Verspäteter Fernsehtipp

Am Montagabend sendete Arte ein sehenswertes Porträt über Eugen Ruge. Der Berliner Autor, der 2011 den Deutschen Buchpreis für seinen semi-autobiographischen Roman In Zeiten des abnehmenden Lichts gewann (Biblioblog berichtete), wurde seit 2009 von dem Filmemacher Arpad Bondy begleitet. Neben Einblicken in Ruges Schreibprozess, der am liebsten mit dicken Ohrenschützern am Laptop arbeitet, gewährt die Dokumentation auch einen seltenen Blick hinter die Kulissen des Rowohlt Verlags (inkl. Verkaufsverhandlungen, Layout- und Pressearbeit).

Die Dokumentation Eugen Ruge – eine Familiengeschichte wird zum Bestseller kann man sich noch die nächsten Tage kostenfrei auf ARTE+7 ansehen. Ruges Erfolgsroman ist im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden.

Bild: Lesekreis (CC-Zero)

Im Angesicht des Verbrechens

Passend zum vorangegangenen Beitrag SOKO „Buch“ ein Fernsehtipp für den heutigen Dienstag Abend, bei dem zwar Berlin die Hauptrolle spielt, es aber wohl nicht um Bücher geht: „Im Angesicht des Verbrechens“ von Dominik Graf. Irgendwo zwischen Polizeithriller und Familiensaga angesiedelt, erzählt der Zehnteiler von einem jungen Polizisten, jüdisch-lettischer Abstammung, der in Berlin in einen Bandenkrieg zwischen Zigarettenschmugglern und Zuhältern gerät. „Die Serie zeigt die Lebenswelt unterschiedlicher Ethnien in der Stadt, die alle versuchen, mit ihren hergebrachten Regeln und Gesetzen in der Metropole Berlin zu überleben“, verspricht der Fernsehsender.

Genauso abenteuerlich wie der Kurzinhalt liest sich die Produktionsgeschichte. Bereits für Herbst 2009 war eine Ausstrahlung angekündigt worden, dann verschuldete sich die Produktionsfirma. Regisseur Dominik Graf weigerte sich das Drehbuch zu ändern, so feierte man erst im Februar 2010 Premiere – dafür immerhin auf der Berlinale. Die Kritiker in den heutigen Feuilletons titeln voll des Lobes: von einer „meisterhaften TV-Serie“ (Tagesspiegel), von „dicht, komplex, großartig“ (taz) bis hin zu einem „Nie war die Russenmafia so cool wie auf Arte“ (Welt) ist zu lesen. Ab heute Abend kurz nach zehn kann sich auch der „gemeine Fernsehzuschauer“ ein Urteil bilden, wenn die beiden ersten Teile ausgestrahlt werden.

Dominik Graf gilt als einer der vielseitigsten deutschen Regisseure. Sein Spielfilmdebüt gab er 1982 mit „Das zweite Gesicht“, in dem sich ein junger Mann in eine Bibliothekarin (gespielt von Greta Scacchi) verliebt, die von unerklärlichen Erinnerungen gequält wird (nein, es waren keine verstellten Bücher ;)). Seither hat er an über 30 Film- und Fernsehproduktionen gearbeitet und acht Grimme-Preise einheimsen können, zuletzt dieses Jahr für die Friedrich-Ani-Fernsehproduktion Kommissar Süden und der Luftgitarrist.

Ein Daumen für Fritz Lang

Gestern starteten die 60. Filmfestspiele von Berlin. Während in den nächsten zehn Tagen neue Produktionen aus Europa, Amerika und Asien um den Goldenen Bären wetteifern werden, zählt die heutige Wiederaufführung des Films „Metropolis“ von Fritz Lang (Bild) zu den Höhepunkten der diesjährigen Berlinale. Wer sich keine Karten für die Galavorstellung im Berliner Friedrichstadtpalast sichern konnte und wem die Temperaturen für die Freiluftübertragung am Brandenburger Tor zu eisig sind, der kann es sich heute Abend auch auf der heimischen Couch bequem machen – Arte überträgt den wahrscheinlich berühmtesten deutschen Stummfilm zeitgleich ins deutsche Fernsehen.

Vor 83 Jahren hatten Publikum und Kritiker den Film noch anders aufgenommen. Anfang Januar 1927 hatte „Metropolis“ im Berliner Ufa-Palast am Zoo mit einer Lauflänge von knapp zweieinhalb Stunden seine Premiere gefeiert. Mit Produktionskosten von fünf Mio. Reichsmark galt Fritz Langs Regiearbeit als teuerster deutscher Stummfilm der bis dahin gedreht wurde – 310 Drehtage, 36.000 Komparsen und 620.000 Meter Negativfilm waren u. a. für die Fertigstellung nötig gewesen.

Die Geschichte um ausgebeutete Arbeiter einer unterirdischen Stadt, die unter der Führung einer jungen Frau (gespielt von Brigitte Helm) gegen die Oberschicht rebellieren, wurde jedoch von der Kritik verrissen. „Der Film verabreicht in ungewöhnlicher Konzentration nahezu jede überhaupt mögliche Dummheit, Klischee, Plattheit und Kuddelmuddel über technischen Fortschritt überhaupt, serviert mit einer Sauce von Sentimentalität, die in ihrer Art einzigartig ist“, so beispielsweise der Science-Fiction-Pionier H. G. Welles in einer Kritik in der Frankfurter Zeitung (zitiert nach Großes TV-Spielfilm-Filmlexikon).

Nachdem der Film vier Monate ohne Erfolg in den Berliner Kinos gelaufen war, wurde „Metropolis“ von 153 auf 118 Minuten gekürzt, Teile der Handlung wurden umgearbeitet, aber ebenfalls ohne Erfolg in Deutschland veröffentlicht. Wider Erwarten avancierte der Film jedoch in den folgenden Jahrzehnten zum Meilenstein des Science-Fiction- und expressionistischen Film und wurde 2001 von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt. Der Film sei „ein Psychogramm oder eine Fieberkurve der späten 20er-Jahre“, so der Filmwissenschaftler Thomas Elsaesser (vgl. film-dienst 11/2002 via Munzinger Online). Die ursprünglichen Originalkopien blieben aber weiterhin verschollen.

Eine davon war 1927 in den Besitz des Argentiniers Adolfo Z. Wilson gelangt, die über einen Kritiker und eine Kulturstiftung in den Bestand des Museo del Cine in Buenos Aires wanderte. Da die damalige Nitrokopie im 35-mm-Format leicht entflammbar war, wurde ein Duplikatnegativ auf 16-mm-Film erstellt, das erst 2008 „wiederentdeckt“ wurde – ein Filmkritiker hatte sich gegenüber einem Filmwissenschaftler beschwert, wie anstrengend es bei den zweistündigen Vorführungen gewesen sei, den Daumen auf den beschädigten Filmstreifen zu halten.

Nur ein halbes Jahr blieb den Restauratoren in Deutschland Zeit. Das Ergebnis kann man heute Abend begutachten, obwohl zur Original-Premierenfassung noch immer ein paar Minuten fehlen. Gleich nach dem Spielfilm informiert auf Arte der Dokumentarfilm „Die Reise nach Metropolis“ über die abenteuerliche Restaurierung. Wer Geschmack an Fritz Langs Regiearbeit gefunden hat, der kann noch bis 25. April die Ausstellung „The Complete Metropolis“ im Museum für Film und Fernsehen besuchen.

Medien zu „Metropolis“ im Online-Katalog der Freien Universität Berlin

Danke für das Bild an WikiCommons!