2 von 5: Kritische Betrachtung der Auswirkungen von DEAL auf Bibliotheken

Von Friederike Borchert und Marcus Heinrich

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist über das TIB AV Portal verfügbar.
Zitiervorschlag: Borchert, Friederike und Heinrich, Markus (2021) 2 von 5: Kritische Betrachtung der Auswirkungen von DEAL auf Bibliotheken. Open Access Blog Berlin. DOI: https://doi.org/10.59350/5r8gp-q5f16

Bericht zur Veranstaltung #2 in der Reihe: Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Woche für Berlin-Brandenburg.

Nach der erfolgreichen Auftaktveranstaltung am 22. November 2021 zu dem Thema „Sind wir mit dem kommerziellen Open Access auf dem richtigen Weg?“ setzte die Folgeveranstaltung den Fokus auf die viel diskutierten DEAL-Verträge. Die zweite Veranstaltung aus der Reihe „Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Woche für Berlin-Brandenburg“ mit über 250 Teilnehmer*innen widmete sich am 7. Dezember 2021 der kritischen Auseinandersetzung mit den DEAL-Verträgen und den Auswirkungen dieser auf Bibliotheken unterschiedlichen Typs.

In Kurzvorträgen gaben Jenny Delasalle (Open Access Beauftragte der Charité – Universitätsmedizin Berlin), Jürgen Christof (Direktor der Universitätsbibliothek Technische Universität Berlin), Dr. Claus Dalchow (Leitung Bibliothek Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.) und Dr. Karin Ilg (Leitung Hochschulbibliothek FH Bielefeld) einen Einblick in die Auswirkungen der DEAL-Verträge auf die jeweiligen Einrichtungen. Die Moderation hatte Dr. Klaus-Rainer Brintzinger (Direktor der Universitätsbibliothek Ludwig-Maximilians-Universität München) inne.

Im ersten Vortrag von Jenny Delasalle aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin wurde die Perspektive einer publikationsstarken Einrichtung mit jährlich ca. 6.000 Zeitschriftenartikeln beleuchtet (Präsentation Jenny Delasalle). Durch die Teilnahme an den DEAL-Verträgen sind die Ausgaben für Publikationskosten an der Einrichtung in hohem Maße gestiegen. Hinzukommen würde – nach dem DEAL-Modell – eine hohe Nachzahlung, der die Einrichtung nicht nachkommen könne. Neben der hohen finanziellen Mehrbelastung bringen die Verträge einen großen Kommunikationsbedarf innerhalb der Einrichtung und gegenüber den teilnehmenden Verlagen mit sich. Hinzu kommt die Tatsache, dass durch die Verträge eine Konzentration von öffentlichen Mitteln auf die DEAL-Verlage stattfindet. Neben diesen Herausforderungen werden auch die positiven Auswirkungen der DEAL-Verträge betont: Seit der Teilnahme steige die Anzahl der Open-Access-Artikel rasant an (Gold und Hybrid), und die Ergebnisse deutscher Wissenschaft seien im Sinne des Open Access deutlich sichtbarer. Für die nächsten Verhandlungsrunden empfiehlt Jenny Delasalle insgesamt mehr Transparenz in der Vertragsgestaltung und eine stärkere Orientierung an den Förderbedingungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), idealerweise mit einer Einführung der bewährten Kostenobergrenze von 2.000 Euro, um den Kostenanstieg handhabbar zu machen. Auch die Rolle der kleineren und mittleren Verlage solle insgesamt verstärkt in den Blick genommen werden, um fairere Bedingungen auf dem Publikationsmarkt zu schaffen.

Im Anschluss zog Jürgen Christof ein Zwischenfazit aus seiner Sicht als Direktor der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin (Präsentation Jürgen Christof). Der Open-Access-Anteil bei den ca. 2.200 jährlich erscheinenden Zeitschriftenartikeln lag in den Jahren 2020/21 bereits bei 68 Prozent, nicht zuletzt aufgrund der DEAL-Artikel, die ca. ein Drittel dieser Publikationen ausmachten. Open Access setze sich zusehends als Standard durch, und die DEAL-Verträge leisteten an dieser Stelle ihren Beitrag zur Open-Access-Transformation und zur Erreichung wissenschaftspolitischer Ziele. Die TU Berlin hatte sich bereits in den Anfangsjahren öffentlich klar zu DEAL bekannt. Intern wurde der Vertrag jedoch aufgrund der vielfältigen Herausforderungen durchaus auch kritisch diskutiert, so z.B. bezüglich der Kostenentwicklung. Insbesondere die PAR-Fee wird als deutlich zu hoch bewertet. Zudem sei die steuernde Wirkung auf andere Wissenschaftsverlage durchaus kritisch zu betrachten. Aus Sicht der Wissenschaftler*innen hingegen würden die DEAL-Verträge aufgrund der scheinbaren Kostenfreiheit und Einfachheit durchaus positiv bewertet. Zudem konnte das Zeitschriftenportfolio erweitert werden. Als Anforderungen an die zweite Phase der DEAL-Verträge fordert Jürgen Christof eine Absenkung der PAR-Fee und – wie Jenny Delasalle von der Berliner Charité – eine Kostenobergrenze für Gold-OA-Beiträge. Zudem müssten das Dashboard und anhängige Workflows verbessert werden. Dennoch fällt sein Resümee positiv aus: „Lassen Sie uns positiv nach vorne schauen: Das Glas ist halb voll.“

Abbildung 1: Vortrag Jürgen Christof (TU Berlin)

Dr. Claus Dalchow berichtete als Bibliotheksleiter des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. in einem dritten Vortrag über die Teilnahme an den DEAL-Verträgen aus Sicht einer außeruniversitären Forschungseinrichtung mit natrurwissenschaftlichem Schwerpunkt (Präsentation Dr. Claus Dalchow). Die 150 Forschenden des Instituts publizieren pro Jahr ca. 270 Artikel mit einem OA-Anteil von 60 bis 70 Prozent. Die Teilnahme an den DEAL-Verträgen hätte dabei bis dato keine erkennbaren Auswirkungen auf den OA-Anteil, jedoch sei der administrative Aufwand hoch. Am ZALF seien so nicht die DEAL-Verlage die großen Gewinner, sondern der OA-Verlag MDPI mit wesentlich höheren Wachstumsraten. Auch am ZALF wird das vermeintlich kostenfreie Publizieren als kritisch angesehen, da eine Übergehung der Bibliothek zum Verlust der eigenen Erwerbungshoheit führen könne . Herr Dalchow sieht zudem in der gerechten Verteilung der innerhalb einer Einrichtung verfügbaren Mittel ein zu klärendes Problem.

Im vierten Vortrag berichtete Dr. Karin Ilg, Leiterin der Hochschulbibliothek der FH Bielefeld, über DEAL aus Sicht der Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW). Dieser Hochschultypus zeichne sich durch seine große Vielfalt aus, und so erscheint es wichtig, auch die Besonderheiten dieser Gruppe zu betrachten. Frau Ilg stellte in ihrem Vortrag acht Thesen und Beobachtungen zu den DEAL-Verträgen in Bezug auf die Fachhochschulen auf. HAWen unterstützen grundsätzlich die DEAL-Verträge bzw. das Ziel der Open-Access-Transformation. Zudem seien sie mitunter sehr publikationsstark und kämen den Nachzahlungsaufforderungen nach. HAWen mit einem geringeren Publikationsoutput wären indes bereit, eine Read Fee für den Zugriff zu zahlen. Hier bedürfe es der Kostentransparenz sowie fairer Kostenverteilungsmodelle. Jedoch werde die Umsetzung von DEAL, neben einem Finanzierungsproblem, auch zu einem Problem der Personalressourcen. Diese Hindernisse würden begleitet durch grundlegende Kultur- und Wertediskussionen. Hier gelte es, Chancen zu ergreifen und die Thematik mit einem Schwerpunkt auf den Hochschultypus bundeslandübergreifend zu thematisieren.

Abbildung 2: Vortrag Dr. Karin Ilg (FH Bielefeld)

Fazit und Diskussion

Das Projekt DEAL hat einen entscheidenden Beitrag zur Open-Access-Transformation der letzten Jahre beigesteuert. Dennoch bleiben viele herausfordernde Zukunftsfragen offen. Anhand von vier Vorträgen aus unterschiedlichen Informations- bzw. Wissenschaftseinrichtungen wurde der Versuch unternommen, eine multiperspektivische Betrachtung der DEAL-Verträge zu ermöglichen.

Eingangs stellten sich dabei die Fragen nach neuen Aufgaben im Zusammenhang mit der Administration der DEAL-Verträge sowie den vielfältigen finanziellen Herausforderungen. Doch wie hoch ist der Wert der DEAL-Verträge in Hinblick auf den Kulturwandel hin zu Offenheit in Wissenschaft und Forschung einzuschätzen? Auf Grundlage dessen, sowie der Beiträge und der Diskussion, kann zusammenfassend konstatiert werden:

  • DEAL ist ein Baustein der Open-Access-Transformation und ermöglicht es Bibliotheken, zentraler Akteur einer vernetzten Informationsinfrastruktur zu sein.
  • Die Steuerungswirkung von DEAL mit Blick auf die Preispolitik der involvierten Verlage scheint eher begrenzt, aber DEAL ist ein Motor für strukturelle Veränderungen in Forschungseinrichtungen. Zukunftsthemen wie Open Science sind Gemeinschaftsthemen. DEAL bringt Open-Access-Akteur*innen zusammen und ermöglicht Chancen. Das gilt nicht zuletzt für Bibliotheken und Einrichtungsleitungen.
  • Die Diskussion um DEAL dreht sich vermehrt um die Finanzierungsproblematik und entfernt sich im Kern dabei von den ursprünglichen Transformationszielen: Erhöhung des Open-Access-Anteils von Forschungsergebnissen; Verbesserung der Informationsversorgung; Etablierung eines fairen, zukunftsorientierten Preismodells (orientiert am Publikationsaufkommen).
  • Forschungseinrichtungen sind vielfältig und stehen daher vor mannigfaltigen Herausforderungen, die gerade im Zusammenhang mit publikationskostenbasierten Open-Access-Modellen zum Teil von grundlegenden Kultur- und Wertediskussionen begleitet werden.
  • Nachzahlungsforderungen stellen für einzelne Einrichtungen mitunter große Herausforderungen dar.
  • Die finanzielle Hauptlast kann nicht dauerhaft von Bibliotheken getragen werden. In der Konsequenz müssen die Durchschnittskosten angepasst werden. DEAL kann einen solidarischen Finanzierungsansatz für Open Access bedeuten. Finanzielle Mehrbedarfe durch institutionsinterne Umlenkungsprozesse abzudecken, ist allerdings kaum praktikabel. Noch viel herausfordernder sind Umverteilungsprozesse in einem Bundesland, ganz zu schweigen von einer – vermutlich illusorischen – bundesweiten Umverteilung von Mitteln.
  • Das Projekt DEAL hat zur Folge, dass sich ein erheblicher Teil der öffentlichen Gelder auf Großverlage konzentriert, wodurch sich die Marktposition der Verlagsseite gegenüber nicht gewinnorientierten Lösungen disparat entwickelt. Alternative Open-Access-Publikations- und Finanzierungsmodelle müssen aktiver in den Blick genommen werden.

Die DEAL-Verträge stellen Hochschul- und Forschungseinrichtungen vor vielfältige Herausforderungen, und es wird deutlich, dass derartige Verträge in der aktuellen Form keine Blaupausen für andere Verlage darstellen können. Doch wie sehen Alternativen aus? Wohin können uns andere Wege führen? Sie sind herzlich eingeladen, am 19. Januar 2022 von 14:00 bis 15:30 Uhr mit uns zu der Frage zu diskutieren: Sind Wissenschaftseinrichtungen die besseren Verlage?

Kein Budget für Open Access? Workshop zu Workflows im Rahmen der Budgetentwicklung an Fachhochschulen in Berlin-Brandenburg

Von Daniela Celis Roggendorf

Der Workshop „Workflows im Rahmen der Budgetentwicklung für die Open-Access-Transformation an Fachhochschulen in Berlin und Brandenburg“ fand am 25. November 2021 virtuell statt und wurde im Rahmen des BMBF-Projekt open-access.network vom Helmholtz Open Science Office gemeinsam mit dem Netzwerk von Forschungsreferent*innen an den Fachhochschulen in Berlin und Brandenburg organisiert.[1]
Im Rahmen der Implementierung von Open-Access-Praktiken in den Fachhochschulen gewinnt das Thema Budgetentwicklung und Ressourcenplanung (finanziell sowie personell) an Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellt die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen Forschungsreferent*innen und Bibliotheksmitarbeitenden ein wesentliches Element dar. Dementsprechend ermöglichte der Online-Workshop eine Teilnahme im Tandem-Format, so dass aus jeder Einrichtung jeweils eine Vertreter*in der Bibliothek und der Forschungsadministration eingeladen wurde.

Schima, Juliann (open-access.network): „Workflows im Rahmen der Budgetentwicklung für die Open-Access-Transformation“

Drei Impulsvorträge zu Beginn gaben erste Einblicke in das Thema der Budgetentwicklung und möglicher Diskussionspunkte. Paul Schultze-Motel (Helmholtz Open Science Office / open-access.network) zielte in seinem Vortrag auf eine zentrale Frage hin: Aus welchem Etat werden bzw. sollen die Open-Access-Publikationskosten bezahlt werden?
In einem zweiten Vortrag führte Benjamin Auberer (Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München) Erkenntnisse seiner Masterarbeit „Etatverteilung nach dem DEAL: Ergebnisse einer überregionalen Interviewstudie an Universitätsbibliotheken“ aus.[2] Mit Blick auf die schwankenden Publikationszahlen sind unter anderem die  Flexibilisierung von Etats sowie die Vernetzung innerhalb der Einrichtungen bezüglich der  Budgetverwaltung und des Monitorings notwendig. Er hob die zentrale Stellung der regionalen Vernetzung und die Rolle von Bibliotheken innerhalb von Forschungsprozessen hervor.
Zuletzt beschrieb Günter Mey (Hochschule Magdeburg-Stendal) seine Erfahrungen in der Umsetzung von Open Access an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Von Relevanz für den Prozess seien die Unterstützung der Leitungsebene innerhalb der Einrichtung, eine gute Kommunikation zwischen den einzelnen forschungsunterstützenden Abteilungen und den Forschenden, transparente Informationen sowie die Kooperation zwischen verschiedenen Open-Access-Projekten und –Akteur*innen, intern sowie extern.

Im zweiten Teil des Workshops gingen die Hochschulteams in einen fokussierten Austausch.
Die zwei Diskussionsgruppen hielten fest, dass es trotz verschiedener Grade der Implementierung von Open Access an den Einrichtungen viele gemeinsame Erfahrungen gibt. So wird die Open-Access-Transformation an den meisten Fachhochschulen von Forschungsreferent*innen und Bibliothekar*innen als einer von vielen Aufgabenbereichen betreut. Eine zentrale Erkenntnis aus den Arbeitsgruppen ist, dass Open Access dauerhaft in der Struktur der Hochschule verankert sein sollte. In Bezug auf die Budgetentwicklung wurde das Monitoring von Publikationsoutputs als zentral eingeschätzt, um eine Prognose der Publikationskosten erreichen zu können. Für das Monitoring ist der Einsatz von Forschungsinformationssysteme (FIS) von großer Bedeutung, um die Forschungsaktivitäten und -projekte der Hochschulen umfassend offenzulegen. Von hoher Relevanz sind hier Schnittstellen zu anderen Systemen innerhalb der Einrichtung und zu externen Services. So könnte eine Automatisierung von Workflows ermöglicht und Arbeitsaufwände gesenkt werden.

Im Anschluss an die Arbeitsgruppenphase gaben das Open-Access-Büro Berlin (OABB) und die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg (VuK) Einblicke in die Arbeitsfelder der beiden Vernetzungsstellen sowie Anknüpfungspunkte für zukünftige Aktivitäten, die die Hochschulen bei der Open-Access-Transformation unterstützen.

Ein Fazit des Workshops: Open Access ist ein Querschnittsthema innerhalb der Einrichtungen und bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen Forschungsreferaten und Bibliotheken. Das Format hat sich als sehr kommunikationsfördernd für den Anstoß und die Weiterentwicklung der Kommunikation zwischen den Vertreter*innen beider Serviceeinheiten erwiesen. Darüber hinaus wird ein konstanter und aktiver Austausch der Fachhochschulen untereinander als wichtig eingeschätzt, um die Open-Access-Transformation zu unterstützen.

Der Workshop ist Teil einer Reihe, die sich dem Schwerpunkt „Budgetentwicklung im Kontext der Open-Access-Transformation“ widmet. Das Angebot wird im Rahmen von open-access.network durch das Helmholtz Open Science Office ausgerichtet. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage von open-access.network.


[1] Eine Veröffentlichung der Erhebungen im Rahmen der Masterarbeit von Benjamin Auberer, „Etatverteilung nach dem DEAL: Ergebnisse einer überregionalen Interviewstudie an Universitätsbibliotheken“ steht gegenwärtig noch aus.
[2] Teilnehmende Fachhochschulen in Berlin und Brandenburg: Alice Salomon Hochschule Berlin, Berliner Hochschule für Technik, Evangelische Hochschule Berlin, Fachhochschule Potsdam, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Hochschule für Technik und Wirtschaft, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, Technische Hochschule Brandenburg, Technische Hochschule Wildau.


1 von 5: Sind wir mit dem kommerziellen Open Access auf dem richtigen Weg?

Von Linda Martin, Sebastian Nix und Frank Seeliger

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist über das TIB AV Portal verfügbar.

Bericht zur Veranstaltung #1 in der Reihe: Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Week Berlin-Brandenburg

Open Access rückt den routinierten Abläufen der Erwerbung und Publikationsunterstützung in den Bibliotheken immer mehr zu Leibe! Wurde vor dreißig Jahren noch mit Distanz zum Preprint-Server arXiv und den nachfolgend entsprechenden Impulsen wie der Budapest Open Access Initiative (BOAI) geblickt, besteht nun Handlungsbedarf. Spätestens seit der Impulsgebung durch einige Länder- und Hochschulinitiativen oder durch die bundesweiten Transformationsverträge im Rahmen des Projekts DEAL ab dem Jahr 2019 treffen Verantwortliche in Informationseinrichtungen regelmäßig Entscheidungen, um diese strategischen Instrumente für ihre Häuser, an lokale Bedingungen angepasst zu operationalisieren.

Open Access ist über alle betrieblichen Einheiten einer wissenschaftlichen Bibliothek hinweg eine Querschnittsaufgabe geworden. Die Länder Berlin und Brandenburg unterstützen eigene Open-Access-Vernetzungsstellen für die Umsetzung der jeweiligen Landesstrategien an den Einrichtungen. Aus dieser Nähe zu Open Access entstand eine Interessengruppe aus Personen und Institutionen, die zusammen die Zukunft der Open-Access-Transformation anhand einer fünfteiligen Veranstaltungsreihe kritisch reflektieren möchte.

Mit einem Vorlauf von einem guten halben Jahr konnte am Montag, 22. November 2021, der Auftakt der Open Access Week Berlin-Brandenburg virtuell über die Bühne gehen, und das gleich mit einer “Einschaltquote” von annähernd 300 Interessent*innen. Bis März 2022 werden an einem fortschreitenden Wochentag pro Monat Fokussierungen auf Open Access gesetzt. Die thematische Klammer bilden Fragen zu Bedarfen und Erfahrungen, bislang verborgenen Aspekten und Blickwinkeln, neuen Anforderungen an die Mitarbeiter*innen von Bibliotheken sowie die Perspektive auf die Zukunft der Open-Access-Transformation. Alle fünf Diskussionsveranstaltungen werden aufgezeichnet und sind über das TIB AV Portal dauerhaft frei verfügbar.

Am Nachmittag des 22. November 2021 gingen Dr. Jens Peter Gaul (Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz), Dr. Ulrich Herb (Leiter Abteilung Elektronische Publikationsangebote an der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek) und Dr. Anja Oberländer (Leitung Team Open Science am Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM) der Universität Konstanz) in die Diskussion, die gekonnt moderiert wurde von Dr. Christina Riesenweber (Ansprechpartnerin für Open Access und wissenschaftliches Publizieren an der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin). Nicht teilnehmen konnte krankheitsbedingt Prof. Dr. Thomas Grebel (Institut für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Ilmenau), welcher mit Kolleg*innen APCs (article processing charge, mithin Gebühren für die Veröffentlichung von Open-Access-Artikeln in wissenschaftlichen Journalen) in Bezug auf Fachgebiete, Substitutionsmöglichkeiten und die Marktmacht von Verlagen analysierte. Die Ergebnisse der Untersuchung bieten einige Erkenntnisse, die in absentia andiskutiert wurden:

“The results suggest that Health Sciences and Life Sciences, i.e. the fields with the highest financial endowments and a lack of substitutes for accessing non-OA papers, display the highest APC levels, whereas Social Sciences, i.e. a field with a lower willingness-to-pay and widespread use of preprints shows significantly lower prices. … In addition, we could show – in line with the existing literature – that the strategy to amend the traditional subscription-based model with an OA option, i.e. to create so-called hybrid journals, pays off for established publishers. They seem to be able to convey their market power from the traditional to the new world of digital publication. […] As our empirical exercise shows, in spite of roughly homogeneous production costs of publishing OA journals across publishers, which we believe to be a legitimate assumption, APC to be paid by libraries/authors vary significantly across disciplines and publishers, which to a large extent can be attributed to their market power – even when controlling for reputation” (S. 16 f.).

Derartige ökonomische Erkenntnisse sollten in die künftigen Debatten einfließen, um die Bepreisung von Open Access an den aufwandsgerechten Publikationskosten und weniger an der Gewinnmaximierung auszurichten. Wie in der Diskussion herausgestellt wurde, stammen 85 % der Einnahmen der Verlage aus öffentlichen Geldern. Mit dem Wissen um Alternativen und damit verbundene Kosten sollte sich die Marktmacht ‘öffentlicher Sektor’ stärken lassen, auch wenn Jens-Peter Gaul bemerkte, dass man nach 500 Jahren Subskriptionsgeschichte in Deutschland nicht direkt auf bedingungsloses Open Access umlegen könne. Die Moderatorin Christina Riesenweber ergänzte diese Aussage um ein Zitat aus zuvor benannter Studie: Das durchschnittliche Alter der darin berücksichtigten Verlage beträgt 135 Jahre. 

Ziel der Diskussion unter der Überschrift “Sind wir mit dem kommerziellen Open Access auf dem richtigen Weg?” – wobei “kommerziell” in diesem Zusammenhang, wie die Moderatorin zu Beginn ausführte, abhebt auf publikationskostenbasierte, gewinnorientierte Open-Access-Geschäftsmodelle – war jedoch nicht, einen Antagonismus zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlichen Trägerschaften abzubilden. So geht es nicht um eine Disintermediation von Verlagen, sondern den neuen Zuschnitt von sich ergänzenden Kompetenzfeldern und Reputationsmechanismen. 

Nachfolgend seien einige der artikulierten Einsichten und Statements in einem Florilegium erfasst:

  • Die Roadmap von DEAL ließ Nebenstraßen unbeachtet und verlor damit Verlage, die aufgrund ihres Geschäftsmodells gegenüber Open Access prinzipiell aufgeschlossen gegenüberstehen , ebenso ein Stückweit aus dem Blick wie alternative Open-Access-Publikations- und Finanzierungsmodelle.
  • Die ausgehandelten DEAL-Verträge sind getragen vom kleinsten gemeinsamen Nenner der sehr divers eingebundenen Protagonist*innen mit ihren unterschiedlichen Interessen und Verhandlungszielen.
  • Die drei DEAL-Verträge haben zu einer deutlichen Ausweitung der Open Access-Quote geführt.
  • Die DEAL-Verträge bewirken allerdings keine Strukturveränderung, zum Beispiel bezüglich. der Abhängigkeiten von großen, marktbeherrschenden Verlagen. Im Gegenteil könnte die Fokussierung auf ein Modell, bei dem für das – für Forschende gewissermaßen “überlebenswichtige” und in Bezug auf die dafür geeigneten Medien, nämlich jeweils fachlich renommierte Journale – Publizieren von wissenschaftlichen Inhalten Geld zu bezahlen ist statt für Möglichkeit, diese Inhalte zu “konsumieren”, die Abhängigkeit des Wissenschaftssystems von den dominanten “Playern” in der wissenschaftlichen Verlagsbranche noch wachsen. Denn: Diese “Player” verfügen über eine “Quasi-Monopol” in Bezug auf die renommeeträchtigen Publikationsmedien. Es ist auch noch keineswegs absehbar, wie die jüngst von Bernhard Mittermaier publizierte Untersuchung “Transformationsverträge – Stairway to Heaven oder Highway to Hell?” zeigt, dass es durch die DEAL-Verträge überhaupt zu einer flächendeckenden “Transformation” des Geschäftsmodells von Wissenschaftsverlagen hin zu Open Access kommt.
  • Das im White Paper der MPDL angenommene “Nullsummenspiel” in der Umstellung von Lizenzierungskosten auf publikationsbasierte Abrechnungen greift absehbar nicht in der Praxis. Es ist festzustellen, dass – anders als zum Beispiel von der BOAI intendiert – im Gegenteil die Transformation erforderte, mehr Geld in das System zu geben als zuvor.
  • Open Access verändert die Ausrichtung der verlagsseitigen Geschäftsfelder in Richtung (auch) technikgetriebener,forschungsbegleitender Services (inkl. eines wachsenden Innovationsvorsprungs, auch finanziert mit öffentlichen Geldern in einer oligopolistischen Marktsituation ), wodurch der Wettbewerb mit nicht gewinnorientierten Lösungen sich verschärft, beispielsweise mit von Forschungs- und/oder forschungsnahen Infrastruktureinrichtungen betriebenen und weiterentwickelten Plattformen für Open-Access-Journale auf Basis der freien Software “Open Journal Systems” (OJS).
  • Ein etwaig dennoch entstehender Preisdruck auf Verlage durch Open Access darf nicht “kompensiert” werden, indem den Verlagen seitens der Wissenschaftseinrichtungen weitgehende Möglichkeiten zur Erschließung von Geschäftsfeldern wie dem Datentracking zur Erstellung von Nutzendenprofilen eröffnet werden. Siehe hierzu auch das Informationspapier des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) der DFG zu Datentracking in der Wissenschaft: Aggregation und Verwendung bzw. Verkauf von Nutzungsdaten durch Wissenschaftsverlage.
  • Publikationsbasierte Modelle erschweren die Planbarkeit von Budgets.
  • Ziel der Open-Access-Transformation ist es, das Nord-Süd-Gefälle in der Wissenschaftskommunikation zu verringern, nicht die Schieflage zu verstärken. Zwar ermöglicht Open Access weltweit nun in größerem Umfang den kostenfreien Zugriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Zugleich besteht aber die Gefahr, dass die Länder des globalen Südens durch die Notwendigkeit des Bezahlens für das Publizieren ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Möglichkeiten einer aktiven Beteiligung an der Wissenschaftskommunikation beschränkt werden.
  • DEAL muss in einer zweiten Phase besser auf das Preis-Leistungs-Verhältnis bzw. den Kostenfaktor insgesamt und, auch in Bezug auf die beteiligten institutionellen Akteure, auf Transparenz ausgerichtet sein.
  • APC-freie, wissenschaftsgetragene Angebote, etwa auf Basis von OJS, oder die “Open Library of Humanities” (OLH) werden längst noch nicht so breit genutzt wie erhofft. Ähnliches gilt für andere Varianten von Open Access wie beispielsweise den sogenannten “grünen Weg”, das heißt die freie Zugänglichmachung von wissenschaftlichen Publikationen, die auch im “closed access” erschienen sind, unter möglichst klaren, leicht praktisch umsetzbaren Rahmenbedingungen. Diese könnten beispielsweise auch Bestandteil “konventioneller” Lizenzverträge sein, die im Wesentlichen zum kostenpflichtigen Zugriff auf wissenschaftliche Publikationen berechtigen.
  • Es besteht die Gefahr einer “Zersplitterung” der von Forschungseinrichtungen und wissenschaftsnahen Infrastruktureinrichtungen betriebenen Open-Access-Infrastrukturen; hier muss eine stärker konzertierte Vorgehensweise Abhilfe schaffen.
  • “Big Deals” für den Ausbau von Open Access sollten nicht nur auf nationaler, sondern auch europäischer Ebene verhandelt werden und im besten Falle “community-driven” sein.
  • Qualitätskriterien für Open Access können ähnlich wie neue Reputationsnomenklaturen nur in den wissenschaftlichen Communities entwickelt werden und werden absehbar fachspezifisch unterschiedlich ausfallen.
  • Auch Bibliotheken sollten künftig einen Teil ihres Budgets dafür reservieren, ihn in „offene Infrastrukturen“zu investieren.

Nach diesem vielbeachteten Auftakt der virtuellen Open Access Week Berlin-Brandenburg wird innerhalb der nächsten Veranstaltung das Thema DEAL vertieft behandelt.  Am Nachmittag nach Nikolaus werden wir uns mit DEAL speziell aus der Perspektive von operativ mit der Abwicklung der Verträge befassten Einrichtungen beschäftigen. Diskutieren Sie mit am 7. Dezember 2021 von 14:00 bis 15:30 Uhr zum Thema “Kritische Betrachtung der Auswirkungen von DEAL auf Bibliotheken”.

Bericht zum Berlin-Brandenburger OPUS 4 Repository Workshop 2021

von Anita Eppelin und Sophie Kobialka

Der virtuelle “OPUS 4 Repository Workshop” am 17.8.2021 diente dem Austausch zwischen Nutzer*innen der Repository-Software mit einem Schwerpunkt auf den OPUS-Einsatz im Rahmen von institutionellen Open-Access-Strategien. Vierzehn Vertreter*innen von Hochschulen und Universitäten aus Berlin und Brandenburg nahmen am Workshop teil.¹ Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung vom Open-Access-Büro Berlin (OABB), der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg (VuK OA Brandenburg) sowie dem Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV).

Eingeleitet wurde der Workshop mit zwei kurzen Umfragen, um die Bedeutung von OPUS-Repositorien an den Einrichtungen der vierzehn Teilnehmer*innen zu beleuchten: 11 Teilnehmende gaben an, an Einrichtungen tätig zu sein, die seit mindestens 3 Jahren ein OPUS-Repositorium betreiben und 43% seit mehr als 10 Jahren. Den Open-Access-Anteil der Publikationen auf den Repositorien gab fast die Hälfte der Teilnehmenden mit bis zu 20% an, 42% mit über 50-100%.

Die Ergebnisse geben bereits Hinweise auf den Stellenwert der OPUS 4-Repositorien bei der Umsetzung der Open-Access-Strategien an den Hochschulen. Um den Eindruck anhand konkreter Nutzungsszenarien zu vertiefen, schloss sich ein Vortragsblock zu lokalen Lösungen und Herausforderungen bei der Anwendung der Repositorien an. Drei Erfahrungsberichte kamen von Vertreter*innen der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH), der Technischen Hochschule Wildau (TH Wildau) und der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (HfS).

Erfahrungsberichte verschiedener OPUS 4-Szenarien und Informationen zum OPUS 4 Hosting

Das Repositorium aliceOpen der ASH, das von Joachim Dinter vorgestellt wurde, besteht seit 2009, legt einen Fokus auf die Fachbereiche Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung und stellt auch Publikationen bereit, die sich an Berufspraktiker*innen wenden.² Seitens der ASH-Angehörigen bestehe ein großes Interesse an Publikationsberatung, auf das die Bibliothek seit 2020 mit einem verstärkten Angebot reagiert. Dies habe einen positiven Effekt auf die Publikationen in aliceOpen; zudem gibt es einen “Nachahmungseffekt”, wenn Hochschulangehörige im Repositorium publizieren.
Als Weiterentwicklungswünsche für OPUS 4 wurden ein Videostreaming-Feature und die Archivierung von Projektseiten genannt; auch ein zeitgemäßeres Erscheinungsbild der Oberfläche wurde gefordert. Zum Thema Videostreaming wurde eine föderative, multimediale Streaming-Plattform seitens der UdK empfohlen. Über diese Plattform bereitgestellte Video-Inhalte können im Repositorium verlinkt werden.

Wie Friederike Borchert berichtete, betreibt die TH Wildau seit 2007 ein reines Open-Access-Repositorium auf OPUS 4-Basis, das einen Zuwachs von ca. 150 Publikationen pro Jahr hat.³ Im Repositorium sind – neben weiteren wissenschaftlichen Publikationsformen – insbesondere Artikel eines Open Access Journals der TH Wildau und Konferenzbeiträge verfügbar. Es besteht eine Verknüpfung zur Hochschulbibliographie und ein hochschuleigenes Tool für den Import von Metadaten in das OPUS 4-Repositorium.

Anika Wilde stellte das von der HfS gemeinsam mit der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und der Kunsthochschule Berlin-Weißensee betriebene OPUS 4-Repositorium vor, das verschiedene Disziplinen und Publikationsformate vereinbart. Das kooperative Modell der Repositoriennutzung mit seinen offensichtlichen Vorteilen, aber auch einem erhöhten Koordinationsaufwand, stieß auf reges Interesse. Insbesondere wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen (geregelt durch Verträge der Hochschulen untereinander) und der Umgang mit Haftungsfragen diskutiert.

Zum Abschluss des Vortragsblocks stellte Steffi Conrad-Rempel den OPUS 4 Hosting Service des KOBV vor.⁴ Gesetztes Ziel sei es, den  Open-Access-Anteil der Publikationen, die auf den Repositorien bereitgestellt werden, deutlich zu erhöhen. Dies wird bei der Betreuung der anwendenden Einrichtungen beim Aufbau von OPUS 4-Instanzen stets mitgedacht. Das Projekt DeepGreen kann hierbei durch automatisiertes Einspielen von Open-Access-Publikationen in OPUS 4-Repositorien einen maßgeblichen Beitrag leisten und zugleich die Einrichtungen entlasten. Derzeit gibt es ca. 110 OPUS-Repositorien in Deutschland, davon wird fast die Hälfte vom KOBV gehostet.

Kollegiale Beratung und Diskussion: Open-Access-Akzeptanz, Qualitätsfragen und OPUS 4-Features

Im zweiten Teil der Veranstaltung lag der Fokus auf der kollegialen Beratung in Kleingruppen. Die Teilnehmenden tauschten sich zu einer breiten Vielfalt von Aspekten der Repositorien-Arbeit aus. Besonders intensiv wurde das Thema der Bewerbung des Repositoriums und von Open Access an den Einrichtungen besprochen. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich E-Learning-Plattformen (z.B. Moodle) zur hochschulinternen Bereitstellung und Verbreitung von Informationsangeboten zum Open-Access-Publizieren eignen. Das Erstellen von Anleitungen zum (Open-Access-)Publizieren bietet sich für einen kollegialen Austausch und eine Nachnutzung schon erarbeiteter Inhalte besonders an. Allgemeines Ziel ist die Verringerung der Hürden bei der Repositoriennutzung. Jedoch führe nach Erfahrung der Teilnehmenden eine Vielzahl detaillierter und umfangreicher Materialien nicht immer zu einer besseren Information der Publizierenden und stärkerer Nutzung des Repositoriums, da sie einen Effekt des “Erschlagens” haben können. Es wurden einige gelungene Beispiele und Ideen gesammelt (z.B. die einfachen 1-min-Erklärvideos der FU Berlin oder Interviewreihen mit Forschenden), jedoch seien die Ressourcen vor Ort zumeist ein limitierender Faktor für die Umsetzung. Die Mehrheit der Teilnehmenden gab an, dass Forschende ohnehin keine Zeit für das eigenständige Hochladen ihrer Publikationen haben; vielmehr sollte das Einstellen als Service der Bibliothek angeboten und beworben werden.

Für die Teilnehmenden sehr relevant ist das Thema der Qualitätssicherung des Repositoriums und des damit verbundenen Publikationsservices. Das DINI-Zertifikat dient als Qualitätsmerkmal für entsprechend zertifizierte Repositorien, auch in der Kommunikation gegenüber Forschenden, insbesondere, da es zu mehr Sichtbarkeit der Publikationen führe. Die Kriterien des periodisch aktualisierten DINI-Zertifikats können Einrichtungen als Richtlinie für gute Repositorien-Praxis dienen – auch dann, wenn die Erlangung des Zertifikats (noch) nicht im Fokus stehen sollte. Wenn eine Einrichtung selbst die Zertifizierung anstrebt, empfiehlt sich eine Orientierung an bereits zertifizierten Repositorien; der damit verbundene Aufwand ist nach Erfahrung bereits zertifizierten Einrichtungen überschaubar (auf Seiten der betreibenden Einrichtung seien hauptsächlich Anpassungen der beschreibenden Texte zum Repositorium nötig). Ferner wurden Aspekte der Verknüpfung mit der Hochschulbibliographie sowie die ORCID-Nutzung besprochen.

Schließlich wurde diskutiert, durch welche Maßnahmen die inhaltliche Qualität der Publikationen im Repositorium gesichert werden kann (Stichworte “Predatory Publishers” und Aufnahme von Qualifikationsarbeiten), insbesondere unter dem Aspekt der Akzeptanz von Open Access im Allgemeinen und des eigenen Repositoriums im Speziellen. Hier wurde die Einbindung von Fachreferent*innen genannt.

Im Hinblick auf die technischen Funktionalitäten von OPUS 4-Repositorien wurde über Erfahrungen und Lösungen zum Abbilden mehrerer Publikationsversionen diskutiert (ein Versionierungs-Feature wird OPUS 4 laut KOBV in absehbarer Zeit nicht bieten). Es wurde auf die Möglichkeit verwiesen, Versionen von Publikationen durch Hinweise und Querverlinkungen in nicht genutzten Feldern zu hinterlegen  (z.B. das Feld “Weitere Hinweise”). Wichtig ist eine klare Nachvollziehbarkeit der Status der Publikationen und ihrer Beziehungen. Des Weiteren wurde der Nachweis von Forschungsdaten, nicht-textuellen Materialien oder auch Enhanced Publications im Repositorium besprochen. Dies werde zunehmend von Forschenden angefragt. Derzeit erscheint die Verlinkung zu dafür speziell ausgerichteten Plattformen, idealerweise über einen Persistent Identifier, sinnvoller als die aufwendige Erfassung in einem nicht für solche Formate ausgelegten System (vgl. Videostreaming). Eine Gruppe diskutierte darüber, wie die Überprüfung auf Schadsoftware (Malware) – vor oder nach dem Publikationszeitpunkt – gewährleistet werden kann. Für eine gute Auffindbarkeit der Publikationen im Repositorium wurde schließlich die Wichtigkeit eines reibungslosen und fehlerfreien Datenaustauschs zwischen OPUS 4 und den Bibliothekssystemen betont. In diesem Zusammenhang wurde die Idee eines gemeinsamen Suchportals über die Berliner und Brandenburger OPUS-Instanzen diskutiert (gemeinsame Darstellungsoberfläche der Publikationen mehrerer Repositorien, ähnlich Albert/Wissenschaftspark Potsdam oder Share-It, das gemeinsame Repositorium der Hochschulbibliotheken in Sachsen-Anhalt). Jedoch erscheinen der Mehrwert und die Akzeptanz seitens der Forschenden schwer abschätzbar, da diese ganz überwiegend globale Suchmaschinen nutzen (z.B. BASE).

Abschluss: Feedback und Ausblick

Zum Abschluss des Workshops wurden Themenwünsche für zukünftige Austauschformate sowie Feedback formuliert. Zum Workshop selbst, und dabei insbesondere die Realisierung des kollegialen Austauschs, gaben die Teilnehmenden positives Feedback – eine Wiederholung wird gewünscht. Die beiden Vernetzungsbüros wurden gebeten, dabei einen Fokus auf die Idee einer gemeinsamen Publikationsplattform zu legen. Ebenfalls Bedarf für einen kollegialen Austausch gibt es zu den Themen Open-Access-Transformationsverträge, Zweitveröffentlichungen, Verlagsvereinbarungen und DINI-Zertifizierung. Ein Thema, dem sich die Landesinitiativen unterstützend widmen können, ist die Bewerbung zu Open Access vor Ort, da hierbei z.B. ähnliche oder gleiche Informationsmaterialien eingesetzt werden können (wie z.B. ein Leitfaden zum Publizieren); auch besteht eine enge Vernetzung auf Landesebene mit dem Projekt open-access.network, das zahlreiche Materialien und Veranstaltungsformate entwickelt.

¹ HWR, ASH, UdK, HTW, HfS Ernst Busch Berlin, HNE Eberswalde, BTU Cottbus, TH Brandenburg und TH Wildau  

² Dinter, J. (2021). aliceOpen – das Repositorium der Alice Salomon Hochschule Berlin. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5221937

³ Borchert, F. (2021). Der Einsatz von OPUS an der TH Wildau. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5215924

⁴ Conrad-Rempel, S. (2021). OPUS 4 – Hostingservice beim KOBV. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5226332