Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Koningsdag in Groningen

von Aniko Schusterius

Ausgefeilte Deko.

Wenn die Läden ihre Schaufenster Orange dekorieren, wenn an den Häuserfassaden Trauben von rot-weiß-blauen Luftballons hängen und wenn an der Universität Pappkronen verschenkt werden, dann ist es wieder soweit. Der alljährliche Koningsdag wird zelebriert.
Für mich war der Geburtstag des niederländischen Königs Willem-Alexander doppelt besonders. Wir haben in Deutschland weder ein Königshaus noch eine vergleichbare Person, dessen Älterwerden die Bürger des Landes so begeistert. Während meines Auslandssemesters in Groningen wurde mir sogar die Ehre zu Teil, die Königsfamilie live zu sehen und mit anderen tausenden Menschen zu bejubeln.

Obwohl der niederländische König erst am 27. April Geburtstag hat, bereitete sich Groningen schon Ende März auf den Feiertag vor. Es begann kaum merklich mit ersten Werbeaufstellern in Supermärkten, die besondere Produkte wie orangenen Hooghoudt (Jenever aus Groningen) oder Glitzergirlanden anpriesen. Es konnten Bonuspunkte bis zum großen Tag gesammelt und im Markt für Fanartikel eingelöst werden.

Sprachspielerische Deko.

Eine ansteigende Aufregung war ab der zweiten Aprilwoche zu spüren. Während meine Dozenten in der Universität jedes Seminar damit begonnen, auf den Besuch der königlichen Familie hinzuweisen, steckten Kommilitonen Nerven und Geld in die Planung von Mottoparties und Bartouren. Die Läden dekorierten mit Puppen des Königspaares ihre Schaufenster, stellten Spruchtafeln auf und legten orangene Teppiche vor den Eingängen aus. Motto-T-Shirts gingen öfter über die Ladentheke, als Stroopwaffeln und Käse. Auch die Studentenverbindungen ließen es sich nicht nehmen, ihre Häuser passend zu gestalten. Als besonders kreativ erwiesen sich die Mitglieder der Verbindung Vindicat, die aus der Hooghoudt-Werbung auf ihrem Dach Hoogheidt machten.

In der dritten April-Woche begannen erste Umbauarbeiten in der Stadt. Bühnenteile wurden angefahren und Hotels und Pensionen klebten rot beschriebene Schilder in ihre Fenster: „Geen kamers tussen 27.4. en 29.4“. Auf dem Wochenmarkt und in den Supermärkten konnte man nun vermehrt Gesprächen lauschen, die sich um so wichtige Themen wie Máximas Kleid und die Wahl von Willem-Alexanders Krawatte drehten. Eine Kommilitonin, mit der ich zum Schreiben von Hausarbeiten verabredet war, hatte statt der Begriffe zur Gedichtanalyse tatsächlich alle 43 Titel des Königs auswendig gelernt – meine Begeisterung darüber hielt sich zu ihrer Überraschung in Grenzen.

Mehr sprachspielerische Deko.

Am Morgen des 23. April ging in der Universität das Gerücht um, dass der gesamte Campus aus Sicherheitsgründen zeitnah gesperrt werden würde. Am Abend des gleichen Tages freute ich mich bereits über die kurzfristig ausgerufene veranstaltungsfreie Woche aufgrund des Sicherheitschecks der gesamten Stadt. Herumstehende Fahrräder wurden aus der Stadt transportiert, Parkverbote und die Entfernung von Mülleimern folgten. So langsam wurde mir klar, dass der Koningsdag in der Kategorie Partysport kein Sprint, sondern ein Marathon ist, denn die Feierlichkeiten begannen bereits in der Nacht vor dem Koningsdag. In meinem Fall feierte ich mit hunderten anderen Menschen vor einer großen Bühne auf dem Vismarkt, Dresscode: Krönchen. Hier wurde niederländisches Musikprogramm geboten und es floss jede Menge Heineken.

Die königliche Familie (hinten, ohne Uniform)

Am Freitag, dem 27. April, stand ich nach einer sehr kurzen Nacht um 10:30 Uhr auf dem Martinikerkhof – Kamera um den Hals, Papierkrone auf dem Kopf. Trotz meiner Größe von über 1,80m gelang es mir nur auf Zehenspitzen den noch größeren Umstehenden über die Schulter zu schauen. Kaum hatte die königliche Familie das nahegelegene Hotel Prinsenhof verlassen, stiegen hunderte Arme mit Handys und Kameras in die Luft. Mir gelang nur ein Schnappschuss aus der Menge heraus. Ein Programm entlang der Route sollte den royalen Gästen einen Eindruck von der Stadt und ihren Einwohnern verschaffen. Konfettikanonen, Kindertanzgruppen, Spitzensportler, Alumni der Universität, Musikbands und Quizspiele – ein Hindernissparcours, den die königliche Familie, stets umringt von schreienden und jubelnden Menschenmassen, mit Bravour bewältigte.
Nach dem Besuch des Königs stiegen die großen Partys auf den Bühnen, Clubs und Bars. Im Stadtpark und in den Nebenstraßen fernab des Trubels verkauften Einwohner traditionell ihre tweedehands spullen. Das große Kingsland Festival, schon wochenlang vorher ausverkauft, bot vor allem ein Programm für Technofans.
Egal wer man war, egal wo man sich befand, Groningen war im Ausnahmezustand. Es wurde gefeiert, gelacht und getanzt. Und auch wenn der Krach von den Bühnen aus der Stadt, den Bars und Restaurants, aus den offenen Fenstern und Balkontüren unglaublich laut war, hatte ich das Gefühl am friedlichsten Ort der Welt zu sein.

Alle Fotos von Aniko Schusterius.

Egel-Igel-Egel

Ben je nota bene decennialang (jahrzehntelang) in Berlijn en dan struikel je quasi over een stekelvarken, een Stachelschwein.

T. Demšar, CC-BY-SA-3.0

Niet dat ik opkijk van dieren in mijn omgeving: ik had al broedende merels op mijn balkon en ’s nachts vleermuizen (door de open balkondeur binnengevlogen) in huis; onder mijn slaapkamerraam staat zo nu en dan een vos te blaffen en de eenden die het zwembad van mijn buurman frequenteren, wekken me ook regelmatig.

Maar deze keer gaat het om taal.

Het Nederlandse stekelvarken wordt ook egel genoemd – in het Duits: Igel.
Alleen: een stekelvarken is geen egel!

C. Schuster, CC-BY-SA

Laat ik nou een vriendin in een ziekenhuis bezoeken, waar alternatieve geneesmethodes toegepast worden. Ze had, zoals ze me liet zien, „Blutegel“ aan haar voeten. Ik verstond haar niet en registreerde „Blutigel“ (een egel is voor mij in het Duits een Igel). Het Duits maakt dus (hoewel etymologisch verwant) onderscheid tussen een Egel en een Igel.

Een Duitse Egel is een soort worm die lekker bloed zuigt. Die noemen we in het Nederlands gewoon een bloedzuiger.

Een vergelijking van de twee bijdrages op Wikipedia (zie de links boven) is niet oninteressant. De Duitse is uitvoeriger en hier lees ik: „In Deutschland sind medizinische Blutegel über Apotheken zu beziehen.“ In de Nederlandse beschrijving van de medicinale bloedzuiger staat: „Vroeger kon men bloedzuigers in de apotheek kopen. In sommige grote Amerikaanse staten en in Azië wordt de bloedzuiger nog gebruikt. Wel in veel mindere mate dan vroeger.

Overigens betekent de bloedzuiger / der Blutsauger in beide talen hetzelfde wanneer we het over een afzetter of woekeraar, resp. Halsabschneider hebben.

Struikel-Blok

Seit März ist Stef Blok niederländischer Außenminister. Sein Vorgänger Halbe Zijlstra war nur ein paar Monate im Amt und musste dann zurücktreten, weil er Unsinn über Gespräche erzählt hatte, bei denen er selbst gar nicht anwesend war. Auch für Blok könnten einige Aussagen jetzt zum struikelblok (dt. Stolperstein) in der Karriere werden. Anders als Zijlstra war er durchaus anwesend, als er nämlich selbst ziemlich dreiste Dinge über verschiedene Länder der Welt sagte. Suriname war in seinen Augen ein ‚failed state‘ und auffällig viele Meinungen hatte er über multikulturelle und multiethnische Gesellschaften.

Besonders interessant war aber das, was er über Belgien zu sagen hatte. Im südlichen Nachbarland sei, ähnlich wie in der Schweiz, eine rechtspopulistische Partei stark – mit der er nicht übereinstimme, aber:

„Het is niet zo dat Zwitserland een onleefbaar land is geworden. Of België, althans niet meer onleefbaar dan het daarvoor al was.“

Darin stecken mehrere Teil-Aussagen. Punkt 1: Das mit dem Rechtspopulismus ist nicht so dramatisch. Schon das allein ist starker Stoff für einen Minister aus der liberalen Partei des Ministerpräsidenten. Punkt 2: Belgien ist eigentlich schon seit Langem in gewissem Ausmaß „onleefbaar“, und daran sind nicht die Rechtspopulisten schuld. (Man kann sich im restlichen Kontext vorstellen, was er stattdessen als Problem sieht.) Ob man nach so einer Aussage über ein befreundetes Nachbarland noch Außenminister bleiben kann?

Stef Blok. (Ministerie van Buitenlandse Zaken, CC-BY-SA 2.0)

Jenseits der undiplomatischen Aussage des Chefdiplomaten der Niederlande steckt darin ein interessantes Wörtchen: (on)leefbaar. Nun haben wir kein direktes Pendant im Deutschen für das Wort leefbaar. Am ehesten passt wohl lebenswert. Das Suffix –bar im Deutschen passt typischerweise vor allem zu transitiven Verbstämmen, deren Objekte ein guter Patiens sein können: Man kann einen Brief zustellen, der Brief kann zugestellt werden, also ist er zustellbar. Auf Deutsch kann man eher schlecht etwas leben. Außer vielleicht das Leben selbst: Wir leben ein fröhliches Leben. Trotzdem ist unser Leben nicht ohne Weiteres fröhlich lebbar. Schon gar nicht lebbar ist auf Deutsch eine Stadt oder ein Land. Jedenfalls noch nicht, denn –bar greift sich langsam aber sicher weitere Wurzeln, die traditionell nicht zu ihm passen. Das bekannteste Beispiel ist unkaputtbar.

Nun wäre lebbar ohnehin keine völlig absurde Wortform für das Deutsche. Denn lebenswert ist auch ein bisschen seltsam. Wörter auf –wert kann man normalerweise schön in einem Satz auflösen: Ein liebenswerter Mensch ist es wert, geliebt zu werden. Eine bewundernswerte Tat ist es wert, bewundert zu werden. Aber eine lebenswerte Stadt ist es nicht wert, gelebt zu werden. Trotzdem ist sie lebenswert. Was –wert kann, sollte –bar eigentlich auch längst können.

Im Niederländischen kann es das offenbar. Und zwar so sehr, dass es schon oft für die Politik benutzt wurde. Leefbaar Nederland hießen mehrere Parteien im konservativen bis ganz rechten Spektrum. Die neueste Partei, die 2017 zu den Parlamentswahlen unter diesem Namen antreten wollte, berief sich unmittelbar auf das Erbe von Pim Fortuyn. Es ginge sicher zu weit, leefbaar als Wortschatz der Neuen Rechten im Niederländischen zu betrachten. Aber für alle vom populismus-entspannten Außenminister bis hin zum Anhänger von Pim Fortuyn scheint klar zu sein: Leefbaar ist das Gegenteil von Diversität. Gesellschaften, in denen zu viel ethnische oder kulturelle Vielfalt herrscht, sind anscheinend onleefbaar. Länder mit starken Rechtspopulisten für den niederländischen Außenminister dagegen weniger.

Normalerweise liefert das Deutsche ja in letzter Zeit gerne dem rechten Spektrum in Europa seine Schlagworte. Die deutsche politische Rhetorik hat lebenswert noch nicht so recht entdeckt, egal ob bei Extremisten, Populisten oder Demokraten.

Stattdessen musste die CDU bei der letzten Bundestagswahl halb ironisch und halb peinlich mit dem Hashtag #fedidwgugl in den Wahlkampf ziehen, als Abkürzung von „für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Einfacher wäre gewesen: Lebbares Deutschland. Dass sie es nicht getan hat, stellt sich jetzt als Glücksfall heraus. Wer weiß, was Stef Blok sonst über Deutschland gesagt hätte?


Nachtrag: Dem Duden zufolge ist lebbar in der Schweiz durchaus gängig, etwa im Sinne von erträglich (etwa bei einer schwierigen Lebenslage, die dann schwer lebbar ist). Fragt sich, ob es für die diplomatischen Beziehungen mit der Schweiz und Belgien gesünder ist, wenn man den Begriff in der Aussage von Blok mit unerträglich übersetzt…

In 30 Tagen durch die Niederlande

Von Aniko Schusterius

Das Studium in den Niederlanden, gleich welchen Faches, ist eine Herausforderung für deutsche Studierende. Hohe Ansprüche und strenge Noten lassen neben dem Uni-Alltag nicht viel Freizeit übrig. Schon vor meinem Auslandssemester in Groningen spielte ich mit dem Gedanken, eine Rundreise durch das „Platteland“ zu machen. Land, Leute und Kultur kennenzulernen war mir besonders wichtig. Nach vier Wochen im neuen Studiensystem musste ich feststellen, dass eine Erkundung der umliegenden Provinzen nicht während des Semesters möglich sein würde. Der daraus folgende Zeitpunkt meiner Städtetour im Juli hätte nicht besser sein können.

Zum Beginn meiner Reise stiegen die Temperaturen in den Niederlanden und egal wohin ich kam, die Einheimischen erzählten mir, dass es bei ihnen sonst immer regnen würde. Der strahlende Sonnenschein motivierte mich auf der Insel Texel, meinem ersten Zwischenstopp, zu einem Surfkurs. Wer glaubt, dass man für ordentliche Wellen andere Kontinente bereisen muss, liegt falsch. Neben wunderschönen Stränden bietet Texel tolle Radwege entlang an endlosen Landschaften aus grünen Feldern. Und hier und da grasen Schafe blökend vor sich hin.

Käsemarkt in Alkmaar.

Mit der Sonne im Gepäck fuhr ich weiter nach Alkmaar. Mit dem Zug lassen sich Entfernungen in den Niederlanden günstig und schnell zurücklegen. Drei Tage in der Käsestadt ermöglichten es mir, den berühmten Käsemarkt zu besuchen, der jeden Freitagmorgen auf dem Marktplatz veranstaltet wird. Heute nur noch eine Touristenattraktion, verschafft er den Besuchern Eindrücke über den einstigen Umschlagplatz langer Reihen von Käserädern. Sehr schön ist auch die Aussicht vom Kirchendach der Sint-Laurenskerk. Zum 800. Jubiläum lautet hier das Motto: Klim naar de Hemel. Ich erinnere mich zu gern an die nette Dame im Museum, die einfach nicht fassen konnte, dass Niederländische Philologie tatsächlich ein Studienfach in Deutschland ist.

Die Reiseroute. (Bonuspunkte für alle, die den Fehler in der Karte finden!)

Die älteste Universität der Niederlande befindet sich in Leiden. Nicht nur der Hortus Botanicus (Botanischer Garten), auch die zahlreichen Museen sind einen Besuch wert. Sie bieten bei 30 Grad Außentemperatur angenehme Abkühlung. Zu den interessantesten gehören für mich das Rijksmuseum Boerhaave und das Volkenkunde Museum. Der Tipp meiner Sprachlehrerin, eine Museumskaart während meines Erasmusaufenthaltes zu erwerben, erwies sich als goldrichtig. Für eine einmalige Gebühr von 60 Euro gelangt man ein Jahr lang gratis in über 400 Museen, Galerien und Ausstellungsräume in den ganzen Niederlanden. Schon nach fünf Besuchen hatte ich den Geldwert wieder zurück.

Tweede Kamer in Den Haag.

Die perfekte Mischung aus Großstadt und Küste bietet Den Haag. Mit seiner Architektur aus modernen und historischen Gebäuden, den politischen Institutionen, großen Parkanlagen und der langen Strandpromenade sechs Kilometer vom Zentrum entfernt, ist es eine meiner Lieblingsstädte geworden. Ich habe an einer Führung durch das Vredespaleis (Sitz des Internationalen Gerichtshofes, Schiedshofes, Haager Akademie für Völkerrecht) und den Binnenhof (Sitz des Niederländischen Parlaments) teilgenommen. Beides war sehr interessant und informativ gestaltet. Für Kunstliebhaber ist zudem das Mauritshuis ein Muss. Das berühmte Mädchen mit dem Perlenohrring von Vermeer hatte ich mir allerdings viel größer vorgestellt.

Nur 20 Zugminuten entfernt von Den Haag liegt die kleine Stadt Delft. Auch wenn sie bei meinem kurzen Aufenthalt etwas verschlafen wirkte, birgt sie doch ein kleines Wunder in sich. Am Fluss De Vliet liegt die bekannte Töpferei De Delftse Pauw. Das blau-weiße Porzellan ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt und konkurriert mit der deutschen Manufaktur in Meißen. Die Kombination aus Fabrik und Museum ermöglicht es, bei der Produktion zuzusehen, die bis heute per Hand geschieht.

Sechster Halt meiner Rundreise: Rotterdam. Hier erlebte ich einen kleinen Kulturschock. Enge Straßen, schmale Grachten und niedrige Fachwerkhäuser findet man nicht. Durch den zweiten Weltkrieg schwer zerstört, ist Rotterdam heute für seine moderne Architektur bekannt. Wie ein typischer Tourist betrachtete ich die Erasmusbrücke und fuhr mit dem Speedboot durch den großen Hafen. Ich fragte mich auch, wie man die Wohnungen in den Kubushäusern wohl einrichtete und stieß fast mit einem Passanten zusammen, nachdem ich minutenlang die Decke der Markthalle durch die Linse meiner Kamera angestarrt hatte. Rotterdam bietet dem Besucher alles, was das Großstädterherz begehrt, nur keine Ruhe. Selbst die Aussicht vom Euromast Tower auf die Stadt herunter hat etwas Hektisches an sich. Touristengruppen schieben sich über die Plattform von Norden nach Süden und Osten nach Westen.

Im Nijntje-Museum.

In Utrecht lernte ich gleich zu Beginn, das mein Kindheitsheld, das Häschen Miffi, eigentlich Nijntje heißt. Sogar ein kleiner Platz in einer Wohngegend Utrechts wurde nach ihr benannt. Bei einem Spaziergang entlang der Grachten taucht Nijntje immer wieder in Form von kleinen Statuen auf, mal in schlichter Bronze, dann wieder bunt gestaltet. In Utrecht bietet es sich zudem an, bei schönem Wetter ein Motorboot zu mieten und die Stadt vom Wasser aus zu betrachten. Den größeren Nervenkitzel fand ich bei einem Tagesausflug zum Efteling Erlebnispark südlich von Utrecht in Tilburg. Achterbahnen, Zuckerwatte und ein musikalisch unterlegtes Wasserspektakel am Abend versetzten mich ein Stück weit zurück in meine Kindheit.

In Nijmegen war ich besonders froh über meine kühle Ferienwohnung im Souterrain. Die Temperaturen stiegen in der dritten Woche meiner Rundreise auf über 30 Grad. Das Wetter hielt mich trotzdem nicht davon ab, die Stadt zu erkunden und im Valkhof Museum mehr über ihre römische Vergangenheit zu erfahren. Mit einem Eis in der Hand ließ es sich danach zwischen den Bäumen im Kronenburgerpark wunderbar entspannen.

Street Art in Eindhoven.

Der vorletzte Stop auf meiner Reise war Eindhoven. Für mich ein kleines Rotterdam. Als Standort der Philips-Werke wurde es von den Alliierten im Zweiten Weltkrieg stark bombardiert und erst Stück für Stück wiederaufgebaut. Die Modernität des Design- und Technologiezentrums der Niederlande spiegelt sich in den Gebäuden wie dem Evoloun, dem Vesteda Tower oder dem Blob wieder. Aber auch Streetart und viele begrünte Wohnanlagen lassen sich in den Seitenstraßen entdecken. Das Van Abbemuseum gibt einen Eindruck über die aktuelle Kunst- und Designszene in den Niederlanden und im internationalen Kontext. Besonders nett sind dort die rotbehemdeten Guides, die in jedem Raum angesprochen werden können, um mehr über die Ausstellungsstücke zu erfahren.

Buchhandlung in Maastricht.

Endstation meiner Reise wählte ich Maastricht. In der Hauptstadt der Provinz Limburg kam ich oft in die Situation, dass ich nicht erraten konnte, ob mein Gegenüber Deutscher oder Niederländer war, denn der Dialekt der Einheimischen kam der deutschen Sprache sehr nahe, verglichen mit der Sprache die ich aus Groningen kannte. Der Vrijthof sowie das Bonnefantenmuseum sind ein Muss, genauso wie die wunderschöne Dominicanen-Buchhandlung in einer entwidmeten Kirche. Hier verbrachte ich Stunden zwischen den Regalen und Bücherstapeln. Nach zwei Tagen hatte ich mich auch daran gewöhnt, in jedem Laden und jeder Straßenecke einen André-Rieu-Aufsteller auf mich herabblicken zu sehen. In der Geburtsstadt des berühmten Violinisten wird er fast genauso verehrt wie die königliche Familie.

Nach einem Monat Rollkofferleben, mit Chocomel auf Eis und der brennenden Sonne im Nacken, kehrte ich mit einem Rucksack voller neuer Erfahrungen und bunter Erinnerungen zurück. Jedem angehenden Erasmusstudenten empfehle ich, eine Rundreise in den Aufenthalt zu integrieren, soweit es die Zeit zulässt. Meine Reise nach Groningen und die anschließende Städtetour betrachte ich im Nachhinein als sehr wertvoll. Sie hat meinen Horizont erweitert und bildet einen wichtigen Baustein für mein Studium der Niederländischen Philologie. Man muss die Kultur eines Landes selbst erlebt haben und es nicht nur aus der Ferne beobachten.

Alle Fotos von Aniko Schusterius.

Ein grundsätzlicher Brexit

Dass Kenntnisse verschiedener Sprachen nützlich, hilfreich, oft gar notwendig sind – keine Überraschung für uns in der Niederlandistik und in den anderen Philologien. Einen neuen Beleg lieferte dafür die britische Regierung. Sie hat ein Papier verfasst, in dem sie ihre Vorschläge für den Brexit darlegt. Das vollständige Dokument gibt es auf Englisch und als Übersetzung ins Walisische – soweit, so lobenswert für die Anerkennung der Regionalsprache.

Eine Zusammenfassung wurde dann in die restlichen offiziellen EU-Sprachen übersetzt, damit man sich in der eigenen Sprache ein Bild von den Vorstellungen der britischen Regierung machen kann. Ob das wirklich notwendig ist oder ob die englische Fassung nicht reichen würde, das ist eine andere Frage. Jedenfalls ist es ein Zeichen des Respekts gegenüber Europa und seiner Vielsprachigkeit.

Das Problem dabei war bloß: Die Vielsprachigkeit hat in Großbritannien offenbar einige vor große Hürden gestellt. Viele der Übersetzungen sind so grotesk geraten, dass man an den Sprachkenntnissen oder zumindest dem Sprachgefühl der Übersetzer zweifeln kann. Die deutsche Variante ist inzwischen wohl überarbeitet worden. Sie klingt zwar noch ein wenig gestelzt, aber sie ist einigermaßen lesbar.

Dramatisch getroffen hat es aber die niederländische Fassung, die man gemeinsam mit den anderen Übersetzungen hier herunterladen kann. Schauen wir uns fünf Beispielsätze an, um eine Diagnose zu versuchen, wie so ein Text zustande gekommen sein könnte (darunter jeweils das Original):

De regering zal het resultaat hebben geleverd van het 2016 referendum.

The Government will have delivered on the result of the 2016 referendum.

Die Zukunftsform verweist auf den Zeitpunkt des EU-Austrittes im Frühling 2019. Das Futur II wirkt auf Englisch schon etwas verschwurbelt, wirft aber auch im Niederländischen Fragen auf. Zum Beispiel: Glaubt die Regierung nicht an ihren eigenen Erfolg? Weil ein Futur II so eine ungewöhnliche Zeitform ist, liest man das zullen zuerst eher als eine Art Distanzierung, etwa wie „die Regierung wird das wohl (wahrscheinlich, hoffentlich) getan haben“. Und het 2016 referendum ist wortwörtlich dem Englischen nachempfunden, funktioniert aber auf Niederländisch genauso wenig wie auf Deutsch.

Om deze missie te voltooien, legt de regering een gedetailleeerd voorstel voor van een principiële en praktische Brexit

To fulfil that mission, the Government is advancing a detailed proposal for a principled and practical Brexit.

Vielleicht kann die Fähre auf der nächsten Überfahrt nach England ein paar Grammatiken mitnehmen. (J.v.Houdt, Rijkswaterstaat)

Hier wäre zunächst einmal der Schreibfehler in gedetailleerd. Das überzählige „e“ deutet darauf hin, dass den Text tatsächlich ein Mensch und kein Computer geschrieben hat. Der fehlende Punkt am Ende des Satzes geht vermutlich auf das gleiche Maß an Sorgfalt zurück. Die Übersetzung von principled hat in vielen Sprachversionen seltsame Blüten getrieben, im Französischen beispielsweise als vertueux („tugendhaft“). In der deutschen Fassung steht hier prinzipientreu. Auf Niederländisch kann eine Frage oder ein Grund principieel (also „grundsätzlich“) sein, aber einen von Prinzipien geleiteten Prozess müsste man anders umschreiben. Der Van Dale schlägt beispielsweise trouw aan principes vor, ähnlich wie das italienische Brexit-Dokument von basata su principi („auf Prinzipien gegründet“) sagt.

Dit voorstel ondersteunt de visie uiteengezet door de premier in Lancaster House […] en richt zich daarbij op kwesties die door EU naar voren werden gebracht gedurende de tussenliggende maanden – daarbij uitleggende hoe de relatie zal werken […].

This proposal underpins the vision set out by the Prime Minister at Lancaster House […] and in doing so addresses questions raised by the EU in the intervening months – explaining how the relationship would work […].

Zunächst einmal ist der EU in der Übersetzung ein Artikel verloren gegangen. Dazu kommt, dass der Satz wunderbar die Verwendung von englischen Partizipien (set out, explaining) anstelle von Nebensätzen ins Niederländische kopiert. Das Partizip Präsens wie in uitleggende findet man gelegentlich in der sehr formellen Sprache politischer Grundlagentexte, wie etwa der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

Overwegende, dat erkenning van de inherente waardigheid en van de gelijke en onvervreemdbare rechten van alle leden van de mensengemeenschap grondslag is voor de vrijheid…

In solchen Formeln wird üblicherweise eine allgemeingültige Grundüberlegung zu einer darauffolgenden Entscheidung angeführt. Im Brexit-Text geht es eher um eine bequeme Formulierung, um einen Sachzusammenhang auszudrücken. Im Zweifelsfall könnte man statt einer zu wörtlichen Übersetzung davon ausgehen, dass das Brexit-Papier sich an den würdevollen Stil großer internationaler Verträge anlehnen möchte. Die enorm häufige Verwendung von etwas schrägen Präsens- und Perfektpartizipien im gesamten Text legt aber nah, dass man in erster Linie die englische Syntax ins Niederländische kopiert hat.

In de kern is het een hervormingspakket dat een nieuw en eerlijk evenwicht zal vinden tussen rechten en verplichtingen. Een die de regering hoopt, een verdubbeling van inspanning zal opleveren gedurende de onderhandelingen.

At its core, it is a package that strikes a new and fair balance of rights and obligations. One that the Government hopes will yield a redoubling of effort in the negotiations.

Das die im zweiten Satz hängt ziemlich in der Luft. Es bezieht sich wohl auf het pakket, mit falschem Genus und auch sonst ungrammatischem Anschluss. Hier wurde wieder versucht, den englischen Relativsatz direkt zu übertragen, was aber im Niederländischen nicht funktioniert. Man müsste zum Beispiel zu so etwas greifen wie waarvan de regering hoopt dat

Deze vrijhandelszone zal de unieke integrale toeleveringsketens en ‘precies op tijd’ procedures beschermen.

It would protect the uniquely integrated supply chains and ‘just-in-time’ processes that have developed across the UK and the EU.

Die putzige Übersetzung von just-in-time mit precies op tijd ist ein besonderes Goldstück im Text, denn dieser Fachbegriff aus der Logistik ist selbstverständlich auch im Niederländischen in der Regel eine englische Entlehnung. In der deutschen Fassung hat man das offenbar erkannt und den englischen Begriff stehen lassen.

Zugegeben: In der umgekehrten Richtung geht auch mal was schief, z.B. in diesem Hotel in Leiden. (PK)

Zu diesen ausgewählten Beispielen gesellen sich zahlreiche weitere, zum Beispiel auch Konjugationsfehler, Inkongruenzen beim Numerus, ein seltsames Schwanken zwischen einem Sprachgebrauch von Pergament bis Smartphone. Die Ursache dafür ist ganz offenkundig zum Teil die reine Eile und Schlamperei, aber auch eine technisch und stilistisch misslungene Übersetzungsarbeit. Wahrscheinlich kommt dazu die Überzeugung, dass Niederländisch doch eigentlich quasi Englisch mit ein bisschen fremdartigen Wörtern ist, so dass man mehr oder weniger mit dem Wörterbuch in der Hand einfach die englischen Sätze neu bestücken kann.

Das alles ist nicht nur sprachlich schräg, sondern es zeigt das Maß an Unverständnis der Brexiteers selbst für die nächsten Nachbarn auf der anderen Seite der Nordsee. Der unprofessionelle Umgang mit der Nachbarsprache lässt vermuten, dass man auch von deren Nachbarkulturen und -gesellschaften wenig versteht. Für uns in Deutschland sollte das eine Mahnung sein: Wir können und sollten nicht einfach darauf zählen, dass viele Menschen in Flandern und den Niederlanden ziemlich gut mit der deutschen Sprache und Kultur umgehen können. Wir müssen uns auch um Verständnis in die andere Richtung bemühen.

Diwan statt Stau

Belgien feiert, überall wehen Flaggen. Nicht wegen Fußball, fast muss man inzwischen sagen: ausnahmsweise. Sondern weil der 21. Juli der Nationalfeiertag ist. Einer der wenigen Tage, an denen auch in Flandern die Sprache so föderal aussieht wie selten, weil flämische Zeitungen kaum an französischen Lehnwörtern vorbeikommen. Beispielsweise De Morgen:

An erster Stelle steht die jährliche Parade, das defilé. Eine seltsame Kreatur ist dieses Wort, denn auf Französisch schreibt man es défilé. Im Niederländischen hat man den zweiten Akzent übernommen, den ersten aber weggelassen. Warum? Vielleicht, weil man einerseits in der niederländischen Orthographie nur selten Akzente benutzt, außer z.B. wenn das betonte Zahlwort één vom unbetonten und unbestimmten Artikel een genau unterschieden werden muss. Ganz ohne Akzente kommt das Wort für die Parade aber trotzdem nicht aus, sonst könnte man es zu leicht mit einer anderen belgischen Tradition verwechseln: de file. Der Unterschied mag marginal sein: viele Fahrzeuge bewegen sich sehr langsam und dicht hintereinander vorwärts. Trotzdem freut man sich am defilé mehr als an de file.

Eine ordentliche ‚drache nationale‘ brachte 2011 noch Albert II. zum Triefen. (P. Hermans, CC-BY-SA 3.0)

Am zivilen Teil der Parade nimmt unter anderen de douane en accijnzen teil, kurz für die Zoll- und Steuerverwaltung, die auf Französisch administration générale des douanes et accises heißt. Für den Zoll ist im Niederländischen douane das gebräuchlichste Wort, in Nord und Süd. Kaum jemand spricht üblicherweise vom toldienst. Etymologischer fun fact: Das Wort kam ursprünglich aus dem Persischen und via das Arabische nach Europa, ist über ein paar Ecken mit dem Diwan verwandt und hat sich auch durch das Niederländische weiter verbreitet bis ins Sranantongo und Papiamentu. Die accijnzen machen es der Etymologie auch nicht viel leichter, denn mit einer simplen Entlehnung von accises ist die Erklärung nicht getan.

Wer offenbar auch nur mit einem französischen Begriff unterwegs ist, ist Prinz Laurent –  anders als sein Bruder König Filip bzw. Philippe. Laurent dürfte auf Niederländisch zwar offiziell Laurens heißen, daran hält sich aber niemand. (Ob er selbst Wert darauf legt?)

Dass die Feierlichkeiten in Belgien zonovergoten waren, hat übrigens in der Zeitung auch Nachrichtenwert. Ein weiteres französisches Spezifikum in Belgien ist schließlich die drache nationale, der nationale Regenguss. Mit dem kann man sonst zuverlässig mitten im Sommer zum Nationalfeiertag rechnen. Wahrscheinlich ist die Angst vor der Nässe der wahre Grund dafür, dass wie auch in den letzten Jahren bei der Parade zum föderalen Feiertag keine Vertretung des flämischen Parlaments anwesend war.

Ein ganzes sehr starkes Adverb

Ferienzeit ist Serienzeit. Jedenfalls wenn es regnet. Eines der großen Streamingportale hat inzwischen eine niederländische Serie aus dem Jahr 2014 im Angebot, mit dem Originaltitel Nieuwe Buren. Sie beruht auf einer Romanvorlage von Saskia Noort mit demselben Titel. Nicht zu verwechseln übrigens mit der flämischen Produktion Nieuwe Buren, die zwei Jahre später erschien. Für den deutschen Markt trägt die Serie aus den Niederlanden den Titel The Neighbors. Das ist etwas ungeschickt, denn es gibt bereits mehrere gleichnamige Serien aus den USA.

Die Handlung ist nicht übermäßig originell, vielleicht ganz geeignet als Sommerunterhaltung. Allerdings überraschte die Serie mit ein paar interessanten Sätzen – zum Glück ist sie in Originalsprache verfügbar. Eine der Hauptfiguren ist eine junge Frau, die unter anderem diese Sätze sagt:

(1) Dat zijn hele belangrijke waarden.

(2) Mijn vader is een hele erg trotse man.

(3) Ze heeft het mijn ouders heel moeilijk gemaakt.

Satz (1) ist nicht ungewöhnlich für das Niederländische, würde aber auf Deutsch nicht funktionieren:

(1b) *Das sind ganze wichtige Werte.

Schauplatz von „Nieuwe Buren“: Vorstadtidylle in Almere. (M. Ahsmann, CC-BY-SA 4.0)

In einer Reihung von Adverb – Adjektiv – Nomen kann man im Niederländischen das Adverb heel mitflektieren, vielleicht eher in der Umgangssprache als im formellen Sprachgebrauch. Das Deutsche lässt das für ganz nicht zu. Es würde sonst als Adjektiv angesehen, etwa im Sinne von „nicht kaputt“ oder „vollständig“.

Bei Satz (2) ist genau diese Bedeutung im Niederländischen anscheinend strittig. Ich habe ein bisschen herumgefragt, und manche waren der Meinung, dass dieser Satz so nicht funktioniert bzw. sogar „hartstikke fout“ sei. Nämlich weil dann der Vater ein ganzer („unbeschädigter“), sehr stolzer Mann sein müsste. In Satz (1) war heel aber noch ein ganz normales Steigerungsadverb, obwohl es aussieht wie ein flektiertes Adjektiv. Der Unterschied dürfte darin liegen, dass bei (2) noch ein weiteres Wörtchen dazwischen kommt, nämlich erg. Auch das dient hier als Steigerungsadverb. Aber im Unterschied zu heel kann es nicht mitflektiert werden:

(4) *Mijn vader is een hele erge trotse man.

(5a) *Mijn vader is een heel erge trotse man.

(5b) Mijn vader is een heel erge, trotse man.

Satz (4) und (5a) sind unschön, weil erg weder alleine noch zusammen mit heel flektiert werden kann. Nur wenn man die Satzbedeutung und damit auch die rhythmische Aufteilung des Satz komplett ändert, wie in (5b) durch das Komma angedeutet, dann funktioniert es. Dann ist der Vater ein ganz schlimmer, stolzer Mann – und damit erg tatsächlich ein Adjektiv mit der Bedeutung schlimm und kein Steigerungsadverb mehr.

Fehlt noch Beispiel (3). Dort verhält sich heel wie es soll, ohne Flexion. Die ist deshalb unmöglich, weil ein Nomen fehlt, das die Flexion auslösen könnte. Wir können sogar die Steigerung noch intensivieren:

(3b) Ze heeft het mijn ouders heel erg moeilijk gemaakt.

In diesem Fall bleiben heel und erg so stehen, wie man es erwartet. Völlig unmöglich wäre also die Variante

(3c) *Ze heeft het mijn ouders hele erg moeilijk gemaakt.

Kurz gesagt: heel hat im Niederländischen die Superpower, sich in seiner Funktion als Steigerungsadverb wie ein Adjektiv verhalten zu können. Weder die deutsche Entsprechung ganz noch die etwas drögen Schwestern erg oder arg haben diese Zauberkraft.

Die besondere Fähigkeit des Adverbs heel ist allerdings an Bedingungen gebunden: Adverbien stehen in der Regel bei Verben, Adjektiven oder anderen Adverbien. Heel braucht zusätzlich noch einen neuen Nachbarn, nämlich das Nomen, um flektieren zu können. Und das funktioniert manchmal sogar, wenn der neue Nachbar drei Häuser weiter wohnt, dazwischen also noch erg und ein Adjektiv stehen.

Hier in Berlin ist inzwischen das Semester vorbei – viel Zeit, um noch weitere Serien zu entdecken. Oder vielleicht sogar einmal an die frische Luft zu gehen. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern een hele erg prettige zomervakantie!

Rente

Dag allemaal, daar ben ik weer!

www.elbpresse.de – CC-BY-SA-4.0

Weliswaar in Rente – zoals de Duitser pleegt te zeggen – maar nog niet met pensioen.

Laten we het eerst maar eens hebben over Beamte (ambtenaren) en Angestellte. Dat verschil wordt in Nederland niet gemaakt. Ben je in Nederlandse overheidsdienst, ben je ambtenaar (vast aangesteld of niet), dan krijg je vanaf je 66e pensioen, een uitkering van het ABP (Algemeen Burgerlijk Pensioenfonds).

Daarnaast kent Nederland de AOW (Al­ge­me­ne Ou­der­doms­wetgesetzliche Altersrente in den Niederlanden), een basispensioen (Grundrente) dat uitgekeerd wordt voor de jaren die men in NL doorgebracht heeft.

Ik zie de de vraagtekens in uw ogen.
Ja! Iedereen, of hij/zij gewerkt heeft – met arbeidscontract of als huisvrouw/huisman en moeder/vader met enkel een huwelijks- of samenlevingscontract – of überhaupt niet – krijgt deze uitkering.
Daar kan de Bondsrepubliek nog wat van opsteken (sich ein Beispiel nehmen)!

RENTE in het Nederlands zijn de Zinsen op je kapitaaltje. Heeft u ook nog een restje staan op een bank die 0,2 % rente (Zinsen) geeft?

Etymologisch is dit woord afgeleid van het Latijnse reddere (teruggeven, ter vergelding geven).
Problematisch wordt het bij „interest“ – in het Duits Zins (NL: rente). Dat lijkt verdomd veel op het Franse intérêt dat zowel rente (Zins) betekent als interesse, belangstelling… (en ook belang). Voor interesse, in de betekenis van zakelijk belang, geeft de NL etymologiebank volgende verklaring:

latijn interesse [zijn tussen, deelnemen aan], interest [er is aan gelegen, het is van belang], van inter [tussen, speciaal] + esse [zijn]

 

das Rentier (Mfiskum, CC-BY-3.0)

der Rentier (CC-BY-SA-2.0)

Een rentenier is in het NL iemand die van zijn rente (Zinsen) kan leven. Zo iemand renteniert dus.

Nee, ik niet.

In het Duits onderscheiden we tussen Rentier [rɛnˈti̯eː] (rechts) en Rentier (links).

Nog twee idiomatische uitdrukkingen voor wie NL leert:

* Wohltun bringt Zinsen: ± wie goed doet, goed ontmoet
* iets van zins zijn: gesonnen/gewillt sein, vorhaben   –   grapje!

Amsterdam, Berlin, Windhoek – eine Analogie in der Werbesprache

von Henning Radke

Führen ähnliche Wortbildungsmuster in verschiedenen Sprachen zu parallelen Werbeausdrücken über die Sprachräume hinweg? Diesen Eindruck könnte man fast bekommen, wenn man sich das folgende Beispiel mit Bürger (Deutsch) bzw. burger (Niederländisch/Afrikaans) anschaut, das in allen drei Sprachen über eine auffallende phonetische Ähnlichkeit mit dem Fast-Food-Gericht Hamburger verfügt.

Wortwitz bringt Aufmerksamkeit – in Berlin gibt es nicht nur ein Burger-Restaurant.

Wie könnten Besitzer von Hamburger-Restaurants diese Ähnlichkeit nun mit einem treffenden Werbebegriff für sich nutzen? „Wer meisterhafte Hamburger will, der geht zum – Achtung Wortspiel – Burgermeister“, müssen sich einige da gedacht haben. Dieses Kompositum besticht aus Sicht der Werbesprache durch seine Doppeldeutigkeit: Erinnert es die geneigten Konsumenten nicht nur an die kulinarischen Qualitäten des Hamburgers, sondern lässt sie gleichzeitig auch an das Verwaltungsoberhaupt ihrer Stadt denken. Inhaltlich hat das eine mit dem anderen zwar wenig zu tun, aber einprägsam ist es auf jeden Fall und das zählt. Und so verwundert es nicht, dass es in Berlin-Kreuzberg bereits ein Restaurant mit dem Namen Burgermeister gibt. Guten Appetit!

In Amsterdam gibt es zwar drei ‚burgermeester‘, aber nur einen burgemeester.

Blickt man nun von Berlin nach Amsterdam, so finden sich dort gleich drei Restaurants mit dem klingenden Namen burgermeester, der den niederländischen Kunden dieselbe Assoziation entlockt wie sein Berliner Pendant. Auch im Niederländischen funktioniert die Logik der Doppeldeutigkeit durch Wortkomposition. Hier gibt es jedoch einen feinen Unterschied zum Deutschen. Das niederländische Stadtoberhaupt schreibt sich nämlich ohne <-r> und heißt burgemeester. Während sich der deutsche Begriff Bürgermeister von dem Wort Bürger ableitet, stammt das niederländische Pendant burgemeester laut Onze Taal von borg oder burg ab, womit eigentlich eine Stadt oder ein Stadtteil gemeint war. Die ursprüngliche Form lautete demnach borghmeester oder burchmeester, zu der später der Schwa-Laut [ə] als Fugenelement hinzukam. Doch selbst Onze Taal erkennt an, dass die Assoziation mit dem Wort burger nicht von der Hand zu weisen ist. Und so funktioniert das Wortspiel jenseits und diesseits der Ems-Dollart-Region wunderbar.

Eine andere Besonderheit ist der Wortakzent, der im Niederländischen auf der dritten Silbe liegt, wenn man vom Stadtoberhaupt spricht: burgemeester. Wie sollte man jetzt aber das Wortspiel burgermeester betonen? Geht es um den Meister der Hamburgerzubereitung? Dann würde der Wortakzent auf der ersten Silbe liegen. Oder möchte man bewusst die unfreiwillige Assoziation mit dem Verwaltungsoberhaupt einer Stadt beibehalten? Dann bliebe der Wortakzent faktisch auf der dritten Silbe. Eine kleine Stichprobe unter Muttersprachlern brachte hierzu keine eindeutigen Ergebnisse und so bleibt es wohl den Sprechern selbst überlassen, welche Form sie wählen. Dieses prosodische Dilemma gibt es übrigens nur im nördlichen Teil des niederländischen Sprachraumes, denn in Flandern kann man wie im Deutschen die erste Silbe betonen – egal ob burge(r)meester mit oder ohne <-r>.

Hier wäre dieser Artikel eigentlich zu Ende, gäbe es im südlichen Afrika nicht eine Schwestersprache des Niederländischen, die über parallele Wortbildungsmuster und ein ähnliches Lexikon verfügt: Afrikaans. Es verwundert also nicht, dass findige Werbetreibende auf denselben Einfall kamen und ihre Hamburger ebenfalls unter der Überschrift burgermeester anpreisen, wie ein Plakat aus Windhoek zeigt. Offiziell wird auch der Afrikaanse burgemeester ohne <-r> geschrieben; dieser Umstand ist laut Prof. Daan Wissing von der Noordwes-Universiteit jedoch kaum bekannt. In der Umgangssprache wird gewöhnlich ein <-r> mitgesprochen und der Wortakzent fällt oft auf die erste Silbe.

In Windhoek ist das Wort Teil einer Werbekampagne.

In dieser Hinsicht ähnelt die afrikaanse Variante des Wortes also eher der Deutschen. Das eingefügte <-r> im Wortspiel burgermeester erweckt bei vielen Lesern anders als im Niederländischen jedoch keine besondere Aufmerksamkeit. Das afrikaanse Beispiel ist besonders bemerkenswert, da ein Großteil namibischer Werbesprache auf Englisch gehalten ist. Im Falle von burge(r)meester ist es jedoch unübersetzbar und so erobert es gleich drei Sprachräume und verspricht dabei Qualität beim Burgeressen. Wie viele Kunden sich aufgrund dieses Wortspieles haben überzeugen lassen, ist übrigens nicht überliefert. Weder aus Namibia, noch aus Deutschland noch aus den Niederlanden.

 

Kurz erklärt: das Wortspiel auf Afrikaans (Simon Jacobs, Kapstadt)

 

Kurz erklärt: das Wortspiel auf Niederländisch (Maja Verburg, Amsterdam)

 

Mehr Gesichter in der Zeitung?

Von der Taalunie war längere Zeit in der Öffentlichkeit wenig zu hören. ? Vielleicht ganz gut so, denn die letzte große Debatte drehte sich vor allem um Kürzungen und Sparzwänge bei der Förderung der Niederlandistik im Ausland.

In den letzten Wochen hat nun Hans Bennis, der aktuelle Vorsitzende der Taalunie, wieder Schlagzeilen gemacht, aber mit einem weniger strengen Thema: Warum benutzt man eigentlich Smileys oder Emoticons nur in der informellen Online-Kommunikation? ? Bestimmte Zeitungstexte könnten damit zum Beispiel verständlicher werden, wenn man Ironie besser markieren kann, erklärt er u.a. De Morgen in Belgien und Het Parool in den Niederlanden.

Die Zeitungen, um die es schließlich unmittelbar geht, haben darüber berichtet – und die Artikel dazu erst einmal hinter ihrer betaalmuur versteckt. ? Eine richtig ausgefeilte Diskussion über den Vorschlag hat sich nicht entfaltet. Die beiden oben verlinkten Artikel sind übrigens identisch, von derselben Journalistin, es hätte also endlich wieder einmal eine niederländisch-flämische Sprachdiskussion daraus werden können. Denn man kann den Vorschlag durchaus ernsthaft diskutieren. Es haben sich im informellen Sprachgebrauch praktische Möglichkeiten für gelungene Kommunikation herausgebildet, bei der das Risiko für Missverständnisse abgemildert wird. Es wäre also eine Überlegung wert, ob man diese Möglichkeiten nicht auch woanders produktiv einsetzen kann.

In den Zeitungen waren die Beiträge aber leider nicht unbedingt tiefgreifend. Der Vorschlag wurde als Kuriosität dargestellt, nicht als ernstzunehmende Überlegung. Es werden munter Emoticons und Emojis durcheinander gebracht ?, die Taalunie reduziert auf „de organisatie achter het Groene Boekje“ (De Morgen) und die Frage gestellt: „Wat als we in officiële teksten voortaan een knipoog zouden gebruiken om aan te duiden dat we wat we schrijven niet letterlijk menen?”

Ja, was wenn? Dann, liebe Redaktion von De Morgen, dann wäre es höchstwahrscheinlich kein offizieller Text mehr. ? Denn in welchem Behördenbescheid, in welchem Bußgeldzettel oder welchem Schulzeugnis kommt Ironie vor? Oder die Notwendigkeit, Gefühlsregungen zu übermitteln? Das Charakteristikum offizieller Texte liegt gerade darin, dass sie unzweideutig sein sollen, Informationen nicht zwischen den Zeilen versteckt sind, dass man sie wörtlich und ernst nehmen soll.

Wenn schon in den Zeitungsredaktionen so wenig Verständnis herrscht für die Bandbreite von Textsorten und ihre Stilnuancen ?, dann ist der Vorschlag von Hans Bennis vielleicht nötiger als gedacht. Damit auch der oder die Letzte ohne Rückgriff auf die schwächliche Textkompetenz noch versteht, ob das Geschrieben ernst gemeint ist oder nicht. ?