Open-Access-Transformation zwischen „Durchbruch“ und „moving target“

Bericht vom Open4DE-Stakeholder-Workshop mit den Wissenschaftsorganisationen

Das Projekt Open4DE: Stand und Perspektiven einer Open-Access-Strategie für Deutschland erhebt auf der Grundlage einer qualitativen Auswertung von Policy-Dokumenten den Umsetzungsstand von Open Access in Deutschland. Im zweiten Schritt entwickelt Open4DE im Dialog mit den wichtigsten Stakeholdern von Open Access in Deutschland Empfehlungen für eine bundesweite Open Access-Strategie. Dazu hatte das Projekt Workshops mit dem Scholarled-Network, Vertreter*innen von Fachgesellschaften sowie mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Bundesländern organisiert.

„Open-Access-Transformation zwischen „Durchbruch“ und „moving target““ weiterlesen

Open4DE: Stand und Perspektiven von Open Access in Deutschland

Anmeldung zum Online Workshop

Wann: Donnerstag, 8. Dezember 2022, 9h30 – 12h30

Im Projekt Open4DE haben wir in Workshops, Interviews und Policy-Analysen den Stand von Open Access in Deutschland ermittelt und Vorschläge für den Weg zu einem bundesweiten Open-Access-Strategieprozess erarbeitet. Zum Projektabschluss möchten wir unsere Forschungsergebnisse zur Diskussion stellen:

  • Wie kann die weitere Open-Access-Transformation gestaltet werden?
  • Welche Maßnahmen könnten die Open-Access-Transformation beschleunigen?
  • Wie können zentrale Stakeholder in einem gemeinsamen Strategieprozess zusammenarbeiten?

Diese und weitere Fragen wollen wir in unserem abschließenden Workshop gemeinsam diskutieren. Unser Projekt wird mit einem Landscape-Report abschließen, der sowohl Lücken aufzeigen als auch Anreize und Potentiale darstellen soll. Darin enthalten ist ein Anforderungskatalog für einen nationalen Open-Access-Strategieprozess, in dem verschiedene Szenarien sowie Vorschläge für eine Roadmap berücksichtigt werden.

In diesem Strategieworkshop möchten wir eine übergreifende Vision sowie konkrete mittel- und langfristige Ziele, Prioritäten und Vorschläge für die nächsten Schritte entwickeln. Auf diesem Wege soll die Entwicklung und Implementierung einer Open-Access-Strategie vorangetrieben werden. Besondere Berücksichtigung findet dabei der breitere Kontextes der Transformation der Wissenschaftskommunikation und die Bedeutung von Open Science für die deutsche Wissenschaftslandschaft.

Weitere Infos und Berichte aus unserem Projekt finden Sie in der Kategorie Open4DE auf dem Open-Access-Blog Berlin.

Open4DE ist ein Verbundprojekt von

Open Access in Deutschland. Stakeholder Workshop mit Bund und Ländern

Im Mittelpunkt des dritten Stakeholder-Workshops des Projektes Open4DE standen die Herausforderungen und Chancen der Umsetzung von Open Access aus Perspektive der Landesregierungen und des Bundes.

Am 26. Juni 2022 fand in den Räumen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin ein Workshop statt, in dem Vertreter*innen der 16 Bundesländer eingeladen waren, sich mit Vertreter*innen des BMBF über gemeinsame Standpunkte zu Open Access auszutauschen. Treffen dieser Art sind nicht neu; bereits seit 2019 findet ein Austausch in dieser Runde statt. Dieses Jahr konnte das Projekt Open4DE gemeinsam mit dem BMBF diesen Workshop in Präsenz organisieren und die Diskussion zum Status Quo in Deutschland mit ersten Projektergebnissen anreichern.

In zwei Vorträgen stellten Projektmitarbeiter*innen Forschungsergebnisse vor. Der Fokus lag dabei auf der Frage, was Deutschland in Hinblick auf eine nationale Open-Access-Strategie von anderen Ländern lernen kann und darauf, welcher Handlungsbedarf sich konkret auf Landes- und Bundesebene erkennen lässt. Am Nachmittag wurden gezielt gemeinsame Standpunkte diskutiert. Dazu wurden in zwei weiteren Impulsvorträgen die “Empfehlungen zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access” vom Wissenschaftsrat und das DFG Positionspapier “Wissenschaftliches Publizieren als Grundlage und Gestaltungsfeld der Wissenschaftsbewertung” vorgestellt.

Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

Die Forschungsergebnisse basieren auf Interviews, die von Januar bis Mai 2022 zu Policy-Prozessen in acht verschiedenen Ländern mit Expert*innen durchgeführt wurden. Dabei wurden Fragen zum gesamten Policy-Prozess gestellt, angefangen von den Rahmenbedingungen über die institutionelle Verankerung, Kooperationen und Konflikte zwischen den Akteursgruppen bis hin zur Strategieentwicklung selbst, die mit Fragen zu Beteiligungsprozessen und der Funktionsweise von Arbeitsgruppen zur Entwicklung von Open Access Policies näher beleuchtet wurde. Bei der Auswahl der Länder (Finnland, Schweden, Litauen, Irland, Niederlande, Großbritannien, Frankreich, Österreich) wurde auf das Vorhandensein strategischer Abläufe geachtet, entweder in Form von nationalen Strategien oder in Form bestehender Diskussionen über eine nationale Strategie. Aus den Interviews ließen sich übergeordnete Themen extrahieren: Vorteile nationaler Strategien, Erkenntnisse zur Steuerung von Strategieprozessen und schließlich Herausforderungen und Zukunftsthemen.

Die Vorteile einer nationalen Strategie sind vielseitig und zeigen sich je nach Kontext auf unterschiedliche Weise. Für das föderal aufgestellte Deutschland stellt sich deshalb zurecht die Frage, welche Rolle eine nationale Strategie hier spielen kann. Am Beispiel anderer Länder sehen wir allerdings, dass unabhängig von den Rahmenbedingungen das Agenda-Setting bereits weitreichende Impulse gibt, die nicht nur auf Ebene der Institutionen, sondern auch bei Wissenschaftler*innen Aufmerksamkeit erregen. Zudem können mit einer nationalen Strategie Aktivitäten, die zahlreich, aber auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sind, synchronisiert werden. Neben der Aufwertung des Themas wird auch die internationale Sichtbarkeit und Zusammenarbeit durch eine nationale Strategie gestärkt. Wichtig ist hierbei, dass die Wirksamkeit einer solchen Strategie immer nur im Zusammenwirken mit entsprechenden Maßnahmen Legitimation erfährt. In Bezug auf die nationale Strategieentwicklung in Frankreich erwähnte Pierre Mounier im Interview:

„Viele Jahre lang war Open Access eine Sache des persönlichen Engagements von Einzelpersonen innerhalb von Institutionen. Persönliches Engagement auf der Grundlage politischer Werte. Wenn man das tut, funktioniert es lokal, aber irgendwann erreicht man eine gläserne Decke. Man bekommt keine allgemeine Bewegung, weil es nur eine Sache von Einzelpersonen ist. Das hat sich in Frankreich wirklich geändert.“

Pierre Mounier, Deputy Director of OpenEdition; OPERAS; Member of the Open Science Committee at the French Ministry of Research, Frankreich

In Frankreich, das bereits den zweiten nationalen Open Science Plan veröffentlicht hat, ist die Steuerung dieser Prozesse am Ministerium für Wissenschaft und Forschung angegliedert. Dies ist jedoch nicht in allen Ländern der Fall. Dort, wo es nationale Infrastrukturen gibt, werden diese auch genutzt: In Irland wurde beispielsweise ein National Open Research Forum (NORF) gegründet, dessen Koordinator am Digital Repository of Irland angesiedelt ist und in Schweden sitzt das Lenkungsgremium an der Nationalbibliothek. Finnland stellt wiederum einen interessanten Sonderfall dar, denn dort wurde die nationale Steuerung von Open Science and Research (OScAR) vom Ministerium an die Federation of Finnish Learned Societies übertragen, was die Legitimität der Maßnahmen und Empfehlungen zunehmend erhöht hat.

Es lässt sich zusammenfassen, dass insbesondere die Herausforderung, möglichst Viele am Steuerungsprozess zu beteiligen, vielfältige Lösungsansätze benötigt. Ob durch offene Foren und Arbeitsgruppen, offene Phasen der Konsultation, über Anreizsysteme oder eine Konsultation über die Fachvertretungen: sowohl die große Heterogenität der Fächer und Fachkulturen als auch die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Akteur*innen beim Thema Open Access bergen das Risiko in sich, dass ein nationaler Prozess ins Stocken gerät oder parallel laufende Entwicklungen auseinanderdriften. Deshalb gilt es aus einem Kreislauf herauszukommen, in dem die Verantwortung für den notwendigen Kulturwandel zugunsten der Open-Access-Transformation immer wieder bei den Wissenschaftler*innen gesucht wird, ohne einen nationalen Prozess der Teilhabe zu entwickeln, der eine politische Steuerung eben dieses Kulturwandels ermöglicht. Dabei sind es insbesondere Themen wie die Erweiterung von Open Access zu Open Science, offene Forschungsdaten und die Reform der Forschungsbewertung, die nur durch einen breit angelegten Prozess der Konsultation zielführend bearbeitet werden können.

Wo besteht Handlungsbedarf innerhalb der Open-Access-Landschaft in Deutschland?

Nationale Strategien sind also effektiv, erleichtern das Agenda-Setting und den internationalen Vergleich, bilden einen starken Bezugspunkt und ein Mandat für Maßnahmen auf Einrichtungsebene und erleichtern die internationale Zusammenarbeit. Was können Interessenvertretungen wie Bund und Länder zum Prozess der Entwicklung einer nationalen Strategie beitragen und was haben sie bereits beigetragen? Auch diese Frage wurde im Projekt Open4DE untersucht. Die Ergebnisse basieren auf einer Auswertung von Strategien und Policies von Einrichtungen, Wissenschaftsorganisationen, Landesregierungen und Fachgesellschaften sowie auf der Auswertung des Open Access Atlas Deutschland (2022), der im Projekt open-access.network am Open-Access-Büro Berlin entstanden ist. Dabei wurde für diesen Workshop der Fokus auf die Landesregierung als Akteurin in der Open-Access-Transformation gelegt und auf die Verantwortung, die dieser in den Dokumenten zugeschrieben wird.

Der Open Access Atlas Deustchland (2022) verzeichnet die Open-Access-Aktivitäten auf Bundes- und Länderebene. Es lässt sich feststellen, dass Open Access je nach Bundesland einen unterschiedlichen Entwicklungsstand erreicht hat. Bund und einige Länder haben Strategien verabschiedet oder planen diese, andere unterstützen Open Access durch Instrumente der Hochschulsteuerung wie in Wissenschafts- bzw. Hochschulentwicklungsplänen oder sie benennen Open Access als Handlungsfeld innerhalb von Digitalstrategien. Gezielte Maßnahmen reichen dabei von eigenen Landeseinrichtungen zur Vernetzung und Kommunikation über die Finanzierung von Publikationsfonds bis hin zu spezifischen Förderlinien. Hierbei zeigt sich nicht nur eine große Vielfalt, sondern es stellt sich auch die Frage, wie der “langfristige[…] Betrieb von Diensten über Bundesländergrenzen hinweg” gestaltet werden kann (DFG. 2018. Förderung von Informationsinfrastrukturen für die Wissenschaft). Diskutiert wurde die Frage auch im Workshop, denn zentrale Lösungen für bestimmte Herausforderungen zu finden, kann für eine breit aufgestellte und divers ausgerichtete Open-Access-Transformation von Vorteil sein.

Konkrete Aufgabe der Länder ist es, die Rahmenbedingungen für eine Open-Access-Transformation mitzugestalten. Zu diesen Rahmenbedingungen können unterschiedliche Maßnahmen gezählt werden. Im Projekt Open4DE konnten neben Infrastruktur, rechtlichen Rahmenbedingungen und Forschungsförderung sechs weitere Felder identifiziert werden.

  • Dazu gehört einmal die Verantwortung der Ministerien, selbst eine Open-Access-Praxis vorzuleben, denn häufig werden von Ministerien herausgegebene Dokumente ohne persistente Identifikatoren wie DOIs oder stabile URLs publiziert. Das Handlungsfeld offener Verwaltungsdaten (open (government) data) ist viel diskutiert, dabei sollte das Open-Access-Publizieren von Eigenpublikationen ebenso auf die Agenda gesetzt werden, sofern rechtliche Rahmenbedingungen dies zulassen.
  • Zum zweiten liegt die Verantwortung, den Mehrwert von Open Access für die Gesellschaft zu kommunizieren, auch im Bereich der Landeseinrichtungen. Häufig werden die Vorteile, die durch Open Access erzielt werden, auf Wettbewerbsfähigkeit und Innovation beschränkt, insbesondere wenn ein Mehrwert im Austausch mit der Wirtschaft gesucht wird. Dabei gilt es den Blick für Gerechtigkeitsfragen zu weiten und diese auch im globalen Zusammenhang zu verorten. Gerechtigkeitsfragen können im Bedeutungsfeld Open Access bspw. über einen demokratisierten Informationszugriff adressiert werden, der einen Mehrwert für die Gesamtgesellschaft generiert.
  • Drittens ist die Gestaltung der Teilhabe an wissenschaftspolitischen Prozessen eine der Aufgaben, an der Landeseinrichtungen maßgeblich mitwirken können. Die Zugänglichkeit von Forschung wird häufig auf Institutionen und deren Angehörige beschränkt, sollte aber für alle möglich sein, d.h. für Autor*innen und alle lesenden Personen. Zudem ist die Repräsentation von Wissenschaftler*innen ein Problem im Prozess der Konsolidierung von übergeordneten Strategien, d.h. es wird häufig für die wissenschaftliche Community gesprochen, aber diese ist kaum in Strategieprozessen repräsentiert.
  • Das Umsetzen von Empfehlungen ist dabei eine der Hauptaufgaben, denen Landeseinrichtungen nachkommen, bspw. indem Strategien und Policies auf Länderebene veröffentlicht werden. Diese Dokumente sind Ergebnisse eines zeitgebundenen Diskurses und bedürfen damit einer Aktualisierung. Policy-Prozesse sollten zu Ergebnissen führen, die dauerhafte Möglichkeiten der Beteiligung und Konsolidierung eröffnen.
  • Ein wichtiges Instrument, um den Erfolg von Open Access zu messen, sind die Berichtsstrukturen. Monitoring findet in einigen Ländern auf Länderebene statt, auf nationaler Ebene durch den Open Access Monitor (OAM) und an einzelnen Einrichtungen. Ziel ist es, das Publikationsaufkommen vollständig zu erheben. Das Problem ist hier allerdings häufig eine Verengung auf wissenschaftliche Artikel in Open-Access-Zeitschriften, die wiederum zu einer Verzerrung des Feldes führt. Eine Diversifizierung der Berichtsstrukturen auf verschiedene Publikationsformate und -praktiken bedarf weiterer Entwicklung und Implementierung.
  • Zuletzt liegt auch der Kulturwandel zugunsten von Open Access teilweise im Aufgabenfeld der Landeseinrichtungen, denn die Reputationsökonomie ist wichtiger Bestandteil dieses Kulturwandels und eine Veränderung bedarf einer systemischen Reform. Wie zuletzt durch das DFG-Positionspapier zu wissenschaftlichem Publizieren erläutert, geht es dabei um eine Veränderung der Qualitätssicherung, die nicht bloß auf einer Quantifizierung beruhen kann. Um qualitative Indikatoren für die Reputationsmessung zu stärken, kann ein Kriterienkatalog für die Bewertung von Forschungsarbeiten und Forscher*innen entwickelt werden, der vielfältig, objektivierbar und offen zugänglich ist und explizit Aspekte offener Wissenschaft einbezieht. Dieser muss zwar innerhalb der Wissenschaft entwickelt werden, eine Unterstützung dieses Kulturwandels muss jedoch auch durch Policy-Prozesse auf Landesebene geschehen. Hierzu gibt es bereits reichlich Empfehlungen, die auf eine Umsetzung warten, zuletzt die “Council conclusions on research assessment and implementation of open science” vom Rat der Europäischen Union (Juni 2022), das „Agreement on Reforming Research Assessment“ (Juli 2022) von der European University Alliance (EUA), Science Europe und der Europäischen Kommission sowie der zuvor publizierte “Paris Call on Research Assessment” vom French Open Science Committee (Februar 2022).

Ausblick: Eine nationale Open-Access-Strategie für Deutschland

Eine Diskussion über diese Themenfelder wurde bereits in den vorherigen Austauschrunden zwischen Bund und Ländern zu Open Access geführt. Dieser Workshop konnte dazu beitragen, die Rollen und Handlungsfelder der Stakeholder in diesem Prozess zu reflektieren und die Open-Access-Landschaft in Deutschland in ein internationales Verhältnis zu setzen. Das Projekt Open4DE plant für Dezember 2022 einen Multi-Stakeholder-Workshop, in dessen Rahmen die Projektergebnisse in Form von Empfehlungen und einer Roadmap für eine nationale Strategie vorgeschlagen und diskutiert werden. Dabei geht es in erster Linie um eine gemeinsame Perspektive für den weiteren Strategieprozess, an dem auch die Vertreter*innen der Landeseinrichtungen und des Bundes beteiligt sein werden.

Fachcommunities könnten Vorreiter sein

Im Mittelpunkt des zweiten Stakeholder-Workshops des Projektes Open4DE standen die Herausforderungen und Chancen der Umsetzung von Open Access aus Perspektive der Fachgesellschaften

Das Projekt Open4DE, Stand und Perspektiven für eine Open-Access-Strategie für Deutschland erhebt auf der Grundlage einer qualitativen Auswertung von Policy-Dokumenten den Umsetzungsstand von Open Access in Deutschland. Im zweiten Schritt entwickelt das Projekt im Dialog mit den wichtigsten Stakeholdern im Feld Empfehlungen für eine bundesweite Open Access-Strategie. Bereits im Januar fand in diesem Rahmen ein Workshop mit dem scholar.led-network Netzwerk statt. Am 24. Mai 2022 waren Vertreter*innen der Fachgesellschaften zu einer gemeinsamen Diskussion eingeladen.

Rund zwanzig Fachgesellschaftsvertreter*innen aus geistes-, sozial-, und naturwissenschaftlichen Organisationen waren der Einladung von Open4DE gefolgt, darunter viele, die insbesondere mit den organisationseigenen Publikationen befasst sind, aber auch Mitarbeiter*innen der Geschäftsstellen und Vorstandsmitglieder. Im ersten Teil des Workshops stellte das Projekt Open4DE seine Ergebnisse aus der Untersuchung des Umsetzungs- und Diskussionsstandes von Open Access und Open Science in den Fachgesellschaften vor.

Umsetzungsstand von Open Access in den Fachgesellschaften

Open Access setzt sich, verbunden mit unterschiedlichen fachlichen Publikationskulturen, in wissenschaftlichen Disziplinen ungleich durch (vgl. z.B. Severin et al. 2022). Während die Physik bereits in den frühen 1990er Jahren eigene Publikationsinfrastrukturen für die fachinterne Zirkulation von Preprints aufbaute (arXiv), spielt in anderen wissenschaftlichen Disziplinen bis heute die Monographie eine zentrale Rolle.

Abb.1. Am Anfang des Workshops wurden die teilnehmenden Vertreter:innen der Fachgesellschaften gefragt, mit welchen Aspekten von Open Acces Sie in ihrer täglichen Praxis zu tun haben. Die Antworten deuten bereits Schwerpunkte in eigener Publikationstätigkeit an

Förderlich für die Aufgeschlossenheit gegenüber Open Access ist ein hoher Nutzen des offenen Zugangs zu digitalisierten Daten (wie z.B. in der Archäologie). Auch die transnationale Vernetzung von Fachdisziplinen mit ärmeren Ländern fördert die Akzeptanz von Open Access. Teilweise sind es eher die kleinen Fächer, die Vorreiter von Open Access und Open Science sind, da sie besonders von einer höheren Sichtbarkeit und einer freien Dissemination ihrer Daten profitieren (vgl. Arbeitsstelle kleiner Fächer 2020).

Policy-Papiere mit konkreten Handlungsanleitungen zur Umsetzung von Open Access haben Fachgesellschaften nicht verabschiedet. Einige Fachgesellschaften bringen sich aber mit Stellungnahmen in die Diskussion um Open Access und Open Science ein. Insbesondere Plan S löste Debatten aus (vgl. DMV et al. 2019). Dabei steht die Sorge um die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationswesens an erster Stelle.

Weitere Diskursanlässe sind die Transformation fachgesellschaftseigener Publikationen in Open Access (vgl. DGSKA 2021) sowie der Umgang mit (offenen) Forschungsdaten (vgl. DGfE 2017; DGfE/GEBF/GFD 2020; DGV 2018; Schönbrodt/Gollwitzer/Abele-Brehm 2017; Abele-Brehm et al. 2017; Gollwitzer et al. 2018, 2021). Letzteres zeigt auch, wie fachwissenschaftliche Selbstverständigungsprozesse von außen evoziert werden, hier durch die Aufforderung der DFG, disziplinäre Richtlinien im Forschungsdatenmanagement zu formulieren (vgl. DFG 2015).

Trotz dieser zahlreichen Einzelinitiativen bleibt festzustellen, dass sich die Fachgesellschaften insgesamt – von einigen bedeutsamen Ausnahmen abgesehen – eher wenig sicht- und hörbar in die Diskussion und Aushandlung von Open Access in Deutschland eingebracht haben. Unter den rund 750 Unterzeichner*innen der Berliner Erklärung von 2003 sind zahlreiche Universitäten und Forschungseinrichtungen aber nur vier Fachgesellschaften (Stand: 28. Juni 2022). Die Gelegenheit, die Open-Access-Transformation als Anlass zu nutzen, um wissenschaftliche Standards vor dem Hintergrund eines grundlegenden Wandels von Wissenschaft durch die Digitalisierung innerhalb der eigenen Fachcommunity zu diskutieren und damit diese Transformation aktiv mitzugestalten (vgl. z.B. Ganz 2020), wird bislang nur in wenigen Fachgesellschaften aktiv ergriffen. Das überrascht, da Fachgesellschaften Orte der Selbstorganisation und der Selbstverständigung fachlicher Communities sind (vgl. Wissenschaftsrat 1992). Finden in den Fachcommunities keine Diskussionen über Open Access und Open Science statt oder sind diese lediglich nicht sichtbar, weil sie nicht in öffentlichen Stellungnahmen münden? In jedem Fall bleibt festzustellen, dass die Entwicklung des Themas Open Access in den Fachgesellschaften noch viel Potential besitzt. „Fachcommunities könnten eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagte ein Teilnehmende  in Hinblick auf die gegenwärtige Situation und benannte damit sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen der wissenschaftsnahen Entwicklung des Themas Open Access.

Im Anschluss an diese Gegenwartsdiagnose wurden in unserem Workshop folgende Handlungsfelder identifiziert: 

  1. Die Ausgestaltung des wissenschaftlichen Publikationswesens in der Open-Access-Transformation (Geschäftsmodelle, Finanzierung, Publikationsformate).
  2. Qualitätssicherung, wissenschaftliche Anerkennungsverfahren und Reputationssysteme
  3. Die Definition der Rolle fachwissenschaftlicher Communities in der Open-Access-Transformation als Vertreter*innen und Sprachrohr ihrer Community in Governance-Prozessen.

Aus diesen Handlungsfeldern wurden im Anschluss in Arbeitsgruppen weitere Fragen, Maßnahmen und Empfehlungen abgeleitet:

Reputationssysteme

Ausgangspunkt der Diskussion in einer der beiden Arbeitsgruppen war die Beobachtung, dass Wissenschaftler*innen in erster Linie in möglichst angesehenen Zeitschriften und Verlagen publizieren wollen. Open Access sei demgegenüber eine nachgeordnete Frage, es bestünden zum Teil Vorbehalte bezüglich der Qualität. Angesichts des starken Drucks, sich durch Artikel in High Impact Journals zu etablieren, bleibe Open Access ein marginales Thema. Damit Open Access mehr Gewicht bekomme, müsse das Reputationssystem reformiert werden. Ob und wie Fachgesellschaften diesbezüglich eine Rolle übernehmen können, diskutierte die eine Arbeitsgruppe intensiv, während in der anderen Arbeitsgruppe die Meinung vorherrschte, dass Wissenschaftler*innen und ihre Organisationen selbst diese Veränderung aktiv betreiben müssten.

Die Bedeutung der Monographie

Ein wichtiger Faktor in der Open Access-Transformation ist insbesondere für die Vertreter*innen von geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachgesellschaften die Bedeutung der Monographie. Bisher lagen die Schwerpunkte konsortialer Transformationsabkommen aber im Bereich der Zeitschriften. Mit Blick auf die Entwicklungspotentiale der Transformation des Monographienmarktes wurde unter anderem diskutiert, welche Rolle Verlage im Bereich der Qualitätssicherung haben. Bei genauerem Hinsehen, so die vorherrschende Meinung, seien es aber nicht ausschließlich die Verlage, die Qualität sichern, sondern häufig im selben Maße die Herausgeber*innen, die mit ihrem Namen für Qualität einstehen. Bemerkt wurde zusätzlich, dass Mittel für Open-Access-Bücher oft knapp seien. So stellte sich abschließend die Frage, welche fairen Lösungen für eine Finanzierung entwickelt werden können. Müssten Fachgesellschaften letztendlich selbst Repositorien und andere Infrastrukturen für die Publikation von Monographien aufbauen? Letzteres sei kaum leistbar. Als möglicher Weg, sich als Fachgesellschaft einzubringen, wurde schließlich die Publikation eigener Open-Access-Buchreihen benannt, die durch anerkannte Wissenschaftler*innen eines Fachgebietes herausgegeben werden.

Best Practices

In Bezug auf die eigene Rolle als Herausgeber*in von Zeitschriften wurden positive Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten geteilt: so durchläuft die Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA) aktuell einen Transformationsprozess: auf APCs wird dabei verzichtet, die Finanzierung der Zeitschrift erfolgt durch die Fachgesellschaft, deren Mitglieder an der Entscheidung über die Umstellung beteiligt wurden und diese überwiegend positiv aufnehmen. Dies zeigt, dass jenseits von APCs auch andere Geschäftsmodelle möglich sind, z.B. durch konsortiale Finanzierungen, wie sie etwa in der Open Library of Humanities praktiziert oder in KOALA angestrebt werden. Über diese unterschiedlichen Möglichkeiten müsse das Bewusstsein bei den Autor*innen deutlich gestärkt werden.

Anreize zur Offenheit

Um eine Kultur der Offenheit im Publikationswesen – und dort insbesondere in der Qualitätssicherung – zu fördern, bedarf es also häufig einer verstärkten Informationsinitiative unter den Mitgliedern. Der Kenntnisstand zum Thema Offene Wissenschaft ist je nach Fachkultur unterschiedlich stark ausgeprägt. Einige Teilnehmende sprachen diesbezüglich auch von einem Generationenkonflikt unter den Mitgliedern, wobei jüngere Wissenschaftler*innen oft aufgeschlossener gegenüber Open Science und Open Access seien. Anreizsysteme können in einer solchen Situation den Kulturwandel befördern.

Ideen und Vorschläge für ein stärkeres Commitment zu offener Wissenschaft gab es viele in der Diskussion; teilweise wurde auf bereits praktizierte Maßnahmen hingewiesen. Insgesamt entstand auf diese Weise ein umfassendes Bild bereits existierender und geplanter Leistungen der Fachgesellschaften im Feld Open Access. Genannt wurde die Einrichtung von Publikationsfonds durch Fachgesellschaften, das Aussprechen von Empfehlungen für Qualitätskriterien für Zeitschriften oder die Vergabe von Preisen für Open-Access- und Open-Science-Projekte. Auch die Entwicklung von Konzepten für den Umgang mit personenbezogenen Daten sowie von Ethik-Leitlinien für Forschungsdaten könne Anreize für den Kulturwandel hin zu mehr Offenheit setzen.

Synergien schaffen

Im Allgemeinen äußerten viele den Wunsch, Konzepte und Leitlinien gemeinsam zu erarbeiten, denn finanzielle und personelle Ressourcen seien auch in den Fachgesellschaften knapp. Der Wunsch, Publikationsinfrastrukturen übergeordnet zu finanzieren, wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht.

Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsfragen

Diskutiert wurde auch, dass inzwischen zwar viele reputationsreiche Zeitschriften open access seien, die von ihnen verlangten Article Processing Charges stellten jedoch ein Problem für Autor*innen außerhalb gut ausgestatteter Forschungseinrichtungen dar. Deshalb stelle sich die Frage, wie nachhaltig die Finanzierung von APC/BPC-basiertem Open Access angesichts steigender Kosten und Publikationszahlen sein könne. Im Rahmen der DEAL-Verträge werden auch Open-Access-Publikationen in hybriden Zeitschriften finanziert. Davon profitieren z.T. auch Fachgesellschaften, die Herausgeber wissenschaftlicher Journals sind, wie die anwesende Gesellschaft deutscher Chemiker (GDCH). Doch auch dieses Modell wird kritisch diskutiert (vgl. Oberländer/Tullney 2021).

Die Rolle der Politik und der Forschungsförderer

Bezüglich der Empfehlungen an die Politik äußerten die Teilnehmenden den Wunsch, dass Forderung und Förderung (beispielsweise durch die Entwicklung vorhandener Infrastruktur) Hand in Hand gehen müssten: Teilweise sei es so, dass Fördereinrichtungen Vorgaben machten, während gleichzeitig die notwendigen (finanziellen und technischen) Rahmenbedingungen, um diese zu erfüllen, nicht bestünden. Hier sei erforderlich, dass mehr Rückkopplung stattfinde. Überhaupt sei es wünschenswert, dass Fachgesellschaften analog zur Nationalen Forschungsdaten-Infrastruktur (NFDI) auch im Bereich Open Access an einer Koordinationsstelle beteiligt seien. Hilfreich wäre es auch, wenn Verantwortliche in Politik und Fördereinrichtungen Checklisten aufstellten, anhand derer Open-Science-Standards abgeglichen und entwickelt werden könnten. Grundlegend müsse es darum gehen, Nachhaltigkeit im Wissenschaftssystem zu garantieren und transparente Kostenmodelle für das Publikationswesen zu entwickeln.

Die Rolle der Fachgesellschaften in der der Transformation

Immer wieder wurde im Laufe des Workshops das Selbstverständnis der Fachgesellschaften im Prozess der Transformation thematisiert. Brauchen (kleine) Fachgesellschaften angesichts der Open-Access-Transformation eine Strategie? Zumindest stellte sich die Frage, wie sie ihre Rolle angesichts der grundlegenden Veränderungen im Wissenschaftssystem (neu) definieren. Dies kann bedeuten, eine wissenschaftspolitische Rolle einzunehmen oder wiederzuentdecken. Zunächst ginge es aber, so einige der Anwesenden, darum, einen Überblick über die Entwicklungen im eigenen Fach zu erlangen und eine eigene Expertise zu entwickeln, um dann einen Verständigungsprozess mit den Mitgliedern anzustoßen. Zur Diskussion stand somit auch, wie Beteiligungs- und Verständigungsprozesse gestaltet werden könnten. Ferner wurde wiederholt diskutiert, ob Fachgesellschaften in der Lage seien, selbst verlegerisch tätig zu werden und welche administrativen und technischen Fragen sich daraus ergeben würden?

Den Abschluss des Workshops bildete der Ausblick auf den weiteren Projektverlauf. Dabei wurden die Teilnehmer*innen eingeladen, sich an einem im Herbst geplanten Strategieworkshop anlässlich des Projektabschlusses weiter an der Diskussion zu beteiligen. Dieser Aufforderung nachkommen zu wollen, erklärten sich in einer abschließenden Umfrage alle Anwesenden bereit.

Literaturangaben


Die nicht-profitorientierte Perspektive auf Open Access

Bericht zum Stakeholder-Workshop mit dem scholar-led.network

Open-Access-Strategien, die auf staatlicher Ebene verankert sind, bewirken dynamische Diskurse rund um das Thema Open Access, sie positionieren Länder gegenüber global operierenden Wissenschaftskonzernen und haben nicht zuletzt eine Leitbildfunktion für die Einrichtungen und Wissenschaftler*innen des betreffenden Landes. Dennoch hat Deutschland bislang, anders als viele andere europäische Staaten, keine nationale Open-Access-Strategie.

Um Vorschläge für die Gestaltung des Politikprozesses und die Inhalte einer Open-Access-Strategie für Deutschland zu erarbeiten, planen wir im Projekt Open4DE: Stand und Perspektiven einer Open-Access-Strategie für Deutschland eine Serie von Stakeholder-Workshops. Den Anfang machte am 28. Januar 2022 ein 60-minütiger Workshop mit dem scholar-led.network.

Das scholar-led.network diskutiert und artikuliert Interessen der im deutschsprachigen Raum operierenden, von Wissenschaftler*innen geführten Publikationsprojekte. In ihrem 2021 veröffentlichten Manifest treten sie unter anderem für eine Vielfalt von Publikationsformaten, nachhaltig und öffentlich finanzierte Publikationsinfrastrukturen und eine Community-basierte Entwicklung des non-profit Publikationsökosystems ein: ideale Anknüpfungspunkte für die Diskussion über Anforderungen an eine bundesweite Open-Access-Strategie.

Der Workshop teilte sich in zwei Phasen. Im ersten kollaborativen Teil sammelten wir auf einem virtuellen Whiteboard Aspekte, die unter die im Manifest genannten Handlungsfelder – Vernetzung, Finanzierung und Bibliodiversität – fallen. Der Workshop startete also mit der Frage, welche konkreten Herausforderungen aus Sicht der Teilnehmer*innen als besonders bedeutsam für einen bundesweiten Policy-Prozess empfunden werden. Die Antworten aus dieser Diskussion wurden nach Wichtigkeit bewertet und daraufhin im zweiten Teil des Workshops in drei Kleingruppen vertieft und aufbereitet.

Vernetzung

In der Gruppendiskussion zum Handlungsfeld Vernetzung wurde die strategische Rolle offener, sozio-technischer Infrastrukturen diskutiert, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Tools zur Organisation von Workflows entlang des Publikationsprozesses lag. Insbesondere die bereits in der Community erfolgreich zum Einsatz gebrachte Publikations- und Kollaborationplattform Open Journal Systems (OJS) bedürfe einer stetigen Weiterentwicklung, Anpassung und Verbreitung. Dabei sehen sich sowohl die Nutzer*innen (Autor*innen und Herausgeber*innen) als auch die Serviceprovider (oft wissenschaftliche Bibliotheken) zahlreichen Herausforderungen gegenübergestellt. Vertreter*innen beider Interessengruppen waren an der Diskussion beteiligt und bemerkten übereinstimmend, dass fehlende Konzepte zur nachhaltigen Finanzierung dieser Services dazu führen, dass die technischen Potentiale der bereits in vielen Anwendungsfällen erprobten und bewährten Softwarelösungen nicht in vollem Maße ausgeschöpft werden können.

In der Hoffnung, dass sich Synergieeffekte erzielen und Redundanzen vermeiden lassen, wurde daher über Möglichkeiten diskutiert, die Entwicklung und Bereitstellung von OJS in übergeordneten, öffentlich finanzierten Organisationseinheiten zusammenzuziehen. Dabei bestand keine Einigkeit darüber, auf welcher administrativen Ebene ein solches „Kompetenzcenter für Publikationsdienste“ anzusiedeln sei. Genannt wurden die Bibliotheksverbünde und die Bundesländer. Eine nationale Lösung wurde in Anbetracht der Heterogenität des hiesigen Publikationsökosystems und seiner traditionell föderalen Struktur mit hohem Anpassungsbedarf kritisch betrachtet. Um die Interessen von Herausgeber*innen, Autor*innen und Verleger*innen in die Gestaltung und den Betrieb konsortialer Publikationsinfrastrukturen einfließen zu lassen, bedürfe es keiner komplexen Gouvernancestruktur: Kleinere Kompetenzzentren ermöglichen eine Community-basierte, dynamische und partizipative Form der Gestaltung. Dies kann beispielsweise in thematisch fokussierten Workshops, Sprints und anderen agilen Arbeitszusammenhängen stattfinden, in denen sich Überschneidungen mit der aktiven internationalen Entwicklerszene nutzen ließen.  

Finanzierung

Publikationsorte, die über ein medienbezogenes Modell finanziert sind und gebührenfreie Publikationsmöglichkeiten bieten („Diamond-OA“), können zur Diversität des Systems beitragen und Druck auf die Anbieter gebührenfinanzierter Publikationsorgane ausüben. Für einen Ausbau dieses Segments ist es jedoch nötig, dauerhaft tragfähige Finanzierungsmodelle für Diamond-Zeitschriften und -Reihen aufzubauen.

Empfehlungen des Wissenschaftsrats, S. 68.

Die zweite Kleingruppe diskutierte zum Handlungsfeld Finanzierung von Open Access. Dort wurde zunächst festgestellt, dass in Deutschland zwar die Notwendigkeit von Finanzierungsmodellen jenseits von Article Processing Charges (APCs) gefordert wird – wie zuletzt in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats -, aber bislang wenig praktische Ansätze und Initiativen existieren.

Wichtig war den Teilnehmenden, den Fokus auf nicht-kommerzielle Formen des Open Access zu legen. Transformationsverträge wie die im Projekt-DEAL ausgehandelten Verträge mit Wiley und Springer Nature betrachteten die Teilnehmenden eher kritisch: diese böten keine befriedigende Antwort auf die drängende Frage der Open-Access-Finanzierung. Als Schlussfolgerung aus der Erfahrung der DEAL-Verhandlungen seien alternative Ansätze zu entwickeln.

Ein Ansatzpunkt in der Diskussion waren die Universitätsverlage: Könnten diese alternative Publikationsmöglichkeiten bieten? Dagegen spricht, dass Universitätsverlage vorrangig den eigenen Einrichtungsangehörigen offen stünden. Es würden allerdings Publikationsoptionen benötigt, die für Autor*innen unabhängig von ihrer institutionellen Anbindung zugänglich sind. Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit nicht-kommerzieller Angebote auch im Bereich der Universitätsverlage hervorgehoben, diese können auch gewinnorientiert handeln. Der Blick auf den angelsächsischen Buchmarkt zeigt, wie Universitätsverlage als wichtige kommerzielle Player fungieren. Open-Access-Publizieren solle, so eine weitere Position, auch in kleinen scholer-led-Initiativen und -Verlagen stattfinden können und sich damit eine eigensinnige Praxis bewahren.

Eine zukünftige Finanzierungstrategie sollte deshalb ein klares Bekenntnis zu Diamond- und scholar-led-Open Access beinhalten. Dies müsse allerdings idealerweise mit einem Wandel des akademischen Anerkennungsystems einhergehen, z.B. durch die Integration von Open-Access-Aktivitäten als Anforderung in universitären Berufungsverfahren.  

Bibliodiversität

In der Diskussion zum dritten Handlungsfeld der Bibliodiversität wurde die Vielfalt der Publikationsformate thematisiert. Dabei waren sich die Teilnehmenden einig, dass eine Anerkennung der Vielfalt von Publikationsformaten im Wissenschaftssystem auch notwendig eine höhere Anerkennung inhaltlicher Qualitätssicherung zur Folge habe. Die Förderung von Bibliodiversität sei damit ein wichtiger Schritt zum Kulturwandel im wissenschaftlichen Reputationssystem und damit auch institutionell zu fördern, wie bspw. im Jussieu-Appell für offene Wissenschaft und Bibliodiversität gefordert wird.

Dabei stand generell zur Diskussion, wie eigentlich wissenschaftliche Qualitätssicherung weiter gedacht werden kann und muss: Braucht es die herkömmlichen Begutachtungsverfahren noch oder gibt es andere Möglichkeiten, wie bspw. eine Community-basierte Begutachtung, Open-Review-Modelle oder redaktionelle Begutachtung im scholar-led Bereich? Neben der Bedeutung des experimentellen Publizierens und der nötigen Offenheit für vielfältige Formate und Formen des Publizierens, diskutierte auch diese Gruppe über die dafür notwendige sozio-technische Infrastruktur. Die Idee einer überregionalen Publikationsplattform wurde dabei positiv beurteilt, denn dadurch könne zum einen der Workflow kooperativ genutzt werden und zum anderen die Wissenschaftscommunities besser vernetzt werden. Insbesondere die fehlende Vernetzung zwischen neuen und bereits vorhandenen Publikationsprojekten wurde als Mangel formuliert. Ein Weg aus der Projektförderung und eine strategisch bessere Vernetzung unter den Stakeholdern wurde als Herausforderung formuliert.

Empfehlungen

Aus der Diskussion mit dem scholar-led.network lassen sich einige Empfehlungen formulieren, die in einem nationalen Strategieprozess diskutiert werden können:

  • Plattformgestütze Publikationsinfrastruktur

Eine plattformgestütze sozio-technische Publikationsinfrastruktur und damit zusammenhängend ein Kompetenzcenter für Publikationsdienste, das nicht nur den institutionell angebundenen Wissenschaftler*innen offen steht, ist eine der Hauptforderungen des scholar-led.networks. Die Möglichkeiten des plattformgestützen Publikationsmanagements sind jedoch nicht hinreichend bekannt, weshalb eine professionelle, digital gestützte Organisation von Publikationsprozessen in der Wissenschaftscommunity ansprechender und breiter kommuniziert werden sollte.

  • Diamond Open Access

Der ausdrückliche Wunsch, sich auf Bundesebene zur Finanzierung von Diamond Open Access zu bekennen, wird von dem scholar-led.network als notwendiger Aspekt der weiteren Open-Access-Transformation in Deutschland betont. Eine nationale Strategie sei in der Lage, eine nicht-profitorientierte Ausprägung von Open Access nicht nur zu empfehlen, sondern Wege der Implementierung und damit auch Finanzierung aufzuzeigen.

  • Die Reputationsökonomie verändern

Der viel diskutierte Kulturwandel in der Wissenschaft ist eine dritte wichtige Forderung des scholar-led.networks. Viele praktizieren in ihren Publikationsprojekten bereits einen hohen Grad an Bibliodiversität, wie Mehrsprachigkeit oder alternative Begutachtungsverfahren und Publikationsformate. Doch dies ist längst nicht im Mainstream des Wissenschaftssystems angekommen. Ein Bekenntnis zur Veränderung des bisherigen Anerkennungssystems durch die Unterstützung von Bibliodiversität und einer positiven Bewertung von Open-Access-Praktiken, sei eine wichtige nationale Aufgabe.

Im Verlauf diesen Jahres werden wir weitere Workshops mit Stakeholdern aus dem Bereich des wissenschaftlichen Publizierens veranstalten. Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie Nachfragen und Anregungen haben. Wir freuen uns auf den weiteren Austausch mit der Open Access Community. Weitere Berichte und Beiträge zu unserem Projekt werden unter anderem hier auf dem Open Access Blog Berlin erscheinen.