Gender & Diversity in der Biologiedidaktik

Seit September gibt es am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie (BCP) eine unbefristete Stelle für eine*n wissenschaftliche*n Mitarbeiter*in für Gender, Diversity und Sexualbildung in der Didaktik der Biologie – auch dank des jahrelangen Engagements der zuständigen Frauenbeauftragten des Fachbereichs.

Für die Freie Universität ein Meilenstein: Damit sind Geschlecht und Diversität als Inhalte und als methodisch-didaktische Herangehensweise nun strukturell in der Lehramtsausbildung im Fachbereich BCP verankert. Für die Sexualbildung – eine wichtige Kompetenz für das Referendariat und im späteren Berufsleben – war für Lehramtsstudierende der Biologie bislang weder ein Seminarangebot noch eine Ansprechperson dauerhaft sichergestellt. Mit der neuen Stelle werden nun fachbezogene Module wie „Diversitätssensible Sexuelle Bildung“ für Lehramtsstudierende und „Gender & Diversity in der Biologie“ für Biolog*innen in der Berufsfeldorientierung etabliert.

Expertin für Sexualbildung Sarah Huch eingestellt

Besetzt wurde die Stelle mit Sarah Huch (Foto rechts), die in der Biologiedidaktik zum Thema „Bildungsprozesse zum Umgang mit sexueller Vielfalt (Diversity im Biologieunterricht). Empirische Analyse der Einstellungen von Schüler*innen zu Geschlecht und sexuellen Orientierungen“ promoviert hat.

“Es freut mich sehr, dass es gelungen ist, die Stelle zu verstetigen. An diesem Erfolg hat die Frauenbeauftragte des Fachbereichs BCP, Christine Eßmann-Stern (Foto links), maßgeblich mitgearbeitet. Sie kämpft seit Jahren für die Umsetzung von Gender- und Diversity-Strukturen an ihrem Fachbereich. Ich wurde noch nie in diesem Ausmaß in meiner Arbeit unterstützt. Dass es endlich geklappt hat, grenzt an ein kleines Wunder”, kommentiert Huch dieses Ergebnis erfolgreicher Gleichstellungsarbeit.

Seit 2011 war Sarah Huch befristet in dem Projekt des Berliner Senats „Pädagogischer Umgang mit sexueller Vielfalt“ an der FU beschäftigt, das pandemiebedingt im August 2021 nicht verlängert werden konnte. Seit 2018 war Sarah Huch parallel als wissenschaftliche Koordinatorin für Gender und Diversity am Fachbereich BCP angestellt. „Wäre diese Stelle nicht verstetigt worden“, so die Frauenbeauftragte, “hätte die Freie Universität eine hervorragende Wissenschaftlerin verloren, die seit zehn Jahren erfolgreich Drittmittel in ihrem Bereich einwirbt.“

Gender und Diversity in den MINT-Fächern

Dauerstellen mit dem Schwerpunkt Gender und Diversity sind vor allem in den MINT-Fächern noch Ausnahmen. Bisher gab es an der FU nur eine verstetigte Stelle: Der Arbeitsbereich Gender Studies in der Mathematik wurde 2016 nach einer dreijährigen Pilotphase mit einer Dauerstelle für eine wissenschaftliche Mitarbeiterin etabliert und widmet sich insbesondere der Integration von Genderkompetenzen in die Lehramtsausbildung. Im Fachbereich Physik gibt es den Schwerpunkt Wissenschafts- und Geschlechterforschung bereits seit 2013, allerdings ist er nur durch befristete Professuren vertreten, also nicht verstetigt.

Für den Fachbereich BCP ist die Dauerstelle ein wichtiger Erfolg, weitere werden angestrebt. Als nächstes Ziel sieht der künftige Frauenförderplan eine Gastprofessur mit Schwerpunkt Gender und Diversity vor.

Sexualität darf im Unterricht kein Tabuthema sein

In der Lehramtsausbildung ist die Sexualbildung noch ein vernachlässigtes Randthema, obwohl aktuelle Studien Sarah Huch zufolge belegen, dass Studierende fachübergreifend mehr Kompetenzen in diesem Bereich wünschen. Denn: „Auf dem Schulhof sind Geschlechterrollen sehr präsent, schon dort sind diese Kompetenzen wichtig. Endlich können sich Lehramtsstudierende systematisch in der Sexualbildung qualifizieren.“ Huch ist begeistert, nun entsprechende Seminare konzipieren zu können. Das sei deutschlandweit noch etwas ganz Besonderes, und sie führt weiter aus: „Schulbücher halten die gesellschaftliche Annahme der Zweigeschlechtlichkeit weiterhin aufrecht und auch Heterosexualität wird immer noch als Norm gesetzt. Da ist noch einiges zu tun, um einen Rahmen zu schaffen, in dem sich alle wiederfinden können. Ich finde es wichtig, in der Lehre Materialien zu verwenden, in denen nicht nur weiße, heterosexuelle und nicht-behinderte Personen dominieren. Ich möchte danach fragen, wie man Lehr- und Lernsettings gestalten kann, um Diskriminierung abzubauen, und gleichzeitig aufgreifen, welche Relevanz Gender und Diversity für biologische Inhalte haben.“

Was wird sich in Zukunft ändern?

Nicht nur soll Sexualbildung in Zukunft mit Erkenntnissen aus der Geschlechterforschung zusammengedacht werden, sondern auch Themen wie sexualitätsbezogene Mediennutzung, Geschlechtervielfalt, sexuelle Selbstbestimmung und Prozesse sozialer Ungleichheiten möchte Huch aus intersektionaler Perspektive aufgreifen und langfristig als Lehrinhalte etablieren. Als Ansprechpartnerin für Diversity an der Dahlem School of Education (DSE) ist sie außerdem im Aufbau diskriminierungsfreier Studienbedingungen erfahren.

Sarah Huch ist es ein besonderes Anliegen, in den Dialog mit Akteur*innen der Lehreamtsausbildung und mit Wissenschaftler*innen zu treten: In Formaten wie Team Teachings möchte sie Fachexpertisen gewinnbringend zusammenfließen lassen. Dabei denkt sie etwa an den Austausch zwischen Verhaltensbiologie und Genderforschung in der Biologie.

Außerdem plant sie, mit Expert*innen Seminare zu einer vielfaltsorientierten rassismuskritischen Fachdidaktik zu entwickeln. Als besonders fruchtbar hat sie in diesem Rahmen bereits die Zusammenarbeit mit Martin Lücke, Professor für Didaktik der Geschichte, und Melanie Bittner, Projektkoordinatorin der Toolbox Gender und Diversity in der Lehre, erlebt. Die Toolbox, ein Kooperationsprojekt des Teams Zentrale Frauenbeauftragte und des Margherita-von-Brentano-Zentrums, sieht künftig einen Schwerpunkt in der Lehramtsausbildung vor.

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