Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Berührungspunkte: Namibia

Wo kommt der niederländische Sprach- und Kulturraum mit anderen in Berührung? Wo gibt es gemeinsame Interessensgebiete der Niederlandistik und ihrer Nachbarfächer? Solche Berührungspunkte stellen wir in einer kleinen Serie vor.

Die Serie Berührungspunkte, die wir im Mai 2017 starteten, werden wir in loser Folge fortsetzen.

Namibische Berührungspunkte zum niederländischen Sprachraum findet man eigentlich eher über den Umweg des Afrikaans. Aber ein Besuch beim Nationalarchiv Namibias veranlasst mich zu diesem Blogbeitrag, denn dort gab es Auszüge aus der Korrespondenz und den Tagebüchern von Hendrik Witbooi – auf Niederländisch!
Wie das?

Hendrik Witbooi wurde um 1830 in Pella (Kapkolonie) geboren. Sein wirklicher Name: ǃNanseb ǀGabemab. Die Zeichen ! und ǀ stehen für Laute, die von unserer Zunge eine schwer zu erlernenden Akrobatik erfordern.

Die Geräuschbildung dieser Laute entsteht durch das Öffnen des primären Verschlusses der entstandenen oralen Luftkammer, in welche die umgebende Luft infolgedessen schnell hineinströmt, um den Unterdruck auszugleichen. Die Klicks werden auf verschiedene Weise durch Schnalzen mit der Zunge gebildet. Um die Klicks zu erzeugen, muss die Zunge eine saugende Bewegung ausführen. Die Stellung der Zunge und die Art des Atemholens bringt ganz verschiedene Klicks hervor. Quelle

Ein Erbsenzähler (pietje-precies) würde beim Lesen von Witboois Notizen rufen: Kapholländisch!
Ja, richtig!
Aber … die Zeilen lesen sich (ein paar Abweichungen) wie das heutige Niederländisch.
Witbooi hat am Kap das dortige NL gelernt und beherrschte das in Wort und Schrift (in woord en geschrift). Allein schon in seinem Namen erkennt man (wit=weiß, booi=boy) die Namensgebung einer Kolonialmacht. Das Volk der Nama wanderte in den Norden aus und ließ sich nieder in dem Gebiet, das 1884/1885 (Kongokonferenz) dem deutschen Reich zugeschlagen wurde: Deutsch-Südwestafrika – dem heutigen Namibia.

Erst 1925 wurde in Südafrika das Niederländische als Staatssprache abgeschafft und Afrikaans neben Englisch als Amtssprache in der Südafrikanischen Union anerkannt.

Auch die Baster (Afrikaans für „Bastard“ – sie selbst bestehen auf diese Bezeichnung), Nachkommen aus Beziehungen zwischen Nama-Frauen und Buren in Südafrika, haben die niederländische Sprache mitgenommen. Sie wanderten unter Führung von Hermanus van Wyk in den Norden aus und leben im namibischen Rehoboth. Ihre Sprache ist meist Afrikaans und sie haben in der Regel niederländisch klingende Namen: Hans Beukes gehörte z.B. zu den Namibiern, die sich bei der UNO für die Unabhängigkeit Namibias einsetzten.

In Namibia kam es 1904 zu einem Aufstand der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialmacht. Hendrik Witbooi fiel 1905. Der „Konflikt“ – wie Deutschstämmige diesen Krieg manchmal nennen – endete in einen Genozid; ihm fielen 10.000 Nama (und 40.000-60.000 Herero) zum Opfer.

Zurück zum Anfang:
Diese Dokumente von Hendrik Witbooi gehören zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Das Überseemuseum in Bremen hat diese Dokumente vor etwa 20 Jahren zurückgegeben.
Inzwischen hat auch das Stuttgarter Museum Witboois Bibel und Peitsche zurückgegeben.

Die Niederländerin Connie Braam (eine der GründerInnen der Anti-Apartheidsbeweging der NL) schrieb den Roman Ik ben Hendrik Witbooi – noch nicht übersetzt.

Hände hoch!

Wer in den Niederlanden unterwegs ist, hört alles mögliche: Niederländisch, Friesisch, Limburgisch, Türkisch, Arabisch, Englisch usw. Was man nicht hört: Gebärdensprache. Sehen kann man sie dagegen hier und da schon. Aber noch zu selten.

Das findet nicht nur die Sprachgemeinschaft selbst, sondern auch ein gewichtiger Teil des Parlaments. Die sozialdemokratische PvdA, die christdemokratische CU und die liberale D66 möchten gemeinsam einen Gesetzesvorschlag einbringen: Niederländische Gebärdensprache soll endlich offiziell anerkannt werden. Ähnliche Forderungen gab es schon früher immer wieder, bisher erfolglos.

Mit der Anerkennung sollen auch Ansprüche auf Unterstützung ausgebaut werden. Dazu gehört unter anderem, noch häufiger auch Dolmetscher*innen einzusetzen, denn viele schriftsprachige Übersetzungen helfen nur bedingt. Untertitel oder Beschriftungen sind nicht für alle Gehörlosen und Schwerhörigen problemlos zu nutzen. Wer gar nicht mit einer Lautsprache aufgewachsen ist, findet auch Schriftsprache nicht so naheliegend, weil schließlich das hörbare Gegenüber des Schriftbilds fehlt. Übersetzungen direkt in Gebärdensprache sind dann mit weniger Verstehensaufwand verbunden – und zunehmend auch mit weniger technischem Aufwand, denn mit mobilem Internet und allgegenwärtigen Displays lässt sich vieles machen, was früher nicht möglich war. Dabei ist auch nicht zu vernachlässigen, dass die Sichtbarkeit von Gebärdensprache eine Rolle spielt. Genauso wie bei Schrift- und Lautsprachen zeigt die Präsenz um uns herum, wie selbstverständlich die Sprachgemeinschaft dazugehört. Vielleicht wird die Niederländische Gebärdensprache also mit der Zeit ein allgegenwärtiger Teil der Linguistic Landscapes.

 


ACHTUNG: Daten nach YouTube werden erst beim Abspielen des Videos übertragen.

Miriam Stolk übersetzt bekannte Lieder in Niederländische Gebärensprache. Weitere Videos gibt es auf ihrem Youtube-Kanal.

 

Der Schutz von Minderheitensprachen ist in den Niederlanden schon recht weit ausgebaut – jedenfalls auf dem Papier, auch wenn die Umsetzung nicht immer flott verläuft. Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen schützt einige Sprachen des Landes und immer wieder wird diskutiert, ob man weitere Sprachformen hinzunehmen müsste, beispielsweise das Bildts. Ob die Gebärdensprache künftig auch in den Rahmen der Charta fallen soll? Es wäre jedenfalls denkbar, denn es ist zwar keine Regionalsprache, die auf einen bestimmten Teilraum des Landes begrenzt ist. Aber auch überregionale Sprachen können geschützt werden und sind es längst, nämlich Romani und Jiddisch. Nichts wäre doch passender, als die Gebärdensprache als Teil des handvest voor regionale talen en talen van minderheden anzuerkennen.

Interessant ist die Nederlandse Gebarentaal (NGT) unter anderem wegen ihrer historischen Hintergründe. Die meisten Lautsprachen, die in den Niederlanden anerkannt sind, gehören der germanischen Sprachfamilie an. Die NGT hingegen geht – wie viele andere Gebärdensprachen – auf die Französische Gebärdensprache zurück. Die Klassifikationen der Gebärdensprachen sind oft umstritten, unklar und unübersichtlich, aber zur Deutschen Gebärdensprache bestehen deutliche historische Unterschiede. Und auch die Vlaamse Gebarentaal (VGT) sieht wieder anders aus – deutlich unterschiedliche Verhältnisse der Nachbar- und Verwandtschaft, als wir es bei den Lautsprachen kennen. Eine Herausforderung also für uns Hörende, das Vertraute nicht als völlig selbstverständlich zu verstehen.

Die Initiative zur Anerkennung jedenfalls hat Applaus verdient. Und das bedeutet auf NGT genau wie in Deutscher Gebärdensprache: Hände hoch!

Von Straßenfußball bis straattaal

Disclaimer: Dieser Blogbeitrag enthält Spuren von Fußball und Sprachideologie.

In der Volkskrant erschien kürzlich ein Interview mit dem niederländischen Fußballer Regi Blinker, ehemals Mitglied der Nationalmannschaft, der 1969 in Paramaribo geboren wurde – in Suriname, einige Jahre vor der Unabhängigkeit. Das Gespräch ist insgesamt lesenswert und lehrreich: Interessante Einblicke über die Erfahrungen in der niederländischen Gesellschaft, in der Sportwelt, in der Familie. Und es kommt erstaunlich vieles vor, was für Sprachinteressierte spannend sein dürfte: Aussagen über Sprache(n) als auch Formulierungen und Ausdrücke, die ein paar Gedanken wert sind. Folgen wir einfach der Reihe nach der Lektüre.

Schon im Teaser zu dem Artikel greift die Redaktion eine ziemlich deutliche Bemerkung heraus: „Surinaams is niet een taal om even beleefd terug te praten tegen je ouders“. Das ist eine Einstellung, die man weiterhin recht häufig findet: Für die „höheren“ Bereiche der Kommunikation ist das Niederländische zuständig, Sranan steht eine Stufe darunter. Man kann nur spekulieren, welche Rolle es dabei spielt, dass diese Ansicht hier von jemandem geäußert wird, der selbst in den Niederlanden erfolgreich war und auf Niederländisch den Aufstieg geschafft hat.

Regi Blinker im Jahr 1986.

Dass hier durchgängig von Surinaams die Rede ist und nicht von Sranan, auch das wirft ein paar Fragen auf. Beides benennt zwar dieselbe Sprache, aber damit sind die Begriffe noch lange nicht identisch. Mit Surinaams wird etwas spürbarer der Zusammenhang mit dem Land Suriname angedeutet, die Zugehörigkeit der Sprache zur Nation (jedenfalls nach meinem eigenen Eindruck – wer das anders sieht, möge mich korrigieren). Nicht unbedingt eine glasklare politische Entscheidung, aber in der Nuance auch nicht ganz egal.

Man tut Regi Blinker aber wahrscheinlich Unrecht, wenn man ihm eine starre, hierarchisierende Ideologie unterstellt. Sehr schön illustriert er den Wandel der Spracheinstellungen in der Gesellschaft, der sich bei ihm selbst spiegelt: Inzwischen spricht er gelegentlich doch Sranan mit seinen Kindern, und diese scheinen es auch einzufordern. In mehrsprachigen Familien ist es nicht selten, dass Kinder und Jugendliche ihre Haltungen zu den Sprachen in ihrem Umfeld ab und zu ändern, mal ablehnend, mal interessiert. Umso wichtiger ist es, dass Eltern darauf eingehen und den Kindern die Mehrsprachigkeit mitgeben können, die sie zu bieten haben. Dazu gehört der Gedanke: Wenn eine Sprache in früheren Jahren ausgeblendet wird, ist sie nicht so leicht wieder zurückzuholen.

Dass Blinker von „halfbloedkinderen met mooie krullen“ spricht, mag für deutsche Ohren sehr gewöhnungsbedürftig sein. Hier spielt nicht unbedingt nur der Unterschied von Konnotationen zwischen Niederländisch und Deutsch eine Rolle. Was man sagt, hängt nämlich auch davon ab, wer man ist. Bemerkungen über die Haare von people of colour werden oft als übergriffig wahrgenommen, da ist Respekt und Zurückhaltung gefordert; und quasi-berechnende Einteilungen über „Blutsanteile“ verbieten sich für Weiße ziemlich von selbst. Hier geht es aber um eine Äußerung aus der in-group heraus, und das macht einen gewaltigen Unterschied. Die Bedeutung einer Aussage ist immer kontextabhängig und nicht starr in der Sprache allein festgelegt. Die sprechende Person und die Frage, wo sie sich sieht, ist ein ganz zentraler Faktor des Kontextes.

„In dat elftal begon de straattaal langzaam z’n weg te vinden.“ – Das sagt Blinker über die Kommunikation in der Fußballmannschaft. Für viele ist straattaal fest verbunden mit Sranan, auch wenn dazu natürlich noch viel mehr gehört. Blinkers Vorstellung ist nah an dem, wie Sprache oft konzeptionalisiert ist: Sie besteht aus Wörtern. Und wenn man Wörter aus dem Sranan ins Niederländische übernimmt, entsteht straattaal. Eher beiläufig erfahren wir, was bis heute im Blick auf Kontaktphänomene wie straattaal oder auch Kiezdeutsch gerne ausgeblendet wird: Daran sind auch Sprecher beteiligt, die nicht den sichtbaren ‚Migrationshintergrund‘ haben. Blinker kann offenbar davon berichten, dass das von Anfang an der Fall war. Damit ist er ein durchaus wertvoller Informant, denn die Entstehung von Multiethnolekten ist noch lange nicht zuende erklärt.

Besonders faszinierend ist die Abschlussfrage ganz unten: „Wit of blank?“ – „Automatisch blank. Wit klinkt harder en directer, dichter bij racisme en discriminatie.“ Damit ist Regi Blinker genau umgekehrter Meinung als die NOS-Redaktion, die den Begriff blank inzwischen vermeidet.

Fazit der Lektüre: Gespräche mit Sportlern gelten oft als intellektuell unterfordernd, gerade Fußballer als unterkomplexe Körpermenschen. Das Interview hilft nebenbei mit, auch dieses Stereotyp noch einmal zu durchbrechen.

Zurück zu den niederländischen Wurzeln

In diesem Jahr wäre Schauspiel- und Modeikone Audrey Hepburn 90 Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Jubiläums ist in Brüssel eine Sonderausstellung über ihr Privatleben zu sehen.

von Aniko Schusterius

Unsere Gastautorin Aniko Schusterius mit der kleinen Audrey.

Es scheint so als würde Audrey Hepburn höchstpersönlich die Besucher ihrer Ausstellung in Empfang nehmen. Angelehnt an eine Requisite wartet sie im ersten Saal auf ihre Gäste und blickt dabei auf eine große Filmkulisse. Von den Wänden halt ihre Stimme wieder. Großformatige Plakate zeigen ihr lächelndes Antlitz. Das erste und letzte Mal wird sie hier als Schauspielstar innerhalb der Ausstellung inszeniert.
Im Vanderborght-Gebäude in Brüssel will Sean Hepburn Ferrer (ältester Sohn der Schauspielerin) den Besuchern Audrey Hepburn vor allem als Menschen vorstellen.
Familienstücke, bislang nie gezeigte Fotografien, Zeichnungen und Notizen vermitteln sehr persönliche und intime Eindrücke. Chronologisch gegliedert sieht man erste Aufnahmen von der kleinen Audrey, wie sie in Brüssel geboren wird und Anfang des zweiten Weltkrieges mit ihrer niederländischen Mutter nach Arnheim zieht. Hier nimmt sie erste Ballettstunden und will schon bald als Tänzerin auf den Bühnen der Welt stehen.
In den Niederlanden dreht sie 1948 auch ihren ersten Film: „Nederlands in zeven lessen“. An diesem Punkt in ihrem Leben spricht Hepburn schon drei Sprachen: Niederländisch, Französisch und Englisch (ihr Vater war Brite). Bis zum ihrem Tod 1993 wird sie noch Italienisch und Spanisch lernen. Die junge Hepburn betrachtet ihren Ausflug in die Filmwelt als eine Ausnahme, doch der Besucher weiß bereits, dass dies der Beginn einer großen Karriere ist.


ACHTUNG: Daten nach YouTube werden erst beim Abspielen des Videos übertragen.

Nederlands in zeven lessen mit Audrey Hepburn

Hepburns Familie und Freunde nehmen einen großen Teil der Ausstellungsfläche ein. Das Brautkleid von Hepburns Eheschließung mit Mel Ferrer und ihre Trauringe erzählen von dem Fest in der Schweiz, welche zu ihrem Lebensmittelpunkt wird. Die Wiege von Sean und Fotos von seiner Taufe sind Zeitzeugen der liebevollen und sensiblen Mutter, als die Audrey Hepburn beschrieben wird. Auch Kollegen wie Elisabeth Taylor und Cary Grant berichten in einer Videosammlung von der scheinbar perfekten Frau.
Schnell wird deutlich, dass es sich vor allem um eine Sammlung von guten Erinnerungen handelt- Gedanken und Momente ihres ältesten Sohnes, die weder von zwei gescheiterten Ehen noch dem zweiten Kind Hepburns Luca Dotti berichten. Doch das tut der Ausstellung keinen Abbruch. Der dem Anlass entsprechend positive Blick auf ihr Leben bringt auch neue Informationen für langjährige Fans mit sich.
Besonders emotional inszeniert wird ihr Engagement für Unicef. Videomitschnitte zeigen wie Hepburn unermüdlich Gelder für Dritte-Welt-Länder sammelte. Ihre appellierenden Reden kann man auf ihren Notizen mitlesen: „Kinderen  kunnen worden gered als we vastbesloten zijn om dat te doen“.

Hörproben, Filmausschnitte und Fotos: Verschiedenste Medien setzten sich in „Intimate Audrey“ zu einem großen erzählenden Puzzle zusammen. Durch eine dünne Plexiglasscheibe blicken die Besucher herab auf alte Pässe, den gold-glänzenden Oscar und Zeichnungen von Kostümen und Outfits. Visuell sehr beeindruckend gestaltet setzt Kurator Hepburn Ferrer noch eins drauf, als ein blühender Kirschbaum tatsächlich auch noch duftet. Und auch der ineinander überlaufende Erzählstrang der Ausstellung ist sehr gelungen. So endet die Zeitreise in einem kleinen Kinosaal, welcher Ausschnitte von Hepburns großen Leinwandmomenten zeigt. Und draußen auf der Bank wartet wieder Audrey. Doch nun im Alter von fünf Jahren.

Intimate Audrey, Espace Vanderborght, noch bis zum 25. August, täglich 10 bis 18 Uhr
intimateaudrey.org

*hust*

Wenn wir uns in der Linguistik mit Kommunikation beschäftigen, steht meistens Sprache im Mittelpunkt. Der Mensch hat daneben aber noch jede Menge andere Möglichkeiten, sich mitzuteilen: mit Gesten, Mimik oder Geräuschen. Ein Räuspern oder Husten kann die Dinge manchmal hervorragend auf den Punkt bringen. Kein Wunder also, dass das Husten auch innerhalb der Sprache eine große Rolle spielt.

Abgesehen vom wohlplatzierten Hinweishusten möchte man unbequeme Lungenkrämpfe eigentlich lieber vermeiden. Wenn sie doch kommen, dann zumeist unfreiwillig. Und so haben die germanischen Sprachen eine Redewendung daraus gemacht. Beispielsweise heißt es in der Debatte um die skandalöse Umfinanzierung im niederländischen Wissenschaftssystem:

Er moet 100 miljoen euro geïnvesteerd worden in bètawetenschappen en techniek; de alfa-, gamma- en medische wetenschappen moeten het ophoesten. (Het Parool)

Was sie wohl aufhusten soll? (GabboT, CC-BY-SA-2.0)

Wortwörtlich kann man den Satz nicht ins Deutsche übersetzen. Dass die Geistes- und Sozialwissenschaften 100 Millionen ‚aufhusten‘ sollen, versteht man vielleicht intuitiv, ein etablierter Ausdruck ist das aber nicht. Ganz im Gegenteil zum Englischen, zum Norwegischen und Schwedischen:

Walmart Will Cough Up $282 Million To Put Years-Long Bribery Investigation Behind It (Forbes)

Resultatet var åtte fartssyndere som må hoste opp kroner til statskassa. (Altaposten)

Das Ergebnis [der Verkehrskontrolle] waren acht Geschwindigkeitssünder, die jetzt Geld für die Staatskasse aufhusten müssen.

Juventus på jakt – behöver hosta upp 440 miljoner kronor (Aftonbladet)

Juventus ist auf Jagd – und muss 440 Millionen Kronen aufhusten

Friesisch macht auch mit (wobei ich nicht beurteilen kann, ob das eine neuere Lehnübersetzung aus dem Niederländischen ist – aber eigentlich spielt das ja auch keine Rolle, Friesisch ist es trotzdem):

Dat jild kinne de hjoeddeiske mediabedriuwen net mear ophoastje. (Blog)

Das Geld können die heutigen Medienunternehmen nicht mehr aufhusten.

Zur Abwechslung setzt das Dänische noch eine Präposition dazu:

Bilister skal hoste op med 1.100 kroner for 36 kilometer (Politiken)

Autofahrer sollen mit 1.100 Kronen für 36 Kilometer aufhusten.

Dass eine solche Redewendung sprachübergreifend funktioniert, ist nicht ungewöhnlich. Die Metapher ist schließlich relativ einfach und unabhängig von der Sprache zu erschließen. Soweit ich das beurteilen kann – die Nuancen können durchaus abweichen – scheint der Ausdruck überall eher salopp zu sein, vielleicht auch etwas ironisierend oder polemisch. Deshalb erstaunt es ein wenig, dass die verwandten Sprachen rundherum dieselbe Formel kennen, nur das Deutsche nicht.

Verweigert man sich einer Forderung, greift aber auch auf Deutsch eine passende Redewendung – die es auch auf Niederländisch gibt: Was, wenn die Geistes- und Sozialwissenschaften der niederländischen Regierung was husten?

Afrikaans in Thüringen

von Henning Radke

Laut tönt die Stimme von Jack Parow über die großen Lautsprecher hinein in die idyllische Landschaft der Thüringer Provinz. In einem Zelt ganz in der Nähe tanzen etwa 100 junge Menschen und singen textsicher mit: „Dans, dans, dans – ek wil fokken, fokken dans.“. Wenn sie nicht gerade singen, sprechen sie untereinander Deutsch. Die Nacht wird noch lang sein. Der nächste Morgen beginnt für die meisten auf dem Zeltplatz mit einem Country-Song auf Afrikaans – schon wieder diese Sprache, die man ansonsten nicht gerade häufig mit Thüringen assoziiert. Was war da los in dem kleinen Ort unweit von Eisenach?

Die Mischung aus Afrikaans, Deutsch, Englisch und Namslang – bis dato wohl eher ungehört in dieser Thüringer Landschaft (Foto: Andreas Kuhrt).

Die Antwort liegt Jahrzehnte zurück in der Vergangenheit: Anfang der 1960er Jahre wandte sich Rosemarie Bernhardt an die namibische Allgemeine Zeitung (AZ) mit einem Aufruf, der seine Wirkung nicht verfehlen sollte: Die damalige Bodenstewardess der KLM kam zwar aus Namibia, wohnte jedoch seit einiger Zeit im niedersächsischen Hannover und lud daher zu einem Treffen all derjenigen Namibier ein, die sich gerade in Deutschland befanden, „um diesen jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, sich in Deutschland näher kennenzulernen“, wie die AZ damals schrieb. Mithilfe von Postkarten legte sie den Grundstein für ein deutschlandweites Netzwerk. Das Treffen während der Pfingsttage entwickelte sich zu einem festen Termin für viele deutschsprachige Namibier in der Diaspora mitten in Europa.

Jack Parow, EES & Co.: Die übliche Musikauswahl im Auto über namibische Sandpads.

Doch egal aus welcher Perspektive man auf die Community schaut – ob deutschsprachige Minderheit, namibische Deutsche oder deutsche Namibi(an)er – ein Aspekt ist unweigerlich mit ihrer Kultur verbunden: die Sprache Afrikaans. Sie speist den Namslang der deutschsprachigen Community nicht nur mit einer Vielzahl von Lehnwörtern („ich habe lekker gelacht ou!) und grammatischen Besonderheiten („Wieviel geht das kosten?“), sondern ist auch Teil der Lebenswirklichkeit vieler Menschen in Namibia. Wer nun also als Mitglied der deutsch-namibischen Community nach Europa auswandert, nimmt Afrikaans in der einen oder anderen Form einfach mit. Und so schallte es auch auf dem diesjährigen Treffen in Thüringen nicht nur deutschen, sondern auch afrikaansen Pop, Rock und Schlager über den Zeltplatz, während die Nachbarn auf der anderen Seite ihre Steckrüben pflanzten.

Was hätte Rosemarie Bernhardt dazu gesagt? Wenn sie noch lebt, sollte sie mittlerweile über 80 sein. Seit fast 60 Jahren bringt ihre Idee von damals Menschen zusammen; mittlerweile in der 3. Generation. Und die tanzt anno 2019 unweit von Eisenach auch zu den Liedern von EES, der zwar nicht auf Afrikaans singt, dafür aber im Namslang rappt und somit zur sprachlichen Stilikone vieler junger, deutschsprachiger Namibier wurde („Hab kein Gees mehr zu moven, bin pap (…) maar hier kommt der Plan: Ich call die Maats zusammen“). Amerikanischer Pop ist hingegen eher selten zu hören. Nur eine amerikanischen Band wurde auf dem Thüringer Zeltplatz immer wieder gespielt und erntete auffallend lautes Mitsingen: Toto mit ihrem Song Down in Africa.


Und weil es thematisch passt noch ein Terminhinweis:

Vom 3. bis 5. Juli findet an der Freien Universität der Workshop „German(ic) in contact“ statt. Thema der Konferenz sind allerlei Situationen, in denen Deutsch und andere germanische Sprachen in Kontakt mit einer anders- und mehrsprachigen Umgebung stehen, darunter das Fallbeispiel Namibia, aber auch Ostfriesen in Nordamerika oder Mennoniten in Uruguay. Unser Gastautor Henning Radke wird ebenfalls seine Arbeit zu Namibia vorstellen.

Programm und weitere Informationen auf der Webseite der FU-Germanistik.


Bildnachweise zu diesem Post:

Foto 1: Andreas Kuhrt

Foto 2: Henning Radke/Merrick Nock

1+1=Brüssel

Am kommenden Sonntag, 26. Mai wird gewählt*, und zwar nicht nur das Europaparlament, sondern in Belgien auch das föderale Parlament und die Parlamente der Gemeinschaften und Regionen. Es gibt also viel zu entscheiden für die belgischen Wahlberechtigten.

Pünktlich zum Wahlkampf hat man in Belgien die Sprachpolitik wiederentdeckt, beispielsweise im Bildungssystem von Brüssel. Dort bestehen im Prinzip zwei Schulsysteme nebeneinander, jeweils getragen von der flämischen und der frankophonen Gemeinschaft. Die Strukturen simulieren einen Zustand, als würden zwei einsprachige Communities getrennt in der Stadt nebeneinanderher leben. Dass das immer weniger der Realität entspricht, versteht man natürlich auch in der Politik und man hat schon einige Möglichkeiten für mehrsprachige Bildung eingerichtet. Aber die mühsam ausgehandelten politischen Grundstrukturen lassen sich nicht so leicht umformen.

Um die Qualität des mehrsprachigen Unterrichts zu verbessern, kam jetzt ein Vorschlag vom Brüsseler Spitzenkandidaten der Christdemokraten für das flämische Parlament: Der Sprachunterricht sollte nur noch von Lehrkräften erteilt werden, die jeweils muttersprachliche Kenntnisse haben, etwa mit einer Art Austausch zwischen frankophonen und niederländischsprachigen Schulen innerhalb von Brüssel. Das ließe sich innerhalb der Stadt mit relativ kurzen Wegen praktisch lösen.

Nicht alle Schulen in Brüssel sind so elegant wie das Lycée Émice Jacqmain direkt neben dem Europaparlament. (F. Romero, CC-BY 2.0)

Klingt auf den ersten Blick gut und logisch. Auch in anderen Bereichen des Sprachenlernens, an Universitäten, Sprachschulen usw. gilt es als Qualitätsmerkmal, muttersprachliche Lehrkräfte zu haben, und die Lernenden fordern das oft selbst ein oder bewerten es zumindest positiv. Bei näherem Hinschauen steckt dahinter eine Denkweise, die in der Soziolinguistik native speaker ideology genannt wird:

Die ‚authentische‘ und ‚legitime‘ Sprachform schreibt man denjenigen zu, die diese Sprache von Kind auf erworben haben. Sie dürfen entscheiden, was ‚gute Sprache‘ ist, was ‚echt‘ und ‚natürlich‘ wirkt. Wer eine Sprache lernt, möchte so weit wie möglich genau diese ‚natürliche‘ Sprache lernen. Es ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, dass man ein ganz anderes Sprachgefühl hat, wenn man von klein an die Sprache kennt und benutzt.

Aber ist das wirklich die wichtigste Qualifikation für die Fremdsprachenlehre? Mindestens ebenso wichtig sind didaktische Kenntnis, Lehrerfahrung, kritisches Sprachbewusstsein. Und gerade letzteres haben auch viele nicht-muttersprachliche Lehrkräfte. Man kann kaum überschätzen wie zentral es ist, sich bei der Lehre in den Denkprozess und die Erfahrungen der Lernenden hineinzuversetzen. Wer diesen Prozess und diese Erfahrungen selbst schon einmal durchgemacht hat, kann sie auch im Unterricht nachvollziehen.

Das symbolische Signal an Kinder und Jugendliche wäre bei einer solchen Regelung ziemlich unschön. Ihnen würde gezeigt, dass es Menschen gibt, die legitim die Sprache vertreten dürfen, während andere als weniger legitime Sprecher*innen gelten. Die Vorstellung, dass ich mir auch im Jugend- oder Erwachsenenalter eine Sprache zueigen machen kann, sie als meine Sprache annehmen kann, wird damit erschwert.

Wie so oft kommt hier im Wahlkampf eine Lösung zum Vorschein, die simpel und plausibel wirkt, aber nicht zu Ende gedacht ist. Der Denkrahmen bleibt leider immer noch in der binären belgischen Logik stecken: hier frankophon, da niederländischsprachig; hier Muttersprache, da nicht. In Brüssel darf zwar beides gemeinsam vorkommen, vielleicht gar gleichzeitig – aber trotzdem fein erkennbar sortiert. Zwischenstufen oder Alternativen sind in dieser Logik schwer zu erfassen.

Wo beginnt überhaupt „muttersprachliche Kenntnis“? In Brüssel und in vielen anderen Regionen der Welt besuchen viele Kinder ab jüngstem Alter inzwischen Schulen oder schon Kindergärten mit Immersionsunterricht, bei dem die Schulsprache nicht die Familiensprache ist. Wird man diese Kinder später als Muttersprachler*innen einstufen, wenn sie Lehrkräfte werden?

Ideal wäre es, wenn an den Schulen das Kollegium so divers zusammengesetzt wäre, wie die Gemeinschaft der Schülerinnen und Schüler. Die haben nämlich oft mehrere Muttersprachen, bei manchen gehört dazu schon jetzt Niederländisch und Französisch, bei anderen keines von beiden. Da wäre es ein Anfang, wenn die Politik sich von der Vorstellung lösen könnte, dass es ein ‚eigentliches‘ Niederländisch oder Französisch gibt und wer das vermitteln soll.


*Nur damit niemand den Termin verpasst: In den Niederlanden findet die Europawahl schon morgen, am 23. Mai statt, wie auch in Großbritannien (sonntags ist offenbar den Reformierten in den Niederlanden eine Wahl nicht zuzumuten). Ein paar Länder wählen am 24. oder 25. Mai, die meisten – darunter Belgien und Deutschland – am 26. Mai.

Der/die/das Bakfiets

In den Niederlanden ist er schon lange zu beobachten: der Trend zum (oder zur?) bakfiets. Wörtlich übersetzt ist das ein „Kistenfahrrad“. Das Van Dale-Wörterbuch umschreibt es mit „drie­wie­ler met een bak (vóór de be­stuur­der), be­stemd voor het ver­voer van niet te gro­te vrach­ten of kin­de­ren“. Neben diesem klassischen Dreirad mit Transport-Kiste vor dem Lenker, gibt es bakfietsen auch mit zwei Rädern, und der Elektromotor wird immer mehr zum Standard.

Bakfiets

bakfiets.nl

Das Wort haben wir in Deutschland – zusammen mit den Rädern – ab ca. 2005 aus den Niederlanden übernommen, als Markenname (vgl. bakfiets.nl), dann aber auch immer öfter als Gattungsname. Für einige SprecherInnen des Deutschen scheint fast jedes Lastenrad ein(e) Bakfiets zu sein.

Bezüglich des Wortgeschlechts sind wir uns im Deutschen nicht so ganz sicher. Ist es das oder der Bakfiets? Oder vielleicht doch die Bakfiets? Alle drei Varianten kommen vor, aber für mich ist es klar die Bakfiets. Mit meiner Präferenz fürs Femininum scheine ich allerdings in der Minderheit zu sein, wie eine kurze Befragung der KollegInnen ergab. Daher habe ich gestern die Schwarmintelligenz bemüht und Twitter gefragt. An dieser Twitter-Umfrage haben 1002 Leute beteiligt. Toll! Das Resultat: das Bakfiets liegt mit 42% ganz knapp vor der Bakfiets (mit 41%). Deutlich abgeschlagen ist mit 17% die weibliche Variante.

Einige Anmerkungen hierzu: Bei den ersten 200 Votes, lag zunächst das Neutrum klar vorne (mit ca. 75%). Dann wurde meine Umfrage von mehreren NiederländerInnen geteilt und der Wert für der Bakfiets schoss in die Höhe. Das ist interessant. Es sagt zwar nicht so sehr viel über das Deutsche aus, aber wohl darüber, wie über Sprache gedacht wird. Wir suchen ständig nach ‚logischen Erklärungen‘ für sprachliche Phänomene bzw. nach Erklärungen, die für uns eine gewisse Logik besitzen.

Viele NiederländerInnen (das kann man den  Antworten und Kommentaren zur Umfrage entnehmen) waren der Meinung, dass das Wort auf keinen Fall Neutrum sein kann, weil es ja im Niederländischen ein ‚de-Wort‘ ist (in dieser Kategorie sind im Niederländischen Maskulinum und Femininum zusammengefallen). Wenn man in einem Text auf das Wort verweist, dann zeigt sich im Niederländischen aber noch das Maskulinum: Ik heb een nieuwe fiets. Hij staat om de hoek. (Wörtlich: ‚Ich habe ein neues Fahrrad. Er steht um die Ecke.‘). Daher, so die Logik vieler MuttersprachlerInnen des Niederländischen, muss es auch im Deutschen Maskulinum sein, denn „das Wortgeschlecht wird bei Lehnwörtern mitentlehnt“ (so schreibt ein Twitterer in einem Kommentar). Das mag zwar logisch erscheinen, es stimmt aber nicht.

Wenn wir Fremdwörter entlehnen, dann gibt es diverse Kriterien, die für die Zuweisung des Genus eine Rolle spielen. Das Genus in der Ursprungssprache ist nur eines dieser Kriterien und oft nicht einmal das wichtigste. Die deutsche Vorliebe fürs Neutrum erklärt sich im Fall von Bakfiets wohl vor allem aufgrund der Analogie zu das Fahrrad. Auch wenn es für viele der NiederländerInnen, die die Umfrage kommentiert haben, sehr falsch klingt: für die meisten Deutschen dürfte es wohl das Bakfiets sein.

Häufig sehen wir in der ersten Phase der Verwendung eines Lehnwortes gewisse Schwankungen, die sich manchmal auch verfestigen können. Man denke hierbei z.B. an E-Mail, nach anfänglicher Schwankung zwischen Neutrum und Femininum jetzt in Deutschland klar ein feminines Wort (die E-Mail), in der Schweiz aber Neutrum (das E-Mail). Und auch bei vielen anderen Lehnwörtern gibt es Doppelformen (der Blog und das Blog usw.). Sprachvergleichend sind in diesem Zusammenhang auch Wörter wie Auto interessant, die wir sowohl ins Deutsche (das Auto, Neutrum) als auch ins Niederländische (de auto, Maskulinum) übernommen haben.

Bleibt die Frage, warum sich für mich persönlich die Bakfiets besser anhört als die beiden anderen Varianten. Ich komme ursprünglich aus dem westlichen Münsterland, und da ist die Fiets eine durchaus gängige Bezeichnung für ein Fahrrad. Auch im Westmünsterländischen Platt ist fiets(e) das (weibliche) Wort für ‚Fahrrad‘ (vgl. Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart). Am Niederrhein ist Fiets ebenfalls ein gängiges Lehnwort, und auch dort ist es in der Regel weiblich (wie aus diversen Kommentaren zur Umfrage hervorgeht). Und da übernehmen wir dann das Genus auch für die Zusammensetzung: die Bakfiets.

Dass das Wort Fiets entlang der Grenze zum niederländischen Sprachraum als Femininum verwendet wird, ist kein Wunder: auch im Niederländischen war es schließlich um 1900 zunächst ein feminines Substantiv, wie ein Blick in das Woordenboek der Nederlandsche Taal (WNT) zeigt. Dass es heute in den Niederlanden meist als Maskulinum gesehen wird, ist eine neuere Entwicklung.

Auch nach meiner kleinen Twitter-Umfrage und auch mit all diesen zusätzlichen Infos wissen wir jetzt also immer noch nicht eindeutig, welches Geschlecht Bakfiets denn nun im Deutschen hat. Aber zumindest kann man jetzt vielleicht etwas besser nachvollziehen, warum das nicht so klar ist.

Übrigens: Auch beim Plural zögern einige SchreiberInnen, und man findet neben Bakfietsen auch drei Bakfiets, also eine Pluralform, die identisch mit dem Singular ist (wie bei Messer oder Kabel).

Verbakfietsisierung

Man sieht diese Bakfietsen jetzt überall in Berlin, und sie werden immer schicker (und dank Motor auch immer schneller). Sobald das erste Kind unterwegs ist, fängt man in Kreuzberg und Neukölln an, sich über Bakfietsen zu informieren, um spätestens beim zweiten Kind ein solches Rad zu erwerben. In Dahlem fährt die Mutter ihre Kinder im Cayenne zum Tennis, in Neukölln sind Bakfiets-Eltern des hippe Pendant. Daher ist es auch kein Wunder, dass der Bezirk Neukölln jetzt die ersten Lastenrad-Parkplätze eingerichtet hat.

In Neukölln / Quelle: ADFC

Für Wouter Meijer, ehemaliger Berlin-Korrespodent für den niederländischen Rundfunk, Anlass, in einem Tweet das schöne Verb verbakfietsen zu verwenden: „Berlijn verbakfietst ook“, schrieb er. Ein recht neues niederländisches Wort, das wir auch im Deutschen gut gebrauchen könnten: Neukölln verbakfietst. Oder, noch besser, wir nehmen gleich noch ein paar Suffixe dazu und machen daraus ein schönes Substantiv: die Verbakfietsisierung Neuköllns.

Im Juli 2018 hat Lars Weisbrod in der Zeit seinen „Wutausbruch“ über das „Radfahren als Klassenkampf von oben“ veröffentlicht. Da regt er sich auch über die Lastenräder auf: „Kein Wunder, dass das Bakfiets in Städten wie Rotterdam bereits zum verhassten Symbol der Gentrifizierung geworden ist.“

Soweit sind wir noch nicht, aber der Trend zum Fahrrad hat halt auch in Berlin Konsequenzen für das Straßenbild. Es wird bunter (grüne und rote Radwege; grüne Punkte in der Bergmannstraße), überall stehen (und liegen) Leihfahrräder herum, neue Fahrradstraßen entstehen, und die Verpollerung der Stadt scheint unaufhaltsam und unumgänglich, da wohl nur durch Poller geschützte Radwege die AutofahrerInnen wirklich davon abhalten, eben diese Radwege zuzuparken. Und neben vielen neuen Fahrradstellplätzen kommen jetzt also die ersten Parkplätze speziell für Bakfietsen. Man darf gespannt sein, wie (und wo) die neue Lust am Fahrrad sich als nächstes bemerkbar macht, im Straßenbild, aber auch in der Sprache.

Tervuren

© JR

Aan het einde van een vorige bijdrage stond een foto van het museum in Tervuren, gefotografeerd vanuit het park (achterkant). Vanaf de straatkant komt u zo binnen (rechts).

Vlaamse gaai (CC-BY-SA-3.0-migrated)

Met welk dier zou een België-museum in Kinshasa de bezoekers begroeten? Met een Vlaamse gaai (Eichelhäher)?

Toen ik voor het eerst – ergens in de jaren 80 van de vorige eeuw – dit museum bezocht, zag het er van binnen nog zo uit. In 2013 werd het voor renovatie/reorganisatie gesloten en vorig jaar in december als Koninklijk Museum voor Midden-Afrika feestelijk heropend. Meer hierover vindt u hier.

Goede reden dus voor een reisje van het Berlijns-Vlaamse Lichterfelde naar Tervuren. Aldaar stapte ik in tram 44 (indertijd aangelegd door Leopold II om bezoekers naar de Congo-tentoonstelling in Tervuren te brengen): prachtige rit.

Tja, en dan sta je daar…
Groot begrip voor het feit dat het paleis incl. muurschilderingen (Congolese landschappen) en bepaalde sculpturen onder monumentenzorg valt. Een fatsoenlijke catalogus had de geschiedenis van het gebouw in een correcte context kunnen plaatsen. Maar die vond ik in de museumsshop niet (wel De Witte, Hochschild, Reybrouck – maar die kende ik al).

De absoluut „foute“ (politisch nicht korrekt) beelden (Skulpturen) zijn ondergebracht in een kleine kelderruimte, een „schaamtedepot“ volgens Rutger Puntzen in de Volkskrant: maar zichtbaar. De camera’s (smartphones) klikten.
Waarom – juist voor deze uitwassen van koloniale waarneming – niet een fotoverbod?
Ja, we laten het zien – maar verbreid het niet!

En verder raakte ik verloren in zalen met maskers en andere koloniale artefacten, gedroogde flora – en nog meer fauna: opgezette (ausgestopfte) krokodillen, apen, een olifant, een giraf, ook vlinders (Schmetterlinge) en wat dies meer zij.
Maar ik wilde het koloniale verleden van België zien

© JR

In de voormalige welkomsrotonde waarin Leopold II (als standbeeld; nu verwijderd) de bezoekers begroette, staan de oorspronkelijke beelden (van Arsène Matton) onder het motto van o.a. „België schenkt de beschaving aan Congo“ in alle glorie…
Dat mag! Maar het Afrikaanse kunstwerk van Aimé Mpane als antwoord op deze hoogmoedige uitspraak is te weinig. „Het schuurt niet“ (es tut nicht weh), schreef Sabeth Snijders in de NRC.

Namen van Congolese slachtoffers (© JR)

Aan de muur van een herdenkingshal staan de namen van 1500 Belgen die in de vroege dagen van de kolonie het leven lieten. Soit!
Het antwoord: namen van Congolezen die de wereldtentoonstelling van 1897 in België niet overleefden op het raam tegenover deze 1500 Belgische namen (Freddy Tsimba). De namen van de Congolezen worden – als de zon schijnt (maar wanneer schijnt in België de zon? En voor hoelang?) op de muur met de Belgische namen geprojecteerd (foto).
Kijk eens naar deze video: Marc Reynebeau in gesprek over o.a. deze namen met Dalilla Hermans.

Maar ik wilde dus het koloniale verleden van België zien

De anderhalve zaal waarin het om het koloniale verleden gaat, stelt teleur.
Ja, fouten worden toegegeven: de economische uitbuiting, het geweld, de afgehakte handen, de verantwoordelijkheid voor de moord op Lumumba. Ook de metissen (de in België wonende nakomelingen van Belgen en inheemse vrouwen – gesepareerd tijdens de koloniale tijd en na de onafhankelijkheid ontvoerd naar België – daar ondergebracht in weeshuizen of pleeggezinnen) worden genoemd.
Premier Michel sprak onlangs namens de regering daarvoor nog een verontschuldiging uit.

Er worden ook films vertoond: o.a. van Afrikanen die uitleg geven bij rituele kunstvoorwerpen; eveneens fragmenten uit de voortreffelijke Canvas-serie Kinderen van de kolonie. Ik herkende deze personen op het scherm – maar hun naam was niet zichtbaar.
Madame Geneviève Ryckmans: haar man (hoge Belgische ambtenaar) werd tijdens de ongeregeldheden rond de onafhankelijkheid vermoord. Van haar herinner ik me de uitspraak:

Wat ik heb meegemaakt, weegt niet op tegen het leed van duizenden Congolezen.

En in dezelfde Canvas-serie antwoordde de historicus Elikia M’Bokolo van de universiteit in Kinshasa op de alom gehoorde uitspraak: Congo zou er zonder de hulp (het beschavingsinitiatief?) van België nog veel erger aan toe zijn het volgende:

Est-ce que la Belgique telle qu’elle est aujourd’hui serait la Belgique si elle n’avait pas eu le Congo?

Afrikaans in Amsterdam

von Henning Radke

Amsterdam im Spätsommer: Simon aus Südafrika hatte seinen Besuch angekündigt. Wir kannten uns bereits zu meiner Zeit als Austauschstudent in Stellenbosch. Nun wollte er Land und Leute zwischen Ems und Schelde kennenlernen. Noch bevor wir die Koffer abstellten, führte uns der Weg in ein Amsterdamer Telefongeschäft, um Simon mit einer lokalen SIM-Karte auszustatten:

„Goedendag“, begrüßte ich die Mitarbeiterin hinter dem Tresen auf Niederländisch. „We willen graag een simkaart kopen. Kan dat?“

„Natuurlijk“, antwortete sie freundlich.

Der Schauplatz des Geschehens. In niederländischen Telefonläden kann man seine SIM-Karte auf Afrikaans bestellen. In flämischen Läden vermutlich auch. (Foto: HR)

Simon übernahm das Gespräch. Ohne vorherige Ankündigung sprach er Afrikaans. Ich hielt für einen Augenblick den Atem an: Wie würde die Verkäuferin auf den unverhofften Sprachwechsel reagieren? Sie reagierte umgehend und zwar auf Niederländisch. So entspann sich ein Dialog im gegenseitigen Wechsel beider Sprachen, sodass diese im Gespräch fast miteinander zu verschmelzen schienen. Dabei besaßen weder Simon noch die Verkäuferin Kenntnisse der jeweils anderen Sprache. Trotzdem funktionierte das Gespräch; die enge Sprachverwandtschaft machte es möglich. Hinterher verriet Simon jedoch, dass er nicht jedes Wort verstanden habe. Aber das bräuchte er eben auch nicht. Aus dem Zusammenhang wurde stets klar, was gemeint war. Diese Art der Kommunikation funktioniert wie ein Barcode: Wenn nur genug schwarze Streifen vorhanden sind, fallen die Weißen nicht mehr ins Gewicht. Man kann den Code trotzdem lesen.

Es war nicht das erste Mal, dass ich Zeuge eines afrikaans-niederländischen Gespräches wurde: im Amsterdamer Zuid-Afrikahuis zum Beispiel oder auf dem Afrikaans Grammar Workshop im belgischen Gent. Trotzdem hinterließ das Gespräch im Telefongeschäft einen nachhaltigen Eindruck auf mich. Es waren die Spontanität und Selbstverständlichkeit, die mich beeindruckten: Während man an einem Ort wie dem Zuid-Afrikahuis davon ausgehen kann, dass Afrikaans gesprochen wird, konnte man der Verkäuferin eine solche Erwartungshaltung nicht unterstellen. Trotzdem verzog sie keine Miene, zögerte nicht einen Moment und hatte augenscheinlich nicht das geringste Verständnisproblem, als sie unverhofft auf die Sprache aus dem südlichen Afrika traf. Dazu hätte sie Grund genug gehabt, denn trotz aller Gemeinsamkeiten gibt es signifikante Unterschiede: Da ist im Afrikaans z.B. die Diphthongierung langer Vokale, wodurch loop wie luäp (laufen) und weet wie wiät (wissen) ausgesprochen werden. Anders ausgedrückt: Wo im Niederländischen ein langes /oː/ oder /eː/ kommen, spricht man im Afrikaans die Doppelvokale /ʊə/ bzw. /ɪə/. Zudem fällt das intervokale /ɣ/ weg. Zwischen zwei Vokalen steht also nie ein /g/: Aus dem niederländischen regen wird daher reën und aus dagen (Tage) und ogen (Augen) werden daë bzw. oë. Diese Unterschiede führen dazu, dass man sich oftmals erst in die jeweils andere Sprache „reinhören“ muss.

Das Gespräch lief ohne Wörterbuch, und das Cover des Wörterbuchs bedarf auch keiner Übersetzung: Der Titel Afrikaans en Nederlands ist sowohl Afrikaans als auch Niederländisch.

Zudem werden im Afrikaans die Verben im Präsens nicht konjugiert. Ein Satz wie „wir sind froh“ heißt auf Niederländisch „we zijn blij“ und auf Afrikaans „ons is bly“. Während ons im Niederländischen nur als Possessivpronomen (ons huis = unser Haus) und als Objektform des Personalpronomens vorkommt (we vragen ons af = wir fragen uns), stellt es im Afrikaans zudem auch die Subjektform (ons vra ons af = wir fragen uns), wohingegen das Niederländische hier analog zum Deutschen eine eigenständige Form kennt: we (betont: wij). Aus niederländischer Sicht klingt dieser Satz in etwa so, als würde man sagen: „Uns is froh.“ Die verneinte Form „ons is nie bly nie“ würde demnach wie „uns is nich froh nich“ klingen. Verständlich, aber ungewohnt.

Warum also verlief das Gespräch so selbstverständlich? Dafür gab es vor allem drei Gründe: Zum einen sprach Simon deutlich und nicht allzu schnell. Zum anderen gab es keine ablenkenden Hintergrundgeräusche, da wir die einzigen Kunden im Geschäft waren. Und dann trafen wir wohl auch auf eine sehr freundliche Mitarbeiterin. Diese Faktoren erhöhten die gegenseitige Verständlichkeit und motivierten Simon, auch alle weiteren Gespräche in Amsterdam auf Afrikaans zu führen.

Einmal gab es dann doch Verständnisschwierigkeiten: Als wir abends beim Italiener eine Pizza bestellten, erntete Simon ein ratloses Gesicht der Kellnerin. Sichtlich enttäuscht wechselte er ins Englische. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Kellnerin keine Niederländerin war und Niederländisch erst noch lernte. Simons Gesichtszüge entspannten sich. Den Rest seines Urlaub sprachen wir weiterhin Afrikaans in Amsterdam.