Neue Regelungen für Chancengleichheit (2)

Satzung zur Sicherung und Förderung der Chancengleichheit aller Geschlechter (2) und Antidiskriminierungssatzung (1): Zwei neue Satzungen, die die Gleichstellung an der Freien Universität stärken. Auch der Hochschulvertrag 2024–2028 zwischen dem Land Berlin und der Freien Universität setzt Anreize für Gleichstellung, Vielfalt und Antidiskriminierung. | Zu Teil 1

Rechtlicher Rahmen

Mit der Verabschiedung der Satzung zur Sicherung und Förderung der Chancengleichheit aller Geschlechter an der Freien Universität Berlin, kurz Chancengleichheitssatzung, erfüllte die Freie Universität im Februar 2024 eine weitere Vorgabe des novellierten Berliner Hochschulgesetzes (§ 5c BerlHG). Die Satzung umfasst die universitätseigenen Regelungen „zur Verwirklichung der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung von Frauen und Männern und der Chancengleichheit der Geschlechter in personeller, materieller, finanzieller und inhaltlicher Hinsicht“. Sie löst die Frauenförderrichtlinien von 1993 ab und regelt auf sechs Seiten ein breites Spektrum an Handlungsfeldern, das deutlich über die gesetzlich vorgesehenen Mindestanforderungen hinausgeht. Was ist gegenüber den über 30 Jahre alten Richtlinien neu?

Geschlechtervielfalt und Frauenförderung

In der Präambel betont die Freie Universität die „Chancengleichheit aller Geschlechter“ als Bestandteil ihres Selbstverständnisses. Gegenüber den Frauenförderrichtlinien, die Gleichstellung in der Binarität von Frauen und Männern adressierten, impliziert diese Formulierung ein vielfältiges Verständnis von Geschlecht jenseits des binären Modells. Frauenförderung bleibt dennoch weiterhin aktuell. Mit der Chancengleichheitssatzung will die FU die grundsätzliche Notwendigkeit unterstreichen, „die besondere Situation von Frauen zu berücksichtigen und zu fördern, strukturelle Benachteiligungen weiter abzubauen und gleiche Entwicklungsmöglichkeiten sicherzustellen“.

Für Stellenausschreibungen sieht die Satzung in § 3 Abs. 1 regelhaft den Zusatz „(w/m/d)“ vor. „Die Freie Universität Berlin fordert Frauen sowie Personen mit Migrationsgeschichte ausdrücklich zur Bewerbung auf“ – dieser Hinweis ist gemäß § 3 Abs. 2 aufzunehmen, sofern diese Gruppen unterrepräsentiert sind.

Familienfreundliche Sitzungszeiten

Um die Vereinbarkeit von Sorge- und Pflegearbeit zu unterstützen, sollen Gremien und Kommissionen in ihren Geschäftsordnungen regeln, dass Sitzungen grundsätzlich nicht länger als bis 16:00 Uhr dauern. Längere Sitzungszeiten sollen mindestens eine Woche im Voraus angekündigt werden und hybrid durchgeführt werden. Die Frauenförderrichtlinien hatten eine Sitzungszeit bis längstens 18:00 Uhr vorgesehen.

Verankerung von Geschlechterforschung

Mit der nachhaltigen Etablierung einer international vernetzten und innovativen Geschlechterforschung (§ 15) formuliert die Chancengleichheitssatzung ein übergeordnetes Gleichstellungsziel, das auch im aktuellen Gleichstellungskonzept festgelegt ist. Als grundlegend für die Verankerung an allen Fachbereichen und Zentralinstituten definiert sie Professuren mit einer entsprechenden Teildenomination und die Einbeziehung intersektionaler Perspektiven. Die FU fordert alle Organisationseinheiten und Bereiche auf, die Geschlechterforschung bei der Vergabe von Sach-, Personal- und Forschungsmitteln angemessen zu berücksichtigen.

Mit dieser Vorgabe greift die FU die Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geschlechterforschung des Wissenschaftsrats auf. Das wissenschaftspolitische Beratungsgremium rät, die Institutionalisierung der Geschlechterforschung voranzutreiben, und empfiehlt den Auf- und Ausbau unbefristeter Professuren mit Geschlechter-(Teil-)Denomination gerade in Disziplinen, in denen sie bislang kaum verankert sind. Auch der aktuelle Hochschulvertrag zwischen dem Land Berlin und der FU sieht vor, Professuren und innovative Projekte im Bereich der intersektionalen Geschlechterforschung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten weiterzuentwickeln und strukturell zu verankern.

Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte

Für die Wahl der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und die Anzahl ihrer Stellvertreterinnen verweist die Chancengleichheitssatzung auf die künftige Grundordnung der Freien Universität. Nur für die zentrale Ebene wurde mit der Einstweilige[n] Regelung über die Wahl der hauptberuflichen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterinnen bereits Ende 2023 eine Anpassung an das novellierte BerlHG (§ 59 Abs. 5) vorgenommen. Sie sieht die Wahl von drei Stellvertreterinnen mit einer Amtszeit von drei Jahren vor.

Ausführlich geht die Chancengleichheitssatzung auf die Freistellung der nebenberuflichen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterinnen ein (§ 17 Abs. 3). Beschäftigte können auf Antrag bis zur Hälfte ihrer Dienstaufgaben freigestellt werden. Vorgesehen ist eine Freistellung von mindestens ein Viertel (0,25) Vollzeitäquivalent (VZÄ) für jedes der beiden Ämter. Ausdrücklich angegeben ist, dass auch die Lehrverpflichtung in entsprechendem Umfang ermäßigt wird. Die Aufwandsentschädigung für das Amt bei Universitätsangehörigen ohne Beschäftigungsverhältnis regelt, wie im BerlHG vorgesehen, die künftige Grundordnung.

Bislang orientierte sich der Freistellungsanteil nicht am Vollzeitäquivalent, sondern am tatsächlichen Beschäftigungsumfang, das heißt, dass er bei einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend reduziert war. Dezentrale Stellvertreterinnen hatten bislang, vor der BerlHG-Novelle, keinen Anspruch auf eine Freistellung. Die entsprechende Regelung in der Chancengleichheitssatzung bekräftigt einen Zugewinn an zeitlichen Kapazitäten für das Amt, den das novellierte BerlHG vorgibt.

Geschlechtergerechte Kommunikation

Die Chancengleichheitssatzung regelt auch die Verwendung von geschlechtergerechter und inklusiver Sprache in der offiziellen Kommunikation. Gemäß § 23 Abs. 1 fördert die FU einen Sprachgebrauch, der alle Geschlechter umfasst und keine Person ausschließt. Dazu gehört auch die Vermeidung von Sprachbildern, Zuschreibungen, Redewendungen und Bildsprache, die Geschlechterstereotype beinhalten. Hochschulgrade und Zeugnisse, Bescheinigungen und weitere Dokumente, werden in der von der betreffenden Person gewünschten Sprachform ausgestellt, soweit dies rechtlich zulässig ist.

Mit dieser Regelung grenzt sich die FU deutlich von Sprachverboten, wie jüngst in Bayern erlassen, ab. Dort dürfen Hochschulen, Behörden und Schulen seit Anfang April in offiziellen Schreiben keinerlei Gender-Sonderzeichen mehr verwenden. Erlaubt ist ausschließlich eine binäre sprachliche Differenzierung, also die Verwendung der weiblichen und männlichen Form. Auch in Hessen hat die Landesregierung geschlechtergerechte Sprache in ihrer Verwaltung verboten. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichte kürzlich ein juristisches Kurzgutachten, das erhebliche verfassungsrechtliche Risiken staatlicher „Genderverbote” belegt.

Frauenförderpläne

Für die Frauenförderpläne gibt die Chancengleichheitssatzung die Vorgaben des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) wieder, das heißt eine regelmäßige Erstellung bzw. Fortschreibung für alle Fachbereiche, Zentralinstitute, Zentraleinrichtungen beziehungsweise zentralen Dienstleistungsbereiche in Verantwortung der jeweiligen Leitung. Grundlegender Bestandteil der Frauenförderpläne sind verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils für alle Entgelt- und Besoldungsgruppen und Qualifikationsstufen. Neu ist, dass regelhaft eine universitätsinterne Veröffentlichung der Frauenförderpläne vorgesehen ist (§ 24 Abs. 1). Eine weitere Neuerung zielt darauf ab, das Instrument in seiner Wirksamkeit zu stärken: Falls die Zielvorgaben des vorherigen Frauenförderplans nicht erreicht wurden, sind die Gründe zu erläutern und in die zukünftige Planung einzubeziehen (§ 24 Abs. 3).

Anreize für die Erhöhung des Frauenanteils auf Lebenszeitprofessuren setzt das Land Berlin mit der leistungsbasierten Hochschulfinanzierung im Hochschulvertrag 2024–2028. Der Frauenanteil an Lebenszeitprofessuren – hier liegt die FU derzeit bei knapp 39 Prozent (2023) – ist ebenso Indikator für Gleichstellung wie der Frauenanteil an Neuberufenen, der im Dreijahresdurchschnitt 10 Prozent über dem Bestandsanteil liegen sollte. Konkret heißt das, für die nächsten drei Jahre wäre ein durchschnittlicher Frauenanteil von 49 Prozent bei den Neuberufungen notwendig, um dieses Kriterium zu erfüllen und leistungsbasierte Zuschüsse in Millionenhöhe zu erhalten.

Berichtspflichten

Die Satzung regelt eine jährliche Berichtspflicht der Universität gegenüber den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (§ 25), in Bezug auf die Umsetzung von Chancengleichheitssatzung, Frauenförderplänen und Gleichstellungskonzept. Die hauptberufliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte ist bei der Definition der erforderlichen Angaben des Berichts einzubeziehen. Die Berichte sind den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zudem in geeigneter Weise zugänglich zu machen. Die hauptberufliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte berichtet ihrerseits mindestens alle zwei Jahre zum Stand der Gleichstellung und der Akademische Senat wie auch das Kuratorium nehmen zu diesem Bericht Stellung.

Die Berichtspflichten gegenüber den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte sind eine weitere Vorgabe des BerlHG (§ 59 Abs. 9) und waren bereits Bestandteil der Frauenförderrichtlinien von 1993. Voraussetzung für deren tatsächliche Erfüllung ist ein umfassendes Gender-Controlling, das in den letzten Jahren an der FU nur unzureichend vorhanden war und künftig strukturell neu aufgestellt werden soll.

Merle Büter, Referentin, Team geschlechter*gerecht

Dr. Corinna Tomberger, zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte


Teil 1: Neue Regelungen für Chancengleichheit (1)

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