Geschlechtssensible Medizin

Hintergrund und Notwendigkeit am Beispiel der Aufmerksamkeit-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS)

Lara Alexandra Bellu (SoSe 2022)

1. Begriffsklärungen und Hintergründe

Unter sex wird das biologische Geschlecht einer Person verstanden (Muehlenhard & Peterson, 2011). Damit zusammenhängend sind Geschlechtschromosomen, Keimanlagen, primäre und sekundäre Geschlechtsorgane (Muehlenhard & Peterson, 2011). Menschen, die sich der Binarität von weiblich/männlich zuordnen, werden als endogeschlechtlich bezeichnet (Debus & Laumann, 2020). Kann keine binäre Geschlechterzuordnung erfolgen, spricht man von Intergeschlechtlichkeit (Debus & Laumann, 2020). Dabei handelt es sich eigentlich um eine natürliche Variation (Hechler & Baar, 2020). Allerdings erleben intergeschlechtliche Menschen dennoch Diskriminierung, weil gesellschaftlich – entgegen des natürlichen biologischen Vorkommens – eine binäre Unterteilung in biologische Männer und Frauen konstruiert wurde (Hechler & Baar, 2020).

Als gender wird das soziale Geschlecht und die Geschlechtsidentität bezeichnet (Debus & Laumann, 2020). Das Konzept gender beinhaltet typische Merkmale, Verhaltensweisen und Erwartungen, die der binären Geschlechterkonstruktion von Frauen und Männern zugeschrieben werden (Pryzgoda & Chrisler, 2000). Das Konzept gender geht also davon aus, dass diese Unterschiede sozial konstruiert sind (Pryzgoda & Chrisler, 2000). Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht (meist interpretiert aufgrund der Geschlechtsorgane) übereinstimmt, bezeichnen sich als trans*, transgeschlechtlich, transgender oder transident (Debus & Laumann, 2020). Menschen, bei denen die Geschlechtsidentität mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, werden als cis-geschlechtlich bezeichnet (Debus & Laumann, 2020). Menschen, die sich nicht den binären Geschlechterrollen von Männern oder Frauen zuordnen, verstehen sich als non-binary, nicht-binär, genderqueer, agender oder auch trans* (Debus & Laumann, 2020).

Der Begriff Heteronormativität meint eine Kultur und Struktur, die Endogeschlechtlichkeit, eine binäre Geschlechtsidentität, cis-Geschlechtlichkeit und heterosexuelle Beziehungen als Norm begreift (Debus & Laumann, 2020). Menschen, die also nicht in dieses Schema passen, erleben in einer heteronormativen Gesellschaft Nachteile und Diskriminierung (Debus & Laumann, 2020).

Die geschlechtssensible Medizin (GSM) beschäftigt sich mit dem Einfluss von sex und gender auf das Gesundheitsbewusstsein, Krankheitssymptomatik und Therapie (Regitz-Zagrosek, 2018). Ziel ist es, die bestmögliche Diagnose und Therapie unter Berücksichtigung des Geschlechts zu finden (Latz & Welzel, 2021). Wichtig ist anzumerken, dass im Rahmen der GSM häufig der Begriff gender genutzt wird, obwohl eigentlich sex gemeint ist (Oertelt-Prigione & Hiltner, 2019). Zusätzlich beschäftigt sich die GSM aktuell lediglich mit den Unterschieden zwischen Frauen und Männern, Abweichungen der Heteronormativität werden also nicht berücksichtigt (Oertelt-Prigione & Hiltner, 2019).

Die GSM hat ihren Ursprung in der internationalen Frauenrechtsbewegung in den 1960er und 70er Jahren, die sich auf die körperliche und sexuelle Freiheit von Frauen konzentriert hat (Oertelt-Prigione & Hiltner, 2019). Anfang der 1980er Jahre wurde erstmals genauer beobachtet, dass Herzinfarkte sich bei Frauen und Männern mit unterschiedlichen Symptomen äußern – jedoch wurden standardmäßig nur die „männlichen“ Symptome gelehrt (Latz & Welzel, 2021). 2001 veröffentlichte das US-amerikanische Institute of Medicine einen Report, der erstmals Geschlechterunterschiede in der Medizin beleuchtete (Oertelt-Prigione & Hiltner, 2019). Erst dadurch kam die GSM tatsächlich ins Rollen (Oertelt-Prigione & Hiltner, 2019). Allerdings ist sogar heute – 20 Jahre später – die Lehre der GSM keine Verpflichtung an den Universitäten (Oertelt-Prigione & Hiltner, 2019). Zusätzlich fehlt die Implementierung in Forschung und Praxis, weil die Arbeit und Anerkennung in den entsprechenden Gremien (Fachgesellschaften, Ärztekammern, Forschungsgremien etc.) nur schleppend läuft (Oertelt-Prigione & Hiltner, 2019).

2. Zusammenhang zwischen gender, sex und Gesundheit

Die Relevanz der GSM wird deutlich, wenn biologische, psychosoziale und epigenetische Einflussfaktoren auf Gesundheit betrachtet werden.

Auf biologischer Ebene betrachtet tragen X-Chromosomen mehr als 1500 Gene mit regenerativen Funktionen, Y-Chromosomen hingegen nur ca. 100 Gene (Regitz-Zagrosek, 2018). Bei Menschen mit XX-Chromosomensatz ist das zweite X-Chromosom nur zum Teil inaktiv. Deshalb haben diese Menschen etwa Vorteile bei x-chromosomal vererbten Erkrankungen (Regitz-Zagrosek, 2018). Zusätzlich beeinflusst der Geschlechtschromosomensatz die Ausschüttung von Geschlechtshormonen (Testosteron, Östrogen und Gestagen; Regitz-Zagrosek (2018)). Geschlechtshormone haben wiederum einen Einfluss auf das Immunsystem, die Körperzusammensetzung, das Herz-Kreislauf-System und andere Stoffwechselprozesse (Regitz-Zagrosek, 2018). Zusätzlich ist inzwischen bekannt, dass sich die Organe von Männern und Frauen in ihrer Feinbauweise und Zellaktivität unterscheiden (Regitz-Zagrosek, 2018). Daraus wird klar, dass sich sowohl Krankheitssymptome als auch die Wirkung von Medikamenten geschlechtsspezifisch unterscheiden müssen. Therapien und Krankheitsverläufe des prototypischen 75kg schweren cis-Manns können also nicht für Menschen, die auf biologischer Ebene von dieser Norm abweichen, einfach übernommen werden (Weyrerer, 2021).  

Auch die sozial konstruierten Geschlechterrollen (gender) haben Einfluss auf Krankheit, Gesundheitsverhalten und Vorsorge. So ist zum Beispiel die Suizidrate bei Männern höher als bei Frauen (Brandt, 2019). Gleichzeitig nehmen Männer weniger Psychotherapie in Anspruch (Sonnenmoser, 2011). Insgesamt zeigen Männer häufiger schädliches Gesundheitsverhalten wie Rauchen, ungesunde Ernährung und weniger Bewegung (Regitz-Zagrosek, 2018). Bei ihnen ist die Lebenserwartung auch geringer als bei Frauen (Luy, 2011). Gleichzeitig sind Frauen dadurch bei Krankenhauseinweisungen im Durchschnitt älter als Männer und erhalten weniger häufig Rehabilitationsmaßnahmen (Regitz-Zagrosek, 2018). Deshalb haben sie eine höhere Gefahr chronisch in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt zu werden und eine Pflegebelastung für ihr Umfeld zu werden (Regitz-Zagrosek, 2018). Zusätzlich unterscheidet sich die Stressbelastung bei Männern und Frauen. So handelt es sich bei Männern vor allem um chronischen arbeitsbedingten Stress, der zum Feierabend abfällt (Kautzky-Willer, 2014). Bei Frauen hingegen steigt dieser aufgrund der häufigen Doppelbelastung von Beruf und familiären Verpflichtungen (z.B.: Pflege von Angehörigen) nach Feierabend noch weiter an (Kautzky-Willer, 2014). Chronischer Stress ist wiederum mit einer Reihe von Erkrankungen wie depressiven Störungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ 2 assoziiert (Kautzky-Willer, 2014). Dieses Phänomen nennt sich Lebenserwartungs-Lebensqualitäts-Geschlechter-Paradoxon: Frauen leben zwar länger als Männer, haben aber weniger gesunde Jahre und empfinden ihre Lebensqualität als subjektiv geringer (Kautzky-Willer, 2014). Wird dabei um die psychosozialen Faktoren korrigiert, ist dieser Unterschied deutlich geringer (Kautzky-Willer, 2014).  Fernab dieser binären Betrachtung ist zu betonen, dass etwa inter* oder trans* Menschen aufgrund ihres depriviligierten Status und der damit einhergehenden Diskriminierung zusätzliche gesundheitliche Risiken haben, zum Beispiel ein deutlich erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen (Pöge et al., 2020).

Zuletzt ist die Ebene der Epigenetik zu betrachten. Epigenetik bezieht sich auf die Beeinflussung oder Beschädigung bei der Verpackung von Genen durch Umwelteinflüsse, wie beispielsweise Ernährung, Rauchen, Stress und Umwelttoxine (Regitz-Zagrosek, 2018). Auch hierbei spielen sex und gender eine unterschiedliche Rolle (Kautzky-Willer, 2014). So zeigen beispielsweise bereits die Plazenten von Embryonen aufgrund unterschiedlicher Geschlechtshormone unterschiedliche Bewältigungsstrategien und Wachstumsmechanismen auf Unter- oder Überernährung (Kautzky-Willer, 2014). Weiterführend werden diese Strategien mit Immunität, Transplant-Wirt-Reaktionen und Entzündungen assoziiert (Kautzky-Willer, 2014). Gender bzw. die Geschlechterrolle hingehen bedingt zum Beispiel die Exposition mit Umwelttoxinen und Stress. So könnte die höhere Inzidenz von depressiven Störungen bei Frauen auf den erhöhten mütterlichen Überschuss von Glukokortikoiden (z.B.: das Stresshormon Cortisol) zurückzuführen sein (Kautzky-Willer, 2014). Dieser beeinflusst nämlich insbesondere bei den weiblichen Nachkommen die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse und die dazugehörige Neurotransmitterausschüttung, welche sowohl mit Stimmung als auch mit Stressregulation assoziiert ist (Kautzky-Willer, 2014).

3. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS)

3.1 Symptomatik

Die Kernsymptome der ADHS sind (1) Aufmerksamkeitsstörungen (insbesondere vorzeitiges Abbrechen von fremdbestimmten Aufgaben, hohe Ablenkbarkeit, Nichtbeenden von Tätigkeiten), (2) Impulsivität auf emotionaler, kognitiver und motivationaler Ebene (z.B.: übereilte Entscheidungen, geringe Frustrationstoleranz, Unterbrechen von anderen) und (3) Hyperaktivität (mangelhaft regulierte, überschießende motorische Aktivität und Ruhelosigkeit; Petermann and Ruhl (2011)). Allerdings unterscheiden sich das ICD-10 und DSM-IV in ihrer Kombination von Symptomen zu verschiedenen Subtypen. So wird nach ICD-10 eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F 90.0) diagnostiziert, wenn die Symptome der Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität und Hyperaktivität vorliegen (Petermann & Ruhl, 2011). Eine Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F 90.1) wird diagnostiziert, wenn zusätzlich noch Störungen des Sozialverhaltens vorliegen (Petermann & Ruhl, 2011). Das DSM-IV hingegen differenziert zwischen drei verschiedenen Typen (Petermann & Ruhl, 2011). Bei der (a) Aufmerksamkeitsdefizit/-Hyperaktivitätsstörung vom Mischtyp liegen sowohl die Aufmerksamkeitsstörung als auch Impulsivität und Hyperaktivität vor. Bei dem (b) vorwiegend unaufmerksamen Typ liegt die Aufmerksamkeitsstörung im Vergleich zur Hyperaktivität und Impulsivität deutlich im Vordergrund. Die Symptomatik des (c) vorwiegend hyperaktiven Typs ist hingegen vorwiegend durch Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet, Aufmerksamkeitsstörungen sind eher im Hintergrund (Petermann & Ruhl, 2011).

Abbildung 1: Klassifikation der ADHS in ICD-10 und DSM-IV (Petermann & Ruhl, 2011, S. 679)

Zusätzlich müssen nach ICD-10 und DSM-IV folgende Kriterien erfüllt sein: „Die Symptome müssen mindestens 6 Monate lang vorliegen, in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß, vor dem Alter von 7 Jahren auftreten und zu Beeinträchtigungen in zwei oder mehr Lebensbereichen führen. Es bestehen deutliche Hinweise auf klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen. Andere psychische Störungen, geistige Behinderung oder psychosoziale Problemen, die die Verhaltenssymptome besser erklären können, sind ausgeschlossen“ (Petermann & Ruhl, 2011, S. 678).

3.2  Diagnostik

Die Diagnostik der ADHS läuft multimodal ab, was insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Symptomausprägungen notwendig ist (Petermann & Ruhl, 2011). Die Diagnostik lässt sich in drei Stufen einteilen: Erstes Screening, orientierende und weiterführende Diagnostik (Petermann & Ruhl, 2011). Wichtig ist zu betonen, dass im Zuge des ersten Screenings nicht nur Testverfahren mit den potenziell Betroffenen selbst, sondern üblicherweise auch Beurteilungen von Eltern und Lehrkräften miteingeschlossen werden. Oftmals sind sogar Hinweise der Lehrkräfte der erste Schritt, um überhaupt das Screening einzuleiten (Petermann & Ruhl, 2011). Zeigen sich im Rahmen des ersten Screenings Hinweise auf eine ADHS, so wird weiterfolgend eine orientierende und weiterführende Diagnostik durchgeführt (Petermann & Ruhl, 2011). Dabei werden üblicherweise diagnostische Interviews und Tests (z.B.: Intelligenz- und Aufmerksamkeitstests) mit den Betroffenen selbst und den Eltern durchgeführt. Außerdem kommen auch hier Verhaltensbeobachtungen im Klassenraum, in der diagnostischen Situation und zu Hause zum Einsatz (Petermann & Ruhl, 2011).

4. Zusammenhang zwischen ADHS-Diagnostik, sex und gender

 Die Prävalenz der ADHS beläuft sich auf zwischen 2 und 7%, je nach verwendeten Diagnosekriterien und Altersgruppe (Bruchmüller et al., 2012; Nøvik et al., 2006). Auffällig dabei ist, dass das Geschlechterverhältnis teils stark unausgeglichen ist. So liegt es bei nicht klinischen Populationen bei 3:1 (Jungen vs. Mädchen), bei klinischen Populationen sogar bei zwischen 6 und 16:1 (Bruchmüller et al., 2012; Nøvik et al., 2006; Young et al., 2020). Daraus lässt sich also schließen, dass deutlich mehr Jungen als Mädchen überhaupt in den diagnostischen und therapeutischen Prozess der ADHS eingebunden werden (Bruchmüller et al., 2012). Hier stellt sich nun die Frage: Kommt die ADHS tatsächlich häufiger bei Jungen vor oder wird es bei Mädchen schlichtweg weniger erkannt? Und falls ja, woran liegt das?

 Möglicherweise kann der Geschlechterunterschied in der ADHS-Prävalenz neurophysiologisch und endokrinologisch erklärt werden (Davies, 2014; Gawrilow, 2020). So wurden teilweise in Untersuchungen geringere Aktivierungen bei Jungen vs. Mädchen mit ADHS in frontalen, parietalen und cerebralen Hirnregionen gefunden (Davies, 2014). Diese werden unter anderem mit Exekutivfunktionen (z.B.: Inhibitionskontrolle) assoziiert, welche wiederum bei einer ADHS eingeschränkt sind (Gawrilow et al., 2011). Darüber hinaus spielt auch möglicherweise eine geringere Dopamin-Rezeptoren-Dichte bei Jungen eine Rolle (Gawrilow, 2020). Weiterführend wird auch diskutiert, ob das höhere Testosteronlevel durch einen XY-Chromosomensatz zu neurobiologischen Entwicklungen führt, welche die Entstehung einer ADHS begünstigen (Davies, 2014). Allerdings konnte bisher zu keinem Ansatz ein ausreichender wissenschaftlicher Konsens erreicht werden (Davies, 2014; Gawrilow, 2020).

Mehr erforscht und viel wahrscheinlicher ist dagegen, dass Mädchen andere Symptome und Komorbiditäten zeigen und weniger häufig bzw. falsch diagnostiziert werden (Fraticelli et al., 2022). Beispielsweise fassen Young et al. (2020) und Fraticelli et al. (2022) zusammen, dass Mädchen mit ADHS zwar auch hyperaktiv-impulsive Symptome aufweisen, jedoch stehen die Symptome der Unaufmerksamkeit und Desorganisation im Vordergrund. Bei Mädchen scheint also der unaufmerksame Typ häufiger vorzukommen, welcher oftmals als depressive oder Angststörung interpretiert wird (Fraticelli et al., 2022). Zusätzlich ist eine komorbide Angst- oder depressive Störung tatsächlich häufig bei Mädchen (Fraticelli et al., 2022; Young et al., 2020). Das resultiert in eine noch stärker internalisierte Symptomatik, wodurch die ADHS leicht übersehen wird (Fraticelli et al., 2022). Mädchen zeigen also weniger offensichtliche oder sozial störende Verhaltensweisen. Dafür haben sie deutlichere Aufmerksamkeitsdefizite, sowie Probleme bei der Selbst- und Emotionsregulation (Fraticelli et al., 2022; Young et al., 2020).

Außerdem scheint es eine Verzerrung bei den Diagnostizierenden selbst zu geben, die Mädchen grundsätzlich weniger häufig als Jungen diagnostizieren (Quinn & Madhoo, 2014). Hinweise darauf liefern eine Vielzahl an Studien (z.B.: Bruchmüller et al., 2012; Groenewald et al., 2009; Ohan & Visser, 2009; Sciutto et al., 2004). In einer Untersuchung von Bruchmüller et al. (2012) wurden insgesamt 1000 Psychiater*innen, Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen dazu aufgefordert, eine diagnostische Einschätzung für hypothetische Fallbeispiele abzugeben. Dabei erhielt der identische Fall häufiger eine ADHS-Diagnose, wenn dieser mit einem typischen Jungen-, statt Mädchennamen benannt wurde. Ähnliche Ergebnisse fanden auch Sciutto et al. (2004) mit einer Stichprobe von 199 Grundschullehrkräften, die ebenfalls hypothetische Fälle von Kindern mit ADHS vorgelegt bekamen. Dabei wurde bei den Fällen mit Jungennamen häufiger zu einem ersten ADHS-Screening geraten als bei den mit Mädchennamen. Insgesamt wurden die Fälle mit Symptomen des hyperaktiv-impulsiven Typs häufiger als auffällig eingestuft. Jedoch zeigte sich auch hier ein geschlechtsspezifischer Effekt: Bei den Fällen des hyperaktiv-impulsiven Typs mit Jungennamen wurde 1.5-mal häufiger zu einem ersten Screening geraten als bei den Mädchen.

Insgesamt betrachtet sind Mädchen also gar nicht per se weniger häufig von der ADHS betroffen. Es scheint eher so, dass Mädchen insgesamt unauffälliger sind, weil sie sich besser anpassen und ihre Symptome weniger externalisiert sind (Fraticelli et al., 2022; Young et al., 2020). Zusätzlich scheint ein Bias bei Diagnostizierenden, sowie Lehrkräften und Eltern zu bestehen (Quinn & Madhoo, 2014). Das „typische AHDS-Kind“ ist demnach ein unruhiger, zappeliger Junge und weniger ein verträumtes, unaufmerksames Mädchen. In Anbetracht der Sozialisation und Geschlechterrollen von Jungen vs. Mädchen ist das allerdings nicht überraschend. So wird von Mädchen gesellschaftlich eher erwartet, sich freundlich, zuvorkommend und zurückhaltend zu verhalten (Godsil et al., 2016). Die daraus resultierende Anpassung, internalisierten Symptome und verhältnismäßige Unauffälligkeit von Mädchen mit ADHS erscheinen entsprechend wie logische Konsequenzen.

Problematisch dabei ist, dass Mädchen, die unter das diagnostische Radar fallen, keine oder nur unpassende Therapien erhalten (Young et al., 2020). Gleichzeitig ist die Ausprägung von ADHS Symptomen negativ mit der Lebensqualität in Adoleszenz und Erwachsenenalter assoziiert (Tischler et al., 2010). Zusätzlich haben Menschen mit ADHS ohnehin ein höheres Risiko, andere psychische oder somatische Erkrankungen zu entwickeln (Fraticelli et al., 2022; Tischler et al., 2010). Außerdem leiden sie häufiger unter einem negativen Selbstkonzept und Selbstwert (Young et al., 2020). Deshalb stellt eine ADHS-Diagnose für insbesondere erwachsene Betroffene eine Erleichterung dar, weil somit die lebenslangen Schwierigkeiten, Einschränkungen und Defizite erklärt werden können (von der Brelie, 2021). Nicht diagnostizierte Mädchen mit ADHS haben also ein höheres Risiko für vermeidbare gesundheitliche Einschränkungen und spätere Schwierigkeiten in essenziellen Lebensbereichen (z.B.: Ausbildung und Arbeit; Young et al. (2020)), welche durch eine adäquate Therapie zumindest gelindert werden könnten (Petermann & Ruhl, 2011). Insgesamt betrachtet braucht es also dringend mehr gendersensible Forschung im Bereich der ADHS, sowie die Implementierung der Erkenntnisse in die diagnostische Praxis.  Abschließend ist zu betonen, dass sich die Gendersensibilität in diesem Bereich ausschließlich auf die Binarität von Frauen vs. Männern (sowohl bei sex als auch gender) bezieht. Wünschenswert wäre also auch hier, dass die psychologische Forschung beginnt, außerhalb der Heteronormativität zu denken.

Literaturverzeichnis

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Weyrerer, M. (2021). Medikamente, Crash-Dummys, Fußballschuhe – Männer als Maß der Dinge. Augsburger Allgemeine, https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Journal/Interview-Medikamente-Crash-Dummys-Fussballschuhe-Maenner-als-Mass-der-Dinge-id59618921.html.

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Quelle: Lara Alexandra Bellu, Geschlechtssensible Medizin: Hintergrund und Notwendigkeit am Beispiel der Aufmerksamkeit-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), in: Blog ABV Gender- und Diversitykompetenz FU Berlin, 07.11.2022, https://blogs.fu-berlin.de/abv-gender-diversity/?p=303

Diskriminierung im Gesundheitssektor

Die Auswirkungen von Medical Gaslighting und Diskriminierung auf Minderheitengruppen und Frauen

Jessica Rorison (SoSe 2022)

Medical Gaslighting ist ein Thema, das in den letzten Monaten zunehmend in die Öffentlichkeit gerückt ist. Von Medical Gaslighting spricht man, wenn die gesundheitlichen Beschwerden einer Person von den behandelnden Ärzt*innen nicht ernstgenommen werden, weil sie oftmals ohne vorhergehende Untersuchung auf bestimmte körperliche Merkmale der Patient*innen zurückgeführt werden. Zu den Merkmalen zählen z. B. Geschlecht, ethnische Herkunft, Gewicht oder sexuelle Orientierung der/des Patient*in. Die Folgen von Medical Gaslighting können schwerwiegend bis tödlich sein. Neben fehlerhaften oder gänzlich ausbleibenden Diagnosen kommt es oftmals zu einer unzureichenden Behandlung mit falschen Medikamenten oder Dosierungen. Auch die psychische Belastung ist enorm und kann u. a. zu Angststörungen sowie Depressionen führen.

Zwar wird die Autorität von Ärzt*innen selten infrage gestellt, jedoch zeigt sich eine zunehmende Gegenbewegung zum Medical Gaslighting. Die Patient*innen tauschen sich beispielsweise online aus oder wenden sich direkt an die Presse, um ihrem Unmut Luft zu machen. Patient*innen schweigen nicht mehr, wenn sie sich fehldiagnostiziert fühlen und/oder wenn sie eine unzureichende Behandlung aufgrund einer offensichtlich rassistischen, misogynen oder anderweitig diskriminierenden Motivation heraus wahrnehmen. Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte „Südländersyndrom“ oder „Mittelmeersyndrom“, das in der medizinischen Umgangssprache eine pejorative Umschreibung für die als übertrieben empfundene Schmerzschilderung von Patient*innen, die aus dem Mittelmeerraum stammen, benutzt wird. Die Bezeichnung soll vor allem Schmerzempfinden ohne medizinischen Grund beschreiben oder auch einen „generalisierten Schmerz“ bei einem lokal begrenzten Ereignis.[1] Die Folge daraus kann z. B. eine unzureichende oder späte Behandlung ernsthafter Symptome sein. Auch People of Colour (PoC) erhielten laut Maas und Appelman in den USA [und vielen anderen westlich geprägten Ländern] meist eine schlechtere medizinische Behandlung als nicht-PoCs. Vorurteile und Voreingenommenheit seien in der Medizin also nachweisbar und können Medical Gaslighting begünstigen.[2]

Auch die verschiedenen Geschlechter werden unterschiedlich behandelt. Laut Untersuchungen in den USA werden bspw. Herzerkrankungen bei Frauen später diagnostiziert als bei Männern. Vermutlich liegt das daran, dass die Symptome bei Frauen erstmal unterschätzt werden.[3] Dies passiert offenbar besonders häufig bei Krankheiten, deren Symptome uneindeutig sind, so z. B. auch beim chronischen Erschöpfungssyndrom, der Myalgischen Enzephalomyelitis bzw. dem Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS), das zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führen kann.[4] In der aktuellen Covid-19-Pandemie zeigt sich, dass eine Subgruppe der von Long-Covid betroffenen Personen ME/CFS entwickelt.[5] Einige der Symptome umfassen z. B. Schlafstörungen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schwindel, Darm- und Blasenstörungen, Wortfindungs- und Konzentrationsstörungen und viele weitere Symptome, die in der Form auch bei zahlreichen anderen Krankheiten auftreten können.[6] Viele Patient*innen befürchten, dass ihre Symptome nicht ernstgenommen, bzw. dass sie für faul und arbeitsunwillig gehalten werden. Kommentare wie „[m]üde bin ich auch öfter mal“ oder „du bist doch viel zu jung, um sowas zu haben“[7], die nicht nur von Ärzten, sondern auch von Angehörigen und Freunden geäußert werden, sind kein Einzelfall.

Eine weitere Gruppe, die fast immer von Medical Gaslighting betroffen ist, betrifft Menschen mit Übergewicht. Die Vorurteile gegenüber übergewichtigen Personen halten sich besonders hartnäckig. So berichtet bspw. Josephin Oehmer gegenüber dem Tagesspiegel von ihren Erfahrungen, wie sie als schwangere Frau „[u]nterernährt und geschwächt“ im Bett einer Universitätsklinik liegt und dem behandelnden Arzt erklären muss, „dass er einfach mit einer Nadel in ihren Bauch stechen und das überschüssige Wasser aus ihrem Magenband ablassen kann.“[8] Sie berichtet, wie sie seit Wochen kaum noch essen und zum Schluss nicht einmal mehr trinken konnte. Offenbar hatte sie sich einer Magenverkleinerung unterzogen, die irgendwann zu Komplikationen führte. Besonders schwierig dabei war, dass ihr ungeborenes Baby nicht ausreichend versorgt wurde, da sie keine Nahrung zu sich nehmen konnte. Der Kommentar der behandelnden Gynäkologin zu dieser Situation lautete: Kein Problem, sie solle ja ohnehin abnehmen.[9] Vielen Personen ist nicht bewusst, dass auch übergewichtige Menschen unter Unterernährung leiden können. Aber wie kann es sein, dass das auch auf Ärzt*innen zutrifft, die es definitiv besser wissen sollten? Es ist richtig, dass Übergewicht zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen und dass es ein generelles Risiko für Betroffene darstellen kann. Zu den häufigsten Folgeerkrankungen von Adipositas gehören Typ-2-Diabetes, koronare Herzerkrankungen sowie Schlaganfälle.[10] Auch Probleme mit den Gelenken sind keine Seltenheit. Wie im Bericht von Josephin Oehmer festgehalten, tendieren Personen, die Medical Gaslighting erfahren, dazu, Arztbesuche zu vermeiden, wodurch schwere Erkrankungen noch später erkannt werden und es im schlimmsten Fall zur Lebensgefahr kommt. Ein Umstand, der durch eine menschenwürdige Behandlung leicht vermieden werden könnte.

Trans* Personen machen eine weitere Gruppe aus, die stark unter Medical Gaslighting zu leiden hat. Oft rührt dieser Zustand von einem Unverständnis, das man bei Ärzt*innen heutzutage eigentlich nicht erwartet. Die Unwissenheit bezüglich des Umgangs mit trans*Personen unter Ärzt*innen führt teilweise zu unangebrachten Fragen oder der gänzlichen Ablehnung einer Behandlung.[11] Der daraus resultierende identitätsbezogene Missbrauch

[…] can involve physical, emotional, […] and gender presentation. More specifically, this may involve denying that someone is transgender (or that it is possible to be transgender), […] commenting negatively about a person’s appearance or body, intentionally using the wrong pronoun and/or name, asking someone not to disclose they are transgender to others, threatening to tell other people that someone is transgender, withholding medicine, and/or withholding money for medicines or surgery.[12]

Riggs, D. W., Fraser, H. (et al.) (2016), S. 2374–2392

Diese Form von Missbrauch trifft vor allem (aber nicht nur) trans* Frauen und kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen: „Their study strongly suggests that identity-related abuse is linked to major depression and suicidality for transgender women during adolescence.“[13]

Auch mangelnde Deutschkenntnisse werden als Vorwand genommen, Patient*innen nicht, oder nur unzureichend, zu behandeln. So berichtet eine türkische Künstlerin, die anonym bleiben möchte, dass ihre Psychiaterin ihre Angststörung auf fehlende Deutschkenntnisse zurückführe: „Dafür, dass Sie so lange in Deutschland leben, sprechen Sie aber nicht besonders gut Deutsch. Vielleicht sollten Sie mehr Deutsch lernen, dann geht es Ihnen bestimmt besser.“[14] Das Diagnosegespräch hatte die Psychiaterin vorab nicht auf Englisch führen wollen, später stellte sich jedoch heraus, dass sie durchaus fließend Englisch sprechen kann. Warum also diese Farce? Warum die Situation für eine Frau, die unter einer Angststörung leidet, schlimmer machen als nötig? Die Erklärung zum Mehrwert dieser Behandlungsmethode bleibt die Psychiaterin der Patientin schuldig.

Zeitmangel sei ein weiterer entscheidender Faktor. Johannes Schenkel, medizinischer Leiter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, sagt gegenüber Deutschlandfunk Nova: „In einem sehr durchökonomisierten Gesundheitssystem spielt einfach der Faktor Zeit eine große Rolle. Das haben viele nicht. Das sind leider oft die Rahmenbedingungen.“[15] Um einer Fehlkommunikation entgegenzuwirken, empfiehlt Schenkel, das offene Gespräch mit den behandelnden Ärzt*innen zu suchen. Allerdings sei das strukturelle Problem so einfach nicht abzustreiten, sagt Fanny Bartsch, eine angehende Medizinerin, die Medical Gaslighting während ihres medizinischen Praktikums beobachtet habe. Sie erlebte, wie Vorurteile gegenüber Frauen und die Vorverurteilung bestimmter kultureller und ethnischer Gruppen einer zielgerichteten medizinischen Behandlung im Weg stehen können.[16] Des Weiteren berichtet sie, dieses Phänomen vor allem bei Ärzten, weniger bei Ärztinnen, beobachtet zu haben. Interessanterweise führt sie einen Teil des Problems auf eine unzureichende Fehlerkultur zurück, in der gerade Mediziner*innen nicht bereit sind, ihr Unwissen einzugestehen. Die Genfer Deklaration des Weltärztebunds, die der deutschen Berufsordnung für Ärzte voransteht, gibt vor:

Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.[17]

Ich behaupte, dass die meisten Ärzt*innen und das Pflegepersonal mit der Intention in den Beruf einsteigen, genau diesen Vorsatz zu erfüllen. Gerade deshalb stellt sich die Frage, an welchem Punkt und aus welchem Grund sie die Eigenschaft verlieren, nach der Deklaration zu handeln. Ist es ein Problem systematischer Diskriminierung, die die involvierten Personen ihr Leben lang miterlebt haben? Eine Reproduktion von Stereotypen, die sie nie anders kennengelernt haben? Oder vielleicht negative Erfahrungen mit entsprechenden Menschengruppen? Wäre es nicht dennoch die Pflicht einer Ärztin/eines Arztes und den verantwortlichen Pflegepersonen über solchen Einflüssen zu stehen, um ihren Beruf auf eine menschenwürdige Art und Weise ausüben zu können? Oder werden Rassismus, Sexismus, Fett- und Transfeindlichkeit durch ein System begünstigt, „das die Ressourcen so knapp hält [sic!], dass das medizinische Personal nur noch den Mangel verwaltet und dabei den Menschen aus dem Auge verliert?“[18]

Nantke Garrelts kritisiert aus diesem Grund den Begriff Gaslighting, da Gaslighting eine böse Absicht in der Behandlung der Patient*innen unterstelle. Jedoch denke ich nicht, dass der Verdacht so ohne Weiteres abgeschmettert werden kann. Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Gesundheitssystem in Deutschland (und den meisten Ländern der Welt) stark mangelhaft ist. Dennoch kann dieses Argument nicht als alleinstehender Grund dafür genannt werden, dass Menschen ungleich behandelt werden. Gerade im Bereich der LSBTIQ*[19]-Personen gibt es einige Studien, die zeigen, dass die betroffenen Personen im Vergleich zum Rest der Bevölkerung eine schlechtere Gesundheit sowie Diskriminierungserfahrungen haben, die als Ursache für den gesundheitlichen Zustand miteinkalkuliert werden müssen.[20] Natürlich ist es nicht möglich, die gesamte LSBTIQ*-Bevölkerung im Ganzen zu betrachten. Auch Studien können immer nur einen kleinen Teil einer bestimmten Gruppe abbilden, so dass solche Studien immer mit Bedacht konsultiert werden sollten. Die jeweiligen Erfahrungen können stark voneinander abweichen, je nachdem in welchem Umfeld die betroffenen Personen leben, welcher Ethnie und sozialen Schicht sie angehören sowie zahlreiche andere Faktoren, die das Bild verzerren können, spielen eine Rolle.

Psychische und körperliche Erkrankungen wie Depression und Burnout treten laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) und der Universität Bielefeld bei LSBTIQ*-Personen bis zu dreimal häufiger auf.[21] Auch Einsamkeit sei ein großes Problem, dass doppelt so häufig auftrete, wie in der Mehrheitsgesellschaft. Bei trans* Personen liege diese Zahl sogar bei einem Drittel.[22] Die Folgen davon können sich wiederum in Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit äußern. Da diese Erkrankungen stressbedingt seien, leiden LSBTIQ*-Personen doppelt so oft an Herzerkrankungen und auch chronischen Rückenschmerzen seien keine Seltenheit.[23] Die Forscher*innen der Studie stellen fest, dass einer der Hauptgründe für die schlechte Gesundheit von LSBTIQ*-Personen die anhaltende Diskriminierungserfahrung sei,[24] die sich vermutlich nicht nur auf den Alltag, sondern auch auf Arztbesuche zurückführen lässt. Darüber hinaus habe sich die Situation von LSBTIQ*-Personen während der Covid-19-Pandemie noch verschlimmert. Die Forscher*innen schlagen vor, vermehrt „Safe Spaces“ aufzubauen, also sichere Orte wie Vereine, Treffpunkte und kulturelle Angebote, in denen sich LSBTIQ*-Personen immerzu sicherfühlen können.

Auch der Lesben- und Schwulenverband Deutschland e. V. (LSVD e. V.) berichtet umfangreich über die gesundheitliche Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* und inter* Menschen in der umfangreichen Studie: „Diskriminierung und Minderheitenstress machen krank und führen zu schlechterem gesundheitlichen Befinden.“

Minderheitenstress, bzw. minority stress, zeigt sich dadurch,

that stigma, prejudice, and discrimination create a hostile and stressful social environment that causes mental health problems. The model describes stress processes, including the experience of prejudice events, expectations of rejection, hiding and concealing, internalized homophobia, and ameliorative coping processes.[25]

Vgl. Meyer, Ilan H. (2003), S. 674–697

Ein junges Beispiel für Medical Gaslighting im Bereich der LSBTIQ*-Gesundheit ist sicherlich der Ausbruch des sogenannten „Affenpockenvirus“. Sowohl die Namensgebung als auch der Umgang in den Medien mit diesem Virus war und ist äußert bedenklich. Zum einen hat das Virus nichts mit Affen zu tun, es wurde lediglich das erste Mal in Affen entdeckt. Die Übertragung erfolgt jedoch über Nagetiere. Die Assoziation mit Affen führte in manchen Medien dazu, das Virus mit west- und zentralafrikanischen Ländern, wo das Virus endemisch ist, und den dort lebenden Menschen in Verbindung zu bringen, so dass unweigerlich rassistische Denkweisen gefördert wurden. Auffällig ist, dass das Virus bei Männern weit häufiger auftauche als bei Frauen.[26] Darüber hinaus wurde und wird die Verbreitung mit homosexuellen Männern, bzw. Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, in Verbindung gebracht, da die Infektionszahlen bei diesen Personen angeblich aufgrund häufig wechselnder Partner besonders schnell stiegen. Zwar wurde von vielen Seiten gefordert, eine Stigmatisierung zu unterbinden,[27] jedoch war es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät, da entsprechende Berichte in Zeitungen und Nachrichten verbreitet worden waren.

Leider ist an diesen Beispielen zu erkennen, dass Diskriminierung nach wie vor ein großes Problem in unserer modernen Welt ist, ganz gleich, welchen Bildungsstand die Menschen haben und welchen Beruf sie ausüben. Daher ist es besonders wichtig, immer wieder für Aufklärung zu sorgen und den positiven Austausch zwischen Menschen aller Ethnien, sexuellen Ausrichtungen und Glaubensrichtungen zu fördern. Nur Aufklärung und ein positives Miteinander können Diskriminierung stoppen.

Literaturverzeichnis

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[1] Vgl. Definition Mittelmeersyndrom: https://flexikon.doccheck.com/de/Mittelmeersyndrom (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[2] Vgl. Maas, A.H.E.M. und Appelman, Y.E.A.: Gender differences in coronary heart disease. In: Netherlands Heart Journal 18 (2010). S. 598–603.

[3] Ebd.

[4] Siehe hierzu Deutsche Gesellschaft für ME/CFS: https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/ (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Vgl. Sturm, Karin: Rea Strawhill & ME/CFS: Episode 1, Aches, Pains & Smiles Podcast, Transkription. Online: https://www.holy-shit-i-am-sick.de/rea-strawhill-me-cfs-episode-1-aches-pains-smiles-podcast/ (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[8] Garrelts, Nantke: Zu dick, zu schwarz, zu weiblich? Wenn der Arzt einfach nicht zuhören will. In: Tagesspiegel (05.09.2022). Online: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/zu-dick-zu-schwarz-zu-weiblich-wenn-der-arzt-einfach-nicht-zuhoren-will-8602855.html (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[9] Ebd.

[10] Vgl. Statistik der Stiftung Gesundheitswesen 2019: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/adipositas/ folgeerkrankungen (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[11] Vgl. American Heart Association News: For LGBTQ Patients, Discrimination can Become a Barrier to Medical Care. Online: https://www.heart.org/en/news/2019/06/04/for-lgbtq-patients-discrimination-can-become-a-barrier-to-medical-care (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[12] Riggs, D. W., Fraser, H. (et al.): Domestic Violence Service Providers’ Capacity for Supporting Transgender Women: Findings from an Australian Workshop. In: British Journal of Social Work 46:8 (2016). S. 2374–2392.

[13] Nuttbrock, L. (et al.): Psychiatric Impact of Gender-Related Abuse Across the Life Course of Male-to-Female Transgender Persons. In: Journal of Sex Research 47:1 (2010). S. 12–23.

[14] Vgl. Garrelts, Nantke, Tagesspiegel (13.09.2022).

[15] Vgl. Schottner, Dominik: Medical Gaslighting – Wenn Mediziner*innen uns nicht ernstnehmen. Deutschlandfunk Online: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/medical-gaslighting-wenn-wir-nicht-ernst-genommen-werden (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[16] Ebd.

[17] Vgl. Weltärztebund: Deklaration von Genf – das ärztliche Gelöbnis. Offizielle deutsche Übersetzung der Deklaration von Genf autorisiert durch den Weltärztebund. Online: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/pdf-Ordner/International/bundersaaerztekammer_deklaration_von_genf_04.pdf (letzter Zugriff: 13.09.2022).

[18] Vgl. Garrelts, Nantke, Tagesspiegel (13.09.2022).

[19] LSBTIQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter*, Queer und/oder Questioning und jede weitere Form der sexuellen oder geschlechtlichen Identität. Im englischsprachigen Raum wird es als LGBT* abgekürzt und ist oft auch in deutschen Texten unter dieser Abkürzung zu finden.

[20] Vgl. Webseite des DISW: „Echte Vielfalt“: Neue Studie zur Gesundheit von LSBTIQ* in Deutschland veröffentlicht (26.02.2021). Online: https://echte-vielfalt.de/lebensbereiche/lsbtiq/neue-studie-zur-gesundheit-von-lsbtiq-in-deutschland-veroeffentlicht/ (letzter Zugriff: 18.09.2022).

[21] Ebd.

[22] Ebd.

[23] Ebd.

[24] Ebd.

[25] Vgl. Meyer, Ilan H.: Prejudice, Social Stress, and Mental Health in Lesbian, Gay, and Bisexual Populations: Conceptual Issues and Research Evidence. In: Psychol Bull 129:5 (2003). S. 674–697.

[26] Vgl. Studie des UK Governments: Investigation into Monkeypox Outbreak in England: Technical Briefing 4 (02.09.2022). Online: https://www.gov.uk/government/publications/monkeypox-outbreak-technical-briefings/investigation-into-monkeypox -outbreak-in-england-technical-briefing-4 (letzter Zugriff: 18.09.2022).

[27] Vgl. bspw. Queer.de: Affenpocken: WHO-Chef ruft promiske Schwule zu Sex-Verzicht auf. Online: https://www.queer.de /detail.php?article_id=42754 sowie Rzepka, Dominik: Schwulenverband warnt vor Stigmatisierung. Bericht auf ZDF.de (24.05.2022). Online: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/affenpocken-homosexuelle-rki-diskriminierend-100.html (letzter Zugriff: 18.09.2022).


Quelle: Jessica Rorison, Diskriminierung im Gesundheitssektor. Die Auswirkungen von Medical Gaslighting und Diskriminierung auf Minderheitengruppen und Frauen, in: Blog ABV Gender- und Diversitykompetenz FU Berlin, 01.11.2022, https://blogs.fu-berlin.de/abv-gender-diversity/?p=289

Ein Essay über Rassismus im Gesundheitswesen

Jacqueline Franz (SoSe 2021)

Vergangenes Jahr wurde William Tonou-Mbobd im Universitätsklinikum Hamburg getötet. Der 34-Jährige, aus Kamerun stammende Ingenieurstudent, der an einer Schizophrenie erkrankt war, begab sich im April 2020 auf eigene Initiative und auf der Suche nach Hilfe in psychiatrische Behandlung. Der Vorfall ereignete sich, als Tonou-Mbobd offensichtlich eine Medikation, die ihm verabreicht werden sollte, ablehnte. Folglich stürzten sich mehrere Security-Kräfte auf den Mann, zwangen ihn vor Zeug*innen zu Boden, schlugen auf ihn ein. Sein Herz setzte noch an Ort und Stelle aus, doch der Reanimationsversuch glückte. Fünf Tage später starb Tonou-Mbobd auf der Intensivstation. Er könne nicht atmen, habe er laut Zeug*innen gesagt (Vgl. Ruddath, Effenberger 2019). Dieser Satz kommt uns heute, wenn auch über ein Jahr später und aus einem anderen Kontext, sehr bekannt vor: George Floyd und die Black Lives Matter Bewegung. Hier starb ein schwarz gelesener Mensch durch die Polizei, während er um sein Leben flehte, dort durch einen Sicherheitsdienst an einem vermeintlich sicheren Ort, dem Krankenhaus. Die Gemeinsamkeit beider Taten: Struktureller Rassismus. Und beide sind mit Sicherheit keine Einzelfälle. Struktureller Rassismus macht auch vor unserem Gesundheitssystem nicht Halt, denn postkoloniale Strukturen sind in der deutschen Medizin fest verankert. Sie treten in verschiedensten Ebenen auf, ihre Aufarbeitung und Reflexion im alltäglichen Klinik- und Praxisalltag, sowie in der medizinischen Lehre wurde weitestgehend versäumt.  

Der Irrglaube über den Zusammenhang von Herkunft und Schmerzempfinden

Zum Schreiben dieses Essays versuche ich, mich an meine Ausbildung und die ersten Jahre meiner Tätigkeit auf einer Station für Innere Medizin und Onkologie zurückzuerinnern. Wo sind mir Rassismen begegnet, die ich, gerade 18 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt noch völlig unsensibel gegenüber der Thematik, vielleicht gar nicht als solche wahrgenommen habe. Meine erste Erinnerung führt mich ins zweite Lehrjahr meiner Ausbildung, in das Modul „Versorgung vonSchmerzpatient*innen“. Die Aussage der Dozentin sollte ich in meiner Pflegelaufbahn nicht zum letzten Mal gehört haben: „Wenn ihr südländisch Patient*innen pflegt, müsst ihr wissen, dass deren Schmerztoleranz deutlich geringer ist als die von Menschen aus dem Westen.

Da wird gerne mal geschrien oder laut geweint, das hat mit Kultur zu tun.“ Angespielt wird hier auf die unter medizinischem Personal weit verbreitete Annahme der Existenz des „Morbus Bosperus“ oder „Morbus Medditereneus“. Schmerzempfinden hänge von der Herkunft ab und dabei seien nicht weiß gelesene Personen besonders hart im

Nehmen und „der Rest“ nun mal eben nicht (Vgl. Wanger, Kilgenstein, Poppel 2020:2). Ich glaube nicht, dass die Dozentin mit ihrer Aussage bewusst und gezielt rassistische Stereotype vermitteln wollte. Vielmehr ging es ihr vermutlich darum, unsere Aufmerksamkeit für die Subjektivität in der Schmerzwahrnehmung zu schärfen. Doch welche Konsequenzen haben die unreflektierte Weitergabe und damit die Aufrechterhaltung solch rassistischer Stereotype im Stationsalltag?  

Ich erinnere mich an einen jungen, schwarz gelesenen Mann, der an einem Sonntagabend mit starken Bauchschmerzen zur stationären Aufnahme auf unsere Station eingeliefert wurde. Sein schmerzhaftes Stöhnen störte uns insgeheim. Betätigte der Mann den Pflegeruf, verdrehten wir die Augen. Aussagen wie, „Naja, morgen ist ja auch Montag, keine Lust zu arbeiten“ wurden eher scherzhaft, aber doch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit ausgesprochen. Während des Schreibens und Zurückerinnerns erkenne ich das erste Mal die Intersektionalität, die die Unprofessionalität unseres Verhaltens noch zusätzlich beförderte. Der Patient wurde von uns nämlich nicht nur schwarz, sondern auch männlich gelesen und er befand sich irgendwo am Anfang seiner Zwanziger. Neben unserer Vorstellung, der Mann könne unter Morbus Bosperus leiden, könnten auch unbewusste Annahmen wie „junge männliche Personen sollten Schmerzen aushalten“ unserem Verhalten inne gelegen haben. Und auch wenn wir unsere innere Haltung dem Patient gegenüber nicht offen kommunizierten, bin ich mir heute sicher, dass er unsere gereizte, ungeduldige Stimmung wahrnehmen konnte. 

Die Annahme, nicht weiß gelesene Personen würden bei Beschwerden gerne übertreiben und müssten deshalb weniger ernst genommen werden, führt nicht nur nachweislich zu Behandlungsfehlern und zum verspäteten Erkennen medizinischer Komplikationen (vgl. Wanger et al., 2020:2), sondern hat auch psychische Auswirkungen. Ich kann mir vorstellen, dass eine Person, deren Leiden bagatellisiert wird, Beschwerden länger aushält, ohne sie zu kommunizieren. Leid wird dann eher verschwiegen, vielleicht internalisiert der- oder diejenige sogar die externen Rassismen. „Ich bin es nicht wert, dass man mich versorgt, wie meine weißen Mitpatient*innen.“ Studien zeigen außerdem, dass diskriminierende Erfahrungen zur verzögerten Inanspruchnahme medizinischer Versorgung führen und die Zustimmung zu medizinischen Maßnahmen beeinträchtigen (vgl. Kluge/ Heinz/ Udeogu-Gözalan/ Abdel-Fatah 2020:1020).

Innerhalb von Krankenhäusern, die eigentlich einen Ort des Heilens und Genesens darstellen sollen, wird Macht häufig unreflektiert ausgeübt und reproduziert. Diese Machtausübungen stellen sich vielschichtig dar und durchdringen alle Bereiche. Im Kontext von Rassismus zeigen sie sich häufig darin, dass so dargestellte „kulturelle Eigenheiten“ nicht gerne gesehen oder toleriert werden. „Man ist hier in Deutschland im Krankenhaus, also sollte man sich auch wie ein deutscher Patient oder eine deutsche Patientin verhalten“, lautet häufig die Einstellung des medizinischen Personals. Das startet beispielsweise bei der Voraussetzung für Akzeptanz und Unterwerfung gegenüber eines dominanten westlichen Behandlungssystems, dass meist ausschließlich auf Biomedizin ausgerichtet ist und keinen Spielraum für medizinische Pluralität zulässt. Es zeigt sich auch im Umgang mit Trauer und Tod, der hier meiner Erfahrung nach bestenfalls still und diszipliniert und nicht laut klagend und emotional vor sich gehen sollte. Und auch wie häufig der oder die Kranke Besuch zu erhalten hat und wie Angehörige sich verhalten sollen, unterliegt westlichen Regeln und Vorstellungen. Wenn nicht weiß gelesene Patient*innen viel Besuch von Familienmitglieder über mehrere Stunden haben, stößt das beim Stationspersonal schnell auf Unmut. Die Reaktionen innerhalb meines Teams reichten dann regelmäßig von unverschämten Aussagen wie „jetzt kommt da wieder die ganze Großfamilie mit ihrem Essen, gleich stinkt wieder das ganze Zimmer nach Zwiebeln, als würde der/ die hier verhungern bei uns“, als auch zu Zimmerverweisen während der Durchführung von Behandlungen wie Blutdruckmessen und Infusionsgaben. Diese waren eigentlich nicht nötig, sondern sollten in meinen Augen nur demonstrieren, wer hier schlussendlich das Sagen hat.

Gern gesehen wurde nur, wenn Angehörige von BIPOC Pflegemaßnahmen wie Waschen und Anziehen übernahmen, die das Pflegepersonal entlasteten, doch eine Reflexion dieser Doppelmoral fand meiner Erfahrung nach leider nicht statt. 

In den bisher aufgeführten Beispielen äußerte sich Rassismus überwiegend auf der persönlichen und zwischenmenschlichen Ebene. Doch innerhalb der Institutionen des Gesundheitswesens ist Rassismus vor allem strukturell verankert. Das fehlende Vorhandensein deutscher Studien zum Thema gibt erste Aufschlüsse auf das mangelhafte Bewusstsein sowie den geringen Willen zur Auseinandersetzung mit der Problematik hierzulande. Struktureller Rassismus ist auf den ersten Blick weniger sichtbar, das macht ihn schwerer zu identifizieren und zu bekämpfen. Im Gesundheitswesen äußert er sich vielseitig: Zum Beispiel in Zugangsbarrieren zu Versorgungsstrukturen (Vgl. Razuum/ Geiger/ Zeeb/ Ronellenfitsch 2004:101), in der Ausbildung und im Studium medizinischer Berufe, sowie in einer Wissenschaft, die in erster Linie auf die Versorgung weißer Menschen ausgerichtet ist (Vgl. Wanger et al., 2020:2,6). Ein aktuelles Beispiel zur Illustration von Ungleichheit aufgrund ethnischer Unterschiede im medizinischen Kontext ist die Coronapandemie.  In vielen Ländern zeigen Studien, dass sowohl das Risiko der Aussetzung gegenüber dem Virus als auch die Mortalitätsrate unter Infizierten hohen ethnischen Unterschieden unterliegt (Vgl. Rogers/ Rogers/ VanSant-Webb/ Gu/ Yan/ Qeadan 2020; Platt/ Warwick 2020;

Laurencin/ McClinton 2020). Einen Erklärungsansatz liefert dabei die sogenannte „Wheatering Theory“, die davon ausgeht, dass gesundheitliche Konditionen, die aufgrund ethnischer Unterschiede bestehen, durch strukturelle und allgegenwärtige Benachteiligungen bedingt werden, denen nicht weiß gelesene Personen ausgesetzt sind. Diese Benachteiligungen führen zu einem schlechteren Gesundheitszustand und begünstigen die Chronifizierung von Krankheiten (Vgl. Rogers et al., 2020:312). Chronische Vorerkrankungen wiederrum erhöhen bekanntermaßen das Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf bei Covid-19. 

Strukturelle Benachteiligungen können sich außerdem in ökonomische Faktoren äußern: Diese sind beispielsweise eine niedrigere Position auf dem Arbeitsmarkt, geringeres Einkommen und höhere finanzielle Betroffenheit durch Maßnahmen wie Lockdowns, sowie Benachteiligungen in der Wohnsituation durch beengten Wohnraum bewi ärmeren Communities und somit weniger Möglichkeiten zum Social-Distancing (Vgl. Bentley 2020:2).

In Deutschland liegen bedauerlicherweise nur wenige Studien zum Zusammenhang von ethnischen Unterschieden und dem Risiko einer Infektion und einem schweren bis tödlichen Verlauf bei Covid-19 vor, denn repräsentative Daten existieren kaum. Hier besteht also dringender Nachholbedarf: Zukünftige Studien müssen dabei intersektional ausgerichtet sein, um den Einfluss sich überschneidender, diskriminierender Faktoren genau herauszuarbeiten, so dass politische Maßnahmen zur Gegensteuerung zielorientiert entworfen und angewendet werden können. 

Während des Verfassens dieses Essays habe ich den Lesenden einen Einblick in Situationen gegeben, die von meinem jüngeren Ich erlebt wurden. Heute, einige Jahre, nachdem ich die Klinik und den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin hinter mir gelassen habe, erinnere ich mich häufig beschämt und nachdenklich an die Menschen zurück, die auch unter meiner Mitwirkung, Aufrechterhaltung und Förderung Rassismus im klinischen Alltag erleben mussten. Auch ich habe Auszubildende angeleitet. Obwohl ich mich zumindest nicht erinnern kann, Rassismen direkt an sie weitergegeben zu haben, habe ich ihre Aufmerksamkeit mit Sicherheit nicht dafür geschult, die Strukturen zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Heute würde ich anders wahrnehmen, beurteilen und handeln. Ein Bewusstsein für die Problematik setzte bei mir erst gegen Ende meiner Pflegelaufbahn ein. Aufgewachsen in einem unpolitischen, konservativen und bildungsschwachen Kontext, hatte ich das Glück, mit meinem Umzug nach Berlin mit Menschen in Berührung zu kommen, die mir Denkanstöße gaben, meinen Horizont erweiterten und mich zum kritischen Denken anregten. Auch im Abitur, dass ich erst nach meiner Ausbildung auf dem zweiten Bildungsweg nachholte, lernte ich wichtige theoretische Fakten, die mir halfen, Kontexte zu verstehen, Verbindungen zu schlagen und analytisch denken zu lernen. Bis heute befinde ich mich in einem ständigen Prozess des bewussten Verlernens von Gelerntem. Aufgrund meiner Erfahrungen empfinde ich die Annahme, das Anstoßen solcher wichtigen Reflexionsprozesse sei privat und müsse aus eigenem innerem Antrieb erfolgen, schwierig. Meiner Meinung nach sollte die Anerkennung und folglich der Abbau rassistischer Strukturen eine gesellschaftliche Aufgabe darstellen. Die Sensibilisierung für die Thematik sollte schon früh fest in die allgemeine Schulbildung integriert werden. Notwendig dafür ist die bewusste Auseinandersetzung mit postkolonialen Strukturen innerhalb aller Bildungseinrichtungen. Im speziellen Kontext der gesundheitlichen Versorgung halte ich aber regelmäßige, von nicht weiß gelesenen Personen durchgeführte und verpflichtende Fortbildungen und Sensibilisierungstrainings für unerlässlich, genauso wie die Implementierung von Anlaufstellen für BIPoC, die Diskriminierung und Rassismus erfahren haben. Dies könnten erste, wichtige Schritte zu einem fairen Gesundheitssystem sein, dass den Anspruch der Gleichbehandlung aller Menschen unabhängig von Ihrer Hautfarbe und Herkunft nicht nur theoretisch vertritt, sondern in allen Bereichen realisiert. 


Literaturverzeichnis

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Quelle: Jacqueline Franz, Ein Essay über Rassismus im Gesundheitswesen: Blog ABV Gender- und Diversitykompetenz FU Berlin, 31.01.2022, https://blogs.fu-berlin.de/abv-gender-diversity/2022/01/31/ein-essay-ueber-rassismus-im-gesundheitswesen/