Wie ist es, außerirdische Welten zu erforschen? Wie wird eine Mission finanziert? Welche Fächer sollte man in der Schule wählen? In kosmischen Interviews konnten Berliner Schülerinnen Astronominnen Fragen über ihren Beruf und ihre Forschung stellen. Das Kooperationsprojekt Cosmic Interviews wurde vom MINToring-Programm und Lecturers without borders an der FU Berlin angeboten.
Ein großes Treiben herrschte im Henry-Ford-Bau, mehr als 1100 Wissenschaftler*innen sind für den Europlanet Science Congress 2024 an die FU Berlin gereist. Im „Raum Erde“ fand ein besonderes Event abseits der Massen statt: Neun Wissenschaftlerinnen mit Schwerpunkten in Planetenwissenschaft und Weltraumforschung stellten sich im Rahmen der Cosmic Interviews den neugierigen Fragen von Berliner Schülerinnen der Klassen 10 bis 13.
Konzipiert wurde die Outreach-Veranstaltung von Nelly Mouawad, Astrophysikerin und Koordination des MINToring-Programms der Freien Universität, in Kooperation mit Athanasia Nikolaou, Physikerin, Astronomin und Gründerin des Netzwerks Lecturers without borders. Das 2017 gegründete Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, überall auf der Welt Wissenschaftler*innen mit Schulen zu verbinden, um das Wissen aus den Laboren in die Gesellschaft zu bringen. Nikolaou erklärte zum Konzept der Cosmic Interviews: „Wir wollen Stereotypen über Naturwissenschaften entgegenwirken und Schülerinnen bereits in der Schulzeit einen motivierenden und geschützten Raum bieten, um sie für MINT-Fächer zu begeistern.“ Unterstützt wurde die Veranstaltung neben dem MINToring-Programm und Lecturers without borders von der Europlanet Society, DLR School Lab und Scientix.
Die Schülerinnen hatten zunächst Zeit, sich wie die Kongressteilnehmer*innen in der Ausstellungshalle umzusehen, bevor Nelly Mouawad die Cosmic Interviews eröffnete: „Habt Spaß, traut euch, Fragen zu stellen aber lasst einander auch Platz.“ Vier Wissenschaftlerinnen-Teams rotierten alle zwölf Minuten im Raum, um möglichst alle Fragen der Schülerinnen zu Fächerwahl, Karriere und Forschung zu beantworten.
Bilder von Jupiter
Wie funktioniert eine Kamera im Weltall? Wie wird sie angetrieben und was macht ihr, wenn es Störungen gibt? Cecilia Tubiana, Kometenforscherin am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, und Agata Rożek, Wissenschaftlerin am Institut für Astronomie der Universität Edinburgh, erklärten ihrer ersten Schülerinnengruppe die technischen Faktoren über Solarzellen im All, wichtige Computerbefehle – und wie alles von Mission zu Mission anders sei, was ihre Arbeit auch so spannend mache.
Mars-Mission
„Ihr seid wahrscheinlich die Generation, die zum Mars fliegt“, sagte Hannah Davies, Postdoc in Erdoberflächenprozessmodellierung am Helmholtz-Zentrum Potsdam/Deutsches Geoforschungszentrum. Zu Zukunftsperspektiven, Hürden in der Wissenschaft und Forschungsinteressen gab es viele Fragen in der Gruppe mit Hannah Davies, Affelia Wibisono, Postdoc zu Röntgenemissionen am Dublin Institute of Advanced Studies, und Federica Duras, Extragalaktische Astronomin an der Universität Tre in Rom und Mitglied des Europlanet Society Executive Board. „Ihr müsst nicht eine Sache für immer machen, hört auf eure Interessen, und ändert eure Schwerpunkte“, machte Wibisono den Schülerinnen Mut. „Und noch eine Erfahrung von mir: Gebt nicht auf, Physik an der Universität ist anders als in der Schule, und es lohnt sich durchzuhalten“, sagte Duras.
„Es kommt darauf an“
Wie lang dauert eine Weltall-Mission? Wie groß ist das Team? Wie finanziert man eine Idee? Auf diese Fragen antwortete Anja Kohfeldt, Professorin am Centre for Space Sensors and Systems der Universität Oslo: „Es kommt darauf an“ – so oft, dass sie lachend überlegte, die Antwort auf ein T-Shirt zu drucken. Zusammen mit Ana-Catalina Plesa, Gruppenleiterin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin, klärte sie Schülerinnen über die Schwierigkeiten der Finanzierung von Stellen und Missionen im Wissenschaftssystem auf. Deutlich wird auch nach einem kurzen Exkurs in die Praxis der Fördermittelanträge: Wissenschaft ist kein leichter, kann aber ein lohnenswerter Karriereweg sein. Kohfeldt gab einen abschließenden Tipp: „Wenn ihr später im Ausland arbeiten wollt, verbringt dort im Studium ein Semester, dann bekommt ihr einen Einblick in die Kultur und sammelt Sprachkenntnisse.“
„Habt keine Angst, zu früh anzufangen“, lautete ein ähnlicher Hinweis von Julie Nekola Nováková, Astrobiologin an der Tschechischen Wissenschaftsakademie, und Yuchun Wu, Promotionsstudentin in Planetengeologie an der Universität Nantes. Die Schülerinnen fragten, wie sie schon während der Schulzeit erste Forschungen machen können. „Sucht euch Summer Schools, Exkursionen oder Austauschprogramme in den Ferien, dann könnt ihr schauen, was euch Spaß macht, und neue Sachen kennenlernen, die es an der Schule nicht gibt“, erklärt Wu.
MINToring & Outreach
Am Ende der Veranstaltung waren die Notizzettel der Schülerinnen gefüllt und alle Unterschriftenlisten von den Wissenschaftlerinnen abgezeichnet. Mouawad zog ein positives Fazit: „Ich fand es schön zu sehen, wie die Schülerinnen und Wissenschaftlerinnen einen offenen Austausch auf Augenhöhe hatten.“ Viele Schülerinnen, die bereits an anderen MINToring-Formaten wie dem Berufspraktikum oder an Campustagen in Informatik und Physik teilgenommen hatten, sind zu diesem Event wiedergekommen. Veranstaltungen wie die Cosmic Interviews seien wichtig, sagte die Astrophysikerin: „Immer noch wählen wenige Schülerinnen MINT-Fächer als Leistungskurse in der Schule. Outreach-Maßnahmen können entscheidend sein, um sozusagen eine Wissenschaftsbrücke zu bauen, die Schülerinnen den Übergang von der Schule zur Universität erleichtert, und um Rollenerwartungen entgegenzuwirken.“
Der Artikel erschien zunächst unter gleichnamigen Titel am 18. September 2024 in campus.leben, dem Online-Magazin der FU Berlin.
Merle Büter, Referentin, Team geschlechter*gerecht