Neue Regelungen für Chancengleichheit (1)

Antidiskriminierungssatzung (1) und Satzung zur Sicherung und Förderung der Chancengleichheit aller Geschlechter (2): Zwei neue Satzungen, die die Gleichstellung an der Freien Universität stärken. Auch der Hochschulvertrag 2024–2028 zwischen dem Land Berlin und der Freien Universität setzt Anreize für Gleichstellung, Vielfalt und Antidiskriminierung. | Teil 2 folgt in Kürze

Das novellierte Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) von 2021 hat die Handlungsfelder Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung deutlich gestärkt, u.a. mit der Vorgabe, die Chancengleichheit der Geschlechter (§ 5c BerlHG) und verschiedene Aspekte einer diskriminierungsfreien Hochschule (§ 5a BerlHG) hochschulintern qua Satzung zu regeln. An der Freien Universität wurden entsprechende Satzungen im letzten Jahr unter Beteiligung von Akteur*innen in den jeweiligen Handlungsfeldern erarbeitet, im Oktober 2023 vom Akademischen Senat verabschiedet und sind im Februar 2024 in Kraft getreten.

Kodex für respektvollen Umgang

Die Antidiskriminierungssatzung formuliert einen Verhaltenskodex für den respektvollen Umgang und die gleichberechtigte Teilhabe aller Universitätsmitglieder ungeachtet ihrer Positionierung entlang verschiedener Diversitätsdimensionen bzw. sozialer Kategorien. Sie zielt darauf ab, Diskriminierungsfreiheit herzustellen, Diskriminierung, sexualisierte Belästigung, Gewalt, Mobbing und Stalking im Hochschulleben zu verhindern bzw. solchem Fehlverhalten wirksam entgegenzutreten. Die Richtlinie zum Umgang mit sexualisierter Belästigung, Diskriminierung und Gewalt behält ihre Gültigkeit für entsprechende Fälle; die Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis gilt für Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

Der Geltungsbereich (§ 2) umfasst alle Universitätsmitglieder und schließt Stipendiat*innen ein, ebenso wie studentische Beschäftigte an der FU, die an einer anderen Hochschule studieren. Darüber hinaus gilt die Satzung, wenn Personen einen Bezug zur FU, zu ihren Mitgliedern oder Einrichtungen haben. Einem diskriminierungsfreien Verhalten sind alle Universitätsmitglieder verpflichtet (§ 3). Insbesondere Hochschulmitglieder mit Personalverantwortung oder Leitungs-, Ausbildungs- und Qualifizierungsfunktion haben die Pflicht, aktiv zu einem respektvollen, wertschätzenden und diskriminierungssensiblen Umgang beizutragen, Beschwerden unverzüglich nachzugehen und Fehlverhalten angemessen zu ahnden.

Was gilt als Diskriminierung?

Eine Diskriminierung liegt gemäß Satzung (§ 4) vor, wenn eine Person aufgrund eines tatsächlichen oder zugeschriebenen Merkmals eine ungerechtfertigte Benachteiligung oder persönlichkeitsverletzende Behandlung erfährt. Mögliche Merkmale sind Lebensalter, Behinderung, chronische Erkrankung oder gesundheitliche Beeinträchtigung, Geschlecht und geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, sozialer Status, sozial-familiäre Lage, Nationalität, ethnische Herkunft oder rassistische oder antisemitische Zuschreibungen, Sprache, Religion oder Weltanschauung. Hierbei können verschiedene Diskriminierungsformen intersektional ineinandergreifen und zu spezifischen Erfahrungen führen. Eine Handlung kann unabhängig von der Intention diskriminierend sein.

Wer nimmt Beschwerden entgegen, wer berät?

Anlaufstelle für Beschwerden nach § 5b Abs. 3 BerlHG ist die Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung; in dieser Funktion agiert sie weisungsfrei (§ 5). Die übergreifende Zuständigkeit für Beschwerden über Diskriminierung an der Freien Universität liegt bei der Hochschulleitung. Eine vertrauliche Beratung bieten neben der Antidiskriminierungsberatung der Stabsstelle verschiedene weitere Anlaufstellen, die für diese Tätigkeit der Schweigepflicht unterliegen, darunter die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (§ 6).

Eine zu gründende Kommission für Diversity und Antidiskriminierung, in der alle Mitgliedergruppen der Universität sowie strukturell benachteiligte Gruppen vertreten sein sollen, unterstützt und berät ihrerseits die Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung (§ 5). Zur Wahrnehmung der Beauftragtenaufgaben gemäß § 59a BerlHG wählt die Kommission einen Vorsitz, der einer Beauftragung durch den Akademischen Senat bedarf. Der Vorsitz hat das Recht auf Information und Teilnahme an allen Gremien mit Antrags- und Rederecht.

Welche Maßnahmen gibt es?

Die Satzung gibt ein Spektrum möglicher Maßnahmen an, deren Einsatz von den konkreten Rahmenbedingungen und der Schwere des Einzelfalles abhängt und die Anonymitätswünsche und Schutzbedürfnisse der betroffenen Person zu wahren hat (§ 7). Mit Einverständnis der Betroffenen kann die Anlaufstelle persönliche Gespräche mit zuständigen Vorgesetzten oder beschuldigten Personen durchführen; möglich ist auch ein moderiertes Gespräch zwischen der betroffenen Person und der beschuldigten Person. Eine Konfliktmoderation oder ein Mediationsverfahren kann mit Einverständnis der betroffenen Person ebenso geprüft werden wie das Einschalten weiterer Ebenen, etwa der Verwaltungsleitung, der Personalabteilung oder des*der Studiendekan*in. Zu deren Maßnahmenrepertoire zählen – im Falle einer bestätigten Beschuldigung und in Abhängigkeit von der Schwere des Vorfalls – u.a. Personalgespräch, Disziplinarverfahren, Abmahnung, Umsetzung, Kündigung, der Vorschlag eines Hausverbots oder eines Nutzungsausschlusses an das Präsidium respektive der Vorschlag eines Prüfer*innenwechsels an den Prüfungsausschuss.

Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt

Wie in § 5 Abs. 6 BerlHG vorgesehen, regelt die Antidiskriminierungssatzung auch die Berücksichtigung der Bedarfe von Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten (§ 8). Die Freie Universität bekennt sich darin zu einem vielfältigen Verständnis von Geschlecht jenseits eines binären Modells und wendet sich gegen eine Essentialisierung von Geschlecht und Geschlechterrollen. Sie fordert alle Universitätsmitglieder auf, in der Kommunikation grundsätzlich alle geschlechtlichen Identitäten zu berücksichtigen, und verweist auf die universitätseigene Regelung zur Verwendung von geschlechtergerechter und -inklusiver Sprache in der offiziellen Kommunikation.

Weiterhin regelt die Satzung, dass Studierende und Beschäftigte ihren selbstgewählten Namen auf Antrag als Anzeigenamen in allen Systemen der FU festlegen können. Trans*, inter* und nichtbinäre* Studierende wie Beschäftigte können darüber hinaus angeben, dass von der Universität erstellte Dokumente ihren selbstgewählten Namen verwenden – ausgenommen sind Dokumente, für die der amtliche Name gesetzlich vorgeschrieben ist.

Inklusion von Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung

Auch dem Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Behinderung, chronischer Erkrankung und gesundheitlicher Beeinträchtigung widmet die Antidiskriminierungssatzung einen Abschnitt (§ 9). Geeignete Maßnahmen für einen Nachteilsausgleich bei der Durchführung von Studium und Prüfungen sind darin ebenso aufgeführt wie die Herstellung von Barrierefreiheit. Die Schwerbehindertenvertretung berät die Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung ebenso wie andere Organe und Einrichtungen der FU.

Neue Satzung, neue Strukturen

Die Antidiskriminierungssatzung ist eine wichtige Grundlage für die Arbeit der Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung, die 2023 eingerichtet wurde. In der Satzung verpflichtet sich die FU zugleich zum weiteren Ausbau von Strukturen im Bereich Antidiskriminierung. Insbesondere die Konkretisierung der Beratungs- und Beschwerdestrukturen und -verfahren ist aktuell in Arbeit; die zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, die zentrale Ansprechperson bei SBDG und weitere Anlaufstellen sind an diesem Prozess beteiligt.

Die Einrichtung von Strukturen für den Bereich Diversität und Antidiskriminierung ist auch Bestandteil des neuen Hochschulvertrags 2024–2028 mit dem Land Berlin. Vorgesehen ist eine angemessene Arbeitsteilung zwischen Diversitäts- und Gleichstellungsstrukturen, die ermöglichen soll, alle Anliegen aus dem Bereich Gleichstellung und Diversität intersektional zu bearbeiten. Dafür bildet die Antidiskriminierungssatzung einen geeigneten formalen Rahmen. Verwirklicht wird das produktive Miteinander durch die vertrauensvolle kollegiale Zusammenarbeit des Teams geschlechter*gerecht und der Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung.

Merle Büter, Referentin im Team geschlechter*gerecht

Dr. Corinna Tomberger, zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte


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