vor, dann wird aus dieser Variante wieder ein Satz, der für eine spontane Äußerung bestens geeignet ist:
Griechenland geht glaube ich bald pleite.
Griekenland gaat geloof ik binnenkort failliet.
Nun kann man bei diesem Beispiel behaupten, dass die Phrase hier gar keine Phrase mehr ist, sondern ein Adverb. Einen Ähnlichen Prozess durchliefen auch die heutigen Ausdrücke sozusagen oder als het ware – übrigens ebenfalls hedging-Begriffe –, die zwar noch syntaktisch wie Phrasen aufgebaut sind, aber als Adverbien fungieren. Im Sprechfluss wird aus diesen Phrasen sowieso eine feste Einheit, die in der Regel auch unbetont bleibt. Konsequenterweise finden sich in schriftlichen Belegen solche Einschübe tatsächlich oft ohne Kommata. Mündlich würde man schließlich vor und nach diesem Element keine hörbare Pause machen. Gut nachvollziehen lässt sich das z.B. in einem Protokolltext aus dem Europaparlament:
Ik heb nu geloof ik met het grootste deel van de amendementen van het Parlement rekening gehouden.
Oder in einem Reiseblog über Sibirien, in recht informellem Sprachduktus:
Ich habe glaub ich noch nie so viele Birken auf einmal gesehen
Hier kommt noch hinzu, dass auf Deutsch hier auch in der schriftlichen Form der weggefallene Schwa bei glaub(e) ich verschwunden ist. Es wäre nur konsequent, wenn sich die Schreibweise weiter angleichen würde und wir bald als Standardform glaubich und geloofik schreiben würden. Vielleicht ist in ferner Zukunft gar nicht mehr transparent, dass dieses Adverb früher mal ein ganzer Satz war. Es endet dann wie andere Adverben, etwa wahrscheinlich, einfach auf –ich oder –ig (im deutschsprachigen Raum weit verbreitet sowieso mit identischer Aussprache). Im Niederländischen entspräche die immer weiter abgeschwächte letzte Silbe von geloofik dann mit der Zeit vielleicht auch der Endsilbe von waarschijnlijk.
Ob daraus irgendwann ein deutsch-niederländisches Adverb-Paar wird, das im Wörterbuch als glaubig – geloofijk aufgeführt wird? Ob es so weit seine Transparenz verliert, dass es nicht mehr an die 1. Person Singular gebunden ist, weil –ig/-ijk nicht mehr als ich/ik erkennbar ist? Natürlich ist das alles wilde Spekulation, und die Orthographie lässt sich so schnell nicht austricksen. Nichts davon lässt sich mit völliger Sicherheit voraussagen. Dieser Blogbeitrag steht also unter Vorbehalt des maximalen hedging.