Ergebnisbericht zum Strategieworkshop „Open Research Data: Infrastrukturangebote an Berliner Einrichtungen. Maßnahmen für die Open-Research-Strategie Berlin”

am 10. Juli 2023 in Kooperation mit der Universität der Künste Berlin im Rahmen des Partizipationsprozesses für die Open-Research-Strategie Berlin

Ein Beitrag von Georg Fischer, Maxi Kindling und Maike Neufend (Open-Access-Büro Berlin)

Zitiervorschlag:

Fischer, G., Kindling, M. und Neufend M. (2023). Ergebnisbericht zum Strategieworkshop „Open Research Data: Infrastrukturangebote an Berliner Einrichtungen. Maßnahmen für die Open-Research-Strategie Berlin”, Open Access Blog Berlin. https://doi.org/10.59350/xr38m-jsc04

Übersicht

Einführung
Vorträge Ergebnisse der Kleingruppenarbeit

Zusammenfassung Ausblick
Beteiligte Einrichtungen

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Ergebnisbericht zum Strategieworkshop „Open-Access-Publizieren durch wissenschaftliche Einrichtungen: Maßnahmen für die Open-Research-Strategie Berlin”

am 4. Juli 2023 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen des Partizipationsprozesses für die Open-Research-Strategie Berlin 2030

Ein Beitrag von Georg Fischer, Maxi Kindling und Maike Neufend (Open-Access-Büro Berlin)

Zitiervorschlag:

Fischer, G., Kindling, M. und Neufend, M. (2023). Ergebnisbericht zum Strategieworkshop „Open-Access-Publizieren durch wissenschaftliche Einrichtungen: Maßnahmen für die Open-Research-Strategie Berlin”, Open Access Blog Berlin. https://doi.org/10.59350/ch7v8-3gx85

Übersicht

Einführung
Vorträge Ergebnisse der Kleingruppenarbeit Zusammenfassung
Ausblick

Beteiligte Einrichtungen

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Das BUA Open Science Dashboard Projekt: die Entwicklung disziplinspezifischer Open-Science-Indikatoren

Autorinnen: Maaike Duine (ORCiD) und Maxi Kindling (ORCiD)

Open-Science-Praktiken

Open Access, Open Data, Open Educational Resources, Open Hardware, Open Software, Open Code, Citizen Science: Das Konzept von Open Science umfasst viele Praktiken, die im wissenschaftlichen Alltag zunehmend relevant werden. Sie haben zum Ziel, den wissenschaftlichen Arbeitsprozess, seine Quellen und Ergebnisse langfristig offen zugänglich, nachvollziehbar und nachnutzbar zu machen. Im Berliner Hochschulgesetz wird offene Wissenschaft seit 2021 im §41 adressiert. Dort ist formuliert, dass sie sich auf den „uneingeschränkten und langfristigen Zugang zu wissenschaftlichen Texten, Forschungsdaten, Software und weiteren Forschungsergebnissen und -quellen sowie Lehr- und Bildungsmaterialien“ bezieht, den die Hochschulen ebenso unterstützen sollen wie „einen transparenten Forschungsprozess einschließlich der Bereitstellung von Forschungsinformationen“.

Die Verbreitung von Praktiken offener Wissenschaft ist allerdings im Vergleich von Forschungsinstitutionen, Disziplinen und Wissenschaftler*innen unterschiedlich weit fortgeschritten. Weithin bekannt ist, dass der Anteil an Open-Access-Publikationen in Zeitschriften in den Lebens- und Naturwissenschaften höher ist als in den Sozial- und Geisteswissenschaften [1]. In der Umweltforschung sind Citizen-Science-Praktiken, d.h. die Beteiligung der Öffentlichkeit bzw. von Laien-Wissenschaftler*innen an der Forschung, verbreiteter als in anderen Disziplinen [2]. Weitere Beispiele findet man im Bereich der Veröffentlichung von Preprints, d.h. nicht-begutachteten Vorabveröffentlichungen von Manuskripten im Open Access, die in der Mathematik und anderen naturwissenschaftlichen Fächern gängiger sind (z.B. über die Preprintserver ArXiv oder BioArXiv) [3]. Auch das Teilen von Forschungsdaten (Data Sharing) nimmt zwar in allen Disziplinen stetig zu, aber im disziplinären Vergleich gibt es große Unterschiede. Disziplinen wie die Hochenergiephysik, in denen traditionell viel in (großen) Forschungskollaborationen zusammengearbeitet wird und Data Sharing notwendig ist, werden eher Daten nach den Prinzipien von Offenheit geteilt, als in Disziplinen, in denen das weniger üblich und notwendig ist [4, 5].

Was ist Monitoring und wozu machen wir das? Warum ist das ein wichtiges, aber auch schwieriges Thema?

Mit der Verbreitung offener Wissenschaft steigt auch der Bedarf nach einem Monitoring von Open-Science-Praktiken. Dies erlaubt einen breiten Blick auf die Aktivitäten, kann neue Anreize schaffen, Open Science umzusetzen und setzt Impulse für die Entwicklung von Policies oder Infrastrukturangeboten. Ein Monitoring kann sowohl quantitative wie auch qualitative Darstellungen enthalten. So kann es einerseits darum gehen, den Anteil von offen verfügbar gemachten Publikationen in Bezug auf eine Gesamtzahl von Publikationen zu bestimmen. Aufgrund der unterschiedlichen Publikationskulturen in den Disziplinen ist diese „an Zahlen orientierte“ Herangehensweise aber nicht in allen Forschungsfeldern sinnvoll und adäquat. Eine qualitative Beschreibung von Open-Science-Aktivitäten kann daher ebenso von Bedeutung sein, indem beispielsweise Projekte oder Publikationen deskriptiv und kontextualisierend dargestellt werden, um den Impact in einem bestimmten Forschungsgebiet hervorzuheben.

Ein Monitoring kann sich darüber hinaus auf die Aktivitäten einzelner Wissenschaftler*innen, auf Institutionen, auf Förderprogramme, auf eine nationale oder z.B. auf die europäische Ebene beziehen. Ein Monitoring kann beispielsweise für Förderorganisationen einen Einblick in die Anzahl der Open-Access-Publikationen aus einem bestimmten Förderprogramm geben oder für Institutionen ein Benchmarking (einen Vergleich mit, bzw. eine Orientierung an anderen Institutionen) ermöglichen. Dies zeigt bereits, dass mit dem Monitoring bestimmte Herausforderungen verbunden sind. Dazu gehört die Frage, inwieweit ein Monitoring zum unpassenden Vergleich von Disziplinen führt. Eine weitere Frage ist die nach der Bedeutung etablierter Indikatoren für wissenschaftliche Leistungen im Vergleich zu Open-Science-Indikatoren. Der Journal Impact Factor als Parameter ist hier ein häufig angeführtes und kritisch betrachtetes Beispiel, um die wissenschaftliche Leistung von Individuen und Institutionen zu vergleichen. Initiativen wie die San Francisco Declaration on Research Assessment und Plan S haben zum Ziel, Verfahren zur Leistungsmessung über den Journal Impact Factor und Journal Metrics hinaus zu entwickeln. Die Entwicklung von Indikatoren für offene Wissenschaft (z.B. für die im nächsten Abschnitt erwähnten Monitoring-Ansätze) gehen in die gleiche Richtung, die Forschungsevaluation neu zu denken und beispielsweise Indikatoren wie den offenen Zugang zu Ergebnissen wie Daten und Software, aber auch die Durchführung von offenen Begutachtungsprozessen (Open Peer Review) oder die Zusammenarbeit (Team Science) zu fördern.

Monitoring-Ansätze

Auf europäischer Ebene gibt es verschiedene Initiativen, die das Monitoring von Open-Science-Praktiken voranbringen wollen. Ein Beispiel ist OpenAIRE’s Open Science Observatory, das die Anzahl der Open-Access-Publikationen, Open Data und Open-Access-Journals pro Land anzeigt. Zur Visualisierung der Daten aus verschiedenen Quellen werden Dashboards entwickelt. Im Fall des Open Science Observatory basieren die Daten auf dem OpenAIRE Research Graph, der Daten von institutionellen Repositorien und Zeitschriften mit Daten von Services wie CrossrefUnpaywallORCID und Grid.ac verknüpft. Ein anderes Beispiel ist der Open Science Monitor der Europäischen Kommission. Er zeigt in unterschiedlichen Dashboards Trends für Open-Access-Publikationen, Open Data und Open Collaboration. Das Monitoring der Open-Access-Publikationen basiert auf Scopus, Unpaywall und DataCite sowie qualititativen Daten von Umfragen. Darüber hinaus wird angezeigt, wie oft OA-Publikationen auf Social Media und anderen Medien erwähnt werden und die Anzahl der Policies von Forschungsförderorganisationen zu Open Access, Open Data sowie Journal Policies zu Open Data, Open Code und Open Hardware wird angegeben. 

In Deutschland ist der Open Access Monitor ein wichtiges Instrument zur Erfassung des Open-Access-Publikationsaufkommens deutscher akademischer Einrichtungen in wissenschaftlichen Zeitschriften. Der Monitor bereitet die Angabe kategorisiert nach Gold/Green/Hybrid OA und Closed Access auf. Der Open Access Monitor Deutschland basiert ebenfalls auf mehreren Datenquellen. Dazu gehören DimensionsWeb of Science, Scopus, Unpaywall, Directory of Open Access Journals und weitere. Es können aber auch weitere Indikatoren bei nationalen Monitoring-Ansätzen vorgefunden werden: Im niederländischen Open Science Dashboard und dem französischen Open Science Monitor werden z.B. die Zertifizierung von und die Nutzung von persistenten Identifikatoren für Forschungsdaten in Repositorien dargestellt.

Auch auf Landesebene ist das Monitoring relevant: Das OABB koordiniert seit einigen Jahren eine Arbeitsgruppe, die seit 2016 das Open-Access-Publikationsaufkommen in wissenschaftlichen Zeitschriften für die neun publikationsstärksten Berliner Hochschulen erfasst. Dies steht im Zusammenhang mit dem in der Berliner Open-Access-Strategie formulierten Ziel, bis 2020 einen Open-Access-Anteil bei Zeitschriftenartikeln von 60 % zu erreichen. Der zuletzt erschienene Bericht über das Publikationsjahr 2019 wies einen Open-Access-Anteil von 51,6 % nach (der Bericht über das Publikationsjahr 2020 wird derzeit vorbereitet).

Abbildung 1: Screenshot des Open Access Monitor Deutschland: Gold Open Access und die Anteile für Open/Closed Access bei Zeitschriftenartikeln der letzten fünf Jahre (Abrufdatum: 11. April, 2022). URL: https://open-access-monitor.de/

Diese Monitoring-Ansätze sind spezialisiert auf das Publizieren in Zeitschriften und zeigen aus verschiedenen Gründen nicht die Diversität der Publikationsformate in den Fachkulturen, die auch Monografien, Sammel- und Konferenzbände, Forschungs-/Kulturdaten, Software, Quellcode, Lehrbücher, Open Educational Resources, Publizieren in Blogs sowie nicht-textuelle Medien, wie z.B. Audio-visuelle Medien und 3D-Modelle umfassen. Ein Problem sind die fehlenden bzw. nicht standardisierten Nachweisquellen, fehlende Indikatorik, Metriken und automatisierte Screening-Tools für diese Formate. Daher sind Monitoring-Ansätze bzw. Dashboards, die auf Disziplinen fokussieren, bislang die Ausnahme.

Das BIH Quest Dashboard

Für die biomedizinische Forschung hat das BIH QUEST Center das Charité Dashboard on Responsible Research erstellt. Die fünf dargestellten OS-Indikatoren Open Access, Open Data, Open Code, Preprints und Anzahl der Forscher*innen mit ORCiD. Datenquellen für OA-Artikel, Preprints und ORCiD sind Unpaywall, Dimensions, und die ORCiD API. Für die OS-Indikatoren Open Data und Open Code wurden die Charité-Publikationen mit einem von QUEST entwickelten Textmining-Algorithmus analysiert: ODDPUB (Open Data Detection in Publications) [6]. ODDPub durchsucht den Volltext der Publikationen nach Aussagen, die auf Daten- oder Code-Sharing hindeuten.

Abbildung 2: Screenshot des Charité Dashboards: Indikatoren für Open Science (Abrufdatum: 7. April, 2022). URL: https://quest-dashboard.charite.de/

Zuletzt wurde das Charité Dashboard um ein FAIR Dashboard erweitert: Forschungsdaten, die in Publikationen von Charité-Autor*innen aus dem Jahr 2020 erwähnt wurden, werden auf die Umsetzung der FAIR Data Principles geprüft, d.h. ob sie in den Repositorien, in denen sie veröffentlicht wurden, auffindbar, zugänglich, interoperabel und nachnutzbar sind [7]. Dafür wurde das F-UJI Automated FAIR Data Assessment Tool verwendet. Anhand von 16 Metriken wird so die FAIRness eines Forschungsdatenobjekts in einem Repositorium bewertet und kann als Hilfsmittel für Forscher*innen dienen, Services auszuwählen, die Daten möglichst umfassend nachnutzbar bereitstellen.

Entwicklung prototypischer Dashboards im BUA Open Science Dashboard Projekt

Für das Monitoring im biomedizinischen Bereich besteht mit dem Charité Dashboard eine funktionale Lösung, während es für viele weitere Disziplinen keine vergleichbaren Ansätze gibt. Ziel des von der Berlin University Alliance (BUA) geförderten Projekts Open Science Dashboards ist es, mit weiteren ausgewählten Instituten bzw. wissenschaftlichen Communities an den BUA-Einrichtungen zusammenzuarbeiten und gemeinsam Indikatoren für ein prototypisches Dashboard zu entwickeln. Die bestehenden Open-Science-Indikatoren des Charité Dashboards können als Ausgangspunkt für weitere disziplinspezifische Dashboards genutzt werden. Außerdem können neue Indikatoren wie z.B. für Citizen Science, Software, Open Educational Resources oder Open-Access-Bücher entwickelt werden.

Die Dashboard-Prototypen können von Instituts- oder Fakultätsleitungen intern genutzt, von Forscher*innen der Communities selbst verwendet, sowie bei Wunsch auch offen verfügbar gemacht werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Automatisierbarkeit der Erhebung von Indikatoren sowie der Berücksichtigung der FAIR-Prinzipien.

Wir freuen uns über Fragen und Feedback zu diesem Projekt: oabb@open-access-berlin.de.

Referenzen

  1. Severin A, Egger M, Eve MP and Hürlimann D. Discipline-specific open access publishing practices and barriers to change: an evidence-based review [version 2; peer review: 2 approved, 1 approved with reservations]. F1000Research 2020, 7:1925. https://doi.org/10.12688/f1000research.17328.2
  2. Pettibone L, Vohland K, Ziegler D (2017) Understanding the (inter)disciplinary and institutional diversity of citizen science: A survey of current practice in Germany and Austria. PLoS ONE 12(6): e0178778. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0178778
  3. Kristijan Armeni, Loek Brinkman, Rickard Carlsson, Anita Eerland, Rianne Fijten, Robin Fondberg, Vera E Heininga, Stephan Heunis, Wei Qi Koh, Maurits Masselink, Niall Moran, Andrew Ó Baoill, Alexandra Sarafoglou, Antonio Schettino, Hardy Schwamm, Zsuzsika Sjoerds, Marta Teperek, Olmo R van den Akker, Anna van’t Veer, Raul Zurita-Milla, Towards wide-scale adoption of open science practices: The role of open science communities, Science and Public Policy, Volume 48, Issue 5, October 2021, Pages 605–611. https://doi.org/10.1093/scipol/scab039
  4. Tedersoo, Leho & Küngas, Rainer & Oras, Ester & Köster, Kajar & Eenmaa, Helen & Leijen, Äli & Pedaste, Margus & Raju, Marju & Astapova, Anastasiya & Lukner, Heli & Kogermann, Karin & Sepp, Tuul. (2021). Data sharing practices and data availability upon request differ across scientific disciplines. Scientific Data. 8. 192. https://doi.org/10.1038/s41597-021-00981-0
  5. Zuiderwijk A, and Spiers H (2019) Sharing and re-using open data: A case study of motivations in astrophysics. International Journal of Information Management: 49, pp: 228-241. https://doi.org/10.1016/j.ijinfomgt.2019.05.024
  6. Riedel, N., Kip, M. and Bobrov, E., 2020. ODDPub – a Text-Mining Algorithm to Detect Data Sharing in Biomedical Publications. Data Science Journal, 19(1), p.42. http://doi.org/10.5334/dsj-2020-042
  7. Wilkinson, M., Dumontier, M., Aalbersberg, I. et al. The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship. Sci Data 3, 160018 (2016). https://doi.org/10.1038/sdata.2016.18

5 von 5: Mit Volldampf voraus in Richtung „Openness“: Kompetenzen und Infrastrukturen mit Perspektiven

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist über das TIB AV Portal verfügbar.

Von Anita Eppelin und Ben Kaden

Bericht zur Veranstaltung #5 in der Reihe: Quo vadis offene Wissenschaft? Eine virtuelle Open Access Woche für Berlin-Brandenburg.

Für das Gelingen offener Wissenschaft spielen wissenschaftsunterstützende Einrichtungen und dabei insbesondere Bibliotheken naturgemäß eine große Rolle. Wenig überraschend sind entsprechende Transformationsprozesse in diesen Einrichtungen im vollen Gange. Die Veränderungen sind grundlegend und betreffen Organisationsstrukturen ebenso wie die technische Infrastrukturen, die informellen Netzwerke gleichermaßen wie die formalen Rahmenbedingungen. 

Welche Kompetenzen brauchen also die Menschen, die in wissenschaftlichen Bibliotheken tätig sind oder sein werden? Was müssen sie wissen und können, um die im Zuge der Transformation auftretenden Veränderungen optimal und aktiv zu steuern und zu gestalten, und zwar idealerweise im Sinne von Offenheit, Transparenz und einer zunehmenden Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik? Und was bedeutet dies für die entsprechenden Infrastrukturen?

Über diese Fragestellung diskutierten am 25.3.2022 fünf Expert*innen aus unterschiedlichen Kontexten: Elisa Herrmann vom Museum für Naturkunde Berlin, Ariane Jeßulat von der Universität der Künste Berlin, Antje Michel von der Fachhochschule Potsdam, Vivien Petras von der Humboldt-Universität zu Berlin und Jan Hauke Plaßmann vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg. Die Veranstaltung bildete den Abschluss der fünfteiligen Reihe “Quo vadis offene Wissenschaft”. Die Moderation der virtuellen und mit 100 Teilnehmenden gut besuchten Veranstaltung übernahm diesmal Frank Seeliger von der Technischen Hochschule Wildau. Nachfolgend fassen wir einige der diskutierten Themen zusammen. 

Die Perspektive eines Forschungsmuseums

Als Leiterin der Abteilung Informationsbeschaffung und Informationsmanagement und damit auch der Bibliothek am Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) hat Elisa Herrmann Personalverantwortung für ein circa 15-köpfiges Team. Sie betonte, dass das MfN als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft schon länger die Prinzipien der Offenen Wissenschaft vertritt. 

Passend zur Rolle und zum thematischem Zuschnitt des Museums liegt dabei ein zentraler Fokus auf der gesellschaftlichen Verantwortung der wissenschaftlichen Community. Das Haus trägt dem sowohl über ein starkes Engagement im Bereich Citizen Science als auch über eine erst unlängst aktualisierte Open-Access-Policy Rechnung. Um die Wirkung der Policy zu verstärken, wurde eine Koordinierungsstelle für wissenschaftliches Publizieren an der Bibliothek eingerichtet, die Wissenschaftler*innen insbesondere beim Open-Access-Publizieren unterstützt. Weiterhin gibt das MfN drei eigene Open-Access-Zeitschriften heraus. 

Besonders interessant aus der Perspektive der Kompetenzentwicklung ist, dass das MfN bei Stellenbesetzungen Wert auf Erfahrungen und Kenntnisse zu Praktiken der offenen Wissenschaft legt, und zwar durchweg für alle Stellen in dieser Abteilung. Offenheit ist hier also nicht mehr ein separat zu bearbeitendes Thema, sondern eine Querschnittsaufgabe des gesamten Teams. 

Laut Elisa Herrmann strebt das MfN an, seine Sammlungen so offen wie möglich digital und vernetzt bereitzustellen. Erst eine solche Datengrundlage ermöglicht wirklich innovative Nachnutzungen. Auch die eigene Forschung im Haus wird durch die umfassende Digitalisierung maßgeblich unterstützt. 

In Hinblick auf die allgemeine, außerakademische Öffentlichkeit nutzt das MfN seine Datenbestände und Digitalisierungsaktivitäten, um ein Bewusstsein über die Arbeitsweisen der Wissenschaft zu erzeugen und um Diskurse zur Zukunft des Planeten anzustoßen. Dabei zeigen sich themenspezifisch auch Grenzen der Offenheit, etwa bei Objekten aus kolonialen Kontexten oder im Hinblick auf den Artenschutz. Erstere brauchen Sensibilität und Einordnung, zweitere müssen so beschaffen sein, dass sie zwar informieren, aber keine negativen Effekte beispielsweise durch die Offenlegung von Geodaten besonders schützenswerter Habitate und Fundstellen herbeiführen. Hier ist ein, wenn man so will, informationsethisches Austarieren zwischen größtmöglicher Offenheit und dem verantwortungsvollen Umgang mit diesen schützenswerten Interessen vonnöten. Die Richtlinie des Museums zur Massendigitalisierung orientiert sich daher am Nagoya-Protokoll

Die Perspektive der Kunst

Die erste Vizepräsidentin und Open-Access-Beauftragte der Universität der Künste (UdK), Ariane Jeßulat, betonte die Bedeutung von offener Wissenschaft für die Künste und die künstlerische Lehre. An der UdK sind sich Hochschulleitung und Bibliothek dahingehend einig. Für die Community in den Künsten entstehen durch Offenheit und Open Access bedeutende neue Möglichkeiten. Zugleich muss die Transformation zu Open Access jedoch gut kommuniziert werden. So ist nicht allen bewusst, dass Open Access kein “nice to have”, sondern einen grundlegenden Paradigmenwechsel darstellt. 

Hinsichtlich der Kompetenzanforderungen kommt es auf eine entsprechende Vermittlungsfähigkeit zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen an, also auf eine hohe Kommunikationskompetenz. Dazu gehört im Fall der UdK auch ein besonderes Verständnis für das Material, dessen Komplexität sich oft von den klassischen wissenschaftlichen Publikationen anderer Disziplinen durch eine Verknüpfung von Material mit unterschiedlichem Schutzstatus und hoher Verknüpfung und Multimodalität auszeichnet. Die rechtlichen Fragen sind daher eine zentrale Herausforderung. Entsprechend sind urheber- und medienrechtliche Kompetenzen sehr nachgefragt. 

Für die UdK stechen zwei Infrastrukturpartnerschaften heraus: NFDI4Culture – Konsortium für Forschungsdaten materieller und immaterieller Kulturgüter, das die Fachcommunity im Umgang mit digitalen und offenen Kulturdaten sehr voranbringt, sowie das Open-Access-Büro Berlin als zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Open Access und Open Science in der Hauptstadt. 

Der neue Absatz 3 des § 41 des Berlin Hochschulgesetzes, dem zufolge die “Veröffentlichung von Forschungsergebnissen durch die Mitglieder der Hochschulen […] vorrangig unter freien Lizenzen mit dem Ziel der Nachnutzbarkeit erfolgen (Open Access) [sollte]”, wird an der UdK als sehr hilfreich für die Etablierung von Open Access empfunden. Ein wissenschaftspolitischer Rahmen ist folglich ähnlich bedeutsam wie die Veränderung der Einstellungen in den Fachcommunities. Als dritte Stakeholder-Gruppe erwähnte Ariane Jeßulat die Verlage, die für die Kunst und künstlerische Forschung nicht nur eine informationsvermittelnde, sondern auch ein zentrale diskursbildende Rolle übernehmen.  

Die Perspektive der Ausbildung an der Fachhochschule Potsdam

Auch Antje Michel, Professorin für Informationsdidaktik und Wissenstransfer an der Fachhochschule Potsdam, hob die Bedeutung von Openness als zentrales Transformationsthema in der Wissenschaft hervor. Es ist offensichtlich, dass die wissenschaftliche Informationsversorgung heute vom Digitalen und dem Openness-Prinzip aus gedacht werden muss. Denn die Wissenschaftspraxis selbst befindet sich in diesem Wandel. Dies wirkt notwendigerweise transformativ auf die wissenschaftsunterstützenden Einrichtungen wie Bibliotheken aus.  

Antje Michel forscht selbst zu den, wie sie formuliert, “Gelingensbedingungen transdisziplinärer Forschung”. Die Perspektive reicht, wie für Fachhochschulen durchaus üblich, über die Grenzen der Wissenschaft hinaus in andere Funktionsbereiche der Gesellschaft hinein. In ihrem Fall geht es um den Wissenstransfer an der Schnittstelle zwischen Forschung, Kommunen und Unternehmen auf regionaler Ebene, was auch die Idee der Openness noch einmal anders interpretiert. Je nach Bereich unterscheiden sich die Wahrnehmungen. Neben der Transformation spielen also auch der Transfer und damit auch die wechselseitige Verständigung nicht zuletzt über die divergierende Interessen eine wichtige Rolle. So existiert beispielsweise beim Thema Open Data ein Spannungsverhältnis zwischen Idealismus und Verwertungsmodellen.

Dass nicht eine Lösung alles erfasst, gilt auch für die Wissenschaft an sich, denn diese ist fachkulturell sehr heterogen und in ihren Karrierestrukturen durch individuelle Profilierungsansprüche geprägt. Openness muss diese Rahmenbedingungen berücksichtigen.

Studiengänge wie die der Bibliotheks- und Informationswissenschaft sollten daher neben einer generellen Handlungskompetenz zur Förderung von Openness und den dafür nötigen digitalen Kompetenzen auch ein Verständnis für diese Rahmenbedingungen schaffen. Diese im Prinzip wissenschaftssoziologische Vertiefung ist jedoch für grundständige Bachelorprogramme eine Herausforderung. 

Auffangen lässt sich das möglicherweise ein Stück weit, indem man als Ausbildungseinrichtung selbst Offenheit möglichst selbstverständlich lebt. Die Fachhochschule Potsdam hat sich beispielsweise, so Antje Michel, zu einem “Soziotop für Openness” entwickelt. Neben dem Fachbereich Informationswissenschaften mit seinen Forschungs- und Lehraktivitäten finden sich dort auch Openness-Initiativen wie die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg und die Landesfachstelle für Bibliotheken und Archive, die sich ebenfalls sehr stark in Richtung digitale Offenheit entwickelt. Zu ergänzen wäre sicher noch der ausdrücklich auf Open Access, Open Data und Open Science ausgerichtete Lehrstuhl von Ellen Euler. 

Die Perspektive der Berliner Bibliotheks- und Informationswissenschaft

Das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin,  in direkter Nachbarschaft  des Hauses Unter den Linden der Staatsbibliothek zu Berlin, konnte ab 2006 mit Peter Schirmbacher als Professor für Informationsmanagement einen zentralen Akteur im Bereich digitaler Forschungsinfrastrukturen und Open Access in Deutschland mit einem entsprechenden Schwerpunkt für Forschung und Lehre gewinnen. Diese Prägung wirkt heute fort und differenziert sich weiter aus, wie im Gesprächsbeitrag von Vivien Petras, Professorin und bis vor kurzem Direktorin des Instituts, deutlich wurde. Sie verwies darauf, dass sich auch ein wesentlicher Teil der aktuellen Forschungsschwerpunkte des Instituts (Infrastrukturen und Kulturerbe sowie Open Data, Open Science, Open Access) mit dem Themenfeld Offene Wissenschaft deckt. So hat sich eine bundeslandübergreifende Partnerschaft mit der Fachhochschule Potsdam im Rahmen des weiterbildenden Studiengangs “Digitales Datenmanagement” entwickelt. Dieser richtet sich an Menschen aus Einrichtungen der wissenschaftlichen Infrastruktur sowie Bibliotheken, Archive, Kommunen und die Wirtschaft. Die von Antje Michel betonte Schnittstellenkompetenz findet hier also direkt eine curriculare Entsprechung.

In der Bibliotheks- und Informationswissenschaft ist Konsens, dass Openness eine wissenschaftsimmanente Frage und ein zentrales Transformationsthema ist. Als ein Fach, das in gewisser Weise aus der Perspektive einer Wissenschaftsforschung die Kommunikationsprozesse wissenschaftlicher Disziplinen beforscht, sieht die Bibliotheks- und Informationswissenschaft Openness als wichtiges Forschungsthema. 

Auch Vivien Petras betonte, dass je nach Wissenschaftsdomäne oder auch nach Datenobjekt große Differenzen hinsichtlich Open Data bestehen. Eine Forschungsaufgabe des Faches und damit des Institutes läge also darin, Möglichkeiten, Grenzen und Lösungen für offene Daten mit dem jeweiligen analytischen Zuschnitt für die Wissenschaftspraxis zu identifizieren. 

Die Ausbildung kann ein entsprechendes Bewusstsein schaffen und methodisches Wissen vermitteln. Zugleich wies Vivien Petras darauf hin, dass ein dynamisches und komplexes Themenfeld wie Open Access und mehr noch Open Science nicht erschöpfend nach einer Kurslogik vermittelt werden kann, sondern eine berufsbegleitende Kompetenzentwicklung erfordert. Zu dynamisch ist die Transformation, und zu spezifisch sind die Anwendungsfälle. Wichtig sind daher Angebote zur Fort- und Weiterbildung.

Die Perspektive der Hochschulpolitik

Dass eine kontinuierliche Kompetenzentwicklung der Schlüssel für eine optimale Gestaltung der Open-Access-Transformation ist, ist auch im Potsdamer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) bekannt. Aus guten Gründen ging der Einrichtung der vom Ministerium finanzierten Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg ein Projekt zur Ermittlung entsprechender Bedarfe bei den Mitarbeitenden in den Brandenburger Hochschulen voraus. 

Darauf ging Jan Hauke Plaßmann, Leiter des zuständigen  Referats 23 beim Ministerium allerdings weniger ein. Für ihn war es wichtig, noch einmal generell herauszustellen, dass die Hochschul- und Wissenschaftspolitik im Land Brandenburg Openness, Open Access und Open Science als Schlüsselentwicklungen für Wissenschaft, Forschung und Hochschulen ansieht. In der 2019 veröffentlichten Open-Access-Strategie des Landes bekam diese Einstellung eine konkrete Form. Das Ministerium bekennt sich mit diesem Dokument ausdrücklich zur Förderung von Openness. Dies manifestiert sich in den in der Strategie beschriebenen und in der Umsetzung befindlichen Maßnahmen. Besonders greifbar wird dies anhand der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg.

Wichtig ist bei diesen Prozessen, dass Wissenschaft und Kultur nicht getrennt betrachtet werden. Hier würde sich auch eine Gemeinsamkeit zu den Open-Access-Aktivitäten auf Landesebene in Berlin zeigen, die ebenfalls Akteure des Kulturbereichs einbeziehen. Generell besteht in Bezug auf Open Access eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg. 

Das Ziel des der Aktivitäten im Bereich Openness ist für das Ministerium in Übereinstimmung mit dem Grundanspruch von Open Access, die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung auch so weit wie möglich öffentlich verfügbar zu machen. Folglich geht es nicht nur um Open Access als innerwissenschaftliches Phänomen, sondern ausdrücklich um den Austausch zwischen den Domänen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Öffentlichkeit und öffentliche Diskurse sollen auf diesem Weg fundierter und teilhabeorientiert, also inklusiv gestaltet werden. 

Aus Sicht der Kompetenzentwicklung würde dies eine Erweiterung der Rolle einer Vermittlung aus der Domäne der wissenschaftlichen Infrastrukturen heraus auf andere gesellschaftliche Teilbereiche bedeuten. 

Diskussion

Diese bemerkenswerte Erweiterung wurde in der anschließenden Diskussion nicht stärker vertieft. Der Fokus verschob sich noch einmal auf die Frage nach den infrastrukturellen Aspekten sowie weitere Fragen aus dem Orbit der Openness.

Ausgehend von Lücke zwischen dem ideellen Anspruch und der tatsächlichen Umsetzung von Openness eröffnete Vivien Petras eine bisher wenig systematisch adressierte Spannung, die sich aus der sehr interessengeleiteten Perspektive des kommerziellen Sektors auf digitale Daten- und Kommunikationsstrukturen ergibt. 

Insbesondere große Digitalunternehmen wie Google, Facebook, Amazon oder Netflix sind in der datengetriebenen Forschung (z.B. im Bereich Information Retrieval) sehr aktiv. Die Forderung nach Offenlegung von Daten und Algorithmen und nach Replizierbarkeit von Forschungsergebnissen greife hier aber nicht. Kommerzielle Akteure können naturgemäß nicht zu Openness verpflichtet werden und argumentierten häufig mit dem Wettbewerbsgeheimnis. 

Dies könne auf Einstellungsmuster von Forschenden zurückwirken. In jedem Fall vertieft sich die Asymmetrie zwischen öffentlicher Forschung und der der Industrie. Zugleich ist die Trennung keineswegs scharf, denn auch kommerzielle Akteure werben in großem Umfang öffentliche Fördergelder ein. Die damit finanzierte Forschung und Entwicklung fließt auch direkt in die Produktentwicklung ein. Im Rahmen des künstlerisch-kreativen Bereichs spielten laut Ariane Jeßulat wiederum andere Faktoren eine Rolle. Kokreationsprojekte mit Unternehmen seien hier von großer Bedeutung, jedoch durch die formalen Rahmenbedingungen an den öffentlichen Einrichtungen häufig erschwert.

Anschließend ging es um die Frage, ob sich der Diskurs zur Offenen Wissenschaft von der Auffindbarkeit von Forschungsinhalten zu deren Zurechenbarkeit und also der datenanalytischen und maschinenlesbaren Vernetzung verschiebt. Bibliotheken streben Interoperabilität und Verknüpfbarkeit von Metadaten laut Vivien Petras bereits seit langem an. Ariane Jeßulat wies darauf hin, dass es problematisch sein könne, wenn bibliometrische Daten als Grundlage für budgetrelevante Entscheidungen dienen. Dies gilt umso mehr dort, wo Leistungen schwer quantitativ erfassbar sind. Bibliometrische Analysen müssten daher laut Vivien Petras von den Akteur*innen verantwortungsvoll verarbeitet werden. Diesbezüglich kann das Leiden Manifesto als wichtige Orientierung dienen. 

Ausblick – Quo Vadis Openness?

Abschließend wurden die Wünsche der Diskutierenden für die weitere Entwicklung von Offener Wissenschaft zusammengetragen. Elisa Herrmann verbindet mit Offener Wissenschaft allgemein den Wunsch nach einer Stärkung des gesellschaftlichen Verständnisses für die Komplexität der Welt. 

Vivien Petras wünscht sich, dass das derzeit noch stark an Budgetlinien und individueller Profilierung ausgerichtete Evaluations- und Qualitätsbewertungssystem in der Wissenschaft, gemäß dem Anspruch und der Vision von offener Wissenschaft verändert wird. Zudem kann eine Offene Wissenschaft in der passenden Umsetzung dazu beitragen, Ungleichheiten auch zwischen Wissenschaftsregionen wie dem globalen Süden und dem globalen Norden zu reduzieren. 

Dass die Lücke zwischen dem Bewusstsein für Openness und entsprechenden Richtlinien kleiner werde, wünscht sich Antje Michel. Dafür sind ausreichende Ressourcen notwendig, da die Kompetenzen und Möglichkeiten für die Umsetzung im System nicht selbstverständlich vorhanden sind. Sie sieht Openness weniger als Selbstzweck, sondern als Strategie, um die Wissenschaft und die mit ihr in Beziehung stehenden Systeme durchlässiger zu machen. 

Ariane Jeßulat wünscht sich, dass der Transformation Zeit gegeben wird und dass das Bewusstsein für die Auseinandersetzung mit komplexen Autor*innenschaften und Kreativrechten bei künstlerischen Werken als Bedingung für das Gelingen von Offener Wissenschaft gestärkt wird. Es gibt in den Künsten historische gewachsene strukturelle Herausforderung, die zu bewältigen seien. Das gelingt nicht über Nacht.  

Für die Wissenschaftspolitik benannte Jan Hauke Plaßmann den Wunsch, dass mit den begonnenen Transformationsschritten perspektivisch erreicht wird, dass öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse tatsächlich umfassend frei verfügbar und nachnutzbar sind. Es bewegt sich zwar viel, jedoch nicht alles, wie man es sich erhofft. Mit Transformationsvereinbarungen mit großen Verlagen wie etwa im Rahmen von Projekt DEAL werde deren Marktposition unter dem Label Open Access zusätzlich gestärkt. Daher ist eine Diversifizierung und Stärkung verschiedener, auch wissenschaftsgetragener Publikationsmodelle wichtig, um Effekte wie etwa die Doppelfinanzierung des Zugriffs auf wissenschaftliche Ergebnisse und kostenfreier Arbeitsleistung von Wissenschaftler*innen für kommerziell ausgerichtete Unternehmen zu reduzieren. Bei solchen Ansätzen könnte öffentliches Geld tatsächlich primär in die Erzeugung von Forschungsergebnissen und deren freie Zugänglichmachung fließen.

Fazit und Takeaways

Für die zwei Schwerpunkte Kompetenzen und Infrastrukturen lassen sich jeweils einige Aspekte für weiterführende Diskussionen mitnehmen. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Transformation zwar einen digitaltechnischen Rahmen hat, die eigentliche Verschiebung aber weniger technische Innovation bedeutet, sondern Kulturwandel. Das deckt sich mit der mittlerweile jahrzehntealten Grundidee von Open Access. Dass wir bereits 20 und mehr Jahre diese Idee reflektieren, unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Faktors “Zeit”. Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts ist eine andere als die der Evolution der Einstellungen, Interessen und auch Kompetenzen. Mit den Studiengängen der Bibliotheks- und Informationswissenschaften zum Beispiel in Berlin und Potsdam gibt es zugleich Kompetenzzentren, die Fachkräfte für das, wenn man so will, Komplexitäts- und Transformationsmanagement zur Openness gezielt qualifizieren. Bibliotheken und, wie das MfN zeigt, auch Museen benötigen Mitarbeitende genau mit diesen Qualifikationsprofilen.

Zudem lassen sich Openness, Open Science und Open Access nicht mit einem Weg erreichen. Die Kunst und die Universität der Künste sind ein perfektes Fallbeispiel für eine Domäne, die zwar hochmotiviert Openness verfolgen möchte, für die aber viele Lösungen zum Beispiel aus der Preprint-Kultur der Naturwissenschaften nicht passen. Openness rückt Wissens- und Kreationskulturen zusammen, muss aber zugleich deren jeweilige Logik und Besonderheiten berücksichtigen. Dies gilt nicht nur für die Fachkulturen, sondern auch für informationsethische Aspekte wie die Teilhabemöglichkeiten, die nicht nur den lesenden Zugang sondern auch das Sichtbarmachen des eigenen Forschungsoutputs, also den Zugang zu Publikationsmöglichkeiten betreffen. Eine Diversität ist daher auch bei den Publikations- und Bereitsstellungsmodellen zu fördern. Die Wissenschafts- und Hochschulpolitik in Brandenburg und auch anderer Stelle weiß das und setzt entsprechende Impulse.