30. März 2017 von Philipp Krämer
Die Wahl ist vorbei, das Ergebnis steht fest. Die Rechtspopulisten sind nicht so stark geworden wie befürchtet und an der Regierungsspitze wird sich wahrscheinlich nichts ändern. Wer mit wem koaliert, steht auch schon fest. Nicht in den Niederlanden. Aber im Saarland.
Es bleibt also dabei, was in deutschen Zeitungen seit Langem zu lesen ist: Saarlands Ministerpräsidentin heißt Annegret Kramp-Karrenbauer. Den Genitiv musste sich das Saarland erst erarbeiten. Deutschlandweit ist das Saarland nämlich grammatisch einzigartig: Kein anderes Bundesland hat einen Artikel, nur das Saarland.
In der genitivischen Verwendung scheint der Artikel sich aber langsam zu verabschieden. Es heißt zwar weiterhin im Saarland oder in das Saarland, aber vor anderen Substantiven kommt der Artikel langsam aber sicher unter die Räder. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz und in Österreich:
Gelingt dem ehemaligen SPD-Chef Oskar Lafontaine tatsächlich die Rückkehr in Saarlands Landesregierung? (Münchner Merkur)
«Die Bäume sind nicht in den Himmel gewachsen», sagte Saarlands SPD-Chef Heiko Maas. (Badener Tageblatt, CH)
Es gibt Blumen für Saarlands Spitzenkandidatin Anke Rehlinger (Die Presse, A)
Saarlands Natur ist auch sehenswert. (W. Staudt, CC-BY-2.0)
Die Erklärung dafür ist einfach. Länder, die einen Namen mit –land haben, bilden solche Genitive ganz regelmäßig: Englands Premierministerin, Grönlands Gletscher oder Russlands Außenpolitik. Setzt man zu einer Bezeichnung auf –land dagegen einen Artikel, geht es um eine geographische Region, nämlich das Land, das durch ein vorhergehendes Element näher beschrieben wird. Man spricht ganz selbstverständlich von der Kultur des Rheinlands, nicht aber von *Rheinlands Kultur. Sehenswert ist auch die Natur des Havellands, aber nicht *Havellands Natur. Das Rheinland und das Havelland sind keine politische Einheiten. Das Saarland dagegen eine historisch gesehen recht neue (obwohl es dieses Jahr 60 geworden ist, aber sprachgeschichtlich ist das ein Wimpernschlag). Ähnlich geht es in Österreich dem Burgenland.
Die Einschränkung auf pränominale Verwendung ohne Artikel kennt das Niederländische nicht. In niederländischen und flämischen Medien wird ohnehin selten über das Saarland berichtet, aber dieses Mal waren die Wahlen eben interessanter als sonst. Quer durch die Zeitungen liest man Sätze wie
In Saarland zijn de kiezers minder gevoelig voor typische AfD-thema’s (NRC Handelsblad)
Wo das Deutsche weiterhin im braucht, steht im Niederländischen in. Wie bei jedem anderen Land auch. Das funktioniert sogar dann, wenn das Saarland Subjekt des Satzes ist:
Saarland kan het bewijs worden dat ook landelijk een rode of rood-groene coalitie mogelijk is. (Financieel Dagblad)
Die deutschen Genitiv-Konstruktionen wie Saarlands Regierung wären im Niederländischen sowieso ungewöhnlich. Aber das Deutsche kennt genauso wie das Niederländische natürlich die Umschreibung mit van bzw. von.
Het [sic!] CDU heeft niet de absolute meerderheid in het parlement van Saarland. (nu.nl)
All das ist im Deutschen (noch) nicht möglich. Umgekehrt fehlt aber der Artikel im Niederländischen nicht immer. Die deutsche Bezeichnung mit Artikel scheint ansteckend zu sein:
Schulz, wiens vader uit het Saarland komt, is (…) populair in het hele land. (Financieel Dagblad, gleicher Text)
In het Saarland heeft de rustige Merkel-vertrouwelinge Annegret Kramp-Karrenbauer (…) ruim 40 procent van de stemmen gehaald (De Morgen)
Das zweite Zitat ist übrigens eine Übersetzung aus dem deutschen Spiegel, während im selben Text auch in Saarland vorkommt – im weiteren Verlauf auch in einem übersetzten Zitat aus der FAZ. Der deutsche Sonderfall mit dem Artikel steht im Konflikt mit der Regel, dass Länder keinen Artikel haben (noch nicht einmal Nederland). Das scheint im Niederländischen ziemliche Verwirrung zu stiften. Und, um ehrlich zu sein: Dass sich eine einheitliche Regelung entwickelt ist unwahrscheinlich, weil auf Niederländisch einfach nicht oft genug über das Saarland geschrieben oder gesprochen wird.
Aber wenn wir auf Deutsch irgendwann den Artikel ganz aufgeben und ich später einmal berichten werde, dass ich „in Saarland aufgewachsen bin“ – dann ist es vielleicht auch bei unseren Nachbarn vorbei mit dem Formenchaos. Bis dahin dürften noch einige Wahlen gewonnen oder verloren werden. Eins ist aber klar: Saarlands Ministerpräsidentin wird wahrscheinlich schneller ein Kabinett vorstellen als Niederlands Regierungschef Rutte. Der braucht erst einmal die Hilfe einer Kundschafterin. Dazu mehr in ein paar Tagen.