Ausgezeichnet und gefeiert: Mechthild Koreuber

Der Margherita-von-Brentano-Preis 2023 ging an Dr. Mechthild Koreuber, zentrale Frauenbeauftragte der Freien Universität von 1999 bis 2023. Mit dieser Auszeichnung würdigte das Präsidium Koreubers langjähriges und unermüdliches Engagement für mehr Geschlechtergerechtigkeit an der Hochschule. Impressionen in Wort und Bild stellen wir Ihnen in der Nachlese zur feierlichen Preisverleihung vor.

„Energisch, aufgewühlt und doch – oder gerade deswegen – auch so erfrischend“, so beschrieb Marianne Braig, Professorin am Lateinamerika-Institut und Moderatorin des Abends, die Preisträgerin Dr. Mechthild Koreuber im Rahmen der Festveranstaltung zur Margherita-von-Brentano-Preisverleihung am 23. Januar 2024 im Henry-Ford-Bau.

Dr. Mechthild Koreuber

Die Mathematikhistorikerin Mechthild Koreuber war von April 1999 bis Mitte April 2023 zentrale Frauenbeauftragte der Freien Universität Berlin. Sie erhält die Auszeichnung für ihr langjähriges Engagement für Gleichstellung und Frauenförderung an der FU. Die während ihrer Amtszeit aufgebauten Gleichstellungstrukturen prägen nicht nur die Freie Universität bis heute, sie haben darüber hinaus auch bundesweit Standards gesetzt. Koreuber richtete eine Initiative zur Förderung der Geschlechterforschung in den MINT-Fächern ein und baute nachhaltige Strukturen zum Schutz vor sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an der Hochschule auf. Während ihrer Amtszeit konnte der Frauenanteil bei Professuren an der Freien Universität deutlich gesteigert werden.

Von Fachkollege zu Fachkollegin

Prof. Dr. Günter M. Ziegler

Der Präsident der Freien Universität Berlin, Professor Dr. Günter M. Ziegler, begrüßte die Preisträgerin und die Festgesellschaft mit sichtlicher Freude beim Blick ins Auditorium. Er sei „lange nicht mehr unter so vielen Powerfrauen“ gewesen. Ziegler sprach als Mathematiker sozusagen als Fachkollege zur scheidenden Frauenbeauftragten und Mathematikerin. Er dankte ihr für ihr tatkräftiges Engagement. Hierfür zitierte er den römischen Redner und Philosophen Marcus Tullius Cicero: „Keine Schuld ist dringender, als die, Dank zu sagen.“

Erfolgreiche Gesetzesänderungen

Dr. Ina Czyborra

Das Grußwort sprach Dr. Ina Czyborra, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege. Sie würdigte Koreubers Einsatz auch auf politischer Ebene. So sei es ihr zu verdanken, dass der Passus „zentrale Frauenbeauftragte müssen vertreten werden“ in das Berliner Hochschulgesetz aufgenommen wurde. Dass die Präsenz von Frauen in allen universitären Bereichen eine wichtige Signalwirkung hat, zeigt sich auch an Czyborras eigener Geschichte. Über ihr Studium der prähistorischen Archäologie und Geschichte sagte sie: „Ich war in einer Welt ohne Frauen.“ Nur durch einen Kulturwandel und die Implementierung von Maßnahmen könne strukturellen Ungleichheiten an Hochschulen entgegengewirkt werden. Diesen Wandel voranzubringen sei, wie so viele Aufgaben der Frauenbeauftragten, keine vergnügungssteuerpflichtige Arbeit. „Wir sind wirklich nicht am Ziel“, so das Fazit der Senatorin.

„Mein großer Knicks vor deiner Arbeit“

Geduldig und mit langem Atem habe Mechthild Koreuber an der FU stereotypes Denken – auch bei sich selbst – erkannt, aufgebrochen und sei dagegen angegangen. Mit Respekt und Bewunderung blickte die Laudatorin Professorin Dr. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, auf Koreubers Leistungen der vergangenen Jahrzehnte.

Prof. Dr. Jutta Allmendinger

„An der Uni und in der Wissenschaft sei es zwar eine Selbstverständlichkeit zu sagen, dass man Stellen mit Frauen besetzen wolle, aber keine Selbstverständlichkeit, sie tatsächlich mit Frauen zu besetzen.“ Dagegen hat Koreuber als Frauenbeauftragte unter anderem gekämpft. Nun sei es an der Zeit für ihre Nachfolgerinnen, „das große Erbe anzutreten und weiter das dicke Brett zu bohren“. Trotz aller Erfolge der letzten Jahre sei die die To-do-Liste in der Wissenschaft gegen Diskriminierung nach wie vor lang: Wissenschaftszeitvertragsgesetz, Tenure Track, Gender Pay Gap und der Dauerbrenner, die Frage nach der Vereinbarkeit stehen darauf. „Niemand“, sagte Allmendinger, „sollte auf Kinder verzichten, um eine ordentliche Karriere machen zu können.“

„Die mit dem Teeladen“

Andrea Güttner

Andrea Güttner, Kanzlerin der Freien Universität Berlin (mdWdAb) und langjährige Wegbegleiterin von Mechthild Koreuber, erinnerte sich in ihrer Laudatio an ihre erste Begegnung. Als studentisches Mitglied im Frauenrat nahm Güttner vor über 25 Jahren an den Vorstellungsgesprächen für das Amt der zentralen Frauenbeauftragten teil, „und damit hatte ich die Ehre, die zentrale Frauenbeauftragte mit auszuwählen. Zudem arbeitete ich im Büro der zentralen Frauenbeauftragten als studentische Hilfskraft – ich durfte mir also sogar meine Chefin aussuchen“. Gewählt wurde letztendlich „die mit dem Teeladen“, so wurde Mechthild Koreuber nach Sichtung der Bewerbungsunterlagen „etwas schnodderig“ genannt. Am 1. April 1999 trat sie das Amt an. Während ihrer Amtszeit habe Koreuber viele Rollen eingenommen, von der „Expertin, Beraterin, Krisenmanagerin“ zur „Ideengeberin, Vertrauten und Streitpartnerin“, so Güttner. „Du hast dein Engagement, deine Kraft, deine Persönlichkeit […] in diese Aufgabe gegeben, auch mit all dem Negativen, die in einer solchen Funktion auf einen zukommen: Druck, Kritik, teilweise Unfairness und persönliches Angehen.“ Dies alles habe Koreuber gemeistert und „dafür sage ich an dieser Stelle als Kanzlerin der FU Berlin, aber auch als ehemalige Studentin […] und Frau danke – danke, dass du diesen Weg gegangen bist“.

„Danke im Namen der Berliner Mathematik“

Prof. Dr. Ralf Kornhuber

Auch Dr. Ralf Kornhuber, Professor am Institut für Mathematik, blickte dankbar auf die Zusammenarbeit mit Koreuber zurück: „Sie war ein Gewinn für die FU, teilweise mit lautstarken Konflikten, mit der Einforderung nach Mitsprache hat sie einen sanften Kulturwandel eingeführt.“ Insbesondere die Implementierung von Gender Studies in der Mathematik sei eine Errungenschaft gewesen. In seiner Laudatio bezog sich Kornhuber – wie andere Redner*innen vor und nach ihm – vor allem auf die Würdigung von Koreubers Leistungen bezüglich Frauenförderung und Geschlechterforschung im MINT-Bereich. Gerne erinnerte Kornhuber an das gemeinsam realisierte Theaterstück zu Emmy Noether, das Koreuber auf die FU Bühne holte, und an ihr einzigartiges Engagement und ihre wissenschaftliche Beratung zur Noether-Konferenz.

Interdisziplinär und international

Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott

Die Erste Vizepräsidentin der FU, Professorin Dr. Verena Blechinger-Talcott, hatte die Ehre, Mechthild Koreuber den mit 15.000 Euro dotierten Margherita-von-Brentano-Preis zu überreichen. Mit diesem Preis würdigt das Präsidium der Freien Universität alle zwei Jahre Persönlichkeiten oder Projekte für herausragende Leistungen in der Geschlechterforschung oder Gleichstellung. Die Auszeichnung zählt zu den höchstdotierten Frauenförderpreisen in Deutschland. Blechinger-Talcott mit dem Schwerpunkt Gleichstellung im Präsidium betonte Koreubers Engagement in der internationalen Vernetzung mit Universitäten in Ghana und Kenia und ihren interdisziplinären Ansatz in ihrer Arbeit.

An dieses Projekt, EQUIP – Chancengleichheit im Hochschulwesen: Partnerschaft für institutionellen Wandel mit der University of Cape Coast (Ghana), knüpft der Vorschlag von Mechthild Koreuber an, das Preisgeld für eine Nachfolgekonferenz zu verwenden. Eine weitere Idee ist eine Internationale Fachkonferenz zu Geschlechterforschung in der Mathematik und den angrenzenden Disziplinen Physik und Informatik zum International Women in Maths Day am 12. Mai. Auch könnte das Preisgeld für ein Forschungsprojekt zu Emmy Noether und ihren Schülerinnen sowie weiteren Mathematikerinnen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendet werden.

Mit Humor und Geradlinigkeit

Gerne zitierte Mechthild Koreuber Jutta Limbach (erste Frauenbeauftragte eines juristischen Fachbereichs in Deutschland), um die Herausforderungen und Möglichkeiten des Amtes zu beschreiben: „Die Erwartungen an die Frauenbeauftragte sind hoch, ihre Machtmittel dagegen bescheiden. Ihr wird schlicht der Verfassungsauftrag des Grundgesetzes auf die schmalen Schultern geladen.“ Aber trotz aller Last blickte Koreuber zufrieden und stolz auf ihre Amtszeit zurück. Sozusagen als Erfolgsformel dafür nannte sie in einem Interview mit campus.leben Geradlinigkeit und Verlässlichkeit des eigenen politischen Handelns, Zugewandtheit gegenüber den unterschiedlichen Kulturen in einer Universität – und Humor. Die Auszeichnung mit dem Margherita-von-Brentano-Preis sei für sie „eine wunderbare Würdigung meines Wirkens“.

Während ihrer Amtszeit als Frauenbeauftragte war Koreuber nicht selten heftigem Gegenwind ausgesetzt. Bei allem was sie tat, ihr Wirken, ihr Auftreten, wurde nicht von allen geschätzt, von manchen gar gefürchtet. „Streitfähig, konfliktfähig, nie nachtragend“ sei sie gewesen, ihre Loyalität zur Freien Universität unverbrüchlich, sagte Marianne Braig und beendete ihre Moderation mit den Worten „Du hast uns und deine Universität verändert.“

Die Namensgeberin des Preises

Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Prof. Maria Baptist,
Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin

Margherita von Brentano promovierte 1948 bei Martin Heidegger und wurde 1971 Professorin am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin. 1970 wurde sie als erste Frau in das Amt der Vizepräsidentin der Hochschule gewählt. Bereits zu Beginn der 1960er Jahre engagierte sie sich dafür, die berufliche Diskriminierung von Frauen an Universitäten und Forschungseinrichtungen zu überwinden. In ihrem Gedenken wurde 1995 zum ersten Mal der Margherita-von-Brentano-Preis verliehen und seitdem viele Einzelpersonen und Projekte für ihren herausragenden Einsatz für Frauenförderung und Gleichstellung ausgezeichnet.

Alle Fotos auf dieser Seite: Christian Demarco


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