Entwicklung von Inter*-Rechten in der medizinischen Gesetzgebung

Mia Taheri (WiSe 2023/24)

1. Einleitung

“Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt”, so steht es im Grundgesetzbuch (BT, 2010, §1, Abs. 1).

Dennoch gibt es viele Menschen, die immer noch für ihre Würde und Rechte kämpfen müssen. So auch Inter* Menschen, die erst seit Ende des 20. Jahrhunderts mehr Aufmerksamkeit erlangt haben. Der erste öffentliche Protest von Inter* Personen fand am 26. Oktober 1996 in Boston (USA) statt. Kritisiert wurden dort unter anderem die geschlechtsverändernden Eingriffe an Inter* Kindern, die selbst heute teilweise noch durchgeführt werden (Regenbogenportal, o.D.). 2021 verabschiedete der Bundestag das “Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung” (Bundestag, o.D.). Dies ist der erste gesetzliche Versuch gewesen, Inter*-Rechte zu schützen.

In der vorliegenden Arbeit wird durch ausgewählte Aspekte der Verlauf von Inter*-Rechten im deutschen Gesundheitssystem behandelt. Dazu werden der “Zwitterparagraph” (1794) und das “Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung” (2021) gegenübergestellt, um den heutigen medizinischen und gesellschaftlichen Entwicklungsstand zu erörtern.


Trigger und Content Warnung:

Im Folgenden werden Zwangsoperationen, Beschreibung von medizinischen Eingriffen, sowie Aufzählungen von Begriffen wie Inters*x beim Zitieren und zur Erklärung von sensibler Sprache verwendet. Ebenso werden Organe und Anatomie ohne Zensur benannt. Des Weiteren wird der “Zwitterparagraph” als historischer Begriff verwendet, der aus heutiger Sicht nicht mehr verwendet werden sollte.


2. Begriffserklärung – Was bedeutet Inter*?

Inter* sind Menschen, die nicht in das Konstrukt der Binarität passen. Sie haben körperliche Ausprägungen, durch die sie nicht eindeutig zur weiblichen oder männlichen Norm eingeordnet werden können. Es gibt mehrere Varianten der Geschlechtsentwicklung, sie können sowohl die Hormonproduktion oder die Geschlechtsorgane, als auch den Chromosomensatz betreffen (BMFSFJ,o. D.).

Der Gegenbegriff zu Inter* ist Endo*. Sie machen den Hauptteil der Gesellschaft aus und lassen sich in die Kategorien “weiblich” und “männlich” einordnen (FUMA, o.D.).

In der deutschen Sprache gibt es mehrere Bezeichnungen für Inter* Menschen, darunter jedoch auch viele Begriffe, die beleidigend sein können. “Zwitter” ist eine ältere medizinische Bezeichnung, die vermieden werden sollte, da sie als Beleidigung genutzt wird (OII Deutschland, 2015, S. 19). Zwei weitere veraltete Begriffe sind “Hermaphrodit” und “Pseudo-Hermaphrodit”, die früher in der Medizin gebraucht wurden, jedoch auch Pathologisierungen darstellen. (Ebd. S. 13) Auch der Begriff “Intersex”, der zurzeit noch am häufigsten verwendet wird, sollte vermieden werden. Denn hierbei handelt es sich um eine missverständliche Fehlübersetzung vom Englischen “intersex” (Ebd. S. 14). Die korrekte Übersetzung wäre “intergeschlecht”. Diese in der Community entstandene Bezeichnung ist einwandfrei und kann in einem sensiblen Sprachgebrauch verwendet werden. Inter* ist eine weitere Bezeichnung, die genutzt werden sollte. Sie steht für die Selbstbestimmung von Inter* Menschen, die sich trotz ständiger Pathologisierung für ihre Rechte einsetzen. Ebenso stellt das Asterisk die Vielfältigkeit an Möglichkeiten Inter* zu sein, sowie jegliche Selbstbezeichnungen dar (Ebd. S. 15).

Nur weil eine Person Inter* ist, heißt das jedoch nicht, dass deren Geschlechtsidentität auch Inter* ist. Es gibt auch Inter*, die sich trans* oder cis* identifizieren.

Das wichtigste Kriterium ist jedoch die Selbstbezeichnung der jeweiligen Personen. Da dies letztendlich eine persönliche Entscheidung ist.

3. Medizinische Behandlung von Inter*

Intergeschlechtlichkeit galt sehr lange als Krankheit, Syndrom oder Störung. Seit den 1960er Jahren wurden international immer mehr geschlechtsverändernde Operationen durchgeführt. Diese Geschlechtszuweisungen wurden meistens ohne die Zustimmung der Inter* Personen durchgeführt (FUMA, o.D.). 2012 erklärte der Deutsche Ethikrat die geschlechtsverändernden Operationen in Deutschland als Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Gesundheitsstadt Berlin, 2015).

Seit 2019 kann aufgrund einer Änderung im Personenstandsgesetz ein Kind auch als “divers” oder ohne Geschlechtsangabe in das Geburtenregister eingetragen werden (LSVD, o.D.). Trotz des vermeintlichen gesellschaftlichen und medizinischen Umschwungs hat sich die Anzahl der geschlechtsverändernden Operationen von 2005-2016 nicht bemerkbar verringert (Hoenes, Januschke, Klöppel 2019, S. 20).

Zur Veranschaulichung, dass viele dieser medizinischen Vorgänge menschenrechtsverletzend sind, werden nun ohne Zensur verschiedene medizinische Abläufe geschildert.

Die angewandten Verfahren mit Patient*innen, deren Geschlecht nicht eindeutig in die zwei Geschlechternormen hineinpasst, hatten zwei bestimmte Kriterien. Entweder wenn die Klitoris zu überdurchschnittlich groß war, um als Frau akzeptiert zu werden. Oder falls der Penis zu klein war, um als Mann akzeptiert zu werden. Weiterhin gab es eine Empfehlung, die Genitalien in solch einem Fall bestenfalls vor dem Abschluss des 18. Lebensmonats zu verdeutlichen. Außerdem wurde den Sorgeberechtigten zumeist empfohlen, den Patient*innen nichts über die Eingriffe und Operationen zu erzählen, um die Entwicklung der Psychosexualität nicht negativ zu beeinflussen. Die letztere Empfehlung ist jedoch seit mehreren Jahren, aufgrund von Inter* Protesten, nicht mehr aktuell (Voß, 2012, S.45-47).

Der Prozess sowie die Folgen der geschlechtsverändernden Operationen sind traumatisierend und schmerzhaft. Bei einer feminisierenden Operation wird die Klitoris beschnitten, was zu einem Verlust der Empfindsamkeit führen kann. Ebenso wird gegebenenfalls eine künstliche Vagina durch mehrfache Dehnung für die spätere Penetration durchgeführt. Solch eine Behandlung, die laut Erfahrungsberichten einer Misshandlung gleicht, ist meistens medizinisch völlig irrelevant (Ebd., S. 59-60).

Ein weiterer Vorgang ist die Entnahme der Keimdrüsen (Gonaden). Folgen sind Unfruchtbarkeit, ein schwerer Hormonmangel, welcher eine lebenslange Hormontherapie mit sich zieht, sowie psychische und physische Nebeneffekte (Ebd. S. 59-60). Bei dieser Operation wurde zumeist angegeben, dass die Keimdrüsen möglicherweise Krebs verursachen könnten. Wobei dies medizinisch umstritten ist, da das Vorkommen dieser Entwicklung viel zu unerforscht ist. Und selbst bei einem erhöhten Risiko, blieben die Folgen der Operation (Ebd. S. 47).

Wie irrelevant die Gesundheit der Patient*innen bei der Wahl der Operationen ist, wird deutlich gemacht. Denn technisch ist die feminisierende Operation deutlich leichter (Ebd. S. 47). So ergeben medizinische Schätzungen, dass sich in 90 Prozent der Fälle für eine feminisierende Operation entschieden wurde (Ebd. S. 45).

Der historische Ursprung der geschlechtsverändernden Operationen, der sich aus den 1950er Jahren ergibt, ist wie hier die psychische Entwicklung, die als bedroht angesehen wurde. Jedoch waren die Bedenken zu dieser Zeit noch die Befürchtung von homosexuellen Ausprägungen (Ebd. S. 13).

Hieraus wird deutlich, dass in den meisten Fällen von Eingriffen und Operationen an Inter* Personen, deren Angleichung zu einer der Geschlechternormen eine sehr hohe Priorität hatte und die medizinische Relevanz komplett in den Hintergrund rückte.

4. Vorstellung des “Zwitterparagraphens”

In der Frühen Neuzeit galten zwei verschiedene Ansichten zur Intergeschlechtlichkeit. Die hippokratisch-galenische Lehre, welche sich im “Zwitterparagraphen” widerspiegelt und die aristotelische Lehre, welche die Existenz von Intergeschlechtlichkeit nicht anerkannte. Der „Zwitterparagraph“ beweist jedoch keine vollkommene Akzeptanz der hippokratisch-galenischen Lehre in der Gesellschaft. Beide Ansichten standen zu dieser Zeit in Diskussion.

Die hippokratisch-galenische Lehre stellt den Mann als vollkommenen Menschen dar und die Frau unvollkommenen Mann. Intergeschlechtliche Menschen hingegen waren keines von beidem (Klöppel, 2010, S.143-144).

In der aristotelischen Lehre existiert Intergeschlechtlichkeit als solches nicht. Es gibt lediglich missgebildete Männer und missgebildete Frauen, die durch ein “Übermaß an Materie” bestimmte Exzesse gebildet haben (Klöppel, 2010, S. 145).

Der sogenannte “Zwitterpragraph” war Teil des Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR, 1794). Er bestimmte das Vorgehen bei der Geburt einer Inter* Person, hier als Zw*tter bezeichnet. Es galt, dass wenn ein Neugeborenes ein uneindeutiges Geschlecht hat, die Eltern bestimmen sollten, wie das Kind aufgezogen wird. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres stehe es der besagten Person frei, deren Geschlecht zu wählen (ALR, 1794, Personenrecht der Zwitter, §19-20). Ganz so frei schien die Entscheidung jedoch nicht zu sein, da jederzeit durch Untersuchung von Sachverständigen das Geschlecht als ein anderes beurteilt werden konnte (ALR, 1794, Personenrecht der Zwitter, §22-23). Die hier genannten Sachverständigen waren vermutlich medizinisches Personal.

Die Rechte von Inter* Menschen waren bei dem “Zwitterparagraphen” weniger von Relevanz. Die Nachfrage nach solch einem Gesetz kam vielmehr daher, dass der damalige Zweck der Ehe, welcher die Fortpflanzung war, bewahrt werden sollte. (Schwenger, 2009).

Im Jahre 1900 schwang die rechtliche Meinung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch zur aristotelischen Lehre, die die Existenz von Inter* verleugnete (BGB, 1888, S.26). Dennoch wurden Inter* trotz der Gesetzesänderung immer öfter als Personen und weniger als Forschungsobjekte angesehen (Schwenger, 2009).

5. Vorstellung des neuen Gesetzes

Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts geraten Inter* Menschen und ihre Rechte immer mehr ins Interesse der Öffentlichkeit. Jahrelang wurden nun von Inter* Verbänden Veränderungen in den medizinischen Richtlinien gefordert, die die menschenrechtswidrigen Operationen an Inter* verbieten. Länger als 200 Jahre nach dem „Zwitterparagraph“ setzte 2021 das “Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“ in Kraft.

Das neue Gesetz verbietet kosmetische Behandlungen an nicht einwilligungsfähigen Inter* Personen. Sowohl das Durchführen als auch die Einwilligung zu so einem Eingriff ist nicht erlaubt (§1631e, 2021, Artikel 1, Absatz 1). Die Eltern des Kindes sind ausschließlich dazu befähigt, für ihr Kind zu entscheiden, wenn der Eingriff nicht auf eine Selbstbestimmung des Kindes warten kann (Ebd., Artikel 1, Absatz 2).

Falls es zu solch einem Fall kommt, wird die Genehmigung des Familiengerichts benötigt. Zur Beantragung müssen die Eltern eine den Eingriff befürwortende Stellungnahme der interdisziplinären Kommission vorlegen. Diese Kommission entscheidet dann, ob ein Eingriff im Wohl des Kindes wäre (Ebd., Artikel 1, Absatz 3). Die Mitglieder der  interdisziplinären Kommission müssen alle Erfahrung im Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung haben.     Ebenso müssen folgende Personen angehört werden: Psycholog*in/Psychiater*in, Ethiker*in, Jugend- oder Kindermediziner*in, eine neutrale ärztliche Person und der*die zuständige Ärzt*in. Ebenso kann auf Wunsch der Eltern eine beratende Inter* Person hinzugezogen werden (Ebd., Artikel 1, Absatz 4).

Falls sich die Kommission für eine Befürwortung des Eingriffes entscheidet, müssen gewisse Informationen dokumentiert werden: Die Namen und Befähigungen der Mitglieder, Kindesalter und Variante der Geschlechtsentwicklung, Name des Eingriffes sowie medizinische Begründung, Grund für Befürwortung des Eingriffes in Hinblick auf die Risiken der Durchführung und was die Risiken bei einer Verschiebung wären, sind von Relevanz. Ebenso ob und wer sich mit den Eltern unterhalten hat, ob die Eltern und das Kind über den Umgang mit der spezifischen Variante aufgeklärt wurden und durch welches Mitglied der Kommission dies geschah, ob die Beratung einer Inter* Person stattfand, inwiefern das Kind sich eine Meinung über den Eingriff bilden kann und falls ja, ob es diesen befürwortet und ob die beratende Inter* Person den Eingriff unterstützt (Ebd., Artikel 1, Absatz 5)

Wenn das Kind in einer lebensbedrohlichen Lage ist oder eine Gefahr für die Gesundheit besteht, kann die Kommission übergangen werden (Ebd., Artikel 1, Absatz 3).

Falls die Eltern den Eingriff in ihrer Stellungnahme nicht befürworten oder etwas anderes gegen die Genehmigung spricht, erörtert das Gericht den Grund mit den Beteiligten. Die Eltern werden auf Beratungsmöglichkeiten hingewiesen. Gegebenenfalls kann die Beratung über den Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung angeordnet werden (Ebd., Artikel 3, Absatz 2).

Die Patientenakte muss bei einem Eingriff bis zum 48. Lebensjahr der Inter* Person aufgehoben werden (Ebd., Artikel 1, Absatz 6). Dies gilt auch für Eingriffe, die vor der Verabschiedung des Gesetzes stattfanden (Ebd. Artikel 2).

Zur Überprüfung der Wirksamkeit sollen die Regelungen durch die Bundesregierung innerhalb von fünf Jahren überprüft werden (Ebd., Artikel 6).

Die Ausarbeitung dieses Gesetzes war ein langwieriger Prozess, der noch immer nicht ganz beendet ist. Schon nach dem ersten Gesetzesentwurf aus Februar 2020 kritisierten mehrere Inter* Verbände sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die Ausführungen. Nach einer Überarbeitung veröffentlichte die Bundesregierung im September 2020 einen neuen Gesetzesentwurf, welcher erneut kritisiert wurde. Sowohl die uneindeutige Verwendung von Begriffen, die Umgehungsmöglichkeiten, die fehlende Dokumentationspflicht, als auch ein fehlendes Zentralregister wurden bemängelt, von der Bundesregierung jedoch nicht ausreichend verbessert. Im März 2021 setzte das Gesetz ein, jedoch ohne genügend Verbesserungen vorgenommen zu haben (Lesben- und Schwulenverband, o.D.).

6. Fortschritt – vom “Zwitterparagraphen” zum neuen Gesetz

Werden diese beiden Gesetze in den Vergleich gesetzt, lassen sich erhebliche Fortschritte kenntlich machen. Unter der Betrachtung des Zeitalters und des damaligen gesellschaftlichen Fortschrittes kann von einem grundlegenden Unterschied im Ursprung der Gesetze ausgegangen werden.

Der “Zwitterparagraphen” stand aufgrund von Unsicherheiten in der Gesellschaft. Es wurde sich in der Medizin zwar sehr um Kriterien für eine klare Diagnose bemüht, doch mit dem Stand der derzeitigen Medizin war dies nicht möglich. Dennoch verlangten akademische Ärzte Überprüfungen über den Geschlechterstatus in Verbindung mit der Ehetauglichkeit. Denn falls eine Inter* Person mit einer Person gleichen Geschlechts verheiratet werden würde, brächte dies die sexuelle Norm durcheinander und die Fortpflanzung als Ehezweck wäre bedroht gewesen (Schwenger, 2009).

Das neue Gesetz hingegen wurde verfasst um Inter*-Rechte auszuarbeiten. Es soll kosmetische Operationen verhindern und Inter* schützen.

Trotz diesem grundlegenden Unterschied zeigt der „Zwitterparagraph“  erste Schritte zur Selbstbestimmung. Der “Zwitterparagraph” bemächtigt eine Inter* Person ihre Geschlechtsidentität nach dem 18. Lebensjahr selbst zu bestimmen. Die Durchsetzbarkeit war wahrscheinlich schwierig bis gar nicht möglich, der Paragraph hätte jedoch auch einfach weggelassen werden können.

Ebenso beruhen beide Gesetze auf der gleichen Problematik: Eine Gesellschaft, die nur weiß wie sie innerhalb der konstruierten Geschlechternormen denken und handeln soll.

Dennoch ist sowohl der gesetzliche als auch der soziale Fortschritt in Deutschlands Gesellschaft deutlich zu erkennen: Die Änderung im Personenstandsgesetz, sowie das neue Inter* Gesetz sind trotz der kritisierbaren Punkte ein großer Erfolg in Bezug auf Inter*-Rechte. Ebenso ist das Ansehen von Inter* in der Gesellschaft deutlich gestiegen, welches die Grundsteine für die medizinischen und rechtlichen Erfolge überhaupt erst gelegt hat.

7. Forderungen der Inter* Community

Das neue Inter* Gesetz weist eine Reihe von Lücken und Verbesserungsmöglichkeiten auf. Kritisiert wird unter anderem die Bezeichnung “Varianten der Geschlechtsentwicklung”, die aus der Medizin kommt. Definitionen von medizinischen Begriffen lassen sich auch neu definieren, sodass die enge Anlehnung die Gültigkeit des Gesetzes gefährdet (im.e.v., o.D.). Ebenso werden Maßnahmen zur Verhinderung einer Umgehung des Gesetzes verlangt, da dies eine effektive Strafverfolgung sonst erschwert. Eine weitere Ergänzung wäre die verpflichtende Beratung durch qualifizierte Peer-Berater*innen. Des Weiteren wird die Einrichtung eines zentralen Melderegisters, sowie eine ausgiebige Melde- und Dokumentationspflicht gefordert, für einen verständlichen Behandlungsverlauf und eine effektive Strafverfolgung (lsvd, o.D.), ein Verbot für eine Umgehung im Ausland. Sowie eine Verlängerung der Verjährungsfrist für Körperverletzung, die momentan 5, bzw. 10 Jahre bei schwerer Körperverletzung beträgt. Die Kosten für die medizinische Versorgung sollen von Krankenkassen übernommen werden. Außerdem wird eine medizinische Versorgung von allen Opfern von Eingriffen der letzten 50 Jahre gefordert, sowie Möglichkeiten zur gesundheitlichen Rehabilitation. Ebenso wird mehr Aus- und Weiterbildung medizinischen Personals verlangt (lsvd, o.D.).

Änderungen der Bundesregierung sind wahrscheinlich bis 2026 zu erwarten, da die in §1631e Artikel 6 genannte Überprüfung des Gesetzes innerhalb von fünf Jahren des Inkrafttretens stattfinden soll.

8. Schluss / Fazit

Das heutige Inter* Gesetz bildet einen deutlichen Unterschied zum damaligen “Zwitterparagraphen”. Inter* habe in der Gesellschaft und in der Medizin Anerkennung erlangt. Die gesetzliche Anfertigung von Inter*-Rechten ist, obwohl das Gesetz noch nicht zufriedenstellend ist, ein wichtiger Meilenstein.

Durch den Vergleich wird jedoch auch deutlich, dass unsere Gesellschaft sich nicht in allen Punkten weiterentwickelt hat. Probleme, die damals herrschten, sind auch heute noch nicht vollends gelöst. Das Aufwachsen von Kindern außerhalb der Geschlechternormen ist gesellschaftlich immer noch nicht normalisiert. Der Umschwung fing jedoch auch erst vor ungefähr 30 Jahren an.

Der Weg zu einer gesellschaftlichen Besserung kann jedoch mit weiteren Forschungen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, sowie Aktivismus und eine Weiterentwicklung der Inter* Gesetze erreicht werden. So wird die Gesellschaft sicherlich in ein paar Jahren schon weitere Fortschritte zeigen.

Literaturverzeichnis

  1. BT = Deutscher Bundestag – i. Die Grundrechte (2010, 9. Februar), Deutscher Bundestag. Letzter Aufruf: 20.01.24, https://www.bundestag.de/gg/grundrechte
  2. Regenbogenportal = Regenbogenportal.de – Intersex Awareness Day, (o.D.) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Letzter Aufruf: 20.01.24, https://www.regenbogenportal.de/aktuelles/welttage-kalender/26-10-intersex-awareness-day
  3. Bundestag = Schutz von Kindern vor geschlechtsangleichenden Operationen beschlossen, (o.D.), Bundestag. Letzter Aufruf: 21.01.24, https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw02-pa-recht-selbstbestimmung-814994
  4. ALR = Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794), opiniorius.de – Die freie juristische Bibliothek. Letzter Aufruf: 21.01.24, https://opinioiuris.de/quelle/1622
  5. Voß = Intersexualität – Intersex. Eine Intervention (2012) UNRAST-Verlag, Münster, Heinz-Jürgen Voß, ISBN 987-3-89771-119-8
  6. § 1631e = Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (12. Mai 2021), Bundestag https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/BGBl/Bgbl_Varianten_der_Geschlechtsentwicklung.pdf?__blob=publicationFile&v=3
  7. BMFSFJ = Regenbogenportal.de – Inter* – was?, (o.D.) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Letzter Aufruf: 19.01.24, https://www.regenbogenportal.de/infoartikel/inter-was
  8. Fuma = #Inter*, (o.D.), FUMA Fachstelle Gender & Diversität NRW. Letzter Aufruf: 16.01.24, https://www.gender-nrw.de/inter/
  9. OII Deutschland = Inter & Sprache – Von “Angeboren” bis “Zwitter”, (Dezember 2015), Das TransInterQueer-Projekt »Antidiskriminierungsarbeit & Empowerment für Inter*« In Kooperation mit IVIM / OII Deutschland, Dr. Dan Christian Ghattas, Ins A Kromminga, Ev Blaine Matthigack, Es Thoralf Mosel und weitere Inter*, die nicht namentlich genannt werden möchten. Letzter Aufruf: 18.01.24,  https://oiigermany.org/wp-content/uploads/InterUndSprache_A_Z.pdf
  10.  Gesundheitsstadt Berlin = Studie zur Intersexualität: Wenn das Neugeborene weder Mädchen noch Junge ist, (Februar 2015), Gesundheitsstadt Berlin, Beatrice Hamberger. Letzter Aufruf: 19.01.24, https://archiv.gesundheitsstadt-berlin.de/studie-zur-intersexualitaet-wenn-das-neugeborene-weder-maedchen-noch-junge-ist-5687/
  11.  LSVD = Ratgeber: Änderung des Geschlechtseintrags nach §45B Personenstandsgesetz (PSTG), (o.D.), Lesben- und Schwulenverband. Letzter Aufruf: 19.01.24, https://www.lsvd.de/de/ct/1361-Ratgeber-Aenderung-des-Geschlechtseintrags-nach-45b-Personenstandsgesetz-PStG#:~:text=3%20Personenstands%2DGesetz%20(PStG),der%20Regel%20also%20die%20Eltern
  12.  Hoenes, Januschke, Klöppel = Häufigkeit normangleichender Operationen “uneindeutiger” Genitalien im Kindesalter. Follow Up-Studie (2019), Ruhr-Universität Bochum, Josch Hoenes, Eugen Januschke, Ulrike Klöppel Letzter Aufruf: 19.01.24 https://www.bmfsfj.de/resource/blob/136860/54ea839a1a2894a58ba75db04c7be43b/studie-zu-normangleichenden-operations-ambiguous-genitalia-in-childhood-data.pdf
  13.  Klöppel = XX0XY ungelöst: Hermaphroditismus, Sex und Gender in der deutschen Medizin. Eine historische Studie zur Intersexualität (2010), Bielefeld: transcript Verlag, Ulrike Klöppel. Letzter Aufruf: 21.01.24, https://doi.org/10.1515/9783839413432
  14.  BGB = Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Band 1. Allgemeiner Teil. Amtliche Ausgabe. (1888) Google Buchsuche. Letzter Aufruf: 21.01.24, https://archive.org/details/motivezudementw01germgoog/page/n32/mode/1up?view=theater
  15.  Lesben- und Schwulenverband = Schutz intergeschlechtlicher Kinder vor medizinischen Eingriffen – Das neue OP-Verbot für Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (o.D.), Lesben- und Schwulenverband. Letzter Aufruf: 25.01.24, https://www.lsvd.de/de/ct/5449-Schutz-intergeschlechtlicher-Kinder-vor-medizinischen-Eingriffen
  16.  Schwenger = “Sag es keinem anderen” (2009), Deutschlandfunk Kultur, Kirstine Schwenger. Letzter Aufruf: 21.02.24, https://www.deutschlandfunkkultur.de/sag-es-keinem-anderen-100.html
  17.  im.e.v. = Stellungnahme: Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (o.D.), Intergeschlechtliche Menschen e.V. Letzter Aufruf: 26.01.24, https://im-ev.de/stellungnahme-gesetz-zum-schutz-von-kindern-mit-varianten-der-geschlechtsentwicklung/
  18.  lsvd = Schutz intergeschlechtlicher Kinder vor medizinischen Eingriffen – Das neue OP-Verbot für Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (o.D.), Lesben- und Schwulenverband. Letzter Aufruf: 26.01.24, https://www.lsvd.de/de/ct/5449-Schutz-intergeschlechtlicher-Kinder-vor-medizinischen-Eingriffen

Quelle: Mia Taheri, Entwicklung von Inter*-Rechten in der medizinischen Gesetzgebung, in: Blog ABV Gender- und Diversitykompetenz FU Berlin,29.02.2024, https://blogs.fu-berlin.de/abv-gender-diversity/?p=440

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha
Refresh
Hilfe
Hinweis / Hint
Das Captcha kann Kleinbuchstaben, Ziffern und die Sonderzeichzeichen »?!#%&« enthalten.
The captcha could contain lower case, numeric characters and special characters as »!#%&«.