27. Januar 2017 von Philipp Krämer
Den niederländischen Parlamentswahlen am 15. 3. 2017 widmen wir eine kleine Serie.
Im März finden die Tweede Kamerverkiezingen in den Niederlanden statt. Das sind, trotz der etwas verwirrenden Getrennt- und Zusammenschreibung, nicht etwa die zweiten Kammerwahlen (als hätte es eine erste Runde gegeben, wie beispielsweise in Frankreich), sondern es sind die Wahlen zur Zweiten Kammer.
Es haben sich ganze 81 Parteien zur Wahl angemeldet, davon 18 neue, die noch nie vorher teilgenommen haben. Die Zahl der tatsächlich teilnehmenden Parteien wird wegen verschiedener Formalitäten wahrscheinlich noch zurückgehen.
Bei den Namen der Parteien gibt es einiges zu entdecken. Schauen wir uns einmal an, wie sie heißen und was die Namen zu bedeuten haben. Die wichtigsten der Reihe nach, entsprechend dem Stimmanteil bei den letzten Wahlen, und einige interessante kleinere oder neue Parteien:
Volkspartij voor Vrijheid en Democratie
Die liberale VVD stellt mit Mark Rutte bisher den Ministerpräsidenten. In Deutschland debattieren wir in den letzten Jahren über die schwindende Bedeutung der sogenannten „Volksparteien“, für die früher große Teile der Bevölkerung stimmten. Die VVD war bei der letzten Wahl mit nur 26,58% der Stimmen stärkste Partei. Solche Werte würden, wie auch bei der SPD, hierzulande wohl Spott und Zweifel angesichts der Eigenbezeichnung als Volkspartei provozieren.
Partij van de Arbeid
Wahlplakat der PvdA aus dem Jahr 1946 (PvdA, CC-BY-SA 2.0)
Die Sozialdemokraten, mit einem sehr klassischen Namen, der die ursprüngliche Klientel ansprechen soll. Nicht unbedingt einzigartig, wenn man die Namen mancher Schwesterparteien anschaut wie z.B. Labour in Großbritannien, die Lëtzebuerger Sozialistesch Aarbechterpartei (LSAP) in Luxemburg oder Arbeiderpartiet (AP) in Norwegen. Den Namensbestandteil Arbeit beanspruchen aber gerne auch Parteien für sich, die noch weiter links stehen als die Sozialdemokraten. Das gilt beispielsweise für die gleichnamige Partij van de Arbeid van België / Parti du travail de Belgique, die in letzter Zeit in den Umfragen stark im Aufwind ist. Die belgische Arbeiterpartei ist eine der wenigen, die gesamtbelgisch arbeiten, also nicht in eine flämische und eine frankophone Partei gespalten sind.
Interessant ist bei der PvdA die Abkürzung. In Deutschland ist es ungewöhnlich, dass Parteien Kleinbuchstaben in ihrer Abkürzung nutzen (die AfD ist eine der wenigen Ausnahmen). In der gesprochenen Sprache verkürzt man die niederländischen Sozialdemokraten oft auf kuriose Weise zu P van de A: Von den Substantiven bleiben nur die Anfangsbuchstaben, Präposition und Artikel bleiben.
Die PvdA stellt mit Jet Bussemaker momentan übrigens die Ministerin für Bildung, Kultur und Wissenschaft, die für die Niederlande Mitglied des Ministerkomitees der Taalunie ist.
Partij voor de Vrijheid
Die extremrechte PVV dürfte auch im Ausland wahrscheinlich momentan die bekannteste Partei sein. Sie teilt sich mit den Liberalen das Schlagwort Vrijheid, überlässt diesen aber (vielleicht zu Recht?) die Demokratie im Namen. Der Bezug auf die Freiheit ist nicht einzigartig bei den Rechtspopulisten – auch andere Parteien mit solchen Ausrichtungen in Europa sind aus ursprünglich liberalen Bewegungen hervorgegangen, etwa die FPÖ in Österreich. Der großspurige Name verschleiert, dass die Freiheit nach Überzeugung der Partei eher selektiv ist und für viele Bürger (Journalisten, Muslime, Künstler) nicht uneingeschränkt gelten sollen.
Anders als die PvdA lässt die PVV in ihrer Abkürzung den Artikel ganz unter den Tisch fallen und schreibt dafür den Buchstaben der Präposition groß.
Socialistische Partij
Wie man mit dem Begriff sozialistisch umgeht, ist von Land zu Land sehr verschieden. Mancherorts nennen sich die Mitte-Links-Parteien so, beispielsweise in Flandern (Socialistische Partij Anders, sp.a) und Wallonien (Parti Socialiste, PS). In Frankreich ist es innerhalb des Parti Socialiste sogar ein Risiko, sich als sozialdemokratisch zu bezeichnen, weil man dann schon als verdächtig rechts gilt. In den Niederlanden positioniert sich die SP links der Sozialdemokratie und hat ihre Wurzeln in maoistischen Prinzipien. Bis in die 70er Jahre schrieb sich die Partei Socialistiese Partij, in einer alternativen Orthographie, die besonders im linken Milieu beliebt war. Damit lag man näher an der tatsächlichen Aussprache als mit der Schreibung <-isch>. Allerdings wählte man ausgerechnet dieselbe Schreibweise wie das Afrikaans, das damals als Sprache der Apartheid und des Kolonialismus galt.
Christen-Democratisch Appèl
Die Schwesterpartei der deutschen CDU war einst sehr stark und stellte bis 2010 mit Jan-Peter Balkenende noch den Ministerpräsidenten. Bei den letzten Wahlen sackte sie auf nur noch 8,51% ab. Vorsicht für Deutschsprachige: appèl ist Neutrum, man spricht also von het CDA. Unter allen niederländischen Parteien ist der/das CDA die einzige mit einem Akzent im Namen, der die Betonung auf der Endsilbe anzeigt. Mit der Schreibweise von appel ging es immer wieder hin und her, nach den aktuellen Rechtschreibregeln ist der Akzent nicht nötig. Beim CDA hält man vielleicht aus Tradition daran fest, oder um nicht als christdemokratischer Apfel verspottet zu werden (der allerdings ein de-Wort ist und kein het-Wort).
Im nächsten Beitrag geht es weiter mit brüllenden Senioren, hehren Tugenden und einer Partei, die sonntags offline ist.