In Deutschland ist Afrikaans ist seit Jahren in aller Munde. Stimmt nicht? Stimmt doch! Man kann natürlich nicht behaupten, dass besonders viele Menschen in Deutschland Afrikaans sprechen oder lernen. Aber an einer Stelle ist die Sprache dennoch präsent: Auf dem Tisch, im Geburtstagsgeschenk, im Supermarktregal. Viele Weine aus Südafrika tragen nämlich auf ihrem Etikett das Afrikaans in die Welt.
Am geläufigsten sind deutschen Genießerzungen wahrscheinlich die größeren Marken, Güter und Produktionsorte wie Nederburg oder Stellenbosch. Damit beginnt aber das Spiel erst. Afrikaans wird nämlich auch für die Markenbildung gerne herangezogen, um Geschichten zu erzählen und damit den Wein individuell und persönlich erscheinen zu lassen. Für Deutschsprachige dürfte dabei der Hihi-ist-das-niedlich-Faktor noch hinzukommen. Ob das die Produzenten beabsichtigen, darf man bezweifeln. Schließlich ist der deutschsprachige Raum nicht das einzige Exportgebiet.
Die Suche bei beliebigen Weinanbieter im Internet liefert einige poetische Produzenten und Marken wie
Buitenverwachting (ein Wein, der die Erwartungen übertreffen soll – fragt sich, ob die Erwartungen an Wein aus Südafrika tatsächlich so niedrig sind)
Vergelegen (ein Produkt aus einem weit abgelegenen Weingut, Message: “besonders schwer heranzukommen”)
Kaapzicht (Blick aufs Kap, alte Seefahrer- und Fernreisenromantik)
Allesverloren (ein Weingut, das einmal abbrannte aber so gute Produkte lieferte, dass man es wieder aufbauen musste)
Vergenoegd (deutlich optimistischer als das Vorgenannte)
Avontuur (verweist wohl auf die Unwägbarkeiten der Geschichte und verspricht spannende Aromen, aber ob ein Wein wirklich „abenteuerlich“ schmecken soll?)
Vrede en Lust (genau das Gegenteil von avontuur)
Gemoedsrus („Gemütsruhe“, sicher kein aufregender Wein, aber vielleicht ein Genussmoment zur Erholung)
Manches Etikett ist sogar ziemlich mutig und mutet der Kundschaft allerlei Begriffe zu, deren Aussprache beim Ablesen eine ziemliche Herausforderung darfstellen dürften, beispielsweise Leeuwenkuil oder Boekenhoutskloof.
Was zusätzlich auffällt: Einige dieser Begriffe sind mehr niederländisch als afrikaans, etwa die Formen buiten (nl.) statt buite (afr.), vergenoegd (nl.) statt vergenoeg (afr.), oder leeuw (nl.) statt leeu (afr.). Für Kundige oder Einheimische mag das noch einen zusätzlichen Beigeschmack in Richtung “historisch” und “traditionell” erzeugen. Für den deutschen Markt spielt es sicher keine Rolle.
Natürlich bleiben das Afrikaans auf dem Etikett nie alleine. Im Gegenteil: Es gibt auch jede Menge Markennamen auf Englisch, die für den internationalen Verkauf auf jeden Fall transparenter sind. Die sachlicheren Beschreibungen wie das Herkunftland (Wine of South Africa) und die Rahmenpoesie (4th generation winemaker family) sind ohnehin immer auf Englisch oder mischen sich ganz südafrika-typisch mit afrikaansen Namen (Produced and bottled on Kanonkop). Dazu kommt erstaunlich oft das Französische, nicht nur in den bekannten Rebsorten wie Chardonnay oder Cabernet Sauvignon, sondern auch als Marken-, Orts- und Familiennamen. Dass gerade die Gegend um das Städtchen Franschhoek eine Weinregion ist, überrascht sicher niemanden. Die hugenottische Auswanderung nach Südafrika hat hier ihre kulinarischen und onomastischen Spuren hinterlassen.
Das Business ist jedenfalls nach außen sichtbar fest in der Hand der stolzen weißen Traditionslinien, die einst die Weinproduktion ans Kap brachten: Nicht-koloniale Sprachen Südafrikas sucht man auf den Weinflaschen vergeblich. Der gute Tropfen mag der Zunge schmeicheln, aber in Zungen reden möchte er lieber nicht.