Kein Tabu: Die Ausstellung zur Menstruation

Über 1,8 Milliarden Menschen menstruieren laut UN WOMEN weltweit. Dennoch ist das Thema gesellschaftlich noch immer weithin tabuisiert. Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation im MEK widmet sich dem aktuellen Diskurs und zeichnet die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte nach. Perioden bestimmen auch den Hochschulalltag von Studierenden und Mitarbeiter*innen. Die bukof fordert in einer Stellungnahme, Periodenarmut und Chancengleichheit zu adressieren. 

In den Medien kursieren seit einigen Jahren verstärkt Begriffe, wie Menstruationsurlaub, Periodenarmut und Zyklusapps. Auch Nachhaltigkeitsfragen und Müllvermeidung werden thematisiert. Die Sonderausstellung „Läuft“ im Museum Europäischer Kulturen (MEK) nimmt diese und weitere Diskurse auf und ordnet sie anhand von Alltagsobjekten, Zeitungsartikeln, Kunstwerken und historischen Quellen ein. 

Die Kurator*innen Jana Wittenzellner, stellvertretende Direktorin des MEK, Franka Schneider, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin der Textilsammlung am MEK, sowie Sofia Botvinnik, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin für Outreach am MEK, füllen Wissenslücken rund um die Menstruation und zeichnen nach, wie stark Mythen und Vorurteile das Leben von menstruierenden Personen bestimmen.

Wer menstruiert?

Die Verwendung des Begriffs menstruierende Personen begründen die Macher*innen bereits zu Beginn der Ausstellung: „Manche denken, die Periode macht dich zur Frau. Dabei gibt es Frauen, die nie menstruieren, und Menstruierende, die keine Frauen sind.“ Damit wird auch die Realität von Trans-, Inter- und Nichtbinären Personen berücksichtigt. Ein Exponat zeigt, wie sehr das Thema auch politisch umkämpft ist und gleichzeitig, wie wenig Wissen über die Periode vorhanden ist. Thematisiert wird darin die Empörung eines Politikers in Stuttgart über einen Periodenspender auf einer Herrentoilette, um Transpersonen den gleichberechtigten Zugang zu kostenlosen Produkten zu ermöglichen.

Vier Themenbereiche

Die Sonderausstellung wurde bis März 2025 verlängert, MEK, Foto: Merle Büter

Aufgeteilt in vier Bereiche behandelt die Sonderausstellung, die kürzlich bis März 2025 verlängert wurde, die „Geschichte der Unterwäsche und der Menstruationsprodukte“, „Aufklärung und aktuelles Wissen“, „Diskurse rund um die Menstruation“ sowie „Popkultur und Kunst“. Ausgestellt sind rund 200 Objekte, die die Besucher*innen auch zur aktiven Beteiligung einladen. Sie haben die Gelegenheit, die Entwicklungen von Unterwäsche und Menstruationsprodukten hautnah zu erleben. In einem „Fotostudio“ hängen historische Modelle der „Wäsche für besondere Tage“ bereit, die anprobiert werden können, um zu sehen, was sich über Jahrzehnte verändert hat. Bereits vor 100 Jahren gab es Vorläufer, die an heutige Produkte erinnern, aber mit sehr viel mehr Aufwand im Alltag und in der Reinigung verbunden waren.

Der zweite Bereich räumt mit Mythen rund um die Menstruation auf und vermittelt Wissen über die Gebärmutter, die zwei Zyklushälften und zeigt anschaulich, wie viel Blut pro Periode verloren wird. Gleichzeitig wird aber auch deutlich gemacht, dass es noch Leerstellen in der Medizin gibt. In einem Interview erklärt die Gynäkologin und Reproduktionsmedizinerin Dr. Julia Bartley, dass bis heute nicht alle körperlichen Vorgänge rund um die Menstruation hinreichend erforscht sind.

Sauber & diskret

Die Periode soll rein, geruchsfrei und unsichtbar sein – das suggeriert unter anderem auch die Werbung. In Werbeclips werden verschiedene Periodenprodukte der letzten Jahrzehnte angepriesen, mit deren Hilfe der Alltag einfacher sein soll und gleichzeitig die Periode sauber und diskret ist. Die Ausstellung dreht den Spieß an dieser Stelle um und entwickelt Produkte samt passender Werbetexte, die analog zu klassischer Werbung auch Männerhygiene adressieren. 

Manifeste, Protestplakate und Clips aus Popkultur-Serien zeigen, dass Menstruierende die aktuellen Debatten mitbestimmen und für eine würdevolle Menstruation ohne Scham und Ausschluss kämpfen. 

Menstruation im Hochschulkontext 

Schottland und Frankreich haben es bereits vorgemacht: Die Menstruation wurde als Teil des Alltags an Hochschulen anerkannt und Menstruationsartikel für alle kostenlos in Toilettenräumen zur Verfügung gestellt. In Deutschland gibt es bereits einzelne Initiativen an Hochschulen und auch die bukof (Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V.) fordert in einer Stellungnahme: „Der Zugang zu Periodenprodukten sollte […] so selbstverständlich sein, wie zu Toilettenpapier und Papierhandtüchern.“

Hintergrund der Forderung ist, dass eine plötzlich einsetzende Periode den Hochschultag abrupt beenden könnte. Neben der persönlichen Scham für die Betroffenen ist auf struktureller Ebene auch die Chancengleichheit im Studien- und Arbeitsalltag gefährdet. Ein weiteres Argument für die Bereitstellung von Tampons und Binden in den Hochschultoiletten ist die Kostenfrage. Laut einer Befragung von Plan International aus 2022 stellen für 23 Prozent der befragten Menstruierenden in Deutschland die Ausgaben für Periodenprodukte eine finanzielle Belastung dar.

Das Projekt Social Period sammelt Spenden für wohungslose Menstruierende, MEK, Foto: Merle Büter

Periodenarmut ist der Begriff, wenn sich Personen keine oder nicht ausreichend Periodenartikel leisten können. Werden ungeeignete Materialien (wie Toilettenpapier) genutzt oder einzelne Produkte zu lange getragen, birgt dies gesundheitliche Risiken. Die bukof fordert deswegen die Bereitstellung von kostenlosen Periodenartikeln an deutschen Hochschulen in allen Toilettenräumen: Frauentoiletten, barrierefreien Toiletten, All-Gender-Toiletten und Männertoiletten, um allen Menstruierenden gleichberechtigt Zugang zu gewähren. 

Stand an Berliner Hochschulen

Aus einer Antwort des Berliner Abgeordnetenhauses auf eine schriftliche Anfrage zum Thema Verfügbarkeit von kostenlosen Menstruationsprodukten an Berliner Hochschulen von Juli 2023 geht hervor, dass fünf Hochschulen – die Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, die Weißensee Kunsthochschule Berlin, die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin und die Universität der Künste Berlin – bereits flächendeckend Periodenartikel bereitstellen. An anderen Hochschulen befinden sich verschiedene Pilotprojekte in der Testphase. Der Berliner Senat befürwortet „insbesondere zur Ermöglichung der Teilnahme am Studien- und Arbeitsalltag von Betroffenen der Periodenarmut die Bereitstellung von kostenlosen Menstruationsartikeln an Berliner Hochschulen.“

Pilotprojekte an der FU

An der Freien Universität wurden bereits 2022 zwei Pilotprojekte am Fachbereich Physik und am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie (BCP) initiiert. Die studentische Initiative PhLyNTA* setzte das Modellprojekt mit Mitteln der Fachschaftsinitiative Physik um und stellte in ausgewählten Toilettenräumen des Fachbereichs Binden und Tampons bereit. Nach der erfolgreichen Anfangsphase beschloss der Fachbereichsrat, dass das Projekt aus Frauenfördermitteln weitergetragen wird.

Unter dem Motto Period for free startete ein paar Monate darauf das Pilotprojekt des Fachbereichs BCP. Kostenfreie Menstruations- und Verhütungsprodukte wurden von der Fachschaftsinitiative BCP in vier verschiedenen Toiletten auf dem Campus zur Verfügung gestellt. Für das Projekt gewann die Initiative die Unterstützung der Frauenbeauftragten des Fachbereichs, Christine Eßmann-Stern, die die Finanzierung aus Frauenfördermitteln sicherte.


Ausstellung „Läuft“

  • Mi, Do & Fr: 10:00 – 17:00 | Sa & So: 11:00 – 18:00
  • Adresse: MEK, Arnimallee 25, 14195 Berlin
  • Sprache: Deutsch & Englisch
  • Verlängert bis März 2025
  • Weitere Informationen

Merle Büter, Referentin, Team geschlechter*gerecht

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