6. September 2016 von Philipp Krämer
Noch ein paar Minuten bleiben übrig von der summer school über Deutschland bei De Wereld Draait Door. Die lassen wir uns natürlich nicht entgehen und wir fragen uns am Ende: Was haben wir nun gelernt?
36:22 – „Wie gaat op dat moment zeggen, ja, wij schaffen het toch maar niet.“ Neue Variation des Themas, die Halbübersetzung: schaffen muss als Verb stehen bleiben, sonst ist das Motto nicht mehr erkennbar. Alles rundherum, die kleinen Wörtchen wie wij und het, die sind doch austauschbar.
36:39 – Die CSU heißt [tse – es – u]. Nicht [se – es – y]. Wir buchstabieren also auch auf Deutsch. Das Parteikürzel fühlt sich für Wollaars wahrscheinlich mehr wie ein Name an und nicht nur wie eine Buchstabenkombination.
41:49 – Wollaars erklärt das deutsche Mediensystem als Stützpfeiler der Demokratie, entworfen als Teil der Nachkriegsordnung der USA. Die zwei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sieht er als Beispiel dafür: Wenn eine in die Hände eines Diktators falle, gäbe es immer noch eine zweite, die unabhängig bliebe. Aber die Geschichte des ZDF als sogenanntes Adenauer-Fernsehen sieht irgendwie anders aus.
Bestimmt auch nicht die Farbe, die Adenauer sich gewünscht hätte…
45:52 – „En dat was het“, mit leiser Stimme, fast geheimnisvoll. Wie am Ende eines Märchens, fast geflüstert: „Und wenn sie nicht gestorben sind…“ Ein Sommermärchen?
Jedenfalls ein überaus merkwürdiges TV-Format. Erstaunlich statisch, ein Monolog eines Menschen, der sich offenbar gerne selbst sprechen hört. Es soll ein seriöses Format sein, ein Lehr- und Lernformat. Der belehrende Ton und die eindringlich inszenierte Faszination sind dabei vielleicht sogar erwünscht. Hat das Publikum nun etwas gelernt? Funktioniert das Bild einer Volkspsychologie, das Wollaars in breiten Linien zeigen wollte? Es soll ja ein college sein, bei uns an der Uni würden wir sagen: eine Seminarsitzung. Es war eher eine Vorlesung. Fast schon reflexhaft habe ich am Ende auf die Diskussion nach dem Vortrag gewartet, die dann ausblieb. Mit Fragen aus dem Publikum hätte das Format sicher etwas gewonnen.
Und wie sieht die sprachliche Bilanz aus? Systematisieren wir einmal.
Nicht übersetzt oder erläutert werden:
Wir schaffen das, Willkommenskultur, Gutmensch, Pegida.
Erklärt oder übersetzt werden:
aufarbeiten, Sommermärchen, Sonderweg, merkeln, die Stunde Null, im Alleingang.
Zwei interessante Kategorien zeichnen sich ab. Erklären musste Wollaars die Begriffe, die mit deutscher Geschichte zu tun haben, sei es junge Geschichte (Sommermärchen) oder ältere (Stunde Null), sowie allgemeine Begriffe der politischen Kultur in Deutschland (merkeln und Alleingang gab es schon lange vor der Flüchtlingspolitik). Ohne Erläuterung funktionieren offenbar alle Schlagworte der aktuellen Flüchtlings- und Migrationspolitik und der Rhetorik, die damit verbunden ist. Vielleicht wissen die Niederländer über das aktuelle politische Deutschland längst viel besser Bescheid, als der Deutschland-Korrespondent es glaubt.