Marcus Schäfer (SoSe 2020)
Als ich neulich in einem Seminar für lateinamerikanische Geschichte saß, in dem viele Aspekte dieses spannenden Kulturkreises behandelt wurden, teilweise auch unter feministischen Vorzeichen, da versuchte ich mich zu erinnern, ob ich während meiner Schulzeit jemals etwas anderes gelernt hatte als europäische und vor allem deutsche Geschichte. In diesen Erzählungen behandelten wir meist weiße Männer, die vermeintlich große politische Dinge taten. Das war zweifellos bedeutsam, aber sollte es da nicht noch mehr geben? Das folgende Essay wird sich mit diesem Gegenstand fehlender Diversität im Geschichtsunterricht tiefergehend befassen und danach fragen, wie eine Darstellung und Perspektivierung von Geschichte mit Bezug zu Gender und Diversity im Unterricht aussehen könnte. Und was genau könnte mit solch einer Neujustierung eigentlich erreicht werden? Welche Umstände stehen dieser Neujustierung oder De- und Rekonstruktion des Bildungssystems möglicherweise im Weg? Fest steht, dass in diesem so elementaren Sektor trotz einer sichtbaren und kaum bestreitbaren Werte- sowie Normenverschiebung innerhalb der Gesellschaft definitiv Nachholbedarf besteht. Und nicht nur dort, auch bzgl. anderer Thematiken, wie ich sie dieses Semester kennenlernen durfte, seien es Self-Awareness, Vielfalt, Heteronormativität, Rassismus, Intersektionalität, Mechanismen der Diskriminierung im Allgemeinen, Feminismus und andere Gender & Diversity-Faktoren sieht es trotz sicherlich vorhandener Fortschritte in den letzten Jahrzehnten noch einigermaßen düster aus und bedarf es vielschichtiger Reformbestrebungen. Und dies ist keine einfache Aufgabe, wie die Professorin für Sozialpädagogik Christine Riegel feststellt:
„ Der Umgang mit sozialen Differenzen und sozialer Ungleichheit stellt eine gesellschaftliche und auch pädagogische Aufgabe und Herausforderung dar.“[1]
Eine intersektionale Perspektive wäre für ein solches Bildungsangebot, wie es auch für das deutsche Bildungswesen insgesamt notwendig ist, unabdingbar: „Intersektionalität stellt eine Analyseperspektive dar, um hegemoniale und selbstverständliche Grenzziehungen und Kategorisierungen, Normierungen und Normalisierungen zu hinterfragen.“[2] Eine Neuperspektivierung muss als Kernelement moderner, zeitgemäßer Bildung gelten. Das Hinterfragen der eigenen Position und Denkmuster muss hier unbedingt miteinbezogen und als Kernkompetenz gelehrt werden. Die Historikerin Christiane Kohser-Spohn betont im Zuge didaktischer Überlegungen, dass bspw. Frauen- bzw. Geschlechtergeschichte im Geschichtsunterricht unbedingt gelehrt werden sollte. Sie stellt aber auch fest, dass, obwohl diesbezüglich bereits eine breitgefächerte Einsicht vorhanden ist, kaum vernünftige Konzepte vorliegen, diese Einsicht in eine gute Praxis umzusetzen, welche dem Themenkomplex würdig wäre. So beschränken sich derartige Versuche oftmals damit, in Schulbüchern hier und dort ein zusätzliches Kapitel anzuhängen, welches „Aspekte im Leben der Frau“ erwähnt.[3] Der Historiker und Geschichtsdidaktiker Vadim Oswalt nennt diesen frühen Ansatz „additiv-kompensatorisch“ – das Hinzufügen eines „ergänzenden“ aber schlussendlich auch isoliert dastehenden „Frauenthemas“. Die eingangs genannte Einsicht, Geschlechtergeschichte in den Geschichtsunterricht miteinzubeziehen, ist natürlich vernünftig, dennoch erscheint ein Ansatz wie der gerade genannte doch recht plump und kontraproduktiv. Bärbel Kuhn, Professorin für Didaktik der Geschichte an der Universität Siegen, spricht sich für eine Vertiefung bzgl. eines geschlechtergerechten Geschichtsunterrichts durch die Nutzung oder „Integration autobiografischer Quellen“ aus, da durch deren Nutzung Individuen betrachtet werden und keineswegs lediglich anonyme Beispielpersonen und „statische Lebenswelten“. Stattdessen würden Schüler*innen Menschen kennenlernen, welche „[…] mit ihren Erfahrungen, ihren Leiden, ihren Gegensätzen, ihren Normen und Wertevorstellungen, ihrer Weltauffassung und ihrer subjektiven Darlegung von Ereignissen […]“ einen tiefen Eindruck hinterlassen könnten und gerade so zum Nach- und/oder Umdenken bewegen könnten. Sie sollen nicht nur ein Alltagsleben zeigen, sondern eben die Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Einzelperson aufzeigen, und auch, wie ein solches Individuum möglicherweise geschichtliche Prozesse empfunden hat. Des Weiteren sei die Behandlung des Entstehens und Fortbestehens von „Klischees und Stereotypen“ hier möglich, betont Kuhn.[4] Solch ein „persönlicher“ und diverser Unterricht würde der Schülerin oder dem Schüler eben auch mehr Identifikationspotenzial bieten und ein erweitertes Spektrum an Lebensformen aufzeigen (und somit auch der so lebenswichtigen Orientierung von Jugendlichen dienen, die ja oftmals nicht wirklich gegeben ist), als das schlichte Abhandeln von Politik- und Zeitgeschichte und dem eindimensionalen Auswendiglernen von Daten und Namen: „Ein Unterricht, der dem Menschsein und den menschlichen Erfahrungen eine zentrale Rolle zuspricht, antwortet mit Leichtigkeit auf die Frage: „Was hat das alles mit mir zu tun?“[5] Die hier zitierten Ausführungen beziehen sich zwar „nur“ auf die Beziehung von Mann und Frau, dennoch können sie auf alle möglichen Personenkreise bezogen werden und somit Homosexuelle, Transgender-Personen, andere Nationalitäten, u.a. miteinbeziehen. Ich habe in meinem 3. Semester an der Freien Universität ein Seminar zu Migration im 19. und 20. Jahrhundert belegt, in welchem multiperspektivisch nach diversen Migrationserfahrungen in verschiedensten Nationen und Kulturen gefragt wurde, welche sich nicht nur auf Deutschland bezog. Solch ein Geschichtsunterricht sollte Standard an wirklich jeder Schule sein, um Verständnis für andere Lebenslagen zu entwickeln. Dann würden vielleicht auch in Deutschland einmal weniger Flüchtlingsheime brennen. Gerade das Fach der Geschichtswissenschaft kann ein „Vermittler der Heterogenität“ sein, wie es Oswalt ausdrückt: „Nur wer die Verschiedenheit sozialer und kultureller Lebensbedingungen und Wertvorstellungen als einen Normalfall menschlicher Gesellschaften begreift, kann ein reflektiertes historisches Denken entwickeln.“[6] Somit sind es wohl gerade die Geschichtswissenschaften, die sich perfekt dazu eignen (könnten), Schüler*innen u. a. ein tiefergehendes Verständnis von Gender und Diversity zu vermitteln.
Der Problematik eines allzu homogenen Geschichtsunterrichts könnte auch mithilfe von Projektwochen begegnet werden: Ich plädiere für eine ein- oder mehrwöchige Projektwoche pro Schuljahr, in welcher Informationsangebote zu verschiedenen Kontinenten, Ländern und Bevölkerungsteilen angeboten werden, die sonst eher seltener im Fokus stehen, so eben Asien, Afrika oder auch Südamerika und hier eben nicht in der uns allen bekannten einseitigen Darstellung. Hier sollte sich umfassend mit möglicherweise dem Individuum noch „fremden“ oder vielmehr unbekannten Kulturen beschäftigt werden, vor allem natürlich mit ihren Geschichten und auch Leidenswegen, so beispielsweise mit Rassismus, Kolonialismus und Postkolonialismus. Aber nicht ausschließlich. Denn ein Kontinent oder Land definiert sich nicht ausschließlich durch ihre Unterdrücker oder Kolonialismus. Was definiert das Selbstbild einer Kultur? Ihre Traditionen, Strukturen, Religion, Musik, Film, Literatur und so vieles mehr. Es könnte also auch abseits von Klischees eine reichhaltige Geschichte erzählt werden. Und diese Betrachtung muss differenziert geschehen. Warum nicht einmal einen kubanischen Film zur sozialistischen Revolution schauen und den historischen Hintergrund analysieren? Oder wie wäre es mit Straßentouren, in denen geschichtsträchtige Orte besucht werden, deren Besuch äußerst pädagogisch sind? Die „Berliner Spurensuche“ bietet Straßenführungen im Wedding an („Kolonialer Wedding“), in denen diverse Straßen abgeklappert werden und die historischen Hintergründe einiger Straßennamen mit kolonialem Hintergrund erklärt werden. Dort erfahren wir, was der Kolonialismus eigentlich war und was Deutschland hiermit zu tun hatte (und hat!). Der regelmäßige Besuch solcher Veranstaltungen sollte ein Pflichtprogramm werden. Und auch der Austausch mit Korrespondenten oder Besuchern aus dem jeweiligen Land könnte sinnvoll sein. Von Menschen, die von ihrer Welt und ihrem Leben erzählen. Gerade durch eine multiperspektivische und diverse Betrachtung von Geschichte, Kulturen, Gesellschaften, Geschlechtern, Lebenswegen, Lebensmodellen, etc. kann auch eine Inklusion geschaffen werden, die einer Ausgrenzung vorbeugen kann. Deutschland ist ein Einwanderungsland und dies nicht erst seit gestern. Warum sollte beispielsweise nicht auch türkische oder griechische Geschichte behandelt werden? Und wenn schon über weltbewegende Individuen gesprochen werden muss, warum nur über Winston Churchill, Richard Löwenherz und Napoleon Bonaparte reden, wenn es auch weltbewegende Frauen, wie Indira Ghandi, Isabella I. oder Ulrike Meinhof gab und gibt? Diese aber nur als Beispiel.
Auf der Gegenseite steht natürlich die Frage nach dem Zeit- und Kostenfaktor. Hier müsste verstärkt in ein veraltetes und gegenwärtig sowieso relativ marodes Bildungssystem investiert werden, welches dringend einer Generalüberholung bedarf. Hierbei wünscht man sich die Offenheit und das Verantwortungsbewusstsein der verantwortlichen staatlichen Institutionen, eben solche neuen Projekte in Angriff zu nehmen. Des Weiteren lassen sich bei genauerer Betrachtung immer wieder auch Ungleichgewichte in unserem klassifizierten Bildungssystem finden; zwar gibt es bereits in einigen Bundesländern zahlreiche Gesamtschulen, welche das veraltete dreigliedrige Schulsystem – Hauptschule, Realschule & Gymnasium – obsolet gemacht haben, sodass alle den gleichen Stoff lernen, dennoch ist diese Dreigliederung weiterhin fester Bestandteil des reformbedürftigen deutschen Bildungssystems. Zwar sterben Hauptschulen laut einem Artikel der Süddeutsche Zeitung teilweise aus bzw. gehen in Gesamtschulen oder im Verbund mit Realschulen in sog. Regional- oder Sekundarschulen auf, die aber – genau wie Realschulen – eher praxisorientiert sind, wodurch gerade dort solche Konzepte eher hinten anstehen.[7] Als ich nun in meinem Lateinamerika-Seminar saß, wurde mir als ehemaligem Realschüler bewusst, dass eine Bildung, wie sie hier besprochen wird, immer noch eher für bildungsbürgerliche Schichten erreichbar ist, dem entgegengesetzt stehen Personen aus dem „unteren“ Bildungssektor, welche mit Gender & Diversity keinerlei Kontakt und möglicherweise auch privat keine Motivation oder Gelegenheit haben, dieser Thematik nachzugehen. Also ist es wohl nur richtig, zu beanstanden, dass bei einer Reform des Schul- und Bildungssystems alle Schulformen gleichmäßig behandelt werden müssen. Haupt- und Realschüler beispielsweise sollten diese essentiellen Theorien ebenfalls nähergebracht werden und nicht nur, wie man Vogelhäuschen zimmert oder Schrauben sortiert. Die Fragmentierung des deutschen Bildungssystems muss also generell neu bewertet und überdacht werden, damit die Vorteile modernisierter Bildungsinhalte auch jeden Menschen erreichen, und eben nicht nur bildungsbürgerliche Schichten hiervon profitieren. Des Weiteren darf auch ein ideologischer Faktor nicht ausgeblendet werden: In einer Zeit, in der eine Partei wie AFD versucht, Minderheiten und marginalisierte Gruppen zu diskreditieren und rückständige Meinungen, Werte und Normen in der Mitte der Gesellschaft zu integrieren, ist es einerseits natürlich ein Indiz dafür, dass in einer angeblich sehr aufgeklärten bundesdeutschen Gesellschaft noch einiges an Nachholbedarf besteht. Andererseits wird klar, dass es bei angestrebten Reformen, wie sie dieses Bildungssystem nötig hätte, auch darum gehen muss, hearts and minds der Menschen für einen modernisierten und somit zeitgemäßen Unterricht zu gewinnen. Und hier besteht eine grundlegende Schwierigkeit, da derzeit eben auch ein stark reaktionärer und rückwärtsgewandter Wind weht, der in die entgegengesetzte Richtung bläst. Auch Riegel sieht hier ein Problem:
„Auch wenn es inzwischen ein gewisses Bewusstsein für eine Vielfalt an Lebensformen, für heterogene Lebenslagen sowie für gesellschaftliche Diskriminierungs- und Ungleichheitsverhältnisse gibt, erweist sich der Umgang damit als höchst ambivalent und umstritten – und bleibt allzu oft in vorherrschenden Macht- und Normalitätsverhältnissen gefangen.“[8]
Solch eine Ablehnung oder doch zumindest Reserviertheit sei in den Geschichtswissenschaften keine Seltenheit. Erst vor wenigen Tagen wurde ich von einem Historiker am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität darauf hingewiesen, dass es gerade in den Geschichtswissenschaften wohl eine bisher eher ablehnende Haltung gegenüber der Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache gäbe – Gründe hierfür konnte er mir leider keine geben. Als er die Frage ins Plenum warf, wer denn bereits in seiner Schulzeit mit dem Gendern in Berührung gekommen sei, war die Antwort negativ, sprich: Es war einfach kein Thema, welches auf den meisten Gymnasien aktiv behandelt wurde, was im Jahr 2020 schon einigermaßen schockierend ist. Da passt es wohl, wenn Kohser-Spohn meint, dass Geschlechtergeschichte als solche (auch im Bildungssektor) mit Argwohn betrachtet werden würde: „Nevertheless, innovations brought by gender history are considered with reserve.“[9]
Die Vorteile einer Vertiefung des Gender & Diversity – Komplexes liegt ganz klar auf der Hand: Durch entsprechende Bildungsangebote könnte bereits frühzeitig Verständnis für andere Flecken dieser Erde und Situationen diverser Charaktere mit intersektionalen Erlebnissen und Erfahrungen geschaffen werden. Bzgl. des geschichtswissenschaftlichen Studiums an der Freien Universität Berlin wird bereits versucht, den in vorigen Generationen noch sehr populären Eurozentrismus abzulegen, neue Perspektiven einzunehmen und andere Fragen zu stellen. In vielen Schulen sieht es meist noch nicht ganz so positiv aus. Und dieser Eurozentrismus kommt somit einer Degradierung anderer Kontinente und Länder gleich, als ob diese einer näheren Untersuchung die Zeit nicht wert wären. Was natürlich falsch ist. Durch die Beschäftigung mit möglicherweise „fremden“ oder noch unbekannten Kulturen werden Distanzen abgebaut, eine Nähe zur jeweiligen Thematik hergestellt. Kinder und Jugendliche würden so besser verstehen, Verständnis entwickeln, Ängste und Vorurteile abbauen, die eh völlig unsinnig sind, und somit bereits früh zu weltoffeneren Menschen werden. So zumindest meine Hoffnung. Weiterhin würden die Projektideen Kinder und Jugendliche zur Selbstständigkeit erziehen und ihr Selbstbewusstsein stärken. Sie müssen ihre Interessen selbstständig kommunizieren und sich mit einer Kultur beschäftigen, welche ihnen in diesem oder jenem Moment interessant erscheint. Wenn sich die Person mit dieser anderen Kultur auseinandersetzt, und diese besser versteht, wird sie gleichzeitig auch offener dafür, andere Interessen und Befindlichkeiten zu verstehen und zu respektieren.
Der Vermittlung bspw. der Erkenntnisse der Geschlechterforschung auch im Geschichtsunterricht muss generell größerer Raum zugestanden werden. Dies befürwortet auch der Geschichtsdidaktiker und Historiker Martin Lücke, der die „Genderkompetenz als Teilkompetenz des historischen Lernens“ im gleichnamigen Kapitel behandelt:
„Das von der Geschlechterforschung produzierte Wissen über die sozialen und kulturellen Ungleichheiten der Geschlechter und die damit verbundene Erkenntnis einer Geschlechter-Ungerechtigkeit dient der Forschung jedoch nicht als bloßer Selbstzweck, sondern soll für die Behebung dieser Missstände in der Gegenwart nutzbar gemacht werden.“[10]
Dieses Zitat bringt es ziemlich akkurat auf den Punkt. Somit ist es im Sinne einer aufgeklärten Gesellschaft und im Zuge des Gender Mainstreaming auch alles andere als falsch, Genderkompetenz im geschichtswissenschaftlichen Kontext tiefergehend zu behandeln. Beispiel: In Tagen, in denen wir über die Ungleichbehandlung der Geschlechter und toxische Männlichkeit sprechen, in denen diese Probleme immer noch gegenwärtig sind, ist es mehr als angebracht, diese Problemfelder historisch zu dekonstruieren, ihr Zustandekommen und die Hintergründe zu untersuchen, und eben auch, wohin dies alles führen kann. Nur wer die Vergangenheit erforscht, kann die Gegenwart verstehen und eine bessere Zukunft designen. Zwar gibt es bereits vernünftige Ansätze, wie sie bereits in der schönen Toolbox[11]der Freien Universität zu finden sind, doch wird der Forschungsgegenstand vor allem im außeruniversitären Bildungsbereich noch verhältnismäßig stiefmütterlich behandelt, so zumindest mein bisheriger Eindruck. Dennoch ist davon auszugehen, dass die heterogenen Betrachtungsweisen von Gender & Diversity einen zunehmend breiteren Raum im Bildungssektor zugeschrieben bekommen werden, wie es auch Oswalt für möglich hält, denn die gesellschaftlichen Einflüsse auf die Betrachtung und Bewertung der Geschichte sind erheblich:
„Aus dem starken Einfluss der Gegenwart auf die Wahrnehmung der Vergangenheit wird deutlich, dass jeder wie auch immer geartete gesellschaftliche Veränderungsprozess auch einen profunden Einfluss auf alle Formen geschichtlichen Denkens haben muss. Die Zunahme gesellschaftlicher Heterogenität muss insofern profunde Auswirkungen auf alle Aspekte historischer Deutung haben.“[12]
Diesem Zitat ist eigentlich nichts weiter hinzuzufügen, außer, dass zu hoffen bleibt, dass die zunehmend heterogene und diverse Betrachtung von Geschichte sich auch tatsächlich bald im Geschichtsunterricht und der Pädagogik im Allgemeinen niederschlagen wird.
Folgende Arbeiten bzgl. der Thematik könnten sich perspektivisch auf eine grundständigere Ebene der Pädagogik zubewegen und hierbei nicht unbedingt die Lerninhalte behandeln, sondern den Zugang zu diesen, welcher nicht allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung steht. Wie Bernd Wagner feststellt, besteht beispielsweise noch ein starker Handlungsbedarf bzgl. einer „individuellen Lernberatung für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern“.[13]
Literaturverzeichnis
Ebitsch, Sabrina, Wo ihr Kind am besten lernt, 2017, https://www.sueddeutsche.de/bildung/schulformen-in-deutschland-wo-ihr-kind-am-besten-lernt-1.1482236-2 (abgerufen am 6. Juli 2020).
Kohser-Spohn, Christiane, Die Kategorie Geschlecht in der Geschichtswissenschaft und in der Geschichtsdidaktik in Deutschland. Rückblick und Ausblick, in: ebd., Farkas-Baumann, Dorothea, Internationale Schulbuchforschung. Frauen- und Geschlechtergeschichte im Unterricht aus europäischer Perspektive / Teaching the history of women and gender in Europe, 2005, Vol. 27, No. 2, S. 157-166.
Lücke, Martin, Walk on the wild side. Genderkompetenz, Zeitgeschichte und Historisches Lernen, in: Barricelli, Michele, Hornig, Julia, Aufklärung, Bildung, „Histotainment“. Zeitgeschichte in Unterricht und Gesellschaft heute, Frankfurt / Main u. a. 2007, S. 223-236.
Oswald, Vadim, Historisches Lernen zwischen Heterogenität und Standardisierung, in: Beckmann, Christof (Hrsg.), Qualitätsmanagement und Soziale Arbeit, Wiesbaden 2009, S. 167-192.
Riegel, Christine, Diversity-Kompetenz? – Intersektionale Perspektiven der Reflexion, Kritik und Ver-änderung, in: Faas, Stefan, Bauer, Petra, Treptow, Rainer (Hrsg.), Kompetenz, Performanz, soziale Teilhabe. Sozialpädagogische Perspektiven auf ein bildungstheoretisches Konstrukt, Wiesbaden 2014, S. 183-198.
Toolbox. Gender und Diversity in der Lehre. https://www.genderdiversitylehre.fu-berlin.de/toolbox/index.html (abgerufen am 07. Juli 2020).
Wagner, Bernd, Intersektionalität und Inklusion im Sachunterricht, in Backhaus, Joanna, Blmer, Daniel, u. a. (Hrsg.), Perspektiven auf inklusive Bildung. Gemeinsam anders lehren und lernen, Wiesbaden 2015, S. 65-70, hier: S. S.65.
[1] Vgl. Riegel, Christine, Diversity-Kompetenz? – Intersektionale Perspektiven der Reflexion, Kritik und Ver-änderung, in: Faas, Stefan, Bauer, Petra, Treptow, Rainer (Hrsg.), Kompetenz, Performanz, soziale Teilhabe. Sozialpädagogische Perspektiven auf ein bildungstheoretisches Konstrukt, Wiesbaden 2014, S. 183-198, hier: S. 183.
[2] Vgl. ebd., S. 189.
[3] Vgl. Kohser-Spohn, Christiane, Die Kategorie Geschlecht in der Geschichtswissenschaft und in der Geschichtsdidaktik in Deutschland. Rückblick und Ausblick, in: ebd., Farkas-Baumann, Dorothea, Internationale Schulbuchforschung. Frauen- und Geschlechtergeschichte im Unterricht aus europäischer Perspektive / Teaching the history of women and gender in Europe, 2005, Vol. 27, No. 2, S. 157-166, hier: S. 161.
[4] Vgl. ebd., S. 163.
[5] Vgl. ebd., S. 164.
[6] Vgl. Oswalt, Vadim, Historisches Lernen zwischen Heterogenität und Standardisierung, in: Beckmann, Christof (Hrsg.), Qualitätsmanagement und Soziale Arbeit, Wiesbaden 2009, S. 167-192, hier: S. 175.
[7] Vgl. Ebitsch, Sabrina, Wo ihr Kind am besten lernt, 2017, https://www.sueddeutsche.de/bildung/schulformen-in-deutschland-wo-ihr-kind-am-besten-lernt-1.1482236-2 (abgerufen am 6. Juli 2020).
[8] Vgl. Riegel 2014, S. 183.
[9] Vgl. Kohser-Spohn 2005, S. 157.
[10] Vgl. Lücke, Martin, Walk on the wild side. Genderkompetenz, Zeitgeschichte und Historisches Lernen, in: Barricelli, Michele, Hornig, Julia, Aufklärung, Bildung, „Histotainment“. Zeitgeschichte in Unterricht und Gesellschaft heute, Frankfurt / Main u. a. 2007, S. 223-236, hier: S. 226.
[11] Vgl. https://www.genderdiversitylehre.fu-berlin.de/toolbox/index.html (abgerufen am 02. Juli 2020).
[12] Vgl. Oswalt 2009, S. 171.
[13] Vgl. Wagner, Bernd, Intersektionalität und Inklusion im Sachunterricht, in Backhaus, Joanna, Blmer, Daniel, u. a. (Hrsg.), Perspektiven auf inklusive Bildung. Gemeinsam anders lehren und lernen, Wiesbaden 2015, S. 65-70, hier: S. S.65.
Quelle: Marcus Schäfer: „Was hat das alles mit mir zu tun?“- Plädoyer für einen diversen Geschichtsunterricht, in: Blog ABV Gender- und Diversitykompetenz FU Berlin, 22.04.2021, https://blogs.fu-berlin.de/abv-gender-diversity/2021/04/22/was-hat-das-alles-mit-mir-zu-tun-plaedoyer-fuer-einen-diversen-geschichtsunterricht/