Pilotprojekte gegen Periodenarmut

Kostenlose Menstruationsartikel stehen seit einigen Monaten in ausgewählten Toiletten an den Fachbereichen Biologie, Chemie, Pharmazie und Physik bereit. Mit diesem Angebot entlasten studentische Initiativen und dezentrale Frauenbeauftragte Menstruierende finanziell und adressieren das Thema Periodenarmut an der Freien Universität.

„Freie Menstruationsprodukte am FB Physik!“ Mit dieser Meldung machte die studentische Initiative PhLyNTA* im Januar 2022 auf Instagram auf ihr Modellprojekt aufmerksam, das kostenlose Menstruationsprodukte in ausgewählten Toilettenräumen des Fachbereichs bereitstellt. PhLyNTA*, eine Ende 2021 gegründete studentische Gruppe für Frauen, Lesben, Intersexuelle Menschen, Nicht-binäre Menschen und Transgender Personen am Fachbereich Physik, engagiert sich gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit und setzt sich neben kostenfreien Menstruationsprodukten auch für All-Gender-Toiletten ein. Zunächst wurde das Modellprojekt finanziell von der Fachschaftsinitiative getragen. Mit Unterstützung der Frauenbeauftragten des Fachbereichs Physik, Beate Schattat, hat mittlerweile der Fachbereichsrat beschlossen, kostenlose Menstruationsprodukte in den Toiletten bereitzustellen, finanziert aus Frauenfördermitteln.

Kurze Zeit später, Mitte März 2022, startete „Period for free“, ein Pilotprojekt des Fachbereichs Biologie, Chemie, Pharmazie (BCP), das kostenfreie Menstruations- und Verhütungsprodukte in vier verschiedenen Toiletten auf dem Campus zur Verfügung stellt. Die Fachschaftsinitiative BCP initiierte das Projekt und gewann die Frauenbeauftragte des Fachbereichs, Christine Eßmann-Stern, für dessen Finanzierung, ebenfalls aus Frauenfördermitteln. „Gerade in der Corona-Zeit“, so Eßmann-Stern, „haben viele Studierende berichtet, dass das Geld knapp ist. Zudem haben etliche Studierende ihre Jobs verloren und sowieso schon wenig finanzielle Sicherheit, weshalb diese zusätzlichen Ausgaben eine Belastung darstellen“. Um alle einzubeziehen, war es der Frauenbeauftragten wichtig, zusätzlich Kondome bereitzustellen; auch in Modellrechnungen werden Verhütungsmittel häufig als weitere Ausgaben in Zusammenhang mit der Menstruation veranschlagt.

Die Initiatorinnen am Fachbereich BCP ziehen nach drei Monaten Laufzeit eine erfreuliche Bilanz: Die Rückmeldungen von Studierenden sind ganz überwiegend positiv. Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, dass die Produkte nicht nur in den BCP-Toiletten, sondern universitätsweit erhältlich sein sollten. Neben der finanziellen Entlastung bieten die Hygiene-Boxen auch Hilfe im Notfall, wenn Studierende „plötzlich ihre Periode bekommen und keine Hygieneartikel dabei haben“, erklärt Eßmann-Stern.

Was ist Periodenarmut?

Frauen wie auch menstruierende trans*-, inter*- und nicht-binäre Menschen sind auf Menstruationsprodukte wie Tampons oder Binden angewiesen. Darüber hinaus benötigen viele während der Menstruation weitere Produkte, wie z.B. Schmerzmittel, die zusätzliche Ausgaben verursachen. Wer sich Menstruationsprodukte aufgrund von finanziellen Engpässen nicht leisten kann, leidet unter Periodenarmut (aus dem Englischen: period poverty). Es handelt sich dabei um ein weltweites Phänomen, das im globalen Süden besonders verbreitet ist. Periodenarmut bezieht sich neben ökonomischen Aspekten auch auf hygienische Bedingungen wie fehlende Zugänge zu Wasser, Sanitär- und Hygieneanlagen. Die globale Herausforderung wird durch die Angaben der Weltbank deutlich: Weltweit haben über 500 Millionen Frauen und Mädchen keinen ausreichenden Zugang zu Artikeln und Einrichtungen zur Menstruationshygiene.

Foto: Odylon Fiedler

Auch in reichen Industrieländern ist Periodenarmut eine Realität – vor allem für Frauen und andere menstruierende Menschen mit geringem Einkommen, insbesondere für Personen ohne festen Wohnsitz. Laut der aktuellen Studie „Armut von Studierenden in Deutschland“ der Paritätischen Forschungsstelle leben rund 30 Prozent aller Studierenden unterhalb der Armutsgrenze. Für mindestens die Hälfte der Studierenden bedeutet der Kauf von Hygieneartikeln eine zusätzliche finanzielle Belastung. Dies kann zur Folge haben, dass Betroffene auf unzureichende, unhygienische Alternativen wie Toilettenpapier oder Stoffreste zurückgreifen oder sogar der Hochschule fernbleiben, wenn sie menstruieren. In Deutschland gibt es bislang keine Untersuchungen zu Periodenarmut unter Studierenden; auch Studien zur Höhe der monatlichen Ausgaben für Menstruationsgesundheit fehlen. Die aktuelle Studie „Menstruation im Fokus“ von Plan international und WASH United gibt eine Spanne zwischen fünf und 35 Euro pro Monat an, je nachdem, welche Ausgaben einbezogen werden. Angesichts des Bafög-Höchstsatzes geht die Studie davon aus, dass Periodenarmut in Deutschland auch Bafög-Bezieher*innen betrifft. Eine von Studierendenvertreterinnen initiierte Online-Umfrage von 2021 an der Universität Passau ergab, dass sich 20 Prozent der 400 befragten Studierenden keine Menstruationsartikel leisten können.

Good-Practice-Beispiel: PeriodUP

Als erste Hochschule in Brandenburg stellt die Universität Potsdam seit 2021 in dem zweijährigen Pilotprojekt „PeriodUP“ Periodenprodukte kostenlos für ihre Hochschulangehörigen und Gäste zur Verfügung, unter finanzieller Beteiligung der Hochschulleitung und des Studierendenparlaments. Das beteiligte Koordinationsbüro für Chancengleichheit (KfC) unterstützt nicht nur die kostenfreie Versorgung mit Menstruationsartikeln, sondern will auch der Tabuisierung der Menstruation entgegenwirken, das Thema an der Hochschule stärker sichtbar machen und zu dessen gesellschaftlicher Normalisierung beitragen. Mit der Veranstaltungsreihe „Once a Month“ richtete das KfC im Sommersemester 2022 den Blick auf die individuellen und gesellschaftlichen Potentiale des Zyklus, Vaginalgesundheit, Körperbilder und den Umgang mit der Monatsblutung. Der begleitende Podcast „Let’s Talk. Period“ vertieft diese Themen im Gespräch mit den Referentinnen der Veranstaltungsreihe. Anstoß für den Themenschwerpunkt, so Nina Hackmann und Elisabeth Noske vom KfC, war der Fall einer Studieninteressentin, der ein Alternativtermin für den Sporteignungstest trotz erwartbarer Menstruationsbeschwerden verwehrt worden war.

Studierende gegen Periodenarmut

Häufig initiieren Studierende Projekte gegen Periodenarmut und engagieren sich mit Hilfe von Fachschaften und Frauenbeauftragten für die Finanzierung und Realisierung. Dem ehrenamtlichen, zeitintensiven Einsatz der Studierenden stehen begrenzte finanzielle Ressourcen und knappe zeitliche Kapazitäten entgegen. Um Menstruationsartikel dauerhaft kostenfrei zur Verfügung zu stellen, ist daher institutionelles Handeln erforderlich. Das Studierendenparlament der FU sprach sich bereits im April 2019 für kostenlose Menstruations- und Hygiene-Produkte an der Universität aus. 2021 forderte der „freie zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs) in einem offenen Brief, dass „bundesweit an allen Bildungseinrichtungen kostenlose Menstruationsartikel bereitgestellt werden”. Die bundesweite Vereinigung von über 90 Studierendenvertretungen sieht darin „eine niederschwellige und vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit, Bildungsgerechtigkeit und somit auch langfristig die Chancengleichheit zu verbessern“. Anfang 2022 veröffentlichte die LandesAstenKonferenz Berlin, ein Zusammenschluss von Berliner Studierendenausschüssen, eine Stellungnahme von 20 studentischen Vertretungen und Initiativen mit gleichlautenden Forderungen. Sie appelliert an alle Berliner Hochschulen und das Studierendenwerk Berlin, „kostenlose Menstruationsprodukte – konkret Tampons und Binden – auf allen Toiletten der Hochschulen, der Universitätsbibliotheken, Mensen und sonstigen angeschlossenen Institutionen bereitzustellen”.

Neben der Universität Potsdam bieten etliche weitere Hochschulen campusweit kostenfreie Periodenprodukte an, zumeist auf studentische Initiative und häufig im Rahmen von Pilotprojekten, darunter die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die Philipps Universität Marburg, die Universität Bonn, die Universität Passau, die Universität Regensburg, die Universität des Saarlandes und die Universität Stuttgart. Die Bereitstellung kostenfreier Menstruationsprodukte begreifen die so engagierten Hochschulen als Beitrag zu Chancengerechtigkeit und Teilhabe, zu einer arbeits- und studienfreundlichen Atmosphäre und nicht zuletzt zu Geschlechtergerechtigkeit. So bewertet die Gleichstellungsbeauf­tragte der Universität Jena, Prof. Dr. Bärbel Kracke, das Angebot als „positives Signal für die Gleichstellung der Geschlechter“. Die Liste an guten Gründen, kostenlose Menstruationsartikel universitätsweit einzuführen, ist lang. Wie die fachbereichsbezogenen Pilotprojekte zeigen, ist der Ruf danach auch an der FU deutlich zu vernehmen.

Daniela Baresch, Praktikantin Öffentlichkeitsarbeit im Team Zentrale Frauenbeauftragte

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