Nur ein Forschungsthema? Open Access in der Buch-, Bibliotheks- und Informationswissenschaft

Bericht zum Online-Workshop am 11. Oktober 2022
Von Anna Lingnau und Linda Martin

Für die Studiengänge der Buch-, Bibliotheks- und Informationswissenschaften ist das Thema Open Access keine Unbekannte. Innerhalb der Curricula finden sich Inhalte, die Open Science und das Forschungsdatenmanagement vermitteln möchten. Doch wie steht es um das Thema Openness innerhalb der Disziplinen? Welche Entwicklungen prägen die Forschenden dieser Fächer mit und ist Open Access ein gängiger Weg zu publizieren? Diese und andere Fragen adressierten der Fachinformationsdienst Buch-, Bibliotheks- und Informationswissenschaften und open-access.network gemeinsam in einem Online-Workshop am 11. Oktober 2022.

Dr. Nikolaus Weichselbaumer, Buchwissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, schärfte das Verständnis der Teilnehmenden für die diametrale Rolle von Quellen und Publikationsformen, die „born digital“ und diejenigen, die nachträglich digitalisiert wurden. Weichselbaumer hob die zentrale Rolle von Vereinen und kleinen Verlagshäusern hervor, die für die Buchwissenschaft wichtige Journale und Reihen publizieren und für die finanzielle Realisierbarkeit und das „Publizieren in guter Nachbarschaft“ (gemeint ist das Publizieren in Reihen oder Sammelbänden gemeinsam mit anderen Kolleg*innen des Faches) zentral seien.
Esther Asef, Informationswissenschaftlerin und tätig im Forschungsdatenmanagement an der Freien Universität Berlin, ergänzte diese Sichtweise mit einem Einblick in das Publikationsverhalten von Bibliotheks- und Informationswissenschaftler*innen, welches sie 2017 untersuchte. „Es wäre spannend, wenn das Thema nun, nach ein paar Jahren, wieder aufgegriffen würde und auch Diamond Open Access einfließen könnte“, sagte Asef.

Mentimeter-Umfrage zu Beginn des Workshops.

Einen Einblick in die Praxis gab Laura Rothritz, die über ihre Erfahrungen zur Herausgabe eines Proceedings-Bandes in einem genuinen Open Access Journal berichtete, dessen richtige Formatierung sich als Herausforderung erwies. „Eine Unterstützung von Textformaten, die sich automatisiert bearbeiten ließen (z.B. LaTex), würde eine Erleichterung des Workflows darstellen“, da waren sich die Referentin und die Zuhörenden einig. Die Organisation der Open-Access-Transformation von Community Journals erfordere Kenntnisse und das Vorhandensein von Tools zur (teil-)automatisierten Aufbereitung der Texte und der Metadaten.
Ein Bindeglied zwischen diesem und dem nachfolgenden Beitrag stellten die Herausgeber*innenverträge dar. Prof. Dr. Christoph Bläsi, Buchwissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, beleuchtete verschiedene Stakeholder des wissenschaftlichen Publizierens in den Geistes- und Sozialwissenschaften und Ergebnisse aus dem Projekt „Autor:innen und Rechtssicherheit für Open Access“ (AuROA). Die in dem Projekt erstellten modularen Musterverträge sollen die Wahl einer Open-Access-Publikation erleichtern und die Autor*innen ermutigen, ihren „Verhandlungsspielraum gegenüber Verlagen zu nutzen“, so Bläsi. Gleichermaßen könnten Verlage, die ebenfalls befragt wurden, die Bausteine zur Erstellung von eigenen Verträgen benutzen. 

Beschlossen wurde der Workshop mit zwei „Zauberstablisten“, auf denen die Teilnehmenden offene Bedarfe und bestehende Herausforderungen bei der Publikation im Open Access notierten. Die Sorge um Finanzierungsmöglichkeiten und die Wahl von Herausgebenden auf bekannte, tradierte Verlagshäuser zu setzen, wurde um wertvolle Ideen zur Stärkung von Open Access ergänzt. So sollten Kompetenzen rund um das wissenschaftliche Publizieren bereits in den Curricula der Studiengänge implementiert werden. Darüber hinaus wäre es gut, wenn „Regelungen für Grünes Open Access unkomplizierter und rechtssicher sein“. Etablierte Forschende müssten gleich einer „Dampflok“ dazu beitragen, das Renommé von Open Access-Repositorien, -Zeitschriften und -Reihen zu steigern.  Es herrschte Uneinigkeit, ob ein Repositorium speziell für Forschende der Buch-, Bibliotheks- und Informationswissenschaften bestehen sollte: Einige hoben den Vorteil einer Ablage für Daten und Texte aus der Community hervor, andere Teilnehmende verwiesen darauf, dass die Zahl von allgemeinen und Fachrepositorien aus Forschendenperspektive schon jetzt schwer überschaubar sei. 

Die Dokumentation zum Workshop finden Sie auf der Webseite zum Workshop. Die Reihe der Thematischen Workshops wird im November um Angebote für Wissenschaftler*innen und Autor*innen der Afrikastudien und der Künste fortgesetzt. Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich gerne an linda.martin(at)open-access-berlin.de.

Fachcommunities könnten Vorreiter sein

Im Mittelpunkt des zweiten Stakeholder-Workshops des Projektes Open4DE standen die Herausforderungen und Chancen der Umsetzung von Open Access aus Perspektive der Fachgesellschaften

Das Projekt Open4DE, Stand und Perspektiven für eine Open-Access-Strategie für Deutschland erhebt auf der Grundlage einer qualitativen Auswertung von Policy-Dokumenten den Umsetzungsstand von Open Access in Deutschland. Im zweiten Schritt entwickelt das Projekt im Dialog mit den wichtigsten Stakeholdern im Feld Empfehlungen für eine bundesweite Open Access-Strategie. Bereits im Januar fand in diesem Rahmen ein Workshop mit dem scholar.led-network Netzwerk statt. Am 24. Mai 2022 waren Vertreter*innen der Fachgesellschaften zu einer gemeinsamen Diskussion eingeladen.

Rund zwanzig Fachgesellschaftsvertreter*innen aus geistes-, sozial-, und naturwissenschaftlichen Organisationen waren der Einladung von Open4DE gefolgt, darunter viele, die insbesondere mit den organisationseigenen Publikationen befasst sind, aber auch Mitarbeiter*innen der Geschäftsstellen und Vorstandsmitglieder. Im ersten Teil des Workshops stellte das Projekt Open4DE seine Ergebnisse aus der Untersuchung des Umsetzungs- und Diskussionsstandes von Open Access und Open Science in den Fachgesellschaften vor.

Umsetzungsstand von Open Access in den Fachgesellschaften

Open Access setzt sich, verbunden mit unterschiedlichen fachlichen Publikationskulturen, in wissenschaftlichen Disziplinen ungleich durch (vgl. z.B. Severin et al. 2022). Während die Physik bereits in den frühen 1990er Jahren eigene Publikationsinfrastrukturen für die fachinterne Zirkulation von Preprints aufbaute (arXiv), spielt in anderen wissenschaftlichen Disziplinen bis heute die Monographie eine zentrale Rolle.

Abb.1. Am Anfang des Workshops wurden die teilnehmenden Vertreter:innen der Fachgesellschaften gefragt, mit welchen Aspekten von Open Acces Sie in ihrer täglichen Praxis zu tun haben. Die Antworten deuten bereits Schwerpunkte in eigener Publikationstätigkeit an

Förderlich für die Aufgeschlossenheit gegenüber Open Access ist ein hoher Nutzen des offenen Zugangs zu digitalisierten Daten (wie z.B. in der Archäologie). Auch die transnationale Vernetzung von Fachdisziplinen mit ärmeren Ländern fördert die Akzeptanz von Open Access. Teilweise sind es eher die kleinen Fächer, die Vorreiter von Open Access und Open Science sind, da sie besonders von einer höheren Sichtbarkeit und einer freien Dissemination ihrer Daten profitieren (vgl. Arbeitsstelle kleiner Fächer 2020).

Policy-Papiere mit konkreten Handlungsanleitungen zur Umsetzung von Open Access haben Fachgesellschaften nicht verabschiedet. Einige Fachgesellschaften bringen sich aber mit Stellungnahmen in die Diskussion um Open Access und Open Science ein. Insbesondere Plan S löste Debatten aus (vgl. DMV et al. 2019). Dabei steht die Sorge um die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationswesens an erster Stelle.

Weitere Diskursanlässe sind die Transformation fachgesellschaftseigener Publikationen in Open Access (vgl. DGSKA 2021) sowie der Umgang mit (offenen) Forschungsdaten (vgl. DGfE 2017; DGfE/GEBF/GFD 2020; DGV 2018; Schönbrodt/Gollwitzer/Abele-Brehm 2017; Abele-Brehm et al. 2017; Gollwitzer et al. 2018, 2021). Letzteres zeigt auch, wie fachwissenschaftliche Selbstverständigungsprozesse von außen evoziert werden, hier durch die Aufforderung der DFG, disziplinäre Richtlinien im Forschungsdatenmanagement zu formulieren (vgl. DFG 2015).

Trotz dieser zahlreichen Einzelinitiativen bleibt festzustellen, dass sich die Fachgesellschaften insgesamt – von einigen bedeutsamen Ausnahmen abgesehen – eher wenig sicht- und hörbar in die Diskussion und Aushandlung von Open Access in Deutschland eingebracht haben. Unter den rund 750 Unterzeichner*innen der Berliner Erklärung von 2003 sind zahlreiche Universitäten und Forschungseinrichtungen aber nur vier Fachgesellschaften (Stand: 28. Juni 2022). Die Gelegenheit, die Open-Access-Transformation als Anlass zu nutzen, um wissenschaftliche Standards vor dem Hintergrund eines grundlegenden Wandels von Wissenschaft durch die Digitalisierung innerhalb der eigenen Fachcommunity zu diskutieren und damit diese Transformation aktiv mitzugestalten (vgl. z.B. Ganz 2020), wird bislang nur in wenigen Fachgesellschaften aktiv ergriffen. Das überrascht, da Fachgesellschaften Orte der Selbstorganisation und der Selbstverständigung fachlicher Communities sind (vgl. Wissenschaftsrat 1992). Finden in den Fachcommunities keine Diskussionen über Open Access und Open Science statt oder sind diese lediglich nicht sichtbar, weil sie nicht in öffentlichen Stellungnahmen münden? In jedem Fall bleibt festzustellen, dass die Entwicklung des Themas Open Access in den Fachgesellschaften noch viel Potential besitzt. „Fachcommunities könnten eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagte ein Teilnehmende  in Hinblick auf die gegenwärtige Situation und benannte damit sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen der wissenschaftsnahen Entwicklung des Themas Open Access.

Im Anschluss an diese Gegenwartsdiagnose wurden in unserem Workshop folgende Handlungsfelder identifiziert: 

  1. Die Ausgestaltung des wissenschaftlichen Publikationswesens in der Open-Access-Transformation (Geschäftsmodelle, Finanzierung, Publikationsformate).
  2. Qualitätssicherung, wissenschaftliche Anerkennungsverfahren und Reputationssysteme
  3. Die Definition der Rolle fachwissenschaftlicher Communities in der Open-Access-Transformation als Vertreter*innen und Sprachrohr ihrer Community in Governance-Prozessen.

Aus diesen Handlungsfeldern wurden im Anschluss in Arbeitsgruppen weitere Fragen, Maßnahmen und Empfehlungen abgeleitet:

Reputationssysteme

Ausgangspunkt der Diskussion in einer der beiden Arbeitsgruppen war die Beobachtung, dass Wissenschaftler*innen in erster Linie in möglichst angesehenen Zeitschriften und Verlagen publizieren wollen. Open Access sei demgegenüber eine nachgeordnete Frage, es bestünden zum Teil Vorbehalte bezüglich der Qualität. Angesichts des starken Drucks, sich durch Artikel in High Impact Journals zu etablieren, bleibe Open Access ein marginales Thema. Damit Open Access mehr Gewicht bekomme, müsse das Reputationssystem reformiert werden. Ob und wie Fachgesellschaften diesbezüglich eine Rolle übernehmen können, diskutierte die eine Arbeitsgruppe intensiv, während in der anderen Arbeitsgruppe die Meinung vorherrschte, dass Wissenschaftler*innen und ihre Organisationen selbst diese Veränderung aktiv betreiben müssten.

Die Bedeutung der Monographie

Ein wichtiger Faktor in der Open Access-Transformation ist insbesondere für die Vertreter*innen von geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachgesellschaften die Bedeutung der Monographie. Bisher lagen die Schwerpunkte konsortialer Transformationsabkommen aber im Bereich der Zeitschriften. Mit Blick auf die Entwicklungspotentiale der Transformation des Monographienmarktes wurde unter anderem diskutiert, welche Rolle Verlage im Bereich der Qualitätssicherung haben. Bei genauerem Hinsehen, so die vorherrschende Meinung, seien es aber nicht ausschließlich die Verlage, die Qualität sichern, sondern häufig im selben Maße die Herausgeber*innen, die mit ihrem Namen für Qualität einstehen. Bemerkt wurde zusätzlich, dass Mittel für Open-Access-Bücher oft knapp seien. So stellte sich abschließend die Frage, welche fairen Lösungen für eine Finanzierung entwickelt werden können. Müssten Fachgesellschaften letztendlich selbst Repositorien und andere Infrastrukturen für die Publikation von Monographien aufbauen? Letzteres sei kaum leistbar. Als möglicher Weg, sich als Fachgesellschaft einzubringen, wurde schließlich die Publikation eigener Open-Access-Buchreihen benannt, die durch anerkannte Wissenschaftler*innen eines Fachgebietes herausgegeben werden.

Best Practices

In Bezug auf die eigene Rolle als Herausgeber*in von Zeitschriften wurden positive Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten geteilt: so durchläuft die Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA) aktuell einen Transformationsprozess: auf APCs wird dabei verzichtet, die Finanzierung der Zeitschrift erfolgt durch die Fachgesellschaft, deren Mitglieder an der Entscheidung über die Umstellung beteiligt wurden und diese überwiegend positiv aufnehmen. Dies zeigt, dass jenseits von APCs auch andere Geschäftsmodelle möglich sind, z.B. durch konsortiale Finanzierungen, wie sie etwa in der Open Library of Humanities praktiziert oder in KOALA angestrebt werden. Über diese unterschiedlichen Möglichkeiten müsse das Bewusstsein bei den Autor*innen deutlich gestärkt werden.

Anreize zur Offenheit

Um eine Kultur der Offenheit im Publikationswesen – und dort insbesondere in der Qualitätssicherung – zu fördern, bedarf es also häufig einer verstärkten Informationsinitiative unter den Mitgliedern. Der Kenntnisstand zum Thema Offene Wissenschaft ist je nach Fachkultur unterschiedlich stark ausgeprägt. Einige Teilnehmende sprachen diesbezüglich auch von einem Generationenkonflikt unter den Mitgliedern, wobei jüngere Wissenschaftler*innen oft aufgeschlossener gegenüber Open Science und Open Access seien. Anreizsysteme können in einer solchen Situation den Kulturwandel befördern.

Ideen und Vorschläge für ein stärkeres Commitment zu offener Wissenschaft gab es viele in der Diskussion; teilweise wurde auf bereits praktizierte Maßnahmen hingewiesen. Insgesamt entstand auf diese Weise ein umfassendes Bild bereits existierender und geplanter Leistungen der Fachgesellschaften im Feld Open Access. Genannt wurde die Einrichtung von Publikationsfonds durch Fachgesellschaften, das Aussprechen von Empfehlungen für Qualitätskriterien für Zeitschriften oder die Vergabe von Preisen für Open-Access- und Open-Science-Projekte. Auch die Entwicklung von Konzepten für den Umgang mit personenbezogenen Daten sowie von Ethik-Leitlinien für Forschungsdaten könne Anreize für den Kulturwandel hin zu mehr Offenheit setzen.

Synergien schaffen

Im Allgemeinen äußerten viele den Wunsch, Konzepte und Leitlinien gemeinsam zu erarbeiten, denn finanzielle und personelle Ressourcen seien auch in den Fachgesellschaften knapp. Der Wunsch, Publikationsinfrastrukturen übergeordnet zu finanzieren, wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht.

Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsfragen

Diskutiert wurde auch, dass inzwischen zwar viele reputationsreiche Zeitschriften open access seien, die von ihnen verlangten Article Processing Charges stellten jedoch ein Problem für Autor*innen außerhalb gut ausgestatteter Forschungseinrichtungen dar. Deshalb stelle sich die Frage, wie nachhaltig die Finanzierung von APC/BPC-basiertem Open Access angesichts steigender Kosten und Publikationszahlen sein könne. Im Rahmen der DEAL-Verträge werden auch Open-Access-Publikationen in hybriden Zeitschriften finanziert. Davon profitieren z.T. auch Fachgesellschaften, die Herausgeber wissenschaftlicher Journals sind, wie die anwesende Gesellschaft deutscher Chemiker (GDCH). Doch auch dieses Modell wird kritisch diskutiert (vgl. Oberländer/Tullney 2021).

Die Rolle der Politik und der Forschungsförderer

Bezüglich der Empfehlungen an die Politik äußerten die Teilnehmenden den Wunsch, dass Forderung und Förderung (beispielsweise durch die Entwicklung vorhandener Infrastruktur) Hand in Hand gehen müssten: Teilweise sei es so, dass Fördereinrichtungen Vorgaben machten, während gleichzeitig die notwendigen (finanziellen und technischen) Rahmenbedingungen, um diese zu erfüllen, nicht bestünden. Hier sei erforderlich, dass mehr Rückkopplung stattfinde. Überhaupt sei es wünschenswert, dass Fachgesellschaften analog zur Nationalen Forschungsdaten-Infrastruktur (NFDI) auch im Bereich Open Access an einer Koordinationsstelle beteiligt seien. Hilfreich wäre es auch, wenn Verantwortliche in Politik und Fördereinrichtungen Checklisten aufstellten, anhand derer Open-Science-Standards abgeglichen und entwickelt werden könnten. Grundlegend müsse es darum gehen, Nachhaltigkeit im Wissenschaftssystem zu garantieren und transparente Kostenmodelle für das Publikationswesen zu entwickeln.

Die Rolle der Fachgesellschaften in der der Transformation

Immer wieder wurde im Laufe des Workshops das Selbstverständnis der Fachgesellschaften im Prozess der Transformation thematisiert. Brauchen (kleine) Fachgesellschaften angesichts der Open-Access-Transformation eine Strategie? Zumindest stellte sich die Frage, wie sie ihre Rolle angesichts der grundlegenden Veränderungen im Wissenschaftssystem (neu) definieren. Dies kann bedeuten, eine wissenschaftspolitische Rolle einzunehmen oder wiederzuentdecken. Zunächst ginge es aber, so einige der Anwesenden, darum, einen Überblick über die Entwicklungen im eigenen Fach zu erlangen und eine eigene Expertise zu entwickeln, um dann einen Verständigungsprozess mit den Mitgliedern anzustoßen. Zur Diskussion stand somit auch, wie Beteiligungs- und Verständigungsprozesse gestaltet werden könnten. Ferner wurde wiederholt diskutiert, ob Fachgesellschaften in der Lage seien, selbst verlegerisch tätig zu werden und welche administrativen und technischen Fragen sich daraus ergeben würden?

Den Abschluss des Workshops bildete der Ausblick auf den weiteren Projektverlauf. Dabei wurden die Teilnehmer*innen eingeladen, sich an einem im Herbst geplanten Strategieworkshop anlässlich des Projektabschlusses weiter an der Diskussion zu beteiligen. Dieser Aufforderung nachkommen zu wollen, erklärten sich in einer abschließenden Umfrage alle Anwesenden bereit.

Literaturangaben


Looking back at the Open Science Conference 2022

Authors: Maaike Duine (ORCiD) and Franziska Harnisch (ORCiD)

In March 2022, the 9th international Open Science conference of the Leibniz Research Alliance took place. Just like last year, the conference was online and preceded by the Open Science Barcamp. The conference and Barcamp topics revolved around multiple aspects of Open Science, from community building and public engagement, to FAIR research software and data mining. The two events complemented each other very well; the Barcamp focused more on general exchange of ideas, whereas the conference was mostly about presenting „state of the art“ developments and projects.

Open Science Barcamp
Topics for short sessions were suggested by some Barcamp participants and everyone decided on the spot which ones to join. Out of 14 different sessions each participant attended up to 3 sessions. The full schedule including links to the documentation pads of each session are accessible here. Below, we’ve highlighted a few of the sessions we visited.

How to move Open Science forward at institutional level
Esther Plomp (Delft University of Technology) proposed a session to discuss success stories and challenges in moving Open Science forward at the institutional level. The success stories ranged from meaningful partnerships within an institution, e.g. with the Research Integrity Office and partnerships with external project partners, to institutions‘ policies and programs on Open Access, Open Science and Research Data Management. Participants also mentioned that having enthusiastic OS advocates in the right position is a great way to move OS forward, as well as encouraging grassroots community initiatives. Organizing events and discussions on various OS topics is helpful too. This can be challenging, however, as not everyone is aware of the different aspects of OS, and, as someone said, ‚the term Open Science can be overwhelming for some people‘. Some suggested renaming it Open Research, Research Integrity or Sustainable Research. Plomp shared some useful links for sharing OS initiatives, such as the Open Scholarship Grassroots Community Network and concluded that the multitude of OS initiatives taking place at various levels across institutions is a good sign.

Rethinking Scholarly Communication
In the Barcamp session, Digitalize Knowledge, Not Documents! Rethinking Scholarly Communication, Anna-Lena Lorenz (Leibniz Information Centre for Science and Technology (TIB)), introduced the Open Research Knowledge Graph (ORKG). This initiative aims to describe research papers, research data, methods and other research objects in a structured manner to help researchers find relevant contributions and create comparisons and reviews. By organizing research contributions in the ORKG, researchers can keep oversight over the state-of-the-art within their field of interest. In her session, Lorenz invited participants to think about how to further develop the ORKG. Several participants stressed that it is important to keep in mind that researchers need to be made aware of the benefits using ORKG, otherwise it will not be used to its full potential. It is definitely good to rethink scholarly communication as we need to move away from the static PDF and such Knowledge Graph does look promising in enabling comparisons and visualizations to keep an overview of research content.

Open Science communities and their role within institutions
The session, How to Start an OS Community proposed by Yvana Glasenapp from Leibniz Information Centre for Science and Technology (TIB), revolved around three questions: What is an OS community, how to find those communities, and, how to support OS communities at one’s own institution. Eleven participants shared their experiences and it stood out to everyone that there is a lack of coordination and a fragmentation of OS communities on campuses. Additionally, a gap between provided infrastructures and the actual needs of the communities is common. The lively discussion around the above mentioned topics ranged from promoting beacon projects, establishing rewards and incentives for OS practices, to creating value sets within OS Communities. As a wrap-up, some helpful actions were identified: OS communities need supporting structures; case studies addressing actual research problems to show the benefits of OS, and key persons, like data stewards, who can distribute information within communities and advocate for OS practices. Notes of this session, including a list of useful resources, can be found here.

Library Outreach Activities
The session, How Can Libraries Support Researchers with Open Science, started with the question whether researchers would contact libraries with questions about Open Science or if libraries need to reach out to them more proactively. While researchers, who realize what kind of support libraries can offer, do consult the services offered, libraries in general need to promote their supporting services repeatedly on various levels. Furthermore, libraries can perform a connecting element between departments therefore enabling knowledge-exchange. Within the discussion different formats and inputs were mentioned which libraries could apply and try out, before evaluating what users might be more receptive to. However, the conclusion of this session is to move on quickly if formats are not working! Documentation on this session can be found here.

Open Science Conference

In his opening speech, Prof. Klaus Tochtermann stated that OS practices are moving forward since Open Science entered the European Research Agenda. When applying for EU funding, an OS declaration is needed and there are several European initiatives on OS assessment. However, clear commitments and specific guidelines are needed in order to push for more openness. Out of ten presentations at the Open Science Conference some focused on ways to further promote Open Science practices, and in the following we highlight some aspects.

In his talk, Prof. Daniel S. Katz (University of Illinois) stated that even though digitalization has opened up opportunities to share scientific ideas, methods and results, economic concerns and competition are still hampering full implementation of OS practices. On the one hand, researchers are not used to mechanisms of sharing and, on the other hand, commercial entities profit from restricting access. Another reason mentioned by Daniel Katz is that metrics for evaluating shared research objects are underdeveloped. With the FAIR (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) Principles, there has been a focus on sharing and reusing Research Data. Katz posed the important question: What about other research objects? He added that there are differences in how non-data objects are created, used, stored and shared, but also how and where the object’s metadata is stored and indexed. There is a need for FAIR for non-data objects, for example for Research Software. He explained further, that software is unlike data in many aspects: it is executable, provides a tool, and is a creative work with different licensing and copyright practices. That’s why the FAIR4ResearchSoftware Working Group has been initiated in collaboration with FORCE11 and RDA. As principles on interoperability and reusability are quite different when compared to the principles for FAIR Data, Katz concluded that there is still a lot of work to do, and that future steps should involve further work on metrics, incentives and policies.

The project Road to Openness focuses on further incentivizing Open Science and was introduced by Dr. Verena Heise (Freelance Open Science Researcher). The project consists of an OS self assessment tool that has been developed with, and piloted, at three German universities. It is freely available online and,if used, provides insight on Open Science activities within an institution. Heise stressed the tool has not been developed for objective comparison between institutions or as a type of ranking tool. The assessment process consists of two stages. The first stage focuses on collecting information about the institute, e.g. on current Citizen Science practices. The institute can fill in all sorts of questions on its current Citizen Science practices, training and infrastructure. After completing all questions, during the second stage of the process, the institute receives the results and with these at hand the responsible parties can assess for themselves what they might want to improve on, and develop a roadmap for further improving their Open Science practices. Verena Heise stated that during the pilot phase, the project’s results have already shown that it is difficult to create a culture of openness in the current academic system and that there is a need to create intrinsic motivation for working openly. With the assessment tool, the conversation can be initiated. She added that there is a need to focus on reasons why Open Science is useful and on the promotion of good practices.

Dr. Tony Ross-Hellauer (Graz University of Technology) presented results of the ON-MERRIT project. The project’s main result is a confirmation of an already frequently described imbalance: OS cannot per se eliminate inequalities and might even create new ones. For example, simply publishing research as an Open Access publication does not automatically mean that the published information is available to all, in the sense of being understandable. Other findings of the study referred to the lack of incentives for OS practices for researchers. In order to make the most of the potential Open Science offers, proposals for action were developed in four main areas: „Resources of Open Research„, „Publication Charges and the Stratification of Open Access Publication„, „Societal Involvement in Research and The Formulation of Policies„, and „Reform of Reward and Recognition„. In close connection to the UNESCO recommendations, global scale thinking was recommended in order to seek international exchange and to develop common political approaches, thus ensuring the success of Open Science transformation.

Prof. Diethard Tautz (Max Planck Institute for Evolutionary Biology) presented the online journal NAL-live as an infrastructure using the concept of Open Documents. This concept is straightforward: publications are published under the CC BY 4.0 license after a review process, and further developments in research, such as new findings or additions, can be added by anyone. Based on documentation and the possibility of renewed peer review processes, the documents can be updated repeatedly. Persistent identifiers are used to track changes and to allow the process of scientific research to be transparent. The project’s potential lies in terms of changing scientific publishing and involving a potential public. It remains to be seen how it can be successfully implemented and what role scientific societies such as the Max Planck Society can play here.

This year’s conference was organized in collaboration with the German Commission for UNESCO and the conference concluded with two sessions in the context of the UNESCO Recommendation on Open Science: a panel discussion ‚Promoting Open Science globally: the UNESCO Recommendation on Open Science‚ and a workshop on Open Science initiatives in the African continent. Until November 2021, 193 member states have adopted the Open Science Recommendation. Vera Lacoeuilhe (Permanent Delegation of Saint Lucia to UNESCO) added that the biggest challenge is yet to come: the implementation of Open Science. Dr. Peggi Oti-Boateng (UNESCO HQ) added that UNESCO is planning programs, an Open Science toolkit, funding mechanisms, and a global repository that maps existing Open Science guidelines to further implementation. The subsequent panel discussion focused on what should be prioritized in the coming years. Themes like equity (e.g. more women in leadership positions, and more cooperation and exchange with the Global South), universal access to knowledge and changing research assessment practices were mentioned. During the UNESCO Workshop: ‚Fostering Open Science in Africa – Practices, Opportunities, Solutions‘, 10 different Open Science projects were presented: national initiatives such as Eko Konnekt in Nigeria or Mboalab in Cameroon, but also pan-African initiatives like Libsense, Africarxiv, and Writing Hub Africa.

Conclusion

The wide variety of topics and lively discussions at the conference demonstrated that even though Open Science is moving forward, there is still a lot of work to do. It was stressed by many speakers that creating a true culture of openness remains a challenge. The UNESCO panelists added that it is a shared responsibility of all stakeholders to ensure that OS tools, principles and policies that are being developed, are put into practice. A truly open and inclusive research system can only be achieved if stakeholders from different backgrounds, disciplines and countries collaborate. Dr. Peggy Oti-Boateng concluded: „UNESCO wants science for People, Planet and Peace. Science that leaves no one behind.“

Open Access zur Norm machen? Ein kontroverser Austausch in den Technik- und Ingenieurwissenschaften

Von Carsten Elsner, Matthias Fuchs, Linda Martin, Eric Retzlaff, Sebastian Schaarschmidt, Katja Wermbter

Am 3. Mai luden die Fachinformationsdienste Move und BAUdigital, das Fraunhofer IRB und open-access.network gemeinsam Forschende und OA-Professionals aus den Technik- und Ingenieurwissenschaften ein, um über den Stand von Open Access in ihren Fachdisziplinen  ins Gespräch zu kommen. Der Online-Workshop bot Wissenschaftler*innen und Infrastrukturanbietenden Raum, sich über Chancen und Herausforderungen des Publizierens in Open Access auszutauschen.

Was verknüpfen Sie mit Open Access? – Die Diskutant*innen Dr. Antje Witting (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung), Prof. Dr. Constantinos Antoniou (TU München) und Dipl.-Ing. Martin Scheidt (TU Braunschweig) traten am Vormittag in eine Diskussion über Erfahrungen, Reputationsmechanismen, Qualitätskriterien und die eigene Rolle innerhalb des Systems der wissenschaftlichen Kommunikation. Indem sie auf einem virtuellen Stuhl Platz nahmen, konnten sich die Teilnehmenden mit Impulsen als Diskutant*innen selbst aktiv in die Gespräche einbringen.

Top down oder bottom up? – Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und die Anforderung der Europäischen Union zur sofortigen Open-Access-Stellung von Publikationen im Rahmen des Förderprogramms Horizon Europe stießen auf geteilte Meinungen. Wo Open Access gefordert werde, müsse eine Ausstattung mit finanziellen Mitteln gegeben sein, so eine Stimme. Jedoch wurden Richtlinien und Handlungsempfehlungen, die auf mehr Open-Access-Publikationen zielen, seitens wissenschaftlicher Organisationen und Forschungsfördernden prinzipiell begrüßt. Martin Scheidt führte die Diskussion auf die Rolle jedes*r einzelnen Autor*in zurück: „Die Frage ist für mich eher, ob sich die Partizipation am „Wissen“ verändern wird. […] Ich versuche meine Echokammer mit guter wissenschaftlicher Praxis aufzubrechen.“ (Anm. d. Red.: Eine hervorgehobene Stellung nimmt Open Access mit Blick auf die Leitlinie 13 des Kodex „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ ein.)

Open Access, Wissenschaft und Reputation – Wo der Weg in eine Karriere stetig über Einbindung des Impact Factors führe, „bietet die San Francisco Declaration on Research Assessment die Möglichkeit Zwänge des Reputationssystems aufzubrechen“, so Constantinos Antoniou und weiter: „[…] wichtig sei, die unterschiedlichen Wege des Publizierens der verschiedenen Karrierestufen sowie der einzelnen Disziplinen zu berücksichtigen.“
Einigkeit herrschte darüber, dass der Weg der Qualitätssicherung über Review-Verfahren führe. Darüber hinaus betonte Antje Witting: „Forschung ist einsam und der Austausch, der darin eigentlich angelegt ist, findet zu wenig statt und geht im jetzigen Review-Prozess verloren.“ Open Peer Review, als ein Verfahren der Qualitätssicherung bei Open-Access-Angeboten, könne hierbei eine Lösung darstellen.

Open Access ist wichtig für die eigene Forschung – der freie Zugang zu wissenschaftlicher Information komme den Wissenschaftler*innen bei ihrer eigenen Forschung zugute. Aber auch die Industriepartner*innen können davon profitieren und begännen zunehmend in den Diskurs um Open Access und Open Data einzusteigen –  ein Open-Innovation-Prozesse könne hier förderlich sein, um Informationslücken zu schließen. 

Anschließend an die Diskussion luden Gruppenarbeitsräume die Teilnehmenden ein, sich über Publikationsformate für die Community, das zielgruppengerechte Publizieren und die Ideen hinter konventionellen Publikationsformaten auszutauschen.
Wichtige Take-Aways der Sessions waren:

  • Review-Verfahren stellen eine Form der Qualitätssicherung und eine Zusatzaufgabe, die von Wissenschaftler*innen erbracht wird, dar. Diese haben, neben klassischen Gutachter*innen-Verfahren, hohe Relevanz für die eigene Forschung. Bibliotheken können eine vermittelnde Funktion einnehmen und Reviewer*in und Wissenschaftler*in zusammenbringen. Eine Umleitung der Geldströme von einer Finanzierung von APC-Kosten hin zum Ausbau interner Strukturen kann hierbei einen möglichen Weg darstellen.
  • Community-basierte Anpassungen des Publikationswesen stellen nachhaltige Veränderungen dar: Neue Publikationsformate müssen in der Hand der Wissenschaftler*innen liegen. Diese erkennen die Herausforderungen, die verschiedene Formate (Text, Code, Data usw.) innerhalb der eigenen Disziplin mit sich bringen. In der Community gibt es eine grundsätzliche Offenheit, sich selbst an neuen Publikationsformaten zu beteiligen.
  • Open Access ist immer eine gute Option um die Sichtbarkeit der eigenen Forschung zu erhöhen. Sollten Kosten des Publizierens einen sofortigen freien Zugang erschweren, ist eine Zweitveröffentlichung der Texte auf einem institutionellen oder disziplinspezifischen Repositorium lohnenswert, da die Auffindbarkeit der eigenen Forschungsergebnisse dort langfristig gesichert ist. Die Auswahl eines Publikationsortes stützt sich zumeist auf die Empfehlung von Kolleg*innen.
  • Die häufig antagonistisch dargestellte Stellung zwischen Top-Down-Ansatz und Wissenschaftsfreiheit kann durch einen aktiven Diskurs und die Einbindung von Fachgesellschaften, Prüfungskommissionen, Fördernden u.a. aufgebrochen werden. Um eine Diskussion anzuregen, werden Good-Practice-Beispiele und Incentivierungen (bspw. in Form von Lektoraten) als notwendig angesehen.

Open Access in der chemischen Forschung

Ein Online-Workshop aus und für die Wissenschaft

Von Dr. Janna Neumann und Linda Martin

Wie kann Open Access in der Praxis aussehen und in den Forschungsalltag integriert werden? Dieser Frage gingen Wissenschaftler*innen, Forschungsreferent*innen und Publizierende in dem gemeinsam von open-access.network und der Technischen Informationsbibliothek (TIB) für die Fachdisziplin Chemie ausgerichteten Online-Workshop am 16. März nach.

Open Access ist bereits seit über 20 Jahren in der Atmosphärenwissenschaft von Relevanz, so Dr. Robert Wegener vom Forschungszentrum Jülich. Erste Journal-Gründungen wie die der Open-Access-Zeitschrift Atmospheric Chemistry and Physics ermöglichen ein transparentes Peer Review und weisen mittlerweile einen hohen Journal Impact Factor auf. Eine Erleichterung des Wissenstransfers zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft als auch die Möglichkeit zur Nachnutzung offener Daten sind für die Atmosphärenwisenschaftler*innen zentral.

Dr. Juliane Simmchen gab einen Einblick in die Anwendenden-Perspektive: „Das Publizieren auf Preprint-Servern wie ChemRxiv ist für Nachwuchswissenschaflter*innen wichtig, da es schnelles Feedback und Austausch ermöglicht.“ Die Nachwuchsgruppenleiterin eines Freigeist-Fellowships an der Technischen Universität Dresden empfiehlt die Beantwortung von zwei Fragen bei der Auswahl eines Preprint-Servers: „Welche Server kommen generell für die eigene Fachdisziplin in Frage?“ und „Warum eignet sich dieser am besten für das eigene Paper?“

Professor Dr. Wolfram Koch, Geschäftsführer der Gesellschaft Deutscher Chemiker*innen wies auf die zentrale Stellung, die Open Access in der Fachgesellschaft einnimmt, hin. „Chemistry open“ – unter diesem Motto beleuchtete er sowohl die Relevanz von DEAL für die Forschung als auch das Publikationsorgan der GDCh, die „Angewandte Chemie„.
Demfolgend berichtete Dr. Marc Kielmann (Beilstein Institut) unter dem Titel „Why diamonds are a chemist’s best friend“ die Vorzüge einer Publikation in einem Diamond Open Access Journal. Das Non-for-Profit-Institut  bietet die Möglichkeit zur APC-freien Open-Access-Publikation.
Der freie Zugang zu wissenschaftlicher Information bedeutet auch die freie Nachnutzbarkeit von Forschungsdaten. Die Unterstützung verschiedener Repositorien und die Möglichkeit den Datenfluss durch Software und Tools zu vereinfachen, dafür tritt der NFDI4Chem ein. Dr. Nicole Jung zeigte auf, wie sich die Datenbereitstellung im Datenrepositorium Chemotion realisieren ließe und  in welchem Umfang dabei Kooperationen mit Verlagen möglich sein können.
Stehen die Forschenden vor den Fragen des Publikationsortes und der Unterstützungsmöglichkeiten, ist eine Anfrage an Open-Access-Beauftragte bzw. Personen aus dem publikationsunterstützenden Bereich der Bibliothek an der eigenen Einrichtung sinnvoll. Michaela Voigt von der Technischen Universität Berlin beleuchtete einzelne Services und zentrale Open-Access-Förderkriterien ihrer Einrichtung, die sich in dieser oder ähnlicher Form auch an vielen anderen wissenschaftlichen Bibliotheken finden lassen.

Gemeinsam deckten die Wissenschaftler*innen über den Workshop hinweg Bedarfe, Fragen und Herausforderungen auf: Die Erhöhung der Transparenz stehe neben dem Wunsch einer unkomplizierten Finanzierung der eigenen Publikation. Einige Aussagen betrafen Daten- und Open-Access-Publikationen: Es werde ein Qualitätssicherungsprozess benötigt. Dieser sollte aus der wissenschaftlichen Community heraus gestaltet werden und dem Bild eines unkontrollierten Massenpublizerens vorbeugen.

5 von 5: Mit Volldampf voraus in Richtung „Openness“: Kompetenzen und Infrastrukturen mit Perspektiven

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist über das TIB AV Portal verfügbar.

Von Anita Eppelin und Ben Kaden

Bericht zur Veranstaltung #5 in der Reihe: Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Woche für Berlin-Brandenburg.

Für das Gelingen offener Wissenschaft spielen wissenschaftsunterstützende Einrichtungen und dabei insbesondere Bibliotheken naturgemäß eine große Rolle. Wenig überraschend sind entsprechende Transformationsprozesse in diesen Einrichtungen im vollen Gange. Die Veränderungen sind grundlegend und betreffen Organisationsstrukturen ebenso wie die technische Infrastrukturen, die informellen Netzwerke gleichermaßen wie die formalen Rahmenbedingungen. 

Welche Kompetenzen brauchen also die Menschen, die in wissenschaftlichen Bibliotheken tätig sind oder sein werden? Was müssen sie wissen und können, um die im Zuge der Transformation auftretenden Veränderungen optimal und aktiv zu steuern und zu gestalten, und zwar idealerweise im Sinne von Offenheit, Transparenz und einer zunehmenden Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik? Und was bedeutet dies für die entsprechenden Infrastrukturen?

Über diese Fragestellung diskutierten am 25.3.2022 fünf Expert*innen aus unterschiedlichen Kontexten: Elisa Herrmann vom Museum für Naturkunde Berlin, Ariane Jeßulat von der Universität der Künste Berlin, Antje Michel von der Fachhochschule Potsdam, Vivien Petras von der Humboldt-Universität zu Berlin und Jan Hauke Plaßmann vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg. Die Veranstaltung bildete den Abschluss der fünfteiligen Reihe “Quo vadis offene Wissenschaft”. Die Moderation der virtuellen und mit 100 Teilnehmenden gut besuchten Veranstaltung übernahm diesmal Frank Seeliger von der Technischen Hochschule Wildau. Nachfolgend fassen wir einige der diskutierten Themen zusammen. 

Die Perspektive eines Forschungsmuseums

Als Leiterin der Abteilung Informationsbeschaffung und Informationsmanagement und damit auch der Bibliothek am Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) hat Elisa Herrmann Personalverantwortung für ein circa 15-köpfiges Team. Sie betonte, dass das MfN als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft schon länger die Prinzipien der Offenen Wissenschaft vertritt. 

Passend zur Rolle und zum thematischem Zuschnitt des Museums liegt dabei ein zentraler Fokus auf der gesellschaftlichen Verantwortung der wissenschaftlichen Community. Das Haus trägt dem sowohl über ein starkes Engagement im Bereich Citizen Science als auch über eine erst unlängst aktualisierte Open-Access-Policy Rechnung. Um die Wirkung der Policy zu verstärken, wurde eine Koordinierungsstelle für wissenschaftliches Publizieren an der Bibliothek eingerichtet, die Wissenschaftler*innen insbesondere beim Open-Access-Publizieren unterstützt. Weiterhin gibt das MfN drei eigene Open-Access-Zeitschriften heraus. 

Besonders interessant aus der Perspektive der Kompetenzentwicklung ist, dass das MfN bei Stellenbesetzungen Wert auf Erfahrungen und Kenntnisse zu Praktiken der offenen Wissenschaft legt, und zwar durchweg für alle Stellen in dieser Abteilung. Offenheit ist hier also nicht mehr ein separat zu bearbeitendes Thema, sondern eine Querschnittsaufgabe des gesamten Teams. 

Laut Elisa Herrmann strebt das MfN an, seine Sammlungen so offen wie möglich digital und vernetzt bereitzustellen. Erst eine solche Datengrundlage ermöglicht wirklich innovative Nachnutzungen. Auch die eigene Forschung im Haus wird durch die umfassende Digitalisierung maßgeblich unterstützt. 

In Hinblick auf die allgemeine, außerakademische Öffentlichkeit nutzt das MfN seine Datenbestände und Digitalisierungsaktivitäten, um ein Bewusstsein über die Arbeitsweisen der Wissenschaft zu erzeugen und um Diskurse zur Zukunft des Planeten anzustoßen. Dabei zeigen sich themenspezifisch auch Grenzen der Offenheit, etwa bei Objekten aus kolonialen Kontexten oder im Hinblick auf den Artenschutz. Erstere brauchen Sensibilität und Einordnung, zweitere müssen so beschaffen sein, dass sie zwar informieren, aber keine negativen Effekte beispielsweise durch die Offenlegung von Geodaten besonders schützenswerter Habitate und Fundstellen herbeiführen. Hier ist ein, wenn man so will, informationsethisches Austarieren zwischen größtmöglicher Offenheit und dem verantwortungsvollen Umgang mit diesen schützenswerten Interessen vonnöten. Die Richtlinie des Museums zur Massendigitalisierung orientiert sich daher am Nagoya-Protokoll

Die Perspektive der Kunst

Die erste Vizepräsidentin und Open-Access-Beauftragte der Universität der Künste (UdK), Ariane Jeßulat, betonte die Bedeutung von offener Wissenschaft für die Künste und die künstlerische Lehre. An der UdK sind sich Hochschulleitung und Bibliothek dahingehend einig. Für die Community in den Künsten entstehen durch Offenheit und Open Access bedeutende neue Möglichkeiten. Zugleich muss die Transformation zu Open Access jedoch gut kommuniziert werden. So ist nicht allen bewusst, dass Open Access kein “nice to have”, sondern einen grundlegenden Paradigmenwechsel darstellt. 

Hinsichtlich der Kompetenzanforderungen kommt es auf eine entsprechende Vermittlungsfähigkeit zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen an, also auf eine hohe Kommunikationskompetenz. Dazu gehört im Fall der UdK auch ein besonderes Verständnis für das Material, dessen Komplexität sich oft von den klassischen wissenschaftlichen Publikationen anderer Disziplinen durch eine Verknüpfung von Material mit unterschiedlichem Schutzstatus und hoher Verknüpfung und Multimodalität auszeichnet. Die rechtlichen Fragen sind daher eine zentrale Herausforderung. Entsprechend sind urheber- und medienrechtliche Kompetenzen sehr nachgefragt. 

Für die UdK stechen zwei Infrastrukturpartnerschaften heraus: NFDI4Culture – Konsortium für Forschungsdaten materieller und immaterieller Kulturgüter, das die Fachcommunity im Umgang mit digitalen und offenen Kulturdaten sehr voranbringt, sowie das Open-Access-Büro Berlin als zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Open Access und Open Science in der Hauptstadt. 

Der neue Absatz 3 des § 41 des Berlin Hochschulgesetzes, dem zufolge die “Veröffentlichung von Forschungsergebnissen durch die Mitglieder der Hochschulen […] vorrangig unter freien Lizenzen mit dem Ziel der Nachnutzbarkeit erfolgen (Open Access) [sollte]”, wird an der UdK als sehr hilfreich für die Etablierung von Open Access empfunden. Ein wissenschaftspolitischer Rahmen ist folglich ähnlich bedeutsam wie die Veränderung der Einstellungen in den Fachcommunities. Als dritte Stakeholder-Gruppe erwähnte Ariane Jeßulat die Verlage, die für die Kunst und künstlerische Forschung nicht nur eine informationsvermittelnde, sondern auch ein zentrale diskursbildende Rolle übernehmen.  

Die Perspektive der Ausbildung an der Fachhochschule Potsdam

Auch Antje Michel, Professorin für Informationsdidaktik und Wissenstransfer an der Fachhochschule Potsdam, hob die Bedeutung von Openness als zentrales Transformationsthema in der Wissenschaft hervor. Es ist offensichtlich, dass die wissenschaftliche Informationsversorgung heute vom Digitalen und dem Openness-Prinzip aus gedacht werden muss. Denn die Wissenschaftspraxis selbst befindet sich in diesem Wandel. Dies wirkt notwendigerweise transformativ auf die wissenschaftsunterstützenden Einrichtungen wie Bibliotheken aus.  

Antje Michel forscht selbst zu den, wie sie formuliert, “Gelingensbedingungen transdisziplinärer Forschung”. Die Perspektive reicht, wie für Fachhochschulen durchaus üblich, über die Grenzen der Wissenschaft hinaus in andere Funktionsbereiche der Gesellschaft hinein. In ihrem Fall geht es um den Wissenstransfer an der Schnittstelle zwischen Forschung, Kommunen und Unternehmen auf regionaler Ebene, was auch die Idee der Openness noch einmal anders interpretiert. Je nach Bereich unterscheiden sich die Wahrnehmungen. Neben der Transformation spielen also auch der Transfer und damit auch die wechselseitige Verständigung nicht zuletzt über die divergierende Interessen eine wichtige Rolle. So existiert beispielsweise beim Thema Open Data ein Spannungsverhältnis zwischen Idealismus und Verwertungsmodellen.

Dass nicht eine Lösung alles erfasst, gilt auch für die Wissenschaft an sich, denn diese ist fachkulturell sehr heterogen und in ihren Karrierestrukturen durch individuelle Profilierungsansprüche geprägt. Openness muss diese Rahmenbedingungen berücksichtigen.

Studiengänge wie die der Bibliotheks- und Informationswissenschaft sollten daher neben einer generellen Handlungskompetenz zur Förderung von Openness und den dafür nötigen digitalen Kompetenzen auch ein Verständnis für diese Rahmenbedingungen schaffen. Diese im Prinzip wissenschaftssoziologische Vertiefung ist jedoch für grundständige Bachelorprogramme eine Herausforderung. 

Auffangen lässt sich das möglicherweise ein Stück weit, indem man als Ausbildungseinrichtung selbst Offenheit möglichst selbstverständlich lebt. Die Fachhochschule Potsdam hat sich beispielsweise, so Antje Michel, zu einem “Soziotop für Openness” entwickelt. Neben dem Fachbereich Informationswissenschaften mit seinen Forschungs- und Lehraktivitäten finden sich dort auch Openness-Initiativen wie die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg und die Landesfachstelle für Bibliotheken und Archive, die sich ebenfalls sehr stark in Richtung digitale Offenheit entwickelt. Zu ergänzen wäre sicher noch der ausdrücklich auf Open Access, Open Data und Open Science ausgerichtete Lehrstuhl von Ellen Euler. 

Die Perspektive der Berliner Bibliotheks- und Informationswissenschaft

Das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin,  in direkter Nachbarschaft  des Hauses Unter den Linden der Staatsbibliothek zu Berlin, konnte ab 2006 mit Peter Schirmbacher als Professor für Informationsmanagement einen zentralen Akteur im Bereich digitaler Forschungsinfrastrukturen und Open Access in Deutschland mit einem entsprechenden Schwerpunkt für Forschung und Lehre gewinnen. Diese Prägung wirkt heute fort und differenziert sich weiter aus, wie im Gesprächsbeitrag von Vivien Petras, Professorin und bis vor kurzem Direktorin des Instituts, deutlich wurde. Sie verwies darauf, dass sich auch ein wesentlicher Teil der aktuellen Forschungsschwerpunkte des Instituts (Infrastrukturen und Kulturerbe sowie Open Data, Open Science, Open Access) mit dem Themenfeld Offene Wissenschaft deckt. So hat sich eine bundeslandübergreifende Partnerschaft mit der Fachhochschule Potsdam im Rahmen des weiterbildenden Studiengangs “Digitales Datenmanagement” entwickelt. Dieser richtet sich an Menschen aus Einrichtungen der wissenschaftlichen Infrastruktur sowie Bibliotheken, Archive, Kommunen und die Wirtschaft. Die von Antje Michel betonte Schnittstellenkompetenz findet hier also direkt eine curriculare Entsprechung.

In der Bibliotheks- und Informationswissenschaft ist Konsens, dass Openness eine wissenschaftsimmanente Frage und ein zentrales Transformationsthema ist. Als ein Fach, das in gewisser Weise aus der Perspektive einer Wissenschaftsforschung die Kommunikationsprozesse wissenschaftlicher Disziplinen beforscht, sieht die Bibliotheks- und Informationswissenschaft Openness als wichtiges Forschungsthema. 

Auch Vivien Petras betonte, dass je nach Wissenschaftsdomäne oder auch nach Datenobjekt große Differenzen hinsichtlich Open Data bestehen. Eine Forschungsaufgabe des Faches und damit des Institutes läge also darin, Möglichkeiten, Grenzen und Lösungen für offene Daten mit dem jeweiligen analytischen Zuschnitt für die Wissenschaftspraxis zu identifizieren. 

Die Ausbildung kann ein entsprechendes Bewusstsein schaffen und methodisches Wissen vermitteln. Zugleich wies Vivien Petras darauf hin, dass ein dynamisches und komplexes Themenfeld wie Open Access und mehr noch Open Science nicht erschöpfend nach einer Kurslogik vermittelt werden kann, sondern eine berufsbegleitende Kompetenzentwicklung erfordert. Zu dynamisch ist die Transformation, und zu spezifisch sind die Anwendungsfälle. Wichtig sind daher Angebote zur Fort- und Weiterbildung.

Die Perspektive der Hochschulpolitik

Dass eine kontinuierliche Kompetenzentwicklung der Schlüssel für eine optimale Gestaltung der Open-Access-Transformation ist, ist auch im Potsdamer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) bekannt. Aus guten Gründen ging der Einrichtung der vom Ministerium finanzierten Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg ein Projekt zur Ermittlung entsprechender Bedarfe bei den Mitarbeitenden in den Brandenburger Hochschulen voraus. 

Darauf ging Jan Hauke Plaßmann, Leiter des zuständigen  Referats 23 beim Ministerium allerdings weniger ein. Für ihn war es wichtig, noch einmal generell herauszustellen, dass die Hochschul- und Wissenschaftspolitik im Land Brandenburg Openness, Open Access und Open Science als Schlüsselentwicklungen für Wissenschaft, Forschung und Hochschulen ansieht. In der 2019 veröffentlichten Open-Access-Strategie des Landes bekam diese Einstellung eine konkrete Form. Das Ministerium bekennt sich mit diesem Dokument ausdrücklich zur Förderung von Openness. Dies manifestiert sich in den in der Strategie beschriebenen und in der Umsetzung befindlichen Maßnahmen. Besonders greifbar wird dies anhand der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg.

Wichtig ist bei diesen Prozessen, dass Wissenschaft und Kultur nicht getrennt betrachtet werden. Hier würde sich auch eine Gemeinsamkeit zu den Open-Access-Aktivitäten auf Landesebene in Berlin zeigen, die ebenfalls Akteure des Kulturbereichs einbeziehen. Generell besteht in Bezug auf Open Access eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg. 

Das Ziel des der Aktivitäten im Bereich Openness ist für das Ministerium in Übereinstimmung mit dem Grundanspruch von Open Access, die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung auch so weit wie möglich öffentlich verfügbar zu machen. Folglich geht es nicht nur um Open Access als innerwissenschaftliches Phänomen, sondern ausdrücklich um den Austausch zwischen den Domänen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Öffentlichkeit und öffentliche Diskurse sollen auf diesem Weg fundierter und teilhabeorientiert, also inklusiv gestaltet werden. 

Aus Sicht der Kompetenzentwicklung würde dies eine Erweiterung der Rolle einer Vermittlung aus der Domäne der wissenschaftlichen Infrastrukturen heraus auf andere gesellschaftliche Teilbereiche bedeuten. 

Diskussion

Diese bemerkenswerte Erweiterung wurde in der anschließenden Diskussion nicht stärker vertieft. Der Fokus verschob sich noch einmal auf die Frage nach den infrastrukturellen Aspekten sowie weitere Fragen aus dem Orbit der Openness.

Ausgehend von Lücke zwischen dem ideellen Anspruch und der tatsächlichen Umsetzung von Openness eröffnete Vivien Petras eine bisher wenig systematisch adressierte Spannung, die sich aus der sehr interessengeleiteten Perspektive des kommerziellen Sektors auf digitale Daten- und Kommunikationsstrukturen ergibt. 

Insbesondere große Digitalunternehmen wie Google, Facebook, Amazon oder Netflix sind in der datengetriebenen Forschung (z.B. im Bereich Information Retrieval) sehr aktiv. Die Forderung nach Offenlegung von Daten und Algorithmen und nach Replizierbarkeit von Forschungsergebnissen greife hier aber nicht. Kommerzielle Akteure können naturgemäß nicht zu Openness verpflichtet werden und argumentierten häufig mit dem Wettbewerbsgeheimnis. 

Dies könne auf Einstellungsmuster von Forschenden zurückwirken. In jedem Fall vertieft sich die Asymmetrie zwischen öffentlicher Forschung und der der Industrie. Zugleich ist die Trennung keineswegs scharf, denn auch kommerzielle Akteure werben in großem Umfang öffentliche Fördergelder ein. Die damit finanzierte Forschung und Entwicklung fließt auch direkt in die Produktentwicklung ein. Im Rahmen des künstlerisch-kreativen Bereichs spielten laut Ariane Jeßulat wiederum andere Faktoren eine Rolle. Kokreationsprojekte mit Unternehmen seien hier von großer Bedeutung, jedoch durch die formalen Rahmenbedingungen an den öffentlichen Einrichtungen häufig erschwert.

Anschließend ging es um die Frage, ob sich der Diskurs zur Offenen Wissenschaft von der Auffindbarkeit von Forschungsinhalten zu deren Zurechenbarkeit und also der datenanalytischen und maschinenlesbaren Vernetzung verschiebt. Bibliotheken streben Interoperabilität und Verknüpfbarkeit von Metadaten laut Vivien Petras bereits seit langem an. Ariane Jeßulat wies darauf hin, dass es problematisch sein könne, wenn bibliometrische Daten als Grundlage für budgetrelevante Entscheidungen dienen. Dies gilt umso mehr dort, wo Leistungen schwer quantitativ erfassbar sind. Bibliometrische Analysen müssten daher laut Vivien Petras von den Akteur*innen verantwortungsvoll verarbeitet werden. Diesbezüglich kann das Leiden Manifesto als wichtige Orientierung dienen. 

Ausblick – Quo Vadis Openness?

Abschließend wurden die Wünsche der Diskutierenden für die weitere Entwicklung von Offener Wissenschaft zusammengetragen. Elisa Herrmann verbindet mit Offener Wissenschaft allgemein den Wunsch nach einer Stärkung des gesellschaftlichen Verständnisses für die Komplexität der Welt. 

Vivien Petras wünscht sich, dass das derzeit noch stark an Budgetlinien und individueller Profilierung ausgerichtete Evaluations- und Qualitätsbewertungssystem in der Wissenschaft, gemäß dem Anspruch und der Vision von offener Wissenschaft verändert wird. Zudem kann eine Offene Wissenschaft in der passenden Umsetzung dazu beitragen, Ungleichheiten auch zwischen Wissenschaftsregionen wie dem globalen Süden und dem globalen Norden zu reduzieren. 

Dass die Lücke zwischen dem Bewusstsein für Openness und entsprechenden Richtlinien kleiner werde, wünscht sich Antje Michel. Dafür sind ausreichende Ressourcen notwendig, da die Kompetenzen und Möglichkeiten für die Umsetzung im System nicht selbstverständlich vorhanden sind. Sie sieht Openness weniger als Selbstzweck, sondern als Strategie, um die Wissenschaft und die mit ihr in Beziehung stehenden Systeme durchlässiger zu machen. 

Ariane Jeßulat wünscht sich, dass der Transformation Zeit gegeben wird und dass das Bewusstsein für die Auseinandersetzung mit komplexen Autor*innenschaften und Kreativrechten bei künstlerischen Werken als Bedingung für das Gelingen von Offener Wissenschaft gestärkt wird. Es gibt in den Künsten historische gewachsene strukturelle Herausforderung, die zu bewältigen seien. Das gelingt nicht über Nacht.  

Für die Wissenschaftspolitik benannte Jan Hauke Plaßmann den Wunsch, dass mit den begonnenen Transformationsschritten perspektivisch erreicht wird, dass öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse tatsächlich umfassend frei verfügbar und nachnutzbar sind. Es bewegt sich zwar viel, jedoch nicht alles, wie man es sich erhofft. Mit Transformationsvereinbarungen mit großen Verlagen wie etwa im Rahmen von Projekt DEAL werde deren Marktposition unter dem Label Open Access zusätzlich gestärkt. Daher ist eine Diversifizierung und Stärkung verschiedener, auch wissenschaftsgetragener Publikationsmodelle wichtig, um Effekte wie etwa die Doppelfinanzierung des Zugriffs auf wissenschaftliche Ergebnisse und kostenfreier Arbeitsleistung von Wissenschaftler*innen für kommerziell ausgerichtete Unternehmen zu reduzieren. Bei solchen Ansätzen könnte öffentliches Geld tatsächlich primär in die Erzeugung von Forschungsergebnissen und deren freie Zugänglichmachung fließen.

Fazit und Takeaways

Für die zwei Schwerpunkte Kompetenzen und Infrastrukturen lassen sich jeweils einige Aspekte für weiterführende Diskussionen mitnehmen. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Transformation zwar einen digitaltechnischen Rahmen hat, die eigentliche Verschiebung aber weniger technische Innovation bedeutet, sondern Kulturwandel. Das deckt sich mit der mittlerweile jahrzehntealten Grundidee von Open Access. Dass wir bereits 20 und mehr Jahre diese Idee reflektieren, unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Faktors “Zeit”. Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts ist eine andere als die der Evolution der Einstellungen, Interessen und auch Kompetenzen. Mit den Studiengängen der Bibliotheks- und Informationswissenschaften zum Beispiel in Berlin und Potsdam gibt es zugleich Kompetenzzentren, die Fachkräfte für das, wenn man so will, Komplexitäts- und Transformationsmanagement zur Openness gezielt qualifizieren. Bibliotheken und, wie das MfN zeigt, auch Museen benötigen Mitarbeitende genau mit diesen Qualifikationsprofilen.

Zudem lassen sich Openness, Open Science und Open Access nicht mit einem Weg erreichen. Die Kunst und die Universität der Künste sind ein perfektes Fallbeispiel für eine Domäne, die zwar hochmotiviert Openness verfolgen möchte, für die aber viele Lösungen zum Beispiel aus der Preprint-Kultur der Naturwissenschaften nicht passen. Openness rückt Wissens- und Kreationskulturen zusammen, muss aber zugleich deren jeweilige Logik und Besonderheiten berücksichtigen. Dies gilt nicht nur für die Fachkulturen, sondern auch für informationsethische Aspekte wie die Teilhabemöglichkeiten, die nicht nur den lesenden Zugang sondern auch das Sichtbarmachen des eigenen Forschungsoutputs, also den Zugang zu Publikationsmöglichkeiten betreffen. Eine Diversität ist daher auch bei den Publikations- und Bereitsstellungsmodellen zu fördern. Die Wissenschafts- und Hochschulpolitik in Brandenburg und auch anderer Stelle weiß das und setzt entsprechende Impulse.

4 von 5: Was bedeutet Open Science für das künftige Geschäftsmodell von Bibliotheken?

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist über das TIB AV Portal verfügbar.

Von Sebastian Nix

Bericht zur Veranstaltung #4 in der Reihe: Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Woche für Berlin-Brandenburg.

Nachdem die ersten drei Veranstaltungen der virtuellen Open Access Woche Berlin Brandenburg den Fokus zunächst auf das Für und Wider gewinnorientierter Modelle von Open Access gerichtet hatten, außerdem auf die konkreten Folgen der DEAL-Verträge für Bibliotheken und auf die Frage, inwiefern Wissenschaftseinrichtungen verlegerische Aufgaben übernehmen können und sollten, nahm die vierte Veranstaltung am 17.02.2022 die – weitreichende – Frage in den Blick, wie die Inkorporierung von Praktiken „offener Wissenschaft“ das Geschäftsmodell von Bibliotheken inklusive ihres eigenen, transparent zu haltenden Betriebs jetzt und in Zukunft beeinflusst. Dies wurde im Rahmen von Kurzvorträgen ganz konkret dargestellt aus der Perspektive drei sehr unterschiedlicher wissenschaftlicher Bibliotheken:

  • der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, vertreten durch ihren Direktor, Professor Dr. Klaus Tochtermann,
  • des Bereichs „Wissenschaftliche Information“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), repräsentiert durch den Bereichsleiter Mathis Fräßdorf, Ph.D., sowie 
  • der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK), für die Reinhard Altenhöner, Ständiger Vertreter des Generaldirektors, einen Beitrag beisteuerte.

Die Moderation der mit bis zu rund 270 Teilnehmer*innen erneut sehr gut besuchten Veranstaltung lag in den Händen von Professor Dr. Ellen Euler (Fachhochschule Potsdam).

Den Auftakt machte Klaus Tochtermann (Präsentation Klaus Tochtermann). Er führte zunächst aus, dass es keine einheitliche Definition von „Open Science“ gebe. Den verschiedenen Definitionsansätzen sei jedoch gemeinsam, dass Open Science abziele auf möglichst große Transparenz und Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Arbeit, was letztlich auch einer Verbesserung der Qualität des Forschungsprozesses diene. Für sein Haus stellte Tochtermann verschiedene Serviceangebote vor, die sämtlich dazu beitragen sollen, die von der ZBW hauptsächlich angesprochene Zielgruppe der Forschenden und Studierenden in den Wirtschaftswissenschaften mit Prinzipien und Werkzeugen von Open Science vertraut zu machen und sie bei der Umsetzung von Open Science im gesamten Forschungsprozess zu unterstützen. Das Spektrum reicht hier vom Betrieb eines Repositoriums für wirtschaftswissenschaftliche Open-Access-Publikationen über Online-Informationsplattformen bis hin zu Veranstaltungen wie der jährlichen „Open Science Conference“, die die ZBW in einem Netzwerk zahlreicher Partner ausrichtet. In diesem Zusammenhang betonte Tochtermann, wie wichtig der Dialog und die Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern aus Wissenschaften und Informationsinfrastruktur seien, um bedarfsgerechte Serviceangebote zu entwickeln. Zudem betreibe die ZBW selbst informationswissenschaftliche Forschung und bedenke dabei stets auch Open Science aus verschiedenen Blickwinkeln mit.  Die Herausforderung bestehe hier darin, die eigenen, informationswissenschaftlich fundierten Erkenntnisse einfließen zu lassen in ein Serviceangebot, das auf die disziplinäre Praxis einer ganz anderen, sehr spezifischen Fachcommunity zugeschnitten sein müsse. Auf diese Herausforderung hat die ZBW mit der Gründung einer eigenen Abteilung „Open-Science-Transfer“ reagiert. Der Referent betonte auch, dass die Entwicklung neuer ebenso wie die Verstetigung projektbasiert entwickelter Services angesichts stets begrenzter Ressourcen eine permanente Aufgabe sei. Die ZBW nutzt hier ein dezidiertes Servicekonzept zur kriterienbasierten Evaluation ihres Portfolios. Ein Eckpunktepapier „Offenheit als Handlungsfeld für die ZBW“ mit sechs konkreten Themenfeldern und konkret formulierten Zielen soll dazu beitragen, verschiedene Facetten von Open Science, z.B. Open Access oder Open Data, systematisch im Serviceangebot der ZBW zu verankern. Zugleich müssten die Mitarbeitenden bei der Umstrukturierung von Services – dies beinhalte auch die Einstellung von Angeboten, die heute nicht mehr dieselbe Bedeutung wie zu ihrer Entstehungszeit hätten – mitgenommen werden; dabei gelte es auch Überzeugungsarbeit zu leisten und Widerstände zu überwinden. Hilfreich dabei seien auch externe Impulse, wie sie bei Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft, zu denen auch die ZBW gehört, beispielsweise durch regelmäßige externe Evaluationen gegeben sind. Eine besondere Bedeutung kommt hier auch der kontinuierlichen, vor allem fachlichen Weiterqualifikation zu, wobei an der ZBW eine stark wachsende Bedeutung kompakter Formate zu beobachten ist, die sich – anders als z.B. mehrtägige Schulungen – gut in den Arbeitsalltag integrieren ließen. Aber auch eine inhaltlich andere Profilierung freiwerdender Stellen sah Tochtermann als weitere Möglichkeit, mit begrenzten Personalressourcen Serviceveränderungen umzusetzen. Neue Tools wie Jira helfen zudem dabei, sich stetig ändernde Geschäftsprozesse im Blick zu behalten und zu dokumentieren.

Screenshot des Beitrags von Klaus Tochtermann: Ressourcen und neue Services im Erwerbungsetat der ZBW

Mathis Fräßdorf (Präsentation Mathis Fräßdorf) nahm dann die Perspektive einer vor allem auf eine hausinterne Klientel fokussierten Informationsinfrastruktureinrichtung ein; im Fall des WZB sind dies vor allem Ökonom*innen, Sozialwissenschaftler*innen und Rechtswissenschaftler*innen. Fräßdorf wies zunächst auf die überwiegende öffentliche Finanzierung des WZB hin; schon diese sei ein gewichtiger Grund dafür, aus öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungsergebnisse der interessierten (Fach-)Öffentlichkeit zur weiteren Nutzung zur Verfügung zu stellen. Die Schwerpunkte am WZB liegen hier infrastrukturseitig vor allem in den Bereichen Open Access und Open Data. Für die Wahrnehmung entsprechender Aufgaben stehen am WZB ca. 2,5 Vollzeitäquivalente (ca. 16% aller Stellenanteile im Bereich „Wissenschaftliche Information) zur Verfügung, verteilt auf insgesamt sechs Personen. Eindrucksvoll konnte der Referent anhand konkreter Zahlen belegen, dass die zentral erbrachten Services rund um Open Science von den Forschenden Hauses sehr gut angenommen werden. In diesem Zusammenhang unterstrich er, dass die Bereitstellung zentraler Fachkompetenz letztlich eine Ressourcenersparnis an anderer Stelle bedeute: So müssten sich Forschende nicht selbst Spezialwissen z.B. zu Open-Access-Publikationsmodellen oder der FAIR-kompatiblen Dokumentation und Bereitstellung von Forschungsdaten aneignen. Fräßdorf ging aber auch darauf ein, dass die Entwicklung von neuen Services sich vollziehe in einem von wachsender Unsicherheit gekennzeichneten Kontext. So sei es beispielsweise eine Herausforderung, mit einem konstanten Erwerbungsbudget wachsende, aber nur begrenzt gut prognostizierbare Ausgaben für Open-Access-Publikationen zu bestreiten. Auch sei mitunter schwer einzuschätzen, wie nachhaltig der oft langwierige Aufbau hochspezialisierter Kompetenzen bei Mitarbeitenden in einem dynamischen Umfeld nutzbar sei. In einem eher kleinen Team stelle auch die Sicherung institutionsspezifischen Knowhows unabhängig von einzelnen „Wissensträger*innen“ eine Herausforderung dar. In diesem Zusammenhang betonte Fräßdorf, wie wichtig es sei, Dienstleistungen in Kooperation mit Partnern zu erbringen, die beispielsweise auf hohem professionellen Niveau Infrastrukturen für die Veröffentlichung frei zugänglicher wissenschaftlicher Publikationen und Daten betreiben.

Screenshot des Beitrags von Mathis Fräßdorf: Entwicklung der Open-Access-Leistungen am WZB

Reinhard Altenhöner (Präsentation Reinhard Altenöner) schließlich näherte sich dem Thema der Veranstaltung aus dem Blickwinkel einer der größten wissenschaftlichen Bibliotheken Deutschlands an.  Die SBB-PK ist integraler Bestandteil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die jüngst Open-Science-Leitlinien verabschiedet hat, um im Verbund der Stiftungseinrichtungen Open-Science-Praktiken in verschiedener Weise zu stärken. Die SBB-PK setzt mittlerweile einen inhaltlichen Schwerpunkt in den Kultur- und Geistwissenschaften und bedient damit, in dieser Hinsicht ähnlich wie die ZBW, eine heterogene Klientel von Forschenden und Studierenden verschiedenster Disziplinen im In- und Ausland. Darin liegt auch eine Herausforderung, wenn es darum geht, Bibliotheksdienstleistungen bedarfsgerecht zuzuschneiden auf konkrete Bedarfe einer – mangels einer direkten „institutionellen Verbindung“ zwischen der Bibliothek und ihren Nutzer*innen wie z.B. am WZB – immer ein Stückweit auch „diffusen“ und „ephemeren“ Klientel. Auch Altenhöner stellte diverse Serviceangebote seines Hauses mit Open-Science-Bezug vor. Eine wichtige Stoßrichtung ist dabei eine freie Bereitstellung von Inhalten, z.B. Digitalisaten, über offene, gut dokumentierte Schnittstellen. Ziel sei es, über die Distribution frei zugänglicher, interoperabler Informationsressourcen zu einer Vernetzung von und Interaktion mit den Nutzer*innen dieser Inhalte beizutragen. Angesichts der Tatsache, dass Personalkosten den weitaus größten Teil des Budgets der SBB-PK ausmachen, betonte Altenhöner, dass die Umsetzung von Open Science eng gekoppelt sei an die Verankerung eines entsprechenden „Mindsets“ bei den Mitarbeitenden und in möglichst allen Geschäftsgängen. Dabei benannte er eine verstärkte Ausrichtung von Personalentwicklungs- und -gewinnungsmaßnahmen als wichtigen Erfolgsfaktor. Zugleich prognostizierte er, dass künftig verstärkt eine Umwidmung von Stellen zugunsten hoch vergüteter, wissenschaftlicher Stellen stattfinden werde. Weiterhin warnte er davor zu erwarten, dass eine perspektivisch weitreichende Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Informationsressourcen im Open Access quasi automatisch zu einer Kostensenkung und damit zur Freisetzung von durch bislang für den Bestandsaufbau gebundenen Mitteln für andere Services führe: „Es wird nicht billiger!“

Screenshot des Beitrags von Reihard Altenhöner: Auswirkungen von Open Science auf die strategische Weiterentwicklung

Fazit und Diskussion

Sowohl die Beiträge der drei Referenten als auch die Fragen aus dem Publikum machten deutlich, dass ein Aufgreifen von Open-Science-Ansätzen durch Bibliotheken Chancen für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung bedarfsorientierter Services bietet und auch bereits in der Praxis gelebt wird. Folgende Aspekte wurden dabei besonders deutlich:

  • Die Umsetzung von Open Science durch Infrastruktureinrichtungen erfordert mehr denn je auch seitens der Infrastruktureinrichtungen ein vertieftes Verständnis für die disziplinären Kulturen und die disziplinspezifischen Besonderheiten jeweils des gesamten Forschungsprozesses.
  • Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Mitarbeitenden durch einen transparenten Entscheidungsfindungsprozessbei der Weiterentwicklung entsprechender Serviceportfolios  „mitzunehmen“. Dies schließt angesichts nur begrenzt verfügbarer Personal- und Sachressourcen auch die kritische Reflexion über den Fortbestand vorhandener Services ein. Wichtig dabei sind klare strategische Zielsetzungen unter Einbeziehung der Nutzer*innen-Perspektive und im Idealfall auf Basis einer kriterienbasierten, iterativen Bewertung von Services.
  • Systematische Personalentwicklungsmaßnahmen sind neben der inhaltlichen Transformation des Stellentableaus im Zusammenhang mit Personalfluktuation ein wichtiges Instrument, um Mitarbeitende zur Erbringung wissenschaftsnaher Open-Science-Services zu befähigen. Hilfreich können hier zeitlich kompakte, gut in den Arbeitsalltag integrierbare Fortbildungsangebote sein.
  • Es gilt, sorgfältig abzuwägen, welche Services „inhouse“ entwickelt und gepflegt werden und in welchen Fällen eine Kooperation mit Dritten unter Ressourcengesichtspunkten die bessere Option sein kann.
  • Angesichts der Dynamik der Digitalisierung im Wissenschaftsbereich wir die künftige Entwicklung forschungsunterstützender Services, gerade im Bereich „Open Science“, stärker als in der Vergangenheit geprägt sein von Unsicherheit. Dies setzt bei allen Beteiligten eine kontinuierliche Bereitschaft zur Veränderung und zum Hinterfragen von bestehenden Praktiken voraus.

Unter anderem anknüpfend an diese Erkenntnisse wird die nächste und vorerst letzte Veranstaltung im Rahmen der virtuellen Open Access Woche unter dem Titel „Mit Volldampf voraus in Richtung ‚Openness‘: Kompetenzen und Infrastrukturen mit Perspektiven“ im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Frage in den Blick nehmen, wie es im Zusammenspiel der verschiedenen Akteure aus Wissenschaf(spolitik), Ausbildungs- und Infrastruktureinrichtungen gelingen kann, den Wandel hin zu Open Science aktiv zu gestalten. Sie sind herzlich eingeladen, sich am 25. März 2022, 14:00 bis 15:30 Uhr, sich an dieser Diskussion zu beteiligen.

Wir wollen mehr Open Access wagen!

Online-Workshop: Wege, Modelle und Services für die Politikwissenschaft

Von Linda Martin und Regina Pfeifenberger

Unter diesem Motto teilten Wissenschaftler*innen, Fachreferent:innen und Publizierende  am 9. Februar 2022 ihre Erfahrungswerte und Fragen zu Open Access in der Politikwissenschaft.
Der thematische Workshop ist Teil des Projektangebots von open-access.network und wurde gemeinsam von dem Open-Access-Büro Berlin und dem Fachinformationsdienst Politikwissenschaft (Pollux)  ausgerichtet. Neben einer Einführung zu Möglichkeiten verschiedener Publikationswege und Services von Infrastrukturbetreibenden, konnten die knapp 30 Teilnehmenden in einen direkten Austausch mit zwei Open-Access-Publizierenden gehen.

Es sei Glück, wenn die Co-Autorin Corresponding Author sei und ihre Einrichtung Open Access fördere, so Jun.-Prof. Arndt Leininger, Ph.D., derzeit an die TU Chemnitz berufen. Die Erfahrungswerte – Zugriff auf eine breitere Quellenlage durch Open-Access-Literatur zu haben – prägten die Zeit seiner Affiliation an einer kleineren Einrichtung, der Hertie School of Governance. Auch die erhöhte Sichtbarkeit der eigenen Forschung zählten zu seiner Motivation Open Access zu publizieren. Darüber hinaus beschrieb Leininger die Vielfalt der von ihm genutzten Wege der Veröffentlichung: von der Publikation im Portfolio der DEAL-Zeitschriften, über die Möglichkeit zur Zweitveröffentlichung auf dem disziplinspezifischen Repositorium bis zur Publikation im eigenständigen Gold Open Access Journal. Dabei verriet der Juniorprofessor für Politikwissenschaftliche Forschungsmethoden seine Tricks zur erfolgreichen Umsetzung des Open-Access-Publizierens:

  • Co-Autor*innen frühzeitig anschreiben, ob eine Zweitveröffentlichung eines gemeinsam verfassten Artikels in einem Repositorium möglich ist.
  • Ein wichtiges Auswahlkriterium einer Zeitschrift: Das Vorhandensein von Gold Open Access Publikationsmöglichkeiten.
  • Auf die Affiliation kommt es an. So sollte derdie Wissenschaftlerin als Corresponding Author auftreten, deren*dessen Einrichtung über Transformationsverträge oder Vereinbarungen mit Verlagen verfügt.
  • Informationen über bestehende Transformationsverträge der eigenen Einrichtung einholen und Netzwerke bilden.

Wie die eigenen Forschungsschwerpunkte Einfluss auf die Entscheidung des Publizierens haben können, führte Dr. Philipp Schulz von der Universität Bremen aus. Open Access ermöglicht es den Menschen, die er in Uganda interviewte und auf dessen Aussagen seine Dissertation fußt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse nachzunutzen. Die zentralen Beweggründe für die Entscheidung gegen Closed Access seien Transparenz, Sichtbarkeit, aber auch im Besonderen ethischer und moralischer Art.
Der am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien Tätige veröffentlichte seine Hochschulschrift als Monographie bei University of California Press. Damit einher gingen Aspekte der Qualitätssicherung in Form eines Editorial Boards sowie der Begutachtung seines Manuskripts.
Trotz aller Open-Access-Euphorie verwies Schulz auch auf die daraus resultierende Verstetigung eines konstanten Ungleichgewichtes zwischen Wissenschafltler*innen weltweit: Die Erhöhung der eigenen Sichtbarkeit, der Abschluss einer Karrierestufe mithilfe einer Open-Access-Publikation ist häufig nur durch die Unterstützung von Forschungsförderorganisationen möglich. Wiederum erleichtert der Zuwachs des eigenen Renommees die Einwerbung neuer Fördergelder. Open Access sollte somit immer auch aus einer postkolonialen Perspektive beleuchtet werden.

Dipl.-Wirt.Jur. Thomas Hartmann, LL.M., vom FIZ Karlsruhe – Leibniz- Institut für Informationsinfrastruktur gab den Teilnehmenden einen Einblick in das Thema (Urheber-)Recht und sprach sich dafür aus, dass Open Access gestärkt werden sollte. Es braucht mehr Openness, so sein Credo. Denn gerade in der digitalen Welt seien “some rigths reserved”, welches durch die Möglichkeit der Wahl einer Creative-Commons-Lizenz betont würde. Wo Autor*innen oder Herausgeber*innen eine CC-Lizenz auch restriktiverer Art vergeben, sei ein wichtiger Schritt zu mehr Offenheit in der Wissenschaft und zur Wahrung eigener Rechte getan.

Neben einem Austausch im Peer-to-Peer-Format, hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit einen Einblick in die Services dreier Infrastrukturen – das Social Science Open Access Repository (SSOAR), die transcript Open Library Politik und das International Journal of Conflict and Violence (IJCV) – zu gewinnen.

Dr. Agathe Gebert erläuterte, wie Wissenschaftler*innen auf dem Grünen, aber auch dem Goldenen Weg im größten sozialwissenschaftlichen Open-Access-Repositorium (SSOAR) publizieren können. Die Langzeitarchivierung von Forschungsergebnissen, die Vergaben von persistenen Identifikatoren (z.B. DOI), die Wahl freier Creative-Commons-Lizenzen und die Anwendung von Suchmaschinenoptimierung sind nur einige Vorteile des Publizierens auf dem Dokumentenserver von GESIS – dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Besonders einfach ist das Hochladen eigener Publikationen über Pollux, da die Metadaten der ausgewählten Publikation automatisch an SSOAR übertragen werden.

Die transcript Open Library Politik ist ein auf Basis von Crowdfunding – mit besonderer Unterstützung seitens des FID Politikwissenschaft  – geschaffenes Angebot des Verlages transcript. Stefanie Hanneken erläuterte wie die Forschungsliteratur über Plattformen wie JSTOR oder OAPEN an Sichtbarkeit gewinnt. Hanneken betonte die Idee, dass die Forschenden durch die eigenständige Wahl einer Creative-Commons-Lizenz und die ledigliche Abgabe einfacher Nutzungsrechte an den Verlag zu Co-Herausgeber*innen würden. Am häufigsten wählten bisherige Autor*innen die Lizenz CC-BY, aber auch die restriktivere Variante CC-BY-NC

Dr. Kurt Salentin (Universität Bielefeld) stellte das von ihm und weiteren Herausgeber*innen betreute, interdisziplinär ausgerichtete Journal of Conflict and Violence vor. Das Journal wird über BieJournals (Software: Open Journal Systems der Universität Bielefeld) gehostet und bietet den Autor*innen die Möglichkeit des kostenfreien Publizierens (Diamond Open Access), inklusive eines Peer Reviews. Inhaltlich und technisch fußt das Medium auf der Arbeit des Editorial Boards. Auch Salentin hob wie die Referenten des Vormittags hervor, dass seine Motivation für das Diamond-Open-Access-Publizieren darin begründet ist, selbst etwas zur Bildungsgerechtigkeit beizutragen und der Zivilgesellschaft das öffentlich finanzierte Wissen frei zur Verfügung zu stellen.

Wichtige, aber nicht allumfassende, Takeaways des Workshops sind:

 

 

  • Die Motivation der Publizierenden reicht von dem Wunsch nach erhöhter Sichtbarkeit der eigenen Forschung, hin zu globaler Gerechtigkeit und dem Verständnis öffentlich finanzierter Wissenschaft, die auch der Zivilgesellschaft zu Gute kommen sollte.
  • Die zentrale Rolle der Forschungsförderorganisationen, die Open Access weitere Relevanz einräumen sollten.
  • Die wiederkehrenden Unsicherheiten bei der Wahl einer passenden Creative-Commons-Lizenz, sei es für eigene Publikationen oder aber als Herausgeber*in eines Zeitschriftenangebotes.
  • Die Unsicherheiten bzgl. der Finanzierung und die Herausforderungen bei der Publikation einer Qualifikationsarbeit innerhalb Deutschlands.
  • Die Frage nach der Positionierung und passgenauer Services, die verschiedene Wege des Publizierens berührt. Welche Konfliktlinien zeichnen sich ab? Einen Blick auf die Chancen von Diamond-Open-Access-Angeboten und auf das Angebot von kleineren und mittleren Verlagen zu werfen, scheint lohnenswert. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der persönlichen Motivation der Herausgebenden.

3 von 5: Sind Wissenschaftseinrichtungen die besseren Verlage?

Von Maike Neufend, Anita Eppelin, Sebastian Nix und Frank Seeliger

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist über das TIB AV Portal verfügbar.

Bericht zur Veranstaltung #3 in der Reihe: Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Woche für Berlin und Brandenburg.

Die dritte Veranstaltung der Reihe “Quo vadis offene Wissenschaft” mit rund 250 Teilnehmer*innen beschäftigte sich mit der Frage der Kostentransparenz im wissenschaftlichen Verlagswesen und dem nicht-kommerziellen Publizieren an Wissenschaftseinrichtungen. Unter dem Titel “Sind Wissenschaftseinrichtungen die besseren Verlage?” wurde diskutiert, ob sich hochschuleigene Verlage und Publikationsinfrastrukturen perspektivisch zu “besseren Verlagen” entwickeln könnten, weil diese sich bei den Kosten von Open Access an aufwandsgerechten Publikationskosten orientieren und nicht an der Gewinnmaximierung. An die Frage der Kosten schlossen sich weitere Diskussionspunkte an, zur Rolle wissenschaftsgetragener Publikationskultur (Scholar-led), Qualitätssicherung, Publikations-Workflows und auch Fragen zum Reputationssystem in der Wissenschaft.

Auch wenn die Diskussion keine “einfachen” Lösungen aufzeigen konnte, machten die Podiumsgäste deutlich, dass mehr Zusammenarbeit von allen gewünscht wird.

Zur Diskussion eingeladen waren Vertreter*innen verschiedener Interessengruppen, darunter Detlef Büttner, Geschäftsführer von Lehmanns Media, einer Unternehmensgruppe, die als Intermediär mit dem An- und Verkauf von wissenschaftlichen Informationsressourcen wirtschaftet. Des Weiteren vertrat Kathrin Ganz, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg und Redaktionsmitglied beim Open Gender Journal, auf dem Podium die Scholar-led-Perspektive, die unter anderem in einem kürzlich erschienenen Manifest ausformuliert wurde. Miriam von Maydell leitet das Lektorat und die Herstellung im Verlag Barbara Budrich und sprach damit aus der Perspektive der mittelständischen und kleinen Verlage. Als Leiterin der Abteilung Publikationsdienste an der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin nahm Dagmar Schobert  die Position der Universitätsverlage ein. An der TU Berlin wird bereits seit 50 Jahren ein Universitätsverlag geführt, der seit 2013 zu einem Open-Access-Verlag umgestaltet wurde. Die Moderation übernahm Thomas Mutschler, Leiter der Abteilung Medienerwerbung und -erschließung an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Herr Büttner konnte aufzeigen, dass sein Interesse sich nicht mit dem der Großverlage deckt, denn der Paradigmenwechsel zu Open Access sorge dafür, dass die Dissemination von Wissen immens verbessert würde. Seine Aufgabe sehe er darin, die stetig steigenden Wissensmengen zu ordnen, zu katalogisieren und in effizienten Prozessen den Einrichtungen und Wissenschaftler*innen verfügbar zu machen. Dies sei ein unverzichtbarer Beitrag für die Informationsversorgung der Wissenschaft. Miriam von Maydell betonte, dass das Aufgabenspektrum des Verlags unterschiedliche Abteilungen umfasst, die sich um die Produktion kümmern. Dazu gehören auch die Schaffung und Pflege eines inhaltlichen Profils, durch welches ein Verlag eine bestimmte Reputation aufbaut. Dadurch bieten Verlage wie Barbara Budrich bspw. in den Sozial- und Erziehungswissenschaften eine große Sichtbarkeit für die Autor*innen. In dieser erhöhten Sichtbarkeit oder auch Zugänglichkeit für Autor*innen  sieht auch Kathrin Ganz den Vorteil für Wissenschaftler*innen, doch diese Zugänglichkeit werde bereits durch Open-Access-Publikationen erreicht, in deren Publikationsprozess Wissenschaftler*innen ohnehin schon umfassend involviert sind, z. B. durch die Begutachtungsverfahren, die Reviews nach Veröffentlichung und häufig auch das Layout und den Satz. Warum sollte die Fachcommunity also nicht direkt die Publikation selbst komplett in die Hand nehmen?

Dagmar Schobert sieht wiederum den größten Unterschied zwischen privatwirtschaftlich-gewinnorientierten Verlagen und Universitätsverlagen in der kommerziellen Ausrichtung. Denn gerade weil Publikationsprojekte an Wissenschaftseinrichtungen sich nicht nach einer Gewinnmaximierung ausrichten müssen, sei es ihnen möglich, den Kulturwandel im Bereich des Open-Access-Publizierens besser  zu unterstützen. Dies sei insbesondere in Berlin von Bedeutung, denn dort sollen Open-Science-Praktiken in Zukunft bei der Bewertung von Forschungsleistungen einbezogen werden. Die Technische Universität Berlin habe Schritte in diese Richtung bereits unternommen und bspw. die DORA-Erklärung unterzeichnet. 

Für die Diskussion ergaben sich folgende weitere Fragestellungen, Thesen und Forderungen:

  • Die Publikationsdienstleister sollen statt quantitativer Metriken verstärkt inhaltliche Merkmale der Qualitätssicherung fördern, um den Kulturwandel im Publikationssystem der Wissenschaft zu unterstützen. 
  • Die Mittel der Qualitätssicherung wie Beiräte, Peer-Review oder die Inanspruchnahme von Netzwerken unterscheiden sich zumeist nicht zwischen  gewinnorientierten und nicht-kommerziellen Verlagsangeboten.
  • Die Diskussion zum Open-Access-Publizieren sollte unter der Voraussetzung geführt werden, dass Mehrwerte für alle Beteiligten in der Open-Access-Community gegeben sind – und unter Nutzung der  jeweiligen Stärken der Beteiligten.
  • Insbesondere bei technischen Entwicklungen und der Umsetzung einheitlicher Standards (bspw. XML-Workflows) sollte es Kooperationen geben, um allen Beteiligten das Publizieren in Open Access gleichermaßen zugänglich zu machen.
  • Innovative Projekte (wie Open Peer Review, Einbindung von Forschungsdaten in Artikel, etc.) werden gefördert, aber es fehlt die Nachhaltigkeit.
  • Eine konsortiale Finanzierung von Daueraufgaben sollte ermöglicht werden.
  • Im Bereich der Infrastruktur ist mehr kollaboratives Arbeiten notwendig. 
  • Es bedarf einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung und einer Beteiligung an wissenschaftspolitischen Diskussionen, um die Nachhaltigkeit von Publikationssystemen zu gewährleisten.
  • Internationale Projekte wie  “Copim: Community-led Open Publication Infrastructures for Monographs” können als Good-Practice-Orientierung dienen.

Zusammenarbeit findet bereits auf vielen Ebenen statt. Insbesondere im Buch- und im Scholar-led-Bereich gibt es in Deutschland überregionale Initiativen, wie bspw. die AG Universitätsverlage, die Enable!-Initiative, sowie die Fokusgruppen Open-Access-Bücher und scholar-led.network im Rahmen von open-access.network. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) setzt im laufenden Förderprogramm zur Beschleunigung der Open-Access-Transformation verstärkt auf den Austausch zwischen Wissenschaftseinrichtungen und Verlagen und auf die Förderung von Scholar-led-Projekten. 

Am Ende konnte die Diskussion zeigen, dass die Transformation des Publikationsmarktes durch den Paradigmenwechsel hin zu Open Access aus Sicht der Podiumsteilnehmer*innen Herausforderung und Chance zugleich ist. Es haben sich sowohl neue Geschäftsmodelle als auch neue Publikations- und Verlagspraktiken entwickelt. Will die Community  aber der Entwicklung entgegenwirken, in der Publikationsinfrastrukturen wiederholt von großen kommerziellen Unternehmen aufgekauft werden, gilt es, sich zusammenzuschließen, um offene und kollaborative Formen von Infrastrukturen und Workflows zu schaffen. Dabei können Bibliotheken mit ihren nicht-gewinnorientierten Open-Access-Verlagen eine wichtige Rolle und Funktion übernehmen.

Im Hinblick auf die nächste Veranstaltung der Reihe schließt sich hier unmittelbar die Frage an, welche Rolle Bibliotheken generell in Zukunft einnehmen. Wenn es unter dem Paradigma der Offenheit nicht mehr “nur” um die Bereitstellung wissenschaftlicher Informationsressourcen geht, sondern eher um inhaltsgetriebene Kuratierungs-, Vernetzungs-  und Vermittlungsleistungen, wie können solche Dienstleistungen dann nachhaltig betrieben und finanziert werden?

Wir freuen uns auf die Diskussion am 17. Februar 2022 zum Thema “Was bedeutet Open Science für das künftige Geschäftsmodell von Bibliotheken?”.

Performing Open Access – Ein Workshop für und mit den Darstellenden Künsten

Von Friederike Kramer und Linda Martin

Performing Open Access – der Titel wurde Programm, als sich am 13. Dezember Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiter*innen gemeinsam mit Infrastrukturanbietenden über Bedarfe, die Umsetzung von und Angeboten zu Open Access ausgetauscht haben. Im Rahmen des Projektes open-access.network richteten das Open-Access-Büro Berlin und die Universitätsbibliothek der Universität der Künste einen interaktiven Workshop aus, der die Darstellenden Künste adressierte. Die 25 Teilnehmenden nutzten die Möglichkeiten des Gather.town-Raumes zum Austausch und zur Vernetzung.

Workshop „Performing Open Access“ am 13.12.2021

Zum Einstieg nahm Jason Corff (Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz) die Anwesenden mit auf eine Gedankenreise, die ihnen seine zwischen Kartographie und Choreographie angesiedelte Arbeit näher brachte. Open Access ist nicht gleich Open Access – wo die Wissenschaften verschiedene Anforderungen an die Verfügbarmachung von Wissen stellen, bringen die künstlerischen Inhalte andere Publikationsformate – wie Videomitschnitte oder enhanced publication – und auch ein gesondertes Verständnis gegenüber des eigenen Wirkens hervor. Corff wies auf die Herausforderungen hin, die ihm während seiner Forschungen begegnen. So sei ein „access to research“ bereits bei der Suche nach Publikationen durch ein fehlendes Vokabular stark erschwert.

Von den Einblicken in die Praxis ging es zu einem Blick auf die Praxis und die rechtlichen Aspekte. Dr. Paul Klimpel (irights.law) verwies auf den performativen Moment des Schaffens, das Werk, dass in der Aufführung bzw. in dem Moment des Ausübens bestehe. Vervielfältigungen hätten somit in den Darstellenden Künsten eine etwas anders gelagerte Stellung. Eine Aufzeichnung des Geschaffenen sei eher zweitrangig gelagert und ginge einher mit einer Form des Kontrollverlustes, welches sich häufig in Form der Vergabe einer CC-BY-NC-ND-Lizenz äußere. Dahinter stünden die Sorgen einer unerwünschten Weiterverwendung, einer Nichtnennung des*der Urheber*in bzw. einer starken Veränderung des eigenen Werkes. Ein wichtiger Fokus wurde auch auf die Vielzahl der zu bedenkenden rechtlichen Aspekte gelegt, die mit dem Urheberrecht beginnen und sich von Persönlichkeitsrechten bis hin zu Aufführungsrechten in einem weiten Spektrum bewegen.

Warum es aber dennoch wichtig sei, sich für eine barrierefreie Veröffentlichung der eigenen Werke stark zu machen, betonte schon zuvor Dr. Anna Luise Kiss, Rektorin der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Sie betonte die den Darstellenden Künsten immanente Hinwendung zur Openness auf vielerlei Ebenen:
Die digitale Dokumentation diene als Resonanzboden außerhalb der eigenen Community und ermögliche dabei eine Rückwirkung auf die Kunst. So seien Open-Access-Publikationen, wie im Journal of Artistic Research ein „Instrument der Öffnung“, welches eine Auseinandersetzung mit dem Kreierten und eine Vernetzung voranbringe. Die öffentliche Genese der Darstellenden Künste, das per se Präsentieren wollen, sieht sie zudem als beste Ausgangsposition für Open Access.

In einem Block, der sich den Themen Veröffentlichungen und Support widmete, stellte Casper Schipper die Publikationsplattform Research Catalogue vor. Neben einer europaweiten institutionellen Anbindung hat der*die Autor*in die Möglichkeit quasi im „Selbstverlag“ Dateien, Forschungsdaten und Beschreibungen des eigenen Schaffens als „exposition“ abzulegen. Die Plattform ist auf die Bedarfe der Künste ausgerichtet und bietet eine (soweit möglich) all-in-one Präsentation des eigenen Schaffens. Im Vergleich zu anderen Repositorien ist der Research Catalogue nicht nur eine Veröffentlichungsplattform, sondern eine Ausstellung künstlerisch-wissenschaftlichen Schaffens.
Im Anschluss stellte Peggy Große (Fachinformationsdienst arthistoricum.net) Services und Angebote – darunter Guidelines und das Repositorienangebot „Radar4Culture“ – des NFDI4Culture vor. Die Arbeit des Konsortiums lebt von der Beteiligung, in Form von Foren, Plenaries, oder auch der #CultureHours.
An zwei virtuellen Thementischen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Frage an die Vorredner*innen zu adressieren und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Auf Chancen und Herausforderungen von Open Access in den Darstellenden Künsten gingen die Referent*innen und Diskutant*innen des Nachmittags ein.
So zeigten die Ergebnisse einer Umfrage des Fachinformationsdienstes Darstellende Kunst zum Thema „Veröffentlichung von Forschungsdaten“, präsentiert von Franziska Voß und Julia Beck, dass die Proband*innen Schwierigkeiten bei der Auffindbarkeit bzw. Nachnutzung von Daten haben, andererseits jedoch nur zu einem geringen Prozentwert selbst offene Forschungsdaten publizieren. Der FID ermöglicht den Wissenschaftler*innen qua Freikauf einen Zugriff auf Open-Access-Literatur.
PD Dr. Dr. Grischka Petri (Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur Karlsruhe) griff Fragestellungen und Sorgen rund um Urheberrecht und Lizenzvergabe auf. Er ist einer der Betreuenden des Legal Helpdesk von NFDI4Culture. Er verwies auf die besonderen Herausforderungen einhergehend mit den „Wahrnehmungsformaten“ in den Darstellenden Künsten. So stünden bspw. Aufführung, Senderechte, Skripte parallel – Aber wie verhalten sich Schutzrechte zueinander?

Ein Vortrag von Till Ansgar Baumhauer (Hochschule für Bildende Künste Dresden), beleuchtete abschließend das EU-geförderte Projekt EU4Art. Er betonte, dass der Prozess des Schaffens immer wichtiger werde und somit „Zwischendaten“ eine wichtige Rolle spielten. Die Verpflichtung zu einer Bereitstellung der Arbeitsinhalte im Open Access stellt das internationale Projekt vor Fragen um Datenquellen und die Kuratierung von Datenmengen.

Den Abschluss des Tages bildete ein interaktiver Erfahrungsaustausch frei nach dem Motto „Bring your own problem“. Im Dialog gingen die Teilnehmenden auf die Fragestellungen ihres Gegenübers ein. Themen waren unter anderem die Rechte eines Theaterverlags an einem Werk, welche aus der Übersetzungsleistung dessen hervorging (der Urheber war bereits 70 Jahre verstorben) oder aber die Rechteklärung im Falle einer Zweitveröffentlichung, sollte ein Verlag nicht mehr bestehen. Die wiederkehrende Diskussion um das Betreiben einer Plattform und die Bereitstellung verschiedener medialer Inhalte offenbarte ein Desiderat in den künstlerischen Fächern: So mangelt es bisher an einer öffentlich finanzierten Möglichkeit multimediale Inhalte, unter Einhaltung der FAIR-Prinzipien, abzulegen. Es bleibt eine Herausforderung für die künstlerischen Hochschulen, ihre Expertise als Grundstein für ein zukünftiges Angebot einzubringen.

Der eintägige Workshop konnte nicht nur erstmals Beauftragte, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aus dem Gebiet der Darstellenden Künste versammeln, sondern wies Richtung Zukunft. So brauche es neben der staatlichen Förderung einer rechtssicheren Publikationsplattform auch eine Vernetzung innerhalb der Community. Eine Vermittlung von Kenntnissen zu Open Access während des Studiums ist ebenso wichtig wie eine Sammlung bereits bestehender Angebote. Um den „access to research“, nach den Worten von Jason Corff, zu erleichtern, bräuchte es ein gemeinsam verwendetes Vokabular. Trotz vieler Aufgabenfelder haben sich die Darstellenden Künste auf den Weg gemacht, ihr Schaffen und ihr Wissen zu teilen.