„In der Stadt Anvers im Norden des Landes…“ schrieb eine deutsche Journalistin kürzlich in einer Meldung über ein Ereignis in Belgien. Ihre Vorlage war ein Text aus Frankreich, und gemeint war natürlich Antwerpen. Den meisten Deutschsprachigen ist wohl die französische Bezeichnung Antwerpens völlig fremd. Wer auf der Autobahn das Schild nach Gand liest, weiß zunächst nicht, ob er noch auf dem richtigen Weg ist – bis nach der Sprachgrenze endlich Gent auf dem Schild steht. Um den Rückweg zu finden, sollte man sich nach Luik oder Namen orientieren, um zuverlässig wieder in Lüttich oder Namur anzukommen. (Es ist auf Deutsch zwar üblich, Lüttich statt Liège zu sagen, aber in anderen Ländern ist das Verhältnis zwischen Exonym und Endonym heikler: Landsberg an der Warthe für Gorzów Wielkopolski hat wohl eher ausgedient.) Das wallonische Mons hat man in Flandern gleich gänzlich etymologisch in Bergen umbenannt, und nach langen Auseinandersetzungen um die Sprachpolitik der Universität gründete man neben Leuven den frankophonen Ableger Louvain-la-Neuve.
Doch was tun bei den sprachpolitisch so sensiblen Facilitätengemeinden, oder bei den zweisprachigen Gemeinden der Hauptstadtregion Brüssel? In solchen Fällen greift jede Sprachgemeinschaft zur eigenen Variante, nennt zum Beispiel die lange Zeit hart umkämpfte Gemeinde im Osten entweder Fourons oder Voeren. Kritisch wird es bloß, wenn man sich aus praktischen Gründen für eine einzige Form entscheiden muss. Dementsprechend ist es nicht nur international hilfreich, sondern vor allem dem inneren Sprachfrieden dienlich, dass seit einigen Jahren der Brüsseler Flughafen offiziell nicht etwa Aéroport de Bruxelles und auch nicht Luchthaven Brussel heißt, sondern Brussels Airport.
Man mag das Beharren auf den Exonymen für Sprachchauvinismus halten, an dem es Belgien oft genug wahrlich nicht mangelt. Orte ohne Exonym würden sich andererseits vielleicht sogar eines wünschen. Denn hat man keins, bedeutet das in der Regel nur eines: Der Ort ist zu klein und unbedeutend. Oder die Benennung ist in seltenen Fällen zu neu als dass sich ein Exonym hätte etablieren können. So trug es sich bei Charleroi zu, das zwar heute eine der größten Städte des Landes ist, aber seinen Namen erst im 17. Jahrhundert bekam. Die erfundene Form Karelskoning hatte bis heute keine Chance. Auch Nieuw-Leuven für das junge Louvain-la-Neuve ist nicht gebräuchlich. Umgekehrt halten die Frankophonen dennoch weiterhin an Louvain für das „alte“ Leuven auf flämischer Seite fest.
Bei Personennamen ist man zu deutlich mehr Zugeständnissen bereit – es muss schließlich jeder selbst wissen, wie er heißen möchte. Der gelegentlich als unverbesserlicher Flamingant gescholtene Ex-Premierminster Yves Leterme durfte seinen durch und durch französischen Namen behalten. Dasselbe gilt für Jean-Claude Van Cauwenberghe, den frankophonen Sozialisten und Ex-Ministerpräsidenten von Brüssel mit seinem unverkennbar niederländischen Familiennamen. Der kürzlich aus dem Amt geschiedene Regierungschef Elio di Rupo zieht sich mit seinem italienischen Migrationshintergrund elegant aus der Affäre. Nur einer hatte es nicht so bequem: Der neue König. Zu Amtsantritt stellte sich die Frage, ob er Gesetze als „Philippe“ oder als „Filip“ unterzeichnet. Daran hätten die Eltern bei der Namensgebung im Sinne des nationalen Zusammenhalts durchaus denken können. Haben sie aber nicht, denn Vater Albert wiederum musste sich solche Gedanken nie machen. Inzwischen ist eine Regelung gefunden: Der König darf sich für die handschriftliche Unterzeichnung für einen Namen entscheiden und seinem Wunsch entsprechend die französische Variante wählen. Im gedruckten Gesetzblatt werden dann trotzdem beide Varianten übernommen. Sein Onkel und Vor-Vorgänger Baudouin/Boudewijn soll eine andere Lösung gefunden haben: Seine Unterschrift war wohl derart unleserlich, dass man daraus keine Sprachvariante mehr erkennen konnte.