Dorothee Elmiger gewinnt Deutschen Buchpreis 2025

Bildquelle: © Christof Jakob

Anfang dieser Woche ist im Frankfurter Römer der Deutsche Buchpreis für den besten „Roman des Jahres“ verliehen worden. War 2024 noch die Leipzigerin Martina Hefter (Hey guten Morgen, wie geht es dir?) erfolgreich, ging die Auszeichnung des Deutschen Buchhandels nun an Dorothee Elmiger für Die Holländerinnen (im Bibliotheksportal Primo vormerkbar). Der Titel erschien im August im Hanser Verlag. Die Schweizer Autorin und Übersetzerin, die mittlerweile in New York lebt, ist keine Unbekannte für unsere Hochschule – sie studierte Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität Luzern und der Freien Universität Berlin und war im Wintersemester 2021/22 Samuel-Fischer-Gastprofessorin.

Protagonistin in Elmigers Roman ist eine namenlose Schriftstellerin, die sich mit einem Theaterregisseur und Gefolge auf eine Expedition nach Panama begibt. Anlass für die Reise ist der (tatsächlich zugetragene) mysteriöse Tod zweier niederländischer Touristinnen, die im Jahr 2014 der „Pianista Trail“ zum Verhängnis wurde (vgl. englischsprachigen Wikipedia-Artikel). Je tiefer es für die Gruppe um die Autorin in den Dschungel geht, desto mehr verliert sie ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Um das Unbegreifliche für die Leser*innen erfahrbar zu machen, griff Elmiger in ihrem 160-seitigen Text häufig zum Konjunktiv. Sie interessierte das „Nicht-Wissen“ und verbindet in ihrem Roman Collagen, Zitate und Fragmente. Die Literaturkritik zog Vergleiche zu Joseph Conrads Herz der Finsternis sowie zu Werken W. G. Sebalds, True-Crime-Büchern, Filmen Werner Herzogs und sogar zum Horrorstreifen Blair Witch Project. Aufgrund des großen Interesses nach der Preisverleihung ist Die Holländerinnen zeitweise nicht lieferbar.

„Je tiefer sie sich im Dickicht und Morast verläuft, desto mehr reißt Elmiger die Leser*innen in einen Sog der Angst. Ihr Roman erzählt von Menschen, die in ihr ‚dunkelstes Gegenteil‘ verfallen. Indirekt ist dabei nicht nur Elmigers Sprache, sondern auch ihr Verweis auf unsere Gegenwart, die Schritt für Schritt in Selbstüberhebung versinkt. Elmigers Stil ist gleichzeitig distanziert und doch fesselnd. Die Holländerinnen – Ein faszinierender Trip ins Herz der Finsternis.“

Auszug aus der offiziellen Begründung der Buchpreis-Jury

Dorothee Elmiger darf sich über ein Preisgeld von 25.000 Euro freuen. Ihre fünf Mitfinalist*innen auf der Shortlist erhalten jeweils 2.500 Euro, darunter der mitfavorisierte FU-Alumni Thomas Melle.

Für den Hanser Verlag ist es die zweite Ehrung nach Arno Geigers Es geht uns gut, der bei der ersten Verleihung 2005 siegreich war. Werke von den mehrfach in der Vergangenheit ausgezeichneten Verlagen Suhrkamp, Rowohlt oder S. Fischer waren für die Shortlist unberücksichtigt geblieben.

Die Jury bestand aus sieben Mitgliedern, v. l. n. r.: Laura de Weck (Schweizer Radio und Fernsehen), Kathrin Matern (Buchhändlerin), Friedhelm Marx (Universität Bamberg), Shirin Sojitrawalla (freie Kritikerin), Jürgen Kaube (FAZ), Maria Carolina Foi (Universität Triest) und Lara Sielmann (Deutschlandfunk Kultur) / (Bildquelle: Mo Wüstenhagen)

Beginn der Frankfurter Buchmesse und Ehrung für Karl Schlögel

Traditionell startet zwei Tage nach der Verleihung des Deutschen Buchpreises die Frankfurter Buchmesse. Bis 19. Oktober werden 200.000 Besucher*innen und mehr als 1000 Autor*innen erwartet. Über 4000 Aussteller aus 95 Ländern sind für die 77. Auflage gemeldet. Gastland dieses Jahr sind die Philippinen.

Am letzten Messetag wird außerdem in der Frankfurter Paulskirche dem deutschen Historiker und Essayisten Karl Schlögel der Friedenspreis des deutschen Buchhandels überreicht. Laut Jurybegründung habe er als einer der Ersten „vor der aggressiven Expansionspolitik Wladimir Putins und seinem autoritär-nationalistischen Machtanspruch gewarnt“. Im Jahr 2018 wurde sein Sachbuch Das sowjetische Jahrhundert mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Schlögel mahnt, dass es „ohne eine freie Ukraine […] keinen Frieden in Europa geben“ könne. Viele seiner Werke sind in Primo als E-Book vorrätig.

Schlögel studierte ab 1969 an der Freien Universität Berlin osteuropäische Geschichte, Philosophie, Soziologie und Slawistik. 1981 promovierte er dort auch zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Arbeiterkonflikte in der poststalinistischen Sowjetunion.

Liao Yiwu mit Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet

Zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am Sonntag ist Liao Yiwu mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Der chinesische Schriftsteller nahm die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung in der Frankfurter Paulskirche entgegen. Die Laudatio auf ihn hielt die deutsche Journalistin und Schriftstellerin Felicitas von Lovenberg. Liao liefere „einen ernüchternden und verstörenden Blick auf das moderne China“, so von Lovenberg, und lobte sein Werk als „Literatur-verdichtete Oral History Chinas“. Er schildere Hunger, Schmerz, Angst oder Einsamkeit aus bitterster eigener Erfahrung und müsste nichts hinzudichten oder übertreiben, so von Lovenberg.

Unendlich großer „Müllhaufen
Liao Yiwu selbst erinnerte in seiner Preisrede unter anderem wiederholt an das Tian’anmen-Massaker von 1989, den Bau der chinesischen Mauer sowie Mao Zedongs berüchtigte Kulturrevolution mit Millionen Toten. „Wir sind keine Dichter mehr, wir sind Zeugen der Geschichte.“, zitierte Liao Yiwu einen Dichter, den er im Jahr 1989 nach dem Massaker getroffen hatte. Seitdem hätte die Verelendung zugenommen. Die Menschen würden immer weiter abstumpfen, konträr zum stetigen wirtschaftlichen Aufschwung in China. „Mit jedem Todesstoß steigen die Bilanzen der Wirtschaft […] Die Henker triumphieren, weil das ganze Land zu ihrem Sklaven geworden ist.“, so Liao Yiwu über das heutige Profitdenken in seiner Heimat. Das chinesische Großreich, „dieser unendlich große Müllhaufen“ müsse auseinander brechen, so der Preisträger, der zum Abschluss das Klagelied der betroffenen Mütter des Tian’anmen-Massakers aufführte.

Der Sohn eines während der chinesischen Kulturrevolution verfolgten Intellektuellen wurde 1958 in der Provinzhauptstadt Sichuan geboren und wuchs unter ärmlichen Bedingungen auf. Obwohl Liao Yiwu der Universitätsbesuch verweigert wurde, gelang dem wortgewandten Dichter in den 1970er-Jahren mit seiner Lyrik der Aufstieg zum Staatsschriftsteller. Aufgrund seines westlichen Schreibstils kritisch von der Regierung beäugt, zog er sich den Zorn des Regimes 1990 durch sein episches Gedicht Massaker zu. In diesem verurteilte er das im Jahr zuvor begangene Tian’anmen-Massaker.

Vom Dichter zum Reportageschriftsteller
Ab den 1990er Jahren wandelte sich Liao Yiwu als politischer Häftling zum Reportageschriftsteller und beschrieb in dem spät veröffentlichten Buch Für ein Lied und hundert Lieder (2011) die Einzelschicksale von Mithäftlingen (vormerkbar in der Universitätsbibliothek). Von der Kritik mit Paul Celans Gedicht Todesfuge verglichen, hatte er es dreimal neu schreiben müssen, da das Manuskript mehrfach durch chinesische Behörden beschlagnahmt worden war. Internationale Bekanntheit erlangte er durch Fräulein Hallo und der Bauernkaiser (2008), in dem Liao Yiwu Interviews mit „Chinas Gesellschaft von unten“, wie Wanderarbeitern, Kloputzern, Bauern, Prostituierten oder auch politischen Flüchtlingen aus seiner Heimatregion sammelte (ausleihbar in der Sozialwissenschaftlichen Bibliothek). Im Juli 2011 reiste der prominente Regimekritiker eigenen Angaben zufolge legal aus China aus und lebt seither im deutschen Exil.

Vor der Preisverleihung kritisierte Liao Yiwu in einem Interview mit Spiegel Online die diesjährige Zuerkennung des Literaturnobelpreises an seinen Landsmann Mo Yan. Er sei „fassungslos“ über die Auszeichnung für den „Staatsdichter“. Liaos Freunde in China würden sich fragen, „ob sich der Westen als Verlängerung, als Erweiterung des chinesischen Systems“ verstehe. Bereits zuvor hatte der bekannte Künstler Ai Weiwei Kritik über die Nobelpreisvergabe an Mo Yan geäußert (vgl. Zeit Online).

Bild: Elke Wetzig/Elya (Lizenz: GFDL/CC-BY-SA-3.0)

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht an Liao Yiwu

Mutig – wie der Stiftungsrat bekanntgab, geht der diesjährige Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Liao Yiwu. Die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung wird der chinesische Schriftsteller am 14. Oktober 2012 anlässlich der Frankfurter Buchmesse erhalten. Die Jury lobte Liao Yiwu in ihrer Begründung unter anderem als Schriftsteller und Dichter, „der sprachmächtig und unerschrocken gegen die politische Unterdrückung“ aufbegehre und „den Menschen am Rand der chinesischen Gesellschaft ein aufrüttelndes literarisches Denkmal“ setze.

Der Sohn eines während der chinesischen Kulturrevolution verfolgten Intellektuellen wurde 1958 in der Provinzhauptstadt Sichuan geboren und wuchs unter ärmlichen Bedingungen auf. Obwohl Liao Yiwu der Universitätsbesuch verweigert wurde, gelang dem wortgewandten Dichter in den 1970er Jahren mit seiner Lyrik der Aufstieg zum Staatsschriftsteller. Aufgrund seines westlichen Schreibstils kritisch von der Regierung beäugt, zog er sich den Zorn des Regimes 1990 durch sein episches Gedicht Massaker zu. In diesem verurteilte er das im Jahr zuvor begangene Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking (1989).

Ab den 1990er Jahren wandelte sich Liao Yiwu als politischer Häftling zum Reportageschriftsteller und beschrieb in dem spät veröffentlichten Buch Meine Zeugenaussagen Für ein Lied und hundert Lieder (2011) die Einzelschicksale von Mithäftlingen. Internationale Bekanntheit erlangte er durch Fräulein Hallo und der Bauernkaiser (2008), in dem Liao Yiwu Interviews mit „Chinas Gesellschaft von unten“, wie Wanderarbeitern, Kloputzern, Bauern, Prostituierten oder auch politischen Flüchtlingen aus seiner Heimatregion sammelte (ausleihbar in der Sozialwissenschaftlichen Bibliothek). Im Juli 2011 reiste der prominente Regimekritiker eigenen Angaben zufolge legal aus China aus und lebt seither im deutschen Exil.

Bild:Elke Wetzig/Elya (GFDL/CC-BY-SA-3.0)