„Wie der Girls’Day mir den Berufsweg wies“

Selma Tabak-Balks, ehemalige studentische Mitarbeiterin im Team Zentrale Frauenbeauftragte, berichtet über die Rolle des Mädchen-Zukunftstags für ihren beruflichen Werdegang. Bis 2018 organisierte sie den Girls’Day an der FU. Heute arbeitet sie bei der IG Metall. Schülerinnenförderung und MINT-Berufsorientierung sind ihr nach wie vor eine Herzensangelegenheit.


Der Girls’Day kann Berufswahl und Berufsweg beeinflussen – nicht nur durch die Teilnahme an den Workshops während dieses einen Aktionstages im Jahr. Auch die Mitarbeit hinter den Kulissen des Girls’Days – in diesem Fall an der Freien Universität – kann den Berufsweg prägen. So war es bei mir. 2014 wurde ich studentische Mitarbeiterin im Team Zentrale Frauenbeauftragte der Freien Universität. Dieses Team organisiert und koordiniert zentral den Girls’Day an der FU in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Fachbereichen und Instituten und vor allem mit den dezentralen Frauenbeauftragten.

Über 1.000 Schülerinnen kamen 2015 zum Girls’Day an die Freie Universität

Zunächst musste unsere Girls’Day-Website zielgruppengerecht gestaltet werden. Die Schülerinnen sollten schließlich über diese Website Workshops auswählen, die ihrem Interesse entsprechenden, und den Weg zum jeweiligen Fachbereich finden. Dafür war unter anderem das Team Zentrale Frauenbeauftragte zuständig. Und ich als studentische Mitarbeiterin war Teil dieses Teams. Die zentrale Frauenbeauftragte Mechthild Koreuber übertrug mir 2015 nahezu die volle Verantwortung für die Organisation des Girls’Day. Dies war für eine studentische Mitarbeiterin, die nebenbei ihren Master in Geisteswissenschaften machte, nicht selbstverständlich. Zudem erhielt ich die volle Unterstützung des Teams. Dies war für mich im ersten Moment zwar eine große Herausforderung, wurde aber auch zu einem großen Erfolg: 2015 kamen bereits über 1.100 Schülerinnen zum Girls’Day an die FU. Dies war einer der größten Girls’Day bundesweit – und damals eine reine Präsenzveranstaltung.

Es war für mich immer wieder überraschend zu sehen, wer und vor allem wie viele Personen hinter den Kulissen mitarbeiteten, was für spannende und interessante Workshops den Schüler*innen angeboten wurden und schließlich wie begeistert und zufrieden die Schülerinnen den Campus nach diesem Tag verließen. Mit diesem Angebot in den MINT-Fächern konnten wir das Berufswahlspektrum der Schüler*innen – jenseits der Geschlechterklischees – erweitern und sichtbar machen.

Giveaways für den Girls’Day 2015 in Präsenz

Ich möchte hier nur einige meiner Aufgabenbereiche nennen, da diese Tätigkeit sehr vielseitig war.  Zu den Aufgaben zählten Öffentlichkeitsarbeit sowie die Betreuung der Girls’Day-Anmeldeplattform, die Beratung von Schüler*innen und deren Eltern, die Organisation und Durchführung von Schulungen, die Organisation des Workshopangebots, verteilt über viele Fachbereiche, sowie die gesamte Evaluation. Besonders hervorheben möchte ich die verschiedenen Kompetenzen und Erfahrungen, die ich bewusst und unbewusst erworben habe. Ich sammelte Erfahrungen in den Bereichen Gleichstellungsarbeit und Diversity, Projekt- und Veranstaltungsmanagement, Budgetverwaltung, zielgruppengerechte Kommunikation, Gremienarbeit. Und ich lernte Hochschulstrukturen sowie Hochschulsteuerungsinstrumente kennen.

Ich entwickelte ein hohes Verantwortungsbewusstsein, systematisches, analytisches Denken und methodisches Arbeiten sowie Flexibilität, Belastbarkeit, Kreativität, Kommunikations- und Teamfähigkeit. Für all das bin ich sehr dankbar, da ich diese Eigenschaften während meines Studiums in keinem Kombifachbereich hätte lernen oder erwerben können.  Ich bewegte mich mit der Arbeit für den Girls’Day in einem ganz anderen, bisher nicht anvisiertem Berufsfeld. Gerade deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, neben dem Studium berufliche Erfahrungen zu sammeln, die das eigene Berufsspektrum erweitern.

Mein Arbeitsschwerpunkt wurde sozusagen ein ganzjähriger Girls’Day

Mit der Organisation des Girls’Day erwarb ich Kompetenzen, die mich nahtlos zur nächsten Stelle geführt haben und zwar zu einem Ausbildungszentrum eines Energie- und Automatisierungstechnikkonzerns. Hier stellt sich gleich die Frage, was macht eine Geisteswissenschaftlerin in einem Automatisierungskonzern? Ich wurde Projektleiterin des vom Land Berlin geförderten Projektes „girlsatec – junge Frauen erobern technische Berufe“. Das Projekt zielt darauf ab, das Spektrum der Berufswahl für junge Frauen zu erweitern und ihr Interesse für gewerblich-technische Berufe zu wecken. Gleichzeitig beabsichtigt das Projekt, die beruflichen Chancen und Perspektiven für junge Frauen in diesem Bereich aufzuzeigen. Ein zentrales Element sind hierbei Praxisangebote zur Erprobung technischen Arbeitens.

Selma Tabak-Balks, 2014-2018 studentische
Mitarbeiterin im Team Zentrale Frauenbeauftragte
Foto: privat

Ich setzte also Schülerinnenförderung und Berufsorientierung im MINT-Bereich, vor allem im gewerblich-technischen Bereich, fort. Mein Arbeitsschwerpunkt wurde sozusagen ein ganzjähriger Girls’Day. Dabei lag der Fokus auf der dualen Berufsausbildung in der Metall- und Elektroindustrie. Sehr froh war und bin ich, dass ich meine Erfahrungen aus der Arbeit an der FU, insbesondere im MINT-Bereich, nun auch im gewerblich-technischen Bereich nutzen konnte, da Frauen hier noch stärker unterrepräsentiert sind. Der Alltag in einer Werkstatt oder in einer Produktionshalle ist um einiges anders als der an der Hochschule und in der Wissenschaft.

Bei girlsatec organisierte ich neben den mehrmals im Jahr stattfindenden Technik-Camps auch Schulbesuche, Berufsorientierungsangebote, Seminare sowie Angebote für Eltern, Lehrkräfte und gewerblich-technische Unternehmen. Zudem betreute ich die girlsatec-Botschafterinnen und bot für sie Workshops, Seminare und Coaching an. Diese Botschafterinnen sind die tragende Säule des Projektes. Das Projekt beruht auf der Annahme, dass es jungen Frauen oft an weiblichen Vorbildern im Bereich der Metall- und Elektrobranche fehlt. Die girlsatec-Botschafterinnen – selbst Auszubildende oder ausgelernte Fachkräfte in der Metall- und Elektrobranche – wollen diese Vorbilder für Schülerinnen sein. Ihre Berichte von positiven Erfahrungen oder Entscheidungshilfen sollen anderen jungen Frauen die Entscheidungsmöglichkeit bieten, die auch unsere Botschafterinnen hatten, sowie die Klischees über Frauen und Technik aufbrechen. Sie sind überzeugt von ihrer Berufswahl und möchten diese Begeisterung an andere weitergeben. Es ist toll, diese Frauen von der Ausbildung bis zur Entwicklung als Ausbilderinnen, Ingenieurinnen, Technikerinnen oder Qualitätsmanagerinnen zu begleiten.

Löten, programmieren und Solarflieger bauen wurden auch Teil meiner Agenda, und ich gab dieses Wissen an Schülerinnen weiter, obwohl ich das nicht studiert habe. Das Projekt wurde 2019 vom Verein Innovative Berufsbildung mit dem Hermann-Schmidt-Preis ausgezeichnet. Insbesondere der ehrenamtliche und herausragende Einsatz der girlsatec-Botschafterinnen wurde als beispielhaft hervorgehoben und trug maßgeblich dazu bei, dass girlsatec diesen Preis erhielt. Abschließend kann ich sagen, dass bei mir eins zum anderen führte.  Das Thema Frauenförderung – vor allem Schülerinnenförderung und MINT-Berufsorientierung – wurde zu meinem Beruf und bleibt weiterhin eine Herzensangelegenheit für mich. Ohne die Girls’Day-Organisation im Team Zentrale Frauenbeauftragte wäre ich nicht da, wo ich heute bin.

Selma Tabak-Balks, ehemalige studentische Mitarbeiterin im Team Zentrale Frauenbeauftragte, Projektsekretärin/Mentorencoach Transferprojekt „Weiterbildungsmentor*innen“ bei der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen

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