Studentische Perspektiven auf Diversität in Studium und Lehre

Angehende Mentor_innen diskutieren über die Möglichkeiten und Grenzen des Supports unter Studierenden

Namen der Mentor_innen von der Redaktion geändert

Es ist noch früh am Morgen, doch die Temperaturen kratzen bereits an der 30-Grad-Marke. Trotz des hochsommerlichen Wetters haben sich um die 15 Studierende in der vorlesungsfreien Zeit entschlossen, an die FU zu fahren und an einem mehrtägigen Workshop teilzunehmen. Im kommenden Semester sollen sie als angehende Mentor_innen den „Erstis“ den Einstieg in den Studienalltag erleichtern. Neben der Orientierung am Fachbereich und der Hilfe bei der Studienplanung sind sie auch Ansprechpersonen bei allen möglichen Herausforderungen, die ein Studium mit sich bringen kann.

Um einen Eindruck zu vermitteln, wie unterschiedlich die Lebensrealitäten von Studierenden an der Universität sein können, stelle ich als Studentische Mitarbeiterin im Rahmen der Mentor_innen-Workshops die ‚Toolbox Gender und Diversity in der Lehre‘ vor. Die Toolbox ist eine Website, die über die vielfältige Studierendenschaft informiert und Lehrenden die Möglichkeit bietet, sich z.B. über Methoden und Praxisbeispiele zum Thema Gender und Diversity in der Lehre zu informieren.

Wir starten mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Als Studentische Mitarbeiterin kann ich mich gut in den Studienalltag der Studierenden hineinversetzen. Ich merke aber auch, dass sich dieser nicht immer gleicht. Denn so unterschiedlich wie die Studiengänge der Teilnehmenden im Mentor_innen-Workshop sind, so unterschiedlich sind auch die Erfahrungen, die sie während ihrer bisherigen Studienlaufbahn gemacht haben.

Zum Einstieg in die Präsentation der Toolbox-Website zeige ich ein dreiminütiges Erklärvideo, das einen ersten Eindruck geben soll, wie wichtig es ist, auf die Diversität der Studierenden einzugehen, damit sich diese nicht ausgeschlossen fühlen, falls sie sich in gewissen Aspekten von der Mehrheit unterscheiden. Ob Studium mit Kind, studentische Nebentätigkeit, chronische Krankheit oder Kopftuch, oft fühlen sich Studierende als Einzelkämpfer_innen, die sich alleine durch den Alltag kämpfen müssen. Dabei kann bereits das Anerkennen der unterschiedlichen Herausforderungen, denen sich Studierende stellen müssen, als unterstützend und wertschätzend wahrgenommen werden.

Im Anschluss an das Video kommen die Studierenden miteinander ins Gespräch. Anja, eine angehende Mentorin, berichtet von ihren Schwierigkeiten, die sie als Kind aus einer Arbeiter_innenfamilie in der Uni erlebt hat. „Mir kann keiner mit den Hausarbeiten helfen und auch bei der Suche nach einem Praktikumsplatz kann ich nicht auf die Kontakte meiner Eltern zurückgreifen.“

Janis ist der Überzeugung, dass es in seinem Fachbereich keine Ausgrenzung und Diskriminierung gibt. Er räumt aber auch ein, dass es ihm manchmal schwerfalle, sich in andere Studierende mit komplett anderen Lebensrealitäten hineinzuversetzen. Gerade als Mentor_innen sind diese Empathie und das Verständnis jedoch wichtig. Dabei sollen sie nicht jedes einzelne Problem der Studienanfänger_innen lösen können, jedoch ein offenes Ohr haben, die Sorgen der Studierenden ernstnehmen, beim Finden von Handlungsansätzen helfen und ggf. auch wissen, an wen sich die Studierenden mit Anliegen wenden können, die den Rahmen des Mentoring übersteigen.

Neben den verschiedenen Lehrmethoden und Best-Practice-Beispielen unserer Website zeige ich den angehenden Mentor_innen noch die Übersicht der Beratungsstellen, die auf studentischen, universitären und externen Ebenen weiterhelfen. Eine Mentorin meldet sich zu Wort und berichtet von diskriminierendem Verhalten einer Lehrkraft gegenüber Studierenden. Wir überlegen gemeinsam, wie die Anwesenden in diesem Fall reagieren könnten. Einen offiziellen, von der Universität angelegten, Beschwerdeweg gibt es nicht. Durch das Hierarchiegefälle an der Universität sind die Studierenden bei Beschwerden immer der Gefahr ausgesetzt mit der Lehrperson, die sie schließlich benotet, in einen Konflikt zu geraten, der sich nachtteilig auf ihre Studienlaufbahn auswirken könnte.

Unsere erste Überlegung führt zu der Solidarität mit der betroffenen Person. Diese sollte nicht das Gefühl haben, dass die Lehrperson im Recht ist und dass sie in der Situation auf sich alleine gestellt ist. Unterstützung während des Vorfalls und auch danach sind daher wichtig. Da Studierende nicht unter den Schutz des Allgemeine Gleichstellungsgesetzes (AGG) fallen, sind rechtliche Schritte nur sehr eingeschränkt möglich und außerdem auch eine langwierige und belastende Option. Unterstützung bei Fällen von Diskriminierung bieten die Studentischen Vertreter_innen, also der Beim AStA gibt es verschiedene Referate, die zum Beispiel bei rassistischer oder transfeindlicher Diskriminierung weiterhelfen können, während die dezentralen Frauenbeauftragten für die Beratung von Frauen, die diskriminiert wurden, und für die Beratung bei sexualisierter Belästigung, Diskriminierung und Gewalt zuständig sind.

In der Diskussion mit den angehenden Mentor_innen besteht jedoch Einigkeit, dass die Beratung von studentisch organisierten Gruppen zwar niederschwellig und aktueller ist, aber gerade in der Kommunikation mit Dozierenden eine große Herausforderung darstellt. Sie sollte nicht nur Studierenden überlassen sein, die selbst noch im Studienalltag stecken und dadurch selbst die genannten Nachteile erleben können. Daher wünschen sich die angehenden Mentor_innen von der Hochschule ein angemessenes Beschwerdemanagement, damit auch sie in ihrer zukünftigen Mentor_innentätigkeit den Studierenden den Einstieg erleichtern können und im Falle von Diskriminierung den richtigen Weg aufzeigen können.

Ellen Fischer Masterstudentin der Judaistik an der FU Berlin sowie Holocaust Studies am Touro College, Studentische Mitarbeiterin im Projekt ‚Toolbox Gender und Diversity in der Lehre‘ bis September 2019, Arbeitsschwerpunkte: Antisemitismus, Intersektionalität und Holocaust-Geschichte, Kontakt: kontakt@genderdiversitylehre.fu-berlin.de