Diversity ist ein Buzzword an Universitäten; konkrete Probleme und Dynamiken, die Diversität behindern, werden jedoch meist nicht benannt. Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie im Hochschulkontext Probleme tabuisiert und totgeschwiegen werden. Im Mai beleuchtete diesen Zusammenhang ein Vortrag bei der Tagung Diversity Affects an der FU.
Unter dem Titel Somewhere between Safe and Brave Spaces: Fighting Sexualized Harassment and Violence in German Academia analysieren wir in unserem Vortrag Erfahrungsberichte über sexualisierte Gewalt im Hochschulkontext. Betroffene Personen haben diese Berichte anonym über die Online-Plattform unseres Forschungsschwerpunkts Sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext eingereicht. Der Tagungsbeitrag ist Ergebnis einer vom Margherita-von-Brentano-Zentrum (MvBZ) initiierten Arbeitsgruppe, in der wir vom Forschungsschwerpunkt am MvBZ mit Kolleg*innen unterschiedlicher Bereiche der FU zusammenarbeiten.
Unsere Präsentation ist aufgebaut wie eine Performance mit verteilten Rollen. Sie greift die Idee der mexikanischen Künstlerin Mónica Mayer auf, die in einem Kunstprojekt in Mexiko-Stadt an einer Wäscheleine Erfahrungen von Frauen mit sexualisierter Gewalt sammelte und sichtbar machte. In unserem Vortrag werden drei reale Erfahrungsberichte aus dem Hochschulkontext vorgetragen, die aus Datenschutzgründen in der Videodokumentation ausgeblendet sind. Was Hochschulen tatsächlich gegen sexualisierte Gewalt tun (nicht viel), wird kontrastiert mit dem Beitrag einer Beraterin zu sexualisierter Gewalt, die sich und ihre Rolle aufgrund der fehlenden Strukturen an Hochschulen als Teil des Problems betrachtet.
In der Diskussion werden die gemeinsamen Punkte der Erfahrungsberichte herausgearbeitet: Die asymmetrischen Machtstrukturen und Hierarchien, die Mikroaggressionen, die androzentrische Struktur der Universität, die Individualisierung sexualisierter Gewalt an der neoliberalen Hochschule und die Kultur des Schweigens. In Anlehnung an die britische Wissenschaftlerin Sara Ahmed wird im Vortrag abschließend für eine Organisationskultur plädiert, die es erlaubt, das Problem sexualisierter Gewalt zu benennen: „The problem has to be named“. Anstatt mit Diversity eine glänzende Fassade zu schaffen, sollte es genutzt werden, um die Schattenseiten der Institution Hochschule zu beleuchten, etwa sexualisierte Gewalt und Diskriminierung – Themen, die mit unangenehmen Gefühlen verbunden sind. Der Mythos der Universität als „enlightened organization“ kann nur durch weitere kritische Forschung enthüllt werden.
Die Präsentation endet mit einem Hinweis auf unsere Online-Plattform im Rahmen des Forschungsschwerpunkts. Dort können Betroffene anonym über sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext berichten, die sie selbst erlebt oder in ihrem universitären Umfeld beobachtet haben. Die Erfahrungsberichte bilden den Ausgangspunkt für qualitative Forschung, die mithilfe von Interviews weiter vertieft werden soll.
Dr. Sabina García Peter, Dr. Heike Pantelmann, Dr. Tanja Wälty, Margherita-von-Brentano-Zentrum