Seit kurzem haben auch an der FU wieder die Vorlesungen und Seminare begonnen. Wir bemühen uns natürlich stets, die Lehrveranstaltungen spannend und unterhaltsam zu gestalten. Trotzdem kommt es gelegentlich vor, dass jemand heimlich auf die Uhr schaut und den Kurs ein wenig vervelend findet. Wenn unsere Lehre nicht gut ankommt, finden wir das selbst wiederum auch vervelend.
Dozent und Student teilen in dieser Situation zwar dasselbe Wort – ze vinden het vervelend -, aber keineswegs dasselbe Gefühl. Für den Lehrenden ist die Situation ärgerlich, für den Studenten dagegen langweilig. Im Niederländischen können diese beiden Bedeutungen unterschiedlich Facetten desselben Begriffs sein. Normalerweise ergibt sich aus dem Kontext, in welche Richtung die Empfindung geht:
Dit feestje is echt vervelend!
Es ist zwar vorstellbar, dass jemand eine Party ärgerlich findet, z.B. weil sie zu laut ist und stört. Aber häufiger dürfte es vorkommen, dass der Sprecher sich langweilt, weil keine Stimmung aufkommen will.
De trein is vandaag alweer te laat. Dat vind ik echt vervelend!
Sicher ist es langweilig, wenn man auf einen verspäteten Zug warten muss. Trotzdem überwiegt in diesem Fall wohl der Ärger über die unzuverlässige Bahn.
Die Etymologie von vervelend ist erstaunlich simpel. Sie geht zurück auf veel, und das erklärt auch die breite Verwendbarkeit des Wortes. Es kann bei allen Dingen und Lagen benutzt werden, bei denen einem etwas zu viel wird: Es ist vervielend. Neben Langeweile und Ärger kann das zum Beispiel auch zutreffen, wenn einen etwas stört oder nervt, sei es eine herumschwirrende Fliege oder een vervelende vent (ein nerviger Typ).
Einen ähnlich vielseitigen Begriff kennen die skandinavischen Sprachen. Auch das norwegische kjedelig oder das dänische ked und kedelig haben dieselben beiden Bedeutungsrichtungen wie vervelend:
Så kjedelig at toget er forsinket! (Wie nervig, dass der Zug verspätet ist!)
For en kjedelig film! (Was für ein langweiliger Film!)
Die Wortherkunft soll auf die ursprüngliche Form keef zurückgehen – wie recht oft bei den skandinavischen Sprachen eine Entlehnung aus dem Niederdeutschen. Dass es hier ein ähnliches Bedeutungsfeld gibt wie im Niederländischen, ist also nicht völlig überraschend. Vielleicht muss man nicht unbedingt so weit gehen, über „lexikalische Ingwäonismen“ zu spekulieren, denn das Englische kennt zum Beispiel keinen gesammelten Begriff für langweilig und ärgerlich. (Ob es im Friesischen so ein Wort gibt, weiß vielleicht jemand unter unseren Lesern.)
Gegen eine übertriebene ingwäonische Interpretation spricht auch, dass im Französischen solche Bedeutungen gebündelt werden können. Zwar benutzt man ennuyant praktisch ausschließlich für langweilig. Das zugehörige Verb ennuyer oder das Substantiv ennui sind aber viel breiter, von Sorge und Kummer über Ärger bis hin zu Langeweile.
Sobald die Begriffe reflexiv werden, bleibt allerdings nur noch eine Bedeutung übrig. Egal ob zich vervelen, å kjede seg oder s’ennuyer – wenn man sich selbst zu viel wird, kann es nur um Langeweile gehen.
Das soll nun aber genug sein an Überlegungen über einen einzelnen Begriff. Es wird sonst wirklich vervielend.











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