Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – bis heute entscheiden sich viel weniger Frauen als Männer für ein Studium dieser Fächer. Das bundesweit größte Angebot, um Schülerinnen für MINT zu begeistern, ist der jährliche Girls’Day. Seit 20 Jahren beteiligt sich die FU daran – Anlass für einen Blog-Themenmonat zu Geschlechtergerechtigkeit in MINT.
Aktuell sind rund 28 % der FU-Studierenden in der Informatik weiblich, in der Physik sind immerhin etwa ein Drittel Frauen. Vor zehn Jahren lag der Studentinnenanteil in der Informatik noch unter 20 %, in der Physik überstieg er 2012 erstmals diese Marke. Wie die meisten MINT-Berufe sind auch die entsprechenden Studiengänge bis heute männlich dominiert. Doch trifft das auf alle MINT-Fächer gleichermaßen zu? Und wie sieht es in den wissenschaftlichen Leitungspositionen aus? Mit einer quantitativen Analyse zu Frauen in MINT-Fächern an der FU gehen wir diesen Fragen nach und skizzieren ein differenziertes Bild der Geschlechterasymmetrien in MINT.
Durch die Unterrepräsentanz von Frauen in MINT, auch in wissenschaftlichen Leitungspositionen, mangelt es häufig an weiblichen Vorbildern, die Studentinnen ermutigen könnten, diese Laufbahn einzuschlagen. Professorinnen der Mathematik, Physik oder Informatik sind im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nach wie vor in der Unterzahl, aber es gibt sie, auch an der FU. In unserem Themenmonat stellen wir einige von ihnen in Interviews vor. Hélène Esnault, Einstein-Professorin für Algebra und Zahlentheorie bis 2019, Christiane Koch, Professorin für theoretische Physik, und Katinka Wolter, Professorin für Informatik mit Schwerpunkt zuverlässige Systeme, erzählen, wie sie zu ihrem Fach gefunden haben, schildern ihren Weg in die Wissenschaft und zur Professur und reflektieren die Geschlechterverhältnisse in ihrer Fachkultur.
Die Unterrepräsentation von Frauen in MINT hat gesellschaftliche Ursachen, darauf hat zuletzt etwa die Expertise „MINT. Warum nicht?“ im Rahmen des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung hingewiesen. Geschlechtsspezifische Sozialisationserfahrungen, die Mädchen weniger Berührungspunkte mit MINT bieten, zählen ebenso dazu wie Geschlechterstereotype, die mathematisch-logische Fähigkeiten vorrangig Jungen bzw. Männern zuschreiben. Diese asymmetrischen Strukturen setzen sich in Hochschule und Beruf fort; vergeschlechtlichte Fachkulturen erschweren Frauen ebenso den Zugang wie männlich konnotierte MINT-Berufsbilder. Das Forschungsprojekt „Math+ as a Research Object“, eine Kooperation der Arbeitsgruppe Gender Studies in der Mathematik der Freien Universität und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, erforscht diese Zusammenhänge ebenso wie die Arbeitsgruppe der Professur für Wissenschafts- und Geschlechtersoziologie der Physik der FU. Beide geben im Rahmen unseres Themenmonats Einblick in ihre Forschungsergebnisse.
Geschlechterasymmetrien in MINT soll der Girls’Day, der bundesweite Mädchen-Zukunftstag, entgegenwirken. Das größte Berufsorientierungsprogramm für Schülerinnen ab der 5. Klasse hat zum Ziel, das Spektrum an Berufswünschen von Mädchen und jungen Frauen zu erweitern, insbesondere in Hinblick auf MINT-Berufe.
Die FU bietet zum Girls’Day seit 2002 Workshops an; über 1.000 Schülerinnen kamen zu Spitzenzeiten für diesen Tag an die Hochschule. Pandemiebedingt wurde der Girls’Day an der FU im letzten Jahr erstmals digital durchgeführt. Auch die Jubiläumsveranstaltung am 28. April 2022 findet als digitaler Girls’Day statt. „Lichtblitz oder Kristallklar?“, „Von Quanten zu Ökosystemen, Forschen wie im Computerspiel!“, „Wo sind die Grenzen der Intelligenz?“, unter diesen und anderen Titeln laden zahlreiche Workshops dazu ein, einen Tag als Wissenschaftlerin an der Freien Universität zu verbringen.
Die Angebote der FU für Schülerinnen beschränken sich jedoch nicht auf den Girls’Day. Im Projekt NATürlich treffen Schülerinnen Naturwissenschaftlerinnen aus der Biologie, Chemie oder Pharmazie; seit 2021 können sie im Rahmen des Projekts auch naturwissenschaftliche Ausbildungsberufe kennenlernen. Das Programm MINToring bietet Workshops und Betriebspraktika für Schülerinnen mit fachlichem Bezug zu Informatik, Physik und seit 2021 auch zu den Geowissenschaften an. Im letzten Jahr startete zudem die Evaluation des MINToring-Programms; sie wertet die Angebote aus der Perspektive der Schülerinnen wie auch der Kooperationspartner*innen in den Fachbereichen aus. Diese Projekte, einschließlich der Evaluation, werden wir im Rahmen des Themenmonats ausführlicher vorstellen. Wie das Spektrum der Beiträge verdeutlicht, ist weit mehr als der jährliche Mädchen-Zukunftstag erforderlich, um Geschlechtergerechtigkeit in MINT zu verwirklichen. In diesem Sinne werden wir das Thema auch über diesen Schwerpunktmonat hinaus weiterverfolgen.