Nachdem Bob Dylan letzten Oktober den Literaturnobelpreis zuerkannt bekam (biblioblog berichtete), ließ sich der US-amerikanische Singer-Songwriter viel Zeit, mit der Nobelpreisakademie in Kontakt zu treten. Erst zwei Wochen später gab Dylan an, dass der Preis eine Ehre für ihn sei. Eine Absage für die offizielle Nobelpreisverleihung am 10. Dezember folgte Anfang April ein Treffen mit den Akademiemitgliedern in Stockholm – Dylan hatte sich für ein Konzert in der schwedischen Hauptstadt befunden.
Doch um die acht Mio. schwedische Kronen (ca. 817.000 EUR) an Preisgeld zu behalten, fehlte noch die obligatorische Preisrede, die der Laureat zu halten hat. Im Falle von Bob Dylan war der 10. Juni Stichtag. Seit Anfang der Woche ist seine Nobel Lecture nun endlich via nobelprize.org und auch als Audiodatei via Soundcloud verfügbar. Mit seiner rauen, rhythmischen Stimme sprach der Musiker unter Jazz-Klavierklängen den Text selber ein und gibt u. a. Herman Melvilles Moby Dick, Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues und Homers Odyssee als ihn prägende Bücher an.
Der Nobelpreis für Literatur geht dieses Jahr an Bob Dylan, wie am Donnerstag das Nobelpreis-Komitee in Stockholm bekannt gab. Der amerikanische Sänger, Songwriter, Gitarrist und Schauspieler erhält die Auszeichnung für seine „neuen poetischen Ausdrucksformen innerhalb der großen amerikanischen Song-Tradition“, so die offizielle Begründung.
Bob Dylan wurde 1941 als Robert Allen Zimmerman in Minnesota geboren, seine Familie hat ukrainisch-jüdische Wurzeln. Er begann ab den 1960er-Jahren inspiriert durch die Folkmusiker Pete Seeger, The Kingston Trio und Woody Guthrie sich der Arbeit als Musiker im New Yorker Stadtteil Greenwich Village zu widmen. Seinen Namen änderte er 1962 in Bob Dylan, wahrscheinlich als Hommage an den von ihm verehrten walisischen Schriftsteller Dylan Thomas (1914-1953). Mit LPs wie The Freewheelin (1963) prägte Dylan musikalisch die politisch-liberale Aufbruchstimmung in den USA der 60er-Jahre.
Ab 1965 wandte er sich der elektrifizierten Rockmusik zu und konzentrierte sich in Konzerten auf re-inszenierte Song Poetry, die ihn vor allem bekannt machte. Seitdem hat der einflussreiche und wandlungsfähige Textautor, Komponist und Interpret mehr als 40 Musikalben veröffentlicht, sowie literarische Veröffentlichungen und Filme (vgl. Munzinger Online/Kindlers Literatur-Lexikon). Seine Never Ending Tour hat den mehrfachen Grammy-Preisträger Dylan mehrmals um den Erdball geführt, angeblich ab 2001 mit dem gewonnenen Oscar für den Song Things Have Changed aus Curtis Hansons Spielfilm Die WonderBoys auf der Bühne. Nun kann er auch die goldene Nobelmedaille mit auf Tour nehmen.
2016 waren insgesamt 220 AutorInnen für den Literaturnobelpreis nominiert. Die Auszeichnung an Dylan kann durchaus als Überraschung gewertet werden. Bei bekannten Wettanbietern hatten in den vergangenen Tagen Namen wie der Kenianer Ngũgĩ wa Thiong’o, der Japaner Haruki Murakami oder der syrisch-libanesische Lyriker Adonis vorne gelegen. Dylan war eher im Mittelfeld zu finden gewesen. Nachdem im letzten Jahr mit der Weißrussin Swetlana Alexijewitsch erstmals die literarische Reportage und Collage als preiswürdig erachtet wurde, hat nun erstmals in der Geschichte ein Musiker den Literaturnobelpreis erhalten. Das Nobelpreis-Komitee geht neue Wege, was eventuell auch an Sara Danius liegt. Die schwedische Literaturwissenschaftlerin (* 1962) obliegt seit Juni 2015 der Vorsitz des achtzehnköpfigen Auswahlgremiums. Laut Danius schreibe Dylan „Poesie fürs Ohr, aber man kann seine Werke auch wunderbar als Poesie lesen“ (vgl. Spiegel Online).
Die Preisübergabe an die Laureaten erfolgt alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels.