Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Studieren oder den Rand halten?

Zu unpolitisch, zu träge, zu leidenschaftslos – dies und mehr hört man oft über die heutige Generation der jungen Menschen, die an unseren Unis studieren. Stimmt natürlich nicht, wie man zum Beispiel an den vielen Initiativen für Geflüchtete sieht, die unsere Studierenden in kürzester Zeit auf die Beine gestellt haben. (Nur zur Erinnerung: Das Programm Welcome@FUBerlin, mit dem sich die FU rühmt, funktioniert in erster Linie durch das freiwillige Engagement von Studierenden.)
Was wir im Augenblick selten erleben, sind Streiks, Kundgebungen oder Proteste. Nicht so in Südafrika. Dort geht es für viele Studierende immer noch um die nackte Existenz: Kann ich mir ein Studium überhaupt leisten? Wie soll ich das bezahlen?

An der Witwatersrand-Universität und anderen Hochschulen entladen sich diese grundlegenden Fragen jetzt in Protesten und leider auch in Gewalt. Die Regierung wollte eine Anhebung der Studiengebühren durchsetzen, wodurch für junge Menschen aus weniger wohlhabenden Familien der Zugang zu einer Universitätsausbildung schwierigier würde. Höhere Bildung wäre dann künftig noch mehr als ohnehin schon ein Privileg für wohlhabende Weiße. Grund genug für einige Protestler, gleich den Namen der renommierten Universität zu ändern, nämlich in University-of-the-Whites-With-Rands.

Aktuelle Banknoten des Südafrikanischen Rand. (Südafrikanische Zentralbank, fair use)

Der Rand ist die südafrikanische Währung. Die hat ihre Namen wiederum selbst vom Witwatersrand, einer geologischen Formation in der Umgebung von Johannesburg. An einer langen Felsenkante entlang stürzen zahlreiche schäumende Wasserfälle hinab – so schnell kommt man zur Bezeichnung: Weiße Wasserkante. Und weil in diesen Felsen ziemlich viel Gold gefunden wurde, aus dem man Münzen prägen konnte, hieß also auch das Geld kurz und knapp Rand. Die aktuellen Geldscheine tragen auf der Vorderseite eine Beschriftung auf Englisch, auf der Rückseite immer in zwei anderen der vielen offiziellen Sprachen des Landes. Afrikaans ist am wenigsten wert: Es steht auf der 10-Rand-Note.

Wer an der Witwatersrand-Universität studieren will, braucht nicht nur Rand ohne Ende, sondern idealerweise auch ein bisschen Köpfchen – auf Englisch wits. Fertig ist ein afrikaans-englisches Wortspiel, nämlich der Kurzname der Universität: Wits. Die Uni hat den Namen Wits verständlicherweise längst zum Markenzeichen gemacht, wie schon die Webseite und die URL dazu verraten. Obwohl das Toponym afrikaans ist, wie so viele in Südafrika, ist die Wits traditionell eine englischsprachige Hochschule, an der man inzwischen aber auch einige der lokalen Sprachen studieren kann. In der gesamten Debatte und bei den Protesten ist Afrikaans mehr oder weniger außen vor. Zu sehr wird die Sprache an sich schon mit weißen Privilegien assoziiert, so dass es für viele absurd wirken würde, Empörung gegen die Ungleichheit auf Afrikaans zu artikulieren. Unter dem quasi-offiziellen Hashtag der Bewegung #feesmustfall findet man auf Twitter praktisch nur englischsprachige Tweets, aber auch eine weitere sehr deutliche Geste. Studierende singen eine „dekolonisierte Nationalhymne“, also ohne die Textteile in den Kolonialsprachen Afrikaans und Englisch:

Den weniger betuchten Studierenden in Südafrika ist jedenfalls zu wünschen, dass sie durch die Bildungspolitik nicht noch weiter an den Rand gedrängt werden.

Toitoitoi

Soms open ik bij toeval (verkeerde toets ingetikt of zo) een pagina waarin een bepaald woord mijn aandacht trekt: het lacht me als het ware (gleichsam, sozusagen) toe. Ik zocht laatst een vertaling voor het Duitse von unberufener Seite (van onbevoegde zijde) maar ik had de (eentalige) Dikke geopend…

Daar vond ik niet alleen unberufen, maar ook onbeschrieën, unbeschriejen en toitoitoi…
Hee! Jiddisch? – Ja hoor!

Toi toi toi ken ik uiteraard als Duits alternatief voor: ich drücke dir die Daumen (ik duim voor je). Op Onze Taal vond ik meer informatie over het „Nederlandse“ toitoitoi. Het gaat om een bezweringsformule (Beschwörungsformel).

Het betekent gewoon ‚veel succes; sterkte; op goed geluk‘. Eigenlijk gaat het om een klanknabootsing van het afkloppen op (meestal ongeverfd) hout.

Ongeverfd hout (Rohholz), vraagt u?
Als wij Nederlanders iets van harte hopen en dat ook uitspreken (dat gaat lukken – wirschaffendas: even afkloppen! – vooral niet de duivel verzoeken), dan kloppen we 3 maal op ongeverfd hout (toitoitoi)
waar­mee het zo­juist ge­noem­de of ge­dach­te weer on­ge­noemd wordt ver­klaard om het er­mee op­ge­roe­pen ge­vaar te be­zwe­ren (Van Dale). En dat is wat met de woorden unberufen, onbeschrieën en unbeschriejen ook wordt uitgedrukt. Deze uitdrukking heben we blijkbaar aan de toneelwereld te danken.

Even afkloppen! vertaalt VD met ich will es nicht berufen/beschreien! In Berlijn hoort men dat inderdaad wel eens. Geen idee of dat ook in de rest van de Bondsrepubliek het geval is. Maar ik ga ervan uit dat u begrijpt wat Van Dale bedoelt.

CC-BY-SA-2.1-JP

En wat ik verder nog in deze context ontdekt heb: het Duitse Hals- und Beinbruch heeft in het Nederlands een Engels (jawel) equivalent: break a leg (de Dikke: the­a­ter – for­mu­le waar­mee men iemand suc­ces toe­wenst, met name iemand die op het punt staat op te tre­den = toi­toi­toi).

Hebt u zich ingeschreven voor de master Niederlandistik im internationalen Kontext?
Dat gaat vast lukken! – even afkloppen! – Toitoitoi!

Nur mal so

Geschwindigkeit ist Weg pro Zeit, so haben wir es alle im Physikunterricht gelernt. Was aber wenn Weg und Zeit dasselbe sind? Dann sind wir nicht mehr in der Physik, sondern in der Sprache. Räumliche Metaphern erleichtern das Verständnis von der Abstraktheit der Zeit. Eine Tradition, die weit zurückreicht, greift nicht etwa hinter sich, sondern sie ist alt – das Alter begreifen wir besser, wenn wir es uns räumlich vorstellen. Ähnlich wenn wir in die Zukunft vooruitkijken, denn natürlich liegt die kommende Zeit nicht im Wortsinne räumlich vor uns.

Vor und zurück sind als übertragene Richtungskonzepte einigermaßen transparent und intuitiv fassbar (jedenfalls in unseren Sprachräumen, andere Sprachen gehen mit Raum-Zeit-Verhältnissen anders um). Etwas schwieriger ist es mit Zeitpunkten oder klar abgeschlossenen Zeitabschnitten. Nicht so durchsichtig ist beispielsweise der räumliche Hintergrund von Mal oder keer. Einmal ist keinmal oder één keer is geen keer – was soll daran räumlich sein?

Kehren, wie hier in Südtirol, sind im niederländischen Sprachraum eher selten. (Horemu, CC-BY-SA 2.0)

Das deutsche Mal und auch das niederländische maal sind in einem nebulösen etymologischen Dickicht verstrickt, in dem sich räumliche und zeitliche Bedeutung gegenseitig bedingen. Eine indogermanische Wurzel mit dem Bedeutungskern abschreiten, messen ergab eine Bewegung, die man auch als Zeitabschnitt deuten konnte. Konkurrierende Vorschläge weisen aber auf das Mal im Sinne von Fleck, Punkt  – wie beispielsweise in Wundmal oder Denkmal -, das genauso gut einen Zeitpunkt andeuten kann. So oder so ist jedenfalls das deutsche Mal ein räumlich-zeitlicher Begriff. Damit hängt wohl auch das Mahl zusammen, nämlich als regelmäßig wiederkehrender Zeitpunkt, an dem gegessen wird.

Auf Niederländisch ist anstelle von maal in der Regel das Wörtchen keer geläufiger. Überraschend simpel geht das Wort zurück auf keren, also das Verb mit der Bedeutung von umdrehen, wenden, zurückkommen – auf Deutsch: (um)kehren. Wer twee keer op bezoek komt, der kehrt zweimal um – oder sogar: er kehrt wieder, in etwas veraltetem Deutsch. Wer aber twee keer belt, der kann dabei auch auf dem Sofa sitzen bleiben, das Umdrehen oder Zurückkehren zur Tätigkeit des Anrufens ist dann gänzlich metaphorisch. Das Luxemburgische ist hier übrigens wieder ganz nah beim Niederländischen: eng kéiereen keer – einmal. Und selbst das Italienische schließt sich dem Muster an, mit una volta.

Zurückgekehrt sind inzwischen auch wir alle aus unserem Urlaub, und wir bereiten uns ein weiteres Mal auf ein neues Semester vor, in dem wir bestimmt wieder neue sprachliche Kuriositäten ausgraben.

Wie is wie? – Hendrik Antoon Lorentz

Onze zomergast van vorig jaar reageerde als eerste. De debuutroman van J.J. Voskuil Bij nader inzien is voor hem.


Tussen Vincent van Gogh en (naar ik meen) Aletta Jacobs staan twee markante hoofden. Kalend, verzorgde baard, een brilletje: het kan niet anders dan dat Hergé deze portretten voor ogen had als hij in zijn Kuifje-albums een verstrooide geleerde ten tonele wilde voeren (misschien met uitzondering van Trifonius Zonnebloem zelf). En inderdaad, professoren waren het, Nobelprijslaureaten zelfs. De eerste is Johannes Diderik van der Waals, de tweede – en over hem wil ik het even hebben – Hendrik Antoon Lorentz.

Einstein en Lorentz in Leiden (PD Old)

Zijn betekenis voor de theoretische natuurkunde is moeilijk te onderschatten en in zekere zin plaveide hij de weg voor de (speciale) relativiteitstheorie die door Einstein volledig tot wasdom werd gebracht, alhoewel Lorentz bescheiden genoeg was om de credits daarvoor geheel aan zijn vermaarde collega te geven. De twee kenden elkaar goed en correspondeerden uitgebreid (Lorentz’ Duits was uitstekend). “Ich bewundere diesen Mann wie keinen anderen, ich möchte sagen, ich liebe ihn,“ zou Einstein hebben gezegd.

Lorentz was geen pure theoreticus. Zo was hij betrokken bij de constructie van de Afsluitdijk en waren zijn wiskundige modellen essentieel om die waterkering sterk genoeg te maken. Toen hij in 1928 onder enorme belangstelling werd begraven, werden de Nederlandse telefoon- en telegraafdiensten uit eerbetoon drie minuten stilgelegd. Kom daar nu nog maar eens om.

Ed Ridderbeekx


De foto’s van de twee geleerden (Lorentz en Van der Waals) deden mij aan Jansen en Janssen denken. – JR

Wie is wie?

Deze portretten heb ik toevallig gevonden… 3 [sic] vrouwen en 22 mannen!
Ik geef eerlijk toe: ik herkende ze ook niet allemaal.

 

Wie is wie? (Machinarium, CC-BY-SA-3.0)

 

Maar wie u, trouwe lezer van onze blog, zou kunnen (her)kennen: koningin Wilhelmina, Spinoza, Erasmus, Piet Hein en Willem van Oranje.
Ook hebben we hier portretten van Johan van Oldenbarnevelt, Multatuli, Johan Cruijff, Vincent van Gogh, Michiel de Ruyter en Jan Adriaanszoon Leeghwater. En dan zijn er nog 14 andere kopstukken (Prominente) die wij – als ik het goed heb – nooit in een blogpost hebben vermeld.

Wie van de 14 anderen (her)kent u? En waarom?
Schrijf ons (niederlandistikfuberlin@gmail.com) een paar persoonlijke regels per kopstuk dat u kent. Wij brengen uw bijdrage in een volgende blogpost en u ontvangt (per kopstuk) een boek als beloning!

Wie het eerst komt, het eerst maalt! (wer zuerst kommt, mahlt zuerst)

Schieten

De wekker loopt af, je schiet wakker…! Nog half slapend neem je een koude douche en dan schiet je in je kleren. Koppie koffie, een halve boterham: je moet opschieten! (sich beeilen)!

Author Unknown – PD US

In de lege (leeg? hoezo?) metro schiet je te binnen (einfallen) dat het vandaag 3 oktober is: feestdag in Duitsland! Je schiet in de lach: voor niks (umsonst) al die moeite!

Schieten is schießen maar in al deze Nederlandse uitdrukkingen wordt daarmee een heel plotse of snelle activiteit bedoeld.

Er zijn Nederlanders die snel uit hun slof (Pantoffeln) schieten: die zijn heetgebakerd (hitzköpfig, Heißsporne). Zulke lui laat je dan graag snel schieten: vergiß es!
En dan hebben we nog vrienden of vriendinnen met een humeur (Laune) om op te schieten. Nou, dan liever alleen uit! Laten we het vooral gezellig houden!

En flanerend over de Kurfürstendamm zie je hem – HEM!
Issie het echt? Je doet een schietgebedje (ein Stoßgebet) en schiet op hem af… hij is het!
De tranen schieten je in de ogen: eind goed, al goed!

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Al eerder hadden we de uitdrukking onder iemands duiven schieten (± jemandem ins Gehege kommen, jemandem ins Handwerk pfuschen). En ook: niet ge­scho­ten is al­tijd mis!

Populismus ist Populismus

Brexit means Brexit. Der Satz könnte in seiner Rätselhaftigkeit von Queen Elizabeth stammen, die von Berufs wegen nicht konkret werden darf. Tatsächlich aber äußert den Satz am liebsten Premierministerin May. Wobei man ihr nicht vorwerfen darf, sie sei nicht um schärfere Begriffsklärung bemüht, denn:

The reason I’ve been saying ‚Brexit means Brexit‘ is precisely because it means it does.

Wenn man den Satz in logische Einheiten auffaltet, bekommt man folgende Formel: Brexit heißt Brexit, und „Brexit heißt Brexit“ bedeutet „Brexit heißt Brexit“. Damit ist Theresa May vermutlich die Meisterin der Tautologien der Form X is X, die vor einiger Zeit Jan Renkema auf Neerlandistiek beschrieben hat.

Die eigentliche Bedeutung von Brexit means Brexit muss man nicht groß erklären. Sie lässt sich zusammenfassen mit Ich weiß doch auch nicht, was es heißt! Oder, mit anderen Worten: Die Aussage Brexit means Brexit ist logisch gesehen absolut und unwiderlegbar wahr. Man kann May also keinen Vorwurf machen, die Öffentlichkeit täuschen zu wollen. Zugleich trifft sie keinerlei Aussage darüber, ob Brexit irgendeinen anderen Bedeutungsgehalt hat als (a) das Wort hat die Form Brexit und (b) Großbritannien wird aus der EU austreten.

Unwiderlegbare Aussagen sind in der politischen Kommunikation oft sehr willkommen. Sie können verschleiern, dass wenig Inhalt da ist, wie im Fall May. Sie können politische Zumutungen bürokratisch übertünchen. Oder, besonders häufig: Sie bilden die Basis für populistische Parolen. Populismus lebt von unwiderlegbaren Äußerungen. Alle stimmen ihnen zu – aber sie funktionieren nur solange, bis man weitere Fragen nach ihrem Inhalt stellt.

Für gleich zwei solcher Äußerungen sorgt in den Niederlanden die PVV. Auf Twitter ist der Spruch genoeg is genoeg ziemlich fest verbunden mit rechtspopulistischen Forderungen und Äußerungen, vor allem von PVV-Mitgliedern und -Unterstützern. Man wüsste gerne, wovon diese Menschen genug haben. Die PVV und ihre Anhänger sind sich darin ganz implizit einig: von Einwanderung und „Islamisierung“, von Flüchtlingen, letztendlich generell von Veränderung und Andersartigkeit. Sagen muss das niemand, denn genoeg is genoeg bedeutet auch: Wir alle wissen, wovon wir sprechen, für uns ist die Tautologie transparent. Dahinter verbirgt sich eine wohlbekannte Strategie von Populisten und Extremisten, nämlich die Anspielung. Die Anhängerschaft versteht sofort, was gemeint ist. Wer aber die Aussagen kritisiert, bekommt als Antwort: Es ist doch sachlich völlig richtig, was wir gesagt haben und wir haben nicht mehr behauptet als X ist X. Wer könnte dem widersprechen? Anders ist das zweite Beispiel der PVV:

Laat Nederland weer Nederland worden.

Der Kern davon ist Nederland is niet meer Nederland, also im Prinzip X is niet X. Das ist eine erstaunliche Wendung, denn sie ist das Gegenteil einer Tautologie: Nederland ≠ Nederland. Auch hier wissen Eingeweihte sofort, warum die Niederlande nicht (mehr) die Niederlande sind: wegen Veränderung, „Islamisierung“ etc., siehe oben. Ob diese Aussage wahr sein kann, hängt wiederum davon ab, was die Bedeutung von Nederland ist. Mit Leichtigkeit könnte man sagen, dass die Aussage Unsinn ist. Ungefähr seit der Schaffung von Flevoland haben die Niederlande dieselben Grenzen, es gibt eine monarchische wie demokratische Kontinuität, und es gibt ein Volk, das sich aus niederländischen Staatsbürgern zusammensetzt. Zudem impliziert die Formulierung is niet meer automatisch, dass das Konzept Nederland veränderlich sein muss. Also genau das, was Rechtspopulisten nicht wollen, schließlich geht es ihnen um weitgehende Unveränderlichkeit. Solche Widersprüche aufzulösen umgeht die Formel Nederland moet weer Nederland worden völlig. Eine Ausweichstrategie, die seriöse Argumentation verhindert.

„Nederland is meer Nederland geworden.“ Königin Beatrix 1986 bei der Einrichtung der neuen Provinz Flevoland. (R. Croes / Nationaal Archief)

In Deutschland ist uns das aus der politischen Kommunikation der vergangenen Wochen ganz und gar nicht fremd. Fast wortgleich mit der PVV lehrt uns die CSU:

Deutschland muss Deutschland bleiben.

Zum Glück verspricht die Bundeskanzlerin:

Deutschland wird Deutschland bleiben.

Sie mag in letzter Zeit ein Händchen für politische Slogans bewiesen haben, aber hier greift sie daneben. Sie macht sich Argumentationsart und Prämissen der Populisten zu eigen, in diesem Fall jene der Regierungspopulisten aus dem Land mit dem inoffiziellen Motto Mir san mir. Mit ihrer Antwort greift Merkel ein Prinzip nicht nur der neuen Rechten auf, sondern auch des alten Nationalismus. Bei unseren anderen westlichen Nachbarn, dem kleinen Großherzogtum, kennt man als Wahlspruch der Nation:

Mir wëlle bleiwe wat mir sinn. („Wir wollen bleiben was wir sind.“)

Wer sind wir denn? Was wollen wir bleiben? Impliziter Konsens ohne konkreten Gehalt. Das liegt vor allem an den Kopulaverben, von denen solche Formeln leben. Sie sind semantisch sehr schwach und deuten nur eine Übereinstimmung zwischen zwei Elementen an (eine die ist, die wird bzw. werden muss, oder die bleibt.) Das ist vermutlich der Grund, warum Populismus und Nationalismus, aber auch bürokratischer Sprachgebrauch so von Kopulaverben und Aussagen der Form X ist X profitieren: Semantisch schwache Aussagen brauchen semantisch schwache Verben. Die nominalen Konstituenten rundherum füllen sich ganz zuverlässig von selbst, jedenfalls im Geiste der Gleichgesinnten.

Sitzraub und Schiffsabspringer in der Karibik

Der Herbst 2016 ist eine spannende Zeit für die Politik auf der anderen Seite des Atlantiks. Vor ein paar Tagen führte Aruba die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein – in der Karibik immer noch eine Seltenheit. Gestern fanden außerdem in Sint Maarten vorgezogene Neuwahlen statt, die nach einem Misstrauensvotum gegen die Regierung notwendig waren.

Unter anderem stimmte der Abgeordnete Silvio Matser gegen die Regierung – er hatte bis dahin der Regierungskoalition angehört und steht im Augenblick vor Gericht, weil er bei der vorherigen Wahl 2014 systematischen Stimmenkauf organisiert haben soll.

Regierungsgebäude in Philipsburg, Sint Maarten (J. Velisque, CC-BY-SA 4.0)

Schon länger leidet die Politik in Sint Maarten darunter, dass Abgeordnete im Parlament die Seite wechselten und sich gegen die Partei stellten, für die sie gewählt worden waren. Solche ship jumpers sind inzwischen ein Phänomen, das fast selbstverständlich zur politischen Landschaft des Inselteils gehört. Im NRC  – eine der wenigen Zeitungen, die überhaupt über die Wahlergebnisse berichten – ist die Rede von zetelroof. Der Van Dale übersetzt es ohne weiteres als Mandatsraub ins Deutsche. Wohl eine eigene Erfindung, denn ein etablierter Begriff ist das sicher nicht. Google liefert vereinzelt Treffer (fragt aber sicherheitshalber nach, ob man nicht nach Mandat Staub suchen wollte), dabei geht es aber meist um Beschwerden kleiner Parteien, die sich vom Wahlsystem benachteiligt fühlen. Was mit zetelroof  tatsächlich gemeint ist, erklärt das einsprachige Wörterbuch: „het bezet-houden van een par­le­ments­ze­tel, na­dat men de frac­tie waar­in men ver­ko­zen is heeft ver­la­ten“. Der ship jumper stiehlt seiner Fraktion einen Sitz und springt mit ihm über Bord. Wie sich nach den gestrigen Wahlen die Parteien sortieren werden, bleibt abzuwarten.

In sprachpolitischer Hinsicht darf man von den Wahlen in Sint Maarten wohl nicht zu viel erwarten. Wie auf der Insel üblich fand der Wahlkampf auf Englisch statt. Die Partei National Alliance versuchte wenigstens, in ihrem Wahlprogramm im Kapitel zur Kultur ein wenig lokaltypisch zu klingen, mit der Überschrift Tis We Own Ting (‚this is our own thing‘). Mehr als Folklore ist damit aber nicht gemeint, und sprachpolitische Ziele z.B. zur Anerkennung der lokalen Form des Englischen (oder Kreolischen – diese Debatte wollen wir hier lieber nicht beginnen) werden nicht erwähnt. Als einzige der vier Parteien, die im neuen Parlament vertreten sein werden, nennt die United People’s Party (UP) zwei sprachpolitische Ziele in ihrem Wahlprogramm, nämlich im Kapitel zur Bildungspolitik:

– UP recognizes that Sint Maarten is a multilingual society where English is the native tongue; UP will make provisions in the curriculum to ensure that English is mastered by the end of secondary education.

– Because Dutch is a very important language, UP will put in place a strong Dutch-as-a-foreign language curriculum in all schools to allow students to master Dutch by the end of secondary education.

Diese Ziele dürften wahrscheinlich relativ unumstritten sein. Wie sie konkret erreicht werden sollen, steht allerdings nirgends. Man darf gespannt sein, wie diese „provisions“ aussehen werden, und was ein „strong curriculum“ für Niederländisch als Fremdsprache sein soll.

Am kommenden Freitag steht etwas weiter südlich übrigens schon die nächste Wahl an, nämlich in Curaçao.

Doorgaan … weitergehen

Herinnert u zich de bijdrage Wellicht merkwaardig?
Doorgaan is ook zo’n woord dat in noord en zuid verschillend gebruikt en geïnterpreteerd wordt. Bij de zuiderburen betekent het gewoon stattfinden: Het concert gaat door op 1 april.
In het Nederlands heeft dit woord de connotatie nicht ausfallen. Als een concert in Nederland op 1 april doorgaat betekent dat, dat het niet uitvalt. In de alledaagse taalpraktijk geen ramp, maar toch een middelgroot nuanceverschil!

Doorgaan betekent ook: weitermachen.
Jongens en meisjes, genoeg gelachen! We gaan nu door met de les!
Altijd handig de uitdrukking: dat gaat in één moeite door (das das geht in einem Aufwasch).

Er­van­door gaan betekent dan weer: durchbrennen. De Dikke geeft de voorbeeldzin: er­van­door gaan met een zee­man / met een jon­ge blom. Hier ziet u de moeite die VD zich getroost gendercorrect (zeeman versus jonge blom) uitleg te geven.

Ramses Shaffy – hij kwam al eens eerder voor als zanger van Mens, durf te levenzong ook het onvergetelijke lied We zullen doorgaan (wir geben nicht auf).

Der Traum von der Neuerscheinung

Wenn belgische intellektuelle Prominenz zu Besuch kommt, dann geht man selbstverständlich hin. Erst recht wenn der Börsenverein des Buchhandels einlädt, um die Kulturelite der Hauptstadt (oder alle, die sich dafür halten) auf die Frankfurter Buchmesse einzustimmen. So geschehen vorgestern in der Repräsentanz des Börsenvereins in Berlin.

Einer der Gastredner merkte an, der Gastlandauftritt habe in den Niederlanden für derart viel Aufmerksamkeit gesorgt, dass die dortige Presse das deutsche Wort Neuerscheinung schon als Lehnwort übernommen habe. An sich ist das eine durchaus realistische Vorstellung. Ein exaktes Äquivalent kennt das Niederländische nicht, man muss also zu Umschreibungen greifen, wie beispielsweise im Van Dale: pas verschenen boek. Natürlich gibt es durchaus Nominalisierungen von verschijnen. Aber ein verschijnsel ist nur ein Phänomen, ein Anzeichen, und eine verschijning ist die äußere Erscheinung, die Gestalt oder aber eine Vision. Keine der beiden Formen steht für Erscheinung im Sinne von Publikation oder Veröffentlichung. Ein neues Buch, eine Neuerscheinung, ist also kein *nieuw verschijnsel – da greift man doch gerne ganz bequem zu een neuerscheinung. Aber tut man das wirklich? Weder die Websites der großen niederländischen Zeitungen noch eine Google-Suche nach Neuerscheinung auf niederländischsprachigen Seiten liefern Ergebnisse. Hier war wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Aber vielleicht entfaltet die Buchmesse ja noch ihre Wirkung, so dass das Wort Neuerscheinung irgendwann doch noch im niederländischen Wortschatz verschijnt.

VanReybrouck

David Van Reybrouck im Gespräch mit Thomas Böhm. (Foto: PK)

Wer aber sehr wohl erschien, nämlich zu der Soirée des Börsenvereins, das war David Van Reybrouck. Die Schauspielerin Claudia Michelsen las Auszüge aus seinem Buch Kongo. Eine Geschichte und außerdem aus Hella Haasses Roman Das indonesische Geheimnis, der im Buchmessejahr auf Deutsch erschienen ist (mit einem etwas mager übersetzten Titel, im Original: Sleuteloog, 2002). In einer Podiumsdiskussion gewährte Van Reybrouck Einblicke in die Entstehung seines Monumentalwerks und rief zu einer neuen Auseinandersetzung Europas mit der gemeinsamen Kolonialgeschichte auf. Die Forderung: Anstelle nationaler Geschichtsschreibung müsse Europa endlich zu einer comparative Vergangenheitsbewältigung finden.  

Das Schlagwort verrät schon, dass das Gespräch zwischen Van Reybrouck und dem Schriftsteller und Moderator Thomas Böhm auch in sprachlicher Hinsicht faszinierend war. Böhm fragte auf Deutsch, Van Reybrouck antwortete auf Englisch mit gelegentlichen deutschen Einsprengseln wie etwa Vergangenheitsbewältigung (aber nicht: Aufarbeitung). Die Sprachkombination kann einen nachdenklich machen: Semikommunikation auf Deutsch und Niederländisch war offenbar unrealistisch. Das Berliner Publikum hätte dabei wohl nur einzelne Brocken erraten können. Stattdessen wählten die Veranstalter ein Konstrukt, für das es möglicherweise noch gar keinen passenden Begriff gibt. Das Konzept Semikommunikation oder rezeptive Mehrsprachigkeit geht immer davon aus, dass die Beteiligten ihre jeweilige Muttersprache sprechen, und das Gegenüber diese versteht. Was aber, wenn nur ein Beteiligter die andere Muttersprache versteht, für seine Redeanteile aber zu einer gemeinsamen Fremdsprache (hier: Englisch) greift? Und wenn dies geschieht, weil an der Semikommunikation nicht nur zwei Sprechende beteiligt sind, sondern auch noch ein Publikum, dessen rezeptiven Sprachkenntnisse zu berücksichtigen sind? Wie immer sind die Realitäten komplexer als unsere Beschreibungsmodelle es gerne hätten.