Equal Pay: Hochschulsekretariate aufwerten!

Briefe tippen, Kaffee kochen – das Klischee klebt wie Kaugummi am Berufsbild Sekretärin. Es wertet die Leistung in diesem typischen Frauenberuf ab und wird dem Wandel und der Vielfalt seiner Aufgaben nicht gerecht. Der Equal Pay Day ist Anlass, das Thema gerechte Bezahlung in Hochschulsekretariaten aufzugreifen und für mehr Wertschätzung dieser Tätigkeit einzutreten.

Der internationale Aktionstag weist symbolisch auf die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern hin. Er steht rein rechnerisch für den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen theoretisch unentgeltlich arbeiten, weil sie weniger verdienen als Männer. 2022 fällt dieser Tag auf den 7. März. Frauen verdienten 2020 durchschnittlich 18 % weniger je Stunde als Männer, so die Berechnung des Statistischen Bundesamts.

Für den öffentlichen Dienst wird der Gender Pay Gap, die geschlechtsspezifische Lohnlücke, mit 7 % angegeben. Es geht aber nicht allein um Gehaltsunterschiede; wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie gezeigt haben, geht es auch um die unterschiedliche Bewertung von männlich und weiblich konnotierten Tätigkeiten. Diese Diskrepanz lässt sich auch an der Bewertung von Sekretariatsarbeit erkennen. So gibt es für die erforderlichen Fähigkeiten wie soziale Kompetenz und Organisationsvermögen keine Darstellungs- und Bewertungsmöglichkeit im Tarifvertrag der Länder, während männlich konnotierte vergleichbare Tätigkeiten ohne Sozialbezug durchschnittlich höher eingruppiert sind, wie es etwa in Technikberufen der Fall ist. Dazu hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) mit dem Prüfverfahren eg-check Ergebnisse vorgelegt, die bestätigen, dass frauendominierte und männerdominierte Tätigkeiten oft unterschiedlich bewertet und bezahlt werden, obwohl die Anforderungen durchaus vergleichbar sind.

Von der klassischen Schreibkraft zur modernen Office-Managerin

Eine Sekretärin ­– auch eine Hochschulsekretärin – „kümmert“ sich nach wie vor um alle und alles; wissenschaftlich formuliert: „Die Tätigkeiten in den Hochschulsekretariaten weisen insgesamt Merkmale einer Allzuständigkeit auf“, so die Studie „Wandel der Arbeit in wissenschaftsunterstützenden Bereichen an Hochschulen“ der Hans-Böckler-Stiftung. Das Berufsbild der Sekretariatsbeschäftigten hat sich grundlegend gewandelt – von der klassischen Schreibkraft zur modernen Office-Managerin. Aufgrund des Stellenprofils erscheint die Berufsbezeichnung Sekretärin nicht mehr zeitgemäß. So sehr sich der Beruf über die Zeit auch gewandelt hat, der Frauenanteil in dem Berufsfeld ist unverändert hoch. Das gilt auch für die Freie Universität. Sekretariatsstellen auf zentraler wie auf dezentraler Ebene sind fast ausschließlich mit Frauen besetzt. Insgesamt lag der Frauenanteil beim wissenschaftsunterstützenden Personal 2019 bei 62 %, bei Teilzeitbeschäftigten in dieser Statusgruppe bei 85 % und in den Hochschulsekretariaten bei 97 %. Diese Zahlen sind dem Gleichstellungskonzept 2021-2026 der FU zu entnehmen. Die Frauenförderpläne 2022/23, von den jeweiligen Bereichen mit Unterstützung der dezentralen Frauenbeauftragten erstellt, greifen das Thema Entgeltgerechtigkeit für Hochschulsekretariate auf, beschreiben deren Aufgaben und Anforderungen und nennen notwendige Maßnahmen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und eine höhere Eingruppierung herbeizuführen.

Der Frauenförderplan des Osteuropa-Instituts (OEI) betont zudem eine selten beachtete, aber durchaus tragende Rolle der Institutssekretärin: „Bei ständig wechselndem Personal ist sie die Konstante, die das Wissen über vergangene Vorgänge, Entscheidungen und Abläufe archiviert und weitergibt.“  Einen guten Einblick in das Thema „Hochschulsekretariat im Wandel der Zeit“ gibt der gleichnamige Teil einer digitalen Chronik in Bildern zum 70jährigen Jubiläum des OEI. In lesenswerten Beiträgen und Interviews blicken etwa ehemalige Mitarbeiterinnen zurück und rekapitulieren, wie sich ihre Arbeit in den Sekretariaten im Laufe der Zeit verändert hat. „Kleine Geschichten aus dem Sekretariatsalltag“, illustriert von Julia Gandras, bringen die hohen Anforderungen an Kompetenz, Verfügbarkeit und Multitasking in nahezu karikaturistischer Form auf den Punkt.

© Julia Gandras

Was also wird heute vorausgesetzt, erwartet und verlangt von Beschäftigten im Hochschulsekretariat? Eine Vielzahl von Fähigkeiten, Kenntnissen und Qualifikationen: Ausgeprägte kommunikative und organisatorische Fähigkeiten sollten sie haben, gute Sprachkenntnisse, belastbar und flexibel sollten sie sein, selbstständig und eigenverantwortlich Aufgaben erfüllen. Das Aufgabenfeld ist breit und je nach Bereich unterschiedlich ausgeprägt. Als Essenz der Frauenförderpläne 2022-2023 lassen sich folgende Tätigkeiten nennen: Telefonbetreuung, Terminorganisation, Postbearbeitung, Bestellwesen, Websitepflege, Einstellungsvorgänge, Drittmittel- und Lehrverwaltung, Dienstreise- und Konferenzmanagement.

Die Arbeitsverdichtung in den Sekretariaten der FU, so lässt sich aus vielen Frauenförderplänen herauslesen, habe mit steigenden Studierendenzahlen, zunehmender Drittmitteleinwerbung, Internationalisierung und Digitalisierung stetig zugenommen. Zugleich ist das Sekretariat weiterhin ein zentraler Ort der Kommunikation und Interaktion innerhalb der jeweiligen Einrichtung, wie es die o.g. Studie der Böckler-Stiftung prägnant formuliert:

„Die für Sekretariate typische offene Tür ist trotz steigender digitaler Kommunikation immer noch häufig Praxis im Alltag und symbolisiert insbesondere für die Beschäftigten in Instituts- und Fachbereichssekretariaten eine Schnittstellenfunktion zwischen allen Hochschulakteuren, vor allem zwischen Fachbereich und Verwaltung.“

Sackgasse Sekretariat versus Risiko Fachkräftemangel

Trotz aller Veränderungen und des anspruchsvollen Tätigkeitsprofils bietet eine Sekretariatsstelle kaum Entwicklungs- oder Aufstiegsmöglichkeiten, noch hält die Eingruppierung nach veralteten Kriterien mit den tatsächlichen Aufgaben Schritt. Dezentrale Frauenbeauftragte drängen daher darauf, Schulungen, Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen für Sekretariatsbeschäftigte anzubieten und diese bei der Eingruppierung zu berücksichtigen. Ein Beispiel dafür ist der FU-eigene FabHo-Zertifikatskurs „Fachbeschäftigte*r in der Hochschulverwaltung“.

Was die Eingruppierung betrifft, so setzen sich einzelne Fachbereiche bereits für eine Höhergruppierung von E6- und E7-Stellen ein oder schreiben Nachbesetzungen in Sekretariaten als E8-Stellen aus. Bislang fehlt der Freien Universität jedoch eine institutionelle Gesamtstrategie, um Entgeltgerechtigkeit in den Hochschulsekretariaten herzustellen und dieses Berufsfeld aufzuwerten, finanziell und ideell. Angesichts des absehbaren Fachkräftemangels im Berufsfeld Sekretariat erscheint diese gleichstellungspolitische Leerstelle nicht nur für die Betroffenen von Nachteil, sondern mittelfristig auch für die Institution riskant. So prognostiziert der IHK-Fachkräftemonitor 2021 für Berlin im Jahr 2035 einen relativen Fachkräfteengpass von 37,5 % im Sekretariatsbereich, d.h. die Nachfrage nach entsprechenden Fachkräften wird der Prognose zufolge um mehr als ein Drittel über dem Angebot liegen. Annähernd 43.000 Sekretariatskräfte könnten demnach allein in Berlin fehlen. Der Wettbewerb um die „besten Köpfe“ steht also auch im wissenschaftsunterstützenden Bereich ins Haus, wenn er nicht längst schon Realität ist. Um das grundlegende wissenschaftsunterstützende Tätigkeitsfeld Hochschulsekretariat längerfristig personell abzusichern, täte die Freie Universität daher gut daran, eine Strategie zu entwickeln, um in diesem Bereich systematisch gerechte Bezahlung zu etablieren.

„Fairnetzt Euch!“ Eine Kampagne für faire Arbeitsbedingungen und Entgeltgerechtigkeit

Hochschulsekretariate werden als wissenschaftsunterstützend bezeichnet. Wer aber unterstützt die Sekretärinnen der Hochschulen in ihrem Anliegen für gerechtere Bezahlung? Die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V. (bukof) tut es, insbesondere ihre Kommission Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung. Mit ihrer 2020 gestarteten Kampagne „Fairnetzt Euch!“ rief sie Mitarbeiterinnen in Hochschulsekretariaten auf, sich bundesweit zu vernetzen, und unterstützt sie in ihrem Anliegen nach einer leistungsgerechten Bezahlung. Im Rahmen dieser Kampagne veröffentliche die bukof das Positionspapier „Endlich Entgeltgerechtigkeit und faire Arbeitsbedingungen in Hochschulsekretariaten schaffen!“ Diese Stellungnahme haben zahlreiche Organisationen aus der Wissenschafts-, Gleichstellungs- und Arbeitspolitik gezeichnet. Im Zuge der Kampagne gründeten Gewerkschaftsmitglieder auch die Initiative „Hochschulsekretärinnen an der Freien Universität Berlin“.

Hochschulleitungen und Personalverantwortlichen gibt die bukof Handlungsempfehlungen für mehr Entgeltgerechtigkeit und faire Arbeitsbedingungen in Hochschulsekretariaten an die Hand, die die folgenden konkreten Maßnahmen aufzeigen:

  • Anpassung der Tätigkeitsbeschreibung
  • Modifizierung der Prozesse zur Arbeitsbewertung
  • Beachtung von transparenten, geschlechtergerechten Kriterien bei der Vergabe von Leistungskomponenten
  • Aufwertung des Berufsbildes und Sensibilisierung für das Thema
  • Änderung der Berufsbezeichnung

Diese Handlungsempfehlungen führen zurück zum Equal Pay Day. Denn ihre Umsetzung, vor allem in der Beschreibung des Aufgabenkreises (BAK), in Tätigkeitsbewertung und Eingruppierung, kann letztendlich dazu beitragen, den Gender Pay Gap zu verringern. Damit wäre ein wichtiger Schritt getan, um Geschlechtergerechtigkeit für diese auch gleichstellungspolitisch oft vernachlässigte Beschäftigtengruppe zu verwirklichen.

Michaela Volkmann, Referentin Öffentlichkeitsarbeit, für das Team Zentrale Frauenbeauftragte

Ein Gedanke zu „Equal Pay: Hochschulsekretariate aufwerten!“

  1. Sehr gut beschrieben im Artikel und so wahr. Ich bin seit über 20 Jahren „Sekretärin“. Die Arbeit ist wahnsinnig vielfältig. Drittmittel, Haushaltsgelder, Anträge auf Einstellungen, Ausschreibungen, Weiterbeschäftigung, Arbeitszeitänderung, Gasteinladungen, Betreuung von Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, den/die eigene/n Hochschullehrer*innen. Psychologische Hilfestellungen der Kollegen*innen, und dann kommt die Betreuung des leiblichen Wohls der/des Hochschullehrers/in dazu. Das Ganze macht man in der Arbeitszeit von 50%. Anerkennung ist recht selten. Es ist ja schließlich unsere Arbeit (Ironie aus). Die Bezahlung ist ziemlich mau, so dass sich viele Sekretär*innen noch eine zweite 50% Stelle suchen müssen um über die Runden zu kommen. Meine Meinung dazu: E8-Stellen für uns und Beschreibung unserer Arbeit als „Verwaltungs(fach)angestellte“ statt Sekretärin. Ich möchte dazu sagen, dass ich diesen Beruf sehr gerne und mit ganzem Herzen mache.

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