Gewalt gegen Frauen: Facetten und Fakten

Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist keine Randerscheinung, sondern ein weltweites Problem, das in allen gesellschaftlichen Schichten und Institutionen vorkommt – auch an der Hochschule. Gewalt gegen Frauen hat viele Ausprägungen, sie kann sich äußern in Form von körperlicher, psychischer, sozialer und/oder sexualisierter Gewalt.

Gemeinsam ist allen Formen, dass sie eingebettet sind in patriarchale Machtverhältnisse. Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Jede zweite Frau in Deutschland erlebt sexualisierte Belästigung, Diskriminierung oder Gewalt

Mehr als jede zweite Frau erfährt mindestens einmal in ihrem Leben sexualisierte Belästigung, Diskriminierung oder Gewalt, wie die diesbezüglichen Daten der European Union Agency for Fundamental Rights dokumentieren. Die Bandbreite dieser Übergriffe ist sehr groß, sie reicht von taxierenden Blicken und sexistischen Sprüchen über Stalking bis hin zu körperlichen und psychischen Übergriffen. Besonders in Krisenzeiten nimmt Gewalt zu. So warnten Gewaltschutzorganisationen bereits mit Beginn des Lockdowns vor zunehmender häuslicher Gewalt und einer Verschärfung der Folgen für die Betroffenen, besonders in Anbetracht der Isolation von Frauen und Kindern. Einen starken Anstieg häuslicher Gewalt bilanzieren auch Beratungsstellen und Frauenhäuser während der Pandemie.

Viele Studentinnen werden sexuell belästigt

Im Rahmen der europäischen Studie Gender-based Violence, Stalking and Fear of Crime berichtete jede zweite befragte Studentin der beteiligten deutschen Hochschulen, während ihres Studiums sexuell belästigt worden zu sein. Begünstig wird sexualisierte Diskriminierung und Gewalt an Hochschulen durch ausgeprägte Abhängigkeitsverhältnisse und Hierarchien. Sie sind Nährboden für Machtmissbrauch und sexualisierte Übergriffe. Umso wichtiger sind deshalb Prävention, Sensibilisierung und Schutzmaßnahmen an Hochschulen.

Jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners

Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann seine (Ex-)Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag geschieht in Deutschland tatsächlich ein Femizid, d.h. die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Im Jahr 2019 starben 117 Frauen durch die Gewalttaten ihres (Ex-)Partners. Mehr als doppelt so viele Tötungsversuche kommen hinzu, 2019 waren es insgesamt 301. Diese Zahlen nennt die Kriminalstatistische Auswertung zu Partnerschaftsgewalt in Deutschland des Bundeskriminalamts (BKA). Frauenorganisationen und Beratungsstellen verweisen auf eine weit höhere Dunkelziffer. Denn die BKA-Statistik erfasst nur registrierte Straftaten, bildet also nur das polizeiliche Hellfeld ab. Doch diverse Studien zu häuslicher und sexualisierter Gewalt zeigen, dass diese Straftaten im Vergleich zu anderen Delikten – wie z.B. Einbruch oder Diebstahl – weitaus seltener angezeigt und dadurch häufiger nicht strafrechtlich verfolgt werden.

In Deutschland dringen die Bedeutung und das Ausmaß von Femiziden bisher nur langsam in politische Debatten und das gesellschaftliche Bewusstsein ein. So wundert es nicht, dass erst seit 2015 eine kriminalstatistische Auswertung zu Partnerschaftsgewalt in Deutschland veröffentlicht wird. Dabei gibt die BKA-Statistik nur über einen Teil der tatsächlichen Femizide in Deutschland Aufschluss, da sie nur die Gewalttaten in der Statistik erfasst, die in (Ex-)Partnerschaften ausgeübt wurden. Zu versuchten und vollendeten Tötungen von Frauen außerhalb von Partnerschaften gibt es bislang keine kriminalstatistische Auswertung, dabei machen diese laut BKA-Statistik 60 Prozent der Gesamtzahl aus. Misogyne Tötungen, die nicht im Rahmen von Partnerschaftsgewalt verübt werden, bleiben daher unsichtbar.

Ein anderer Grund für das fehlende Wissen und das mangelnde Bewusstsein um Femizide in Deutschland ist die mediale Berichterstattung. Femizide werden in Deutschland selten als solche benannt. Oftmals ist stattdessen die Rede von „Familientragödien“, „Eifersuchtsdramen“ oder „Beziehungstaten“ oder aber Femizide werden rassistisch instrumentalisiert, dann ist die Rede zumeist von „Ehrenmorden“.

Sexualisierte Gewalt intersektional betrachten

Die Machtverhältnisse, denen Frauen ausgesetzt sind, sind intersektional, d.h. in der Verschränkung von sozialen Differenzkategorien zu betrachten, denn in der Realität existieren diese nicht nebeneinander und isoliert voneinander, sondern sind miteinander verschränkt. Das Gesundheitsmonitoring des Robert-Koch-Instituts nennt unterschiedliche Risikofaktoren: So haben behinderte Frauen ein viermal so hohes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, wie Frauen ohne Behinderung. Dieses Thema greift am 25.11.2021, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, die Fachveranstaltung „Das Schweigen brechen – Wege zu inklusiver Gewaltprävention für Frauen mit Behinderungen weltweit“ auf. Zu der virtuellen Veranstaltung laden der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen und die Christoffel-Blindenmission (CBM) ein; Anmeldung hier.

Auch ein unsicherer Aufenthaltsstatus oder Sprachbarrieren erhöhen die Gefahr, Gewalt zu erleben und keine Hilfsangebote in Anspruch nehmen zu können. Kein Zusammenhang besteht hingegen zwischen Gewalt gegen Frauen und sozioökonomischen Status. Studien aus Lateinamerika zeigen zudem, dass Frauen in stigmatisierten und marginalisierten Berufen wie Sexarbeiterinnen besonders häufig Gewalt und letztendlich Femiziden ausgesetzt sind.

Digitale Gewalt

Digitale Gewalt ist kein rein geschlechtsspezifisches Problem, hat aber geschlechtsspezifische Konsequenzen: Eine repräsentative EU-weite Studie im Auftrag der Beratungsstelle „Hate Aid“ ergab, dass jede zweite Person zwischen 18 und 35 schon einmal betroffen war. „Hate Aid“ betont aber, dass bestimmte Formen digitaler Gewalt vor allem Frauen treffen. Dazu gehören etwa die Veröffentlichung von Adressen, das sogenannte „Doxxing“, bis hin zu intimen Bildern, auch bekannt als „Revenge Porn“. In der Studie gab mehr als die Hälfte der befragten Frauen (52%) und 35% der Männer an, sich in Folge digitaler Übergriffe weniger in sozialen Medien zu äußern – laut Politikwissenschaftlerin Regina Frey eine beabsichtigte Auswirkung. Ihrer Expertise zu Geschlecht und Gewalt im digitalen Raum für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung folgend, sind Personen online besonders gefährdet, „wenn sie sich gesellschaftlich, insbesondere feministisch, engagieren. Sexismus, Rassismus, Ableismus und Anfeindungen gegen Queers sind dabei verschränkt und zielen auf ein Herausdrängen aus dem Netz als wichtigen demokratischen Diskursraum.“

Zur Vertiefung

Esra Teper, studentische Mitarbeiterin im Team Zentrale Frauenbeauftragte

Mitarbeit: Susanne Romanowski, Politikwissenschaftlerin und freie Journalistin

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